JudikaturJustiz7Ob2165/96z

7Ob2165/96z – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Clemens K*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Dr.Wolfgang K*****, vertreten durch Dr.Georg Hesz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30.August 1995, GZ 45 R 463, 760/95-212, mit dem die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 15.November 1994, GZ 2 P 221/82-186, und vom 27.April 1995, GZ 2 P 221/82-204, bestätigt wurden, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs des Vaters wird, soweit er sich gegen die verweigerte Freigabe der Bezahlung der Honoraransprüche des Rechtsanwaltes Dr.H***** betreffend die Verfahren ***** Vr ***** und ***** Vr ***** des Jugendgerichtshofes Wien aus dem Vermögen des Minderjährigen wendet, keine Folge gegeben; soweit sich sein Revisionsrekurs gegen die Verpflichtung zu einer monatlichen Kostenersatzleistung von S 5.700,-- für die Zeit vom 17.3.1994 bis 18.10.1994 an das Land Wien wendet, wird er mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).

Text

Begründung:

Die Obsorge über den Minderjährigen wurde mit rechtskräftigem Beschluß vom 17.1.1985 (ON 23) dem Vater Dr.Wolfgang K***** übertragen, die Mutter Dr.Margit P***** war bis zuletzt zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von S 7.000,-- für den Jugendlichen an den Vater verpflichtet (ON 157). Der Jugendliche verfügt an Vermögen ein Sparguthaben bei der Bank Austria in der Höhe von ca. S 291.000,-- und bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse über S 46.000,--. Der Vater ist praktischer Arzt und Bahnbetriebsarzt und erzielte zuletzt ein monatliches Einkommen von S 33.386,--, ihn treffen Sorgepflichten für drei weitere Kinder. Die Mutter ist Zahnärztin, ihr derzeitiges Einkommen wurde nicht erhoben.

Der Minderjährige wurde 1992 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung straffällig und in den Verfahren ***** und ***** des Jugendgerichtshofes Wien deswegen verurteilt. Nach seiner Haftentlassung wurde er am 17.3.1994 von der Gemeinde Wien in das Jugendheim Eggenburg aufgenommen und war dort bis zu seiner neuerlichen Verhaftung wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung am 18.10.1994 untergebracht. Der Vater des Minderjährigen hat im Einverständnis mit der Mutter ohne vorherige Einholung einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung Dr.Georg H***** für die beiden erstgenannten Strafverfahren gegen den Minderjährigen mit dessen Verteidigung beauftragt. Dr.H***** begehrte zunächst persönlich vom Pflegschaftsgericht die Überweisung von S 171.438,10 an aufgelaufenem Honorar aus den beiden Sparguthaben des Minderjährigen; nach Zurückweisung dieses Antrages stellte der Vater diesen Antrag ohne weiteres Vorbringen; die Mutter stimmte dem Antrag zu. Der vom Erstgericht über Auftrag des Rekursgerichtes bestellte Kollisionskurator Dr.B***** sprach sich zwar grundsätzlich gegen eine Bezahlung der Verteidigungskosten aus dem Vermögen des Minderjährigen aus, da dieses dadurch zu mehr als der Hälfte aufgezehrt werde und der Minderjährige gemäß § 39 JGG die Möglichkeit einer kostenlosen Verteidigung gehabt hätte, zumal die Voraussetzungen des § 41 Abs.2 StPO vorlägen, und die Verpflichtung zur Zahlung der Verteidigungskosten zumindest das Fortkommen des Minderjährigen erschweren würde. Auf den besonderen Einzelfall bezogen kam der Kollisionskurator jedoch zum Ergebnis, daß der Jugendliche nach Erlangung seiner Volljährigkeit das Sparguthaben allenfalls nur für unsinnige Zwecke, womöglich neuerlich im Rahmen nationalsozialistischer Wiederbetätigung, verschleudern würde, und daß es besser sei, daß das Geld dem Anwalt zukomme. Weiteren Beauftragungen von Wahlverteidigern trat der Kollisionskurator aber generell entgegen.

Der Magistrat der Stadt Wien stellte den Antrag auf Verpflichtung des Vaters zu einer monatlichen Kostenersatzbeteiligung von 5.700,-- S für die Zeit der Unterbringung des Minderjährigen im Jugendheim Eggenburg vom 17.3.1994 bis 18.10.1994.

Das Erstgericht hat den Antrag des Vaters, die Kosten des Rechtsanwalts Dr.H***** aus dem Mündelgeld zu begleichen, abgewiesen (ON 186) und den Vater zu einer monatlichen Kostenersatzleistung von S 5.700,-- für die Zeit vom 17.3.1994 bis 18.10.1994 an die Gemeinde Wien verpflichtet (ON 204). Es begründete diese Entscheidung damit, daß die Einkommensverhältnisse beider Elternteile derart seien, daß sie auch für (wie hier gegeben) Sonderbedürfnisse des Minderjährigen aufzukommen hätten. Die Honorarforderungen Dris.H***** könnten grundsätzlich nur mit den Zinsen des Minderjährigen aus seinem Sparvermögen abgedeckt werden; ein derartiger Antrag sei vom Vater aber nicht gestellt worden. Darüberhinaus liege eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung für eine Bevollmächtigung Dris.H***** nicht vor, vielmehr wäre eine das Kindesvermögen schonendere Form der Verteidigung im Strafverfahren zu wählen gewesen.

Das Rekursgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung beide erstgerichtlichen Beschlüsse. Es erklärte die Erhebung des ordentlichen Revisionsrekurses für unzulässig. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Zum zweitangefochtenen Beschluß führte das Rekursgericht noch aus, daß der auferlegte Kostenersatzbetrag etwa 17 % des väterlichen Durchschnittsnettoeinkommens entspreche, sohin jenem Prozentsatz, der als Orientierungswert bei der Unterhaltsfestsetzung für den Minderjährigen unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten des Vaters heranzuziehen wäre. Da es sich beim Kostenersatz um einen Sonderbedarf des Minderjährigen handle, sei dieser Prozentsatz auch voll auszuschöpfen. Mit dem verbleibenden Einkommen seien die Unterhaltsansprüche der anderen Kinder sowie die Kosten des Vaters noch ausreichend gedeckt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den erstangefochtenen Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. Der Revisionsrekurs gegen den zweitangefochtenen Beschluß ist mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).

1. Zum Antrag des Vaters auf Begleichung der Verteidigungskosten Dris.H***** aus dem Mündelvermögen:

Wurde Dr.H***** vom Vater des Minderjährigen mit dessen Verteidigung "beauftragt" (Antrag vom 29.6.1994, ON 165) in dem Sinn, daß dies im Namen und auf Rechnung des Vaters geschehen ist, kann für die Bezahlung der Verteidigungskosten auf keinen Fall Mündelgeld herangezogen werden. Sollte allerdings der Vater diesen Verteidigungsauftrag als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen erteilt haben, bedurfte er im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanzen hiezu keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung (vgl. 6 Ob 662/76 sowie EFSlg 27.043). Der Obsorgeberechtigte hat bei Führung der Geschäfte seines Pflegebefohlenen, die dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb zuzurechnen sind, freie Hand, er ist nur bei Dispositivakten wichtiger Art, so vor allem bei Aufgabe von Rechten des Kuranden, an die gerichtliche Genehmigung gebunden. Eine solche Bindung besteht jedoch nicht, wenn es darum geht, die Rechte des Pflegebefohlenen zu verteidigen und Ansprüche dritter Personen abzuwehren. Hier hat der Obsorgeberechtigte nach pflichtgemäßem Ermessen selbständig zu handeln. Er kann sich daher, wenn er es zur wirksamen Verteidigung der bedrohten Rechte seines Kindes für notwendig erachtet, auch der Mitwirkung eines Rechtsanwaltes bedienen, ohne daß die Bevollmächtigung des Anwaltes der Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes bedürfte. Die mit der (notwendigen) Verteidigung des mündigen Minderjährigen verbundenen Rechtsanwaltskosten stellen grundsätzlich einen Sonderbedarf des Minderjährigen dar, der vorerst von den Unterhaltspflichtigen nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit zu tragen ist, und zwar sowohl von der geldunterhaltspflichtigen Mutter, als auch vom naturalunterhaltspflichtigen Vater (vgl ÖA 1995, 126 sowie Schwimann Unterhaltsrecht, 31). Das Kind ist nicht verpflichtet, den Unterhalt aus dem Stamm seines Vermögens zu bestreiten. Letzterer ist nur dann heranzuziehen, wenn zur Deckung der Unterhaltskosten die eigenen Einkünfte und die Unterhaltsleistungen der Eltern nicht ausreichen (vgl MGA ABGB34 § 140/350 f).

2. Zur Kostenersatzverpflichtung des Vaters gegenüber der Gemeinde Wien:

Die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes deckt sich mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Im übrigen kommt der Entscheidung der vorliegenden Rechtsfrage keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.