JudikaturJustiz7Ob189/99s

7Ob189/99s – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. September 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Klemens D*****, 2. Thomas D*****, und 3. Ing. L*****, die zweit- und drittklagende Partei vertreten durch Dr. Klemens Dallinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Harald Sch*****, vertreten durch Dr. Gerda Maler-Hutter, Rechtanwältin in Wien, wegen Feststellung (Streitinteresse S 200.000,-) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. März 1999, 12 R 23/99m-11, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 23. November 1998, 56 Cg 76/98b-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Ersatz der Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Vorauszuschicken ist, daß die Kläger in ihrem Rechtsmittel auf den Rechtsgrund für ihr im Klageschriftsatz gestelltes (und von den Vorinstanzen gleichfalls abgewiesenes) Eventualbegehren, nämlich Feststellung der Unwirksamkeit des Testamentes der Erblasserin Sieglinde Z***** vom 28. 11. 1993 (zugunsten des Beklagten) wegen fehlender Testierfähigkeit, nicht mehr zurückkommen. Damit liegt aber die einzige streiterhebliche Rechtsfrage zur vorliegenden Erbrechtsklage (im Sinne des noch aufrechten Hauptklagebegehrens) in der Auslegung dieser letztwilligen Verfügung der Erblasserin vom 28. 11. 1993, in der diese schriftlich verfügt hatte, daß der Beklagte "außer dem Haus in der W*****gasse 5, alle übrigen Liegenschaften erbt"; in einer früheren, mit 29. 8. 1986 datierten letztwilligen Verfügung hatte sie hingegen noch den Vater der nunmehrigen Kläger "zum Alleinerben ihres Vermögens" und in einem Nachtrag hiezu vom 14. 9. 1986 - worauf der Erbrechtstitel der Kläger gestützt wird - für den Fall, daß der Genannte "nicht erben könne oder wolle", dessen Kinder (die nunmehrigen Kläger) zu gleichen Teilen zu Erben eingesetzt; allerdings hatte die Erblasserin in der Zwischenzeit in einer weiteren schriftlichen Verfügung vom 10. 10. 1993 "jedweilige frühere Verfügung" zugunsten des Vaters der Kläger (aufgrund eines Zerwürfnisses der früher bestandenen langjährigen Freundschaft) ausdrücklich widerrufen und dem Beklagten Geld in Höhe von S 1,000.000,- sowie diverse Kunstgegenstände zugedacht. Darüber hinaus hatte sich die Erblasserin (allerdings nur mündlich, nicht auch in Schriftform) dahin geäußert, mit den Kindern des Dr. D*****, also den Klägern, "nichts mehr zu tun haben zu wollen".

Speziell weil die Erblasserin in ihrer zeitlich zuletzt verfaßten Verfügung vom November 1993 (wenige Tage vor ihrem Ableben am 5. 12. 1993) nicht nur die Formulierung "erben" gewählt, sondern überdies am Tag der Errichtung dieser Urkunde auch geäußert hatte, "ihre Sachen geregelt" haben zu wollen - was ein deutliches Indiz dafür darstelle, daß sie nicht nur eine abschließende, sondern auch umfassende Regelung ihrer Rechtsnachfolge angestrebt habe -, nahmen die Vorinstanzen übereinstimmend an, daß die Erblasserin damit den Beklagten zum Erben (und nicht bloß zum Legatar ihrer Nachlaßliegenschaften) einsetzen habe wollen, wobei hinsichtlich aller weiteren ins Treffen geführten Argumente zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche Begründung des Berufungsgerichtes verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 1. Satz ZPO).

Dem Berufungsgericht oblag damit die Aufgabe, durch Auslegung den wahren Willen der Erblasserin zu ermitteln, also was diese mit ihrer letztwilligen Verfügung (vom 28. 11. 1993) gemeint hat, insbesondere ob eine Erbeinsetzung (so die Vorinstanzen) oder nur ein Legat (so die Revisionswerber) vorliegt. Eine solche Auslegung stellt sich jedoch - wie der Oberste Gerichtshof bereits in der im zugrundeliegenden Verlassenschaftsverfahren ergangenen Entscheidung 9 Ob 28/98b ausgesprochen hat - regelmäßig als Frage des Einzelfalles dar und ist daher (von krassen Fehlbeurteilungen abgesehen) einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht zugänglich (stRsp:

NZ 1984, 130; RIS-Justiz RS0043485). Der Gesetzgeber hat nämlich keine starre Norm aufgestellt, wie ein Testament mit Erbseinsetzung bzw bei Vermächtniszuwendungen im Sinne des § 535 ABGB zu lauten hat; das Gesetz enthält für letztwillige Verfügungen auch keine allgemeinen Auslegungsvorschriften wie für Gesetze (§§ 6 ff ABGB) oder Verträge (§§ 914 f ABGB). Es ist vielmehr in jedem Einzelfall zu untersuchen, ob der Wille des Erblassers in der einen oder in der anderen Richtung ging, also ob Universalsukzession oder bloße Einzelrechtsnachfolge gewollt wurde (NZ 1984, 130; 6 Ob 885/82; RS0012244). Eine letztwillige Verfügung, die ihrem Inhalt nach die Auslegung als Testament zuläßt, ist dabei ungeachtet der Möglichkeit auch gegenteiliger Auslegung solange als Testament (mit Erbeinsetzung) zu behandeln, als nicht bewiesen wird, daß der Erblasser bei Errichtung der letztwilligen Verfügung eine Erbeinsetzung gerade nicht gewollt hat (2 Ob 694/87; 8 Ob 2130/96k); die Beweislast trifft hiebei den, der die Testamentseigenschaft bestreitet, also hier die Kläger (NZ 1984, 130; RS0012243), denen dieser Beweis jedoch schon auf Grundlage der vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr anfechtbaren Feststellungsebene mißlungen ist. Dabei stellt die letztwillige Erklärung allein auch nicht - wie dies die Revisionswerber versuchen - die einzige Quelle der Auslegung dar, es sind vielmehr auch außerhalb dieser Anordnung liegende Umstände aller Art, sonstige mündliche oder schriftliche Äußerungen sowie ausdrückliche oder konkludente Erklärungen des Erblassers zur Auslegung heranzuziehen und in die Überlegungen miteinzubeziehen (NZ 1989, 266; RS0012340, RS0012372). Im Zweifel ist - entgegen der Auffassung der Revisionswerber - eine solche letztwillige Verfügung stets als Testament mit Erbseinsetzung und nicht etwa als Kodizill mit der Anordnung von Vermächtnissen anzusehen (NZ 1989, 266) und soll - dem aus dem letzten Halbsatz des § 655 ABGB abgeleiteten favor testamenti Rechnung tragend - eine solche Auslegung möglichst so ausfolgen, daß der vom Erblasser beabsichtigte Erfolg eintritt (SZ 69/247).

Wenn eine nach allen diesen Kriterien vorgenommene Auslegung durch die Vorinstanzen unbedenklich ist, und nur durch eine allenfalls andere Auslegung ersetzt werden soll, kann von einer die Revisionszulassung nach § 502 Abs 1 ZPO rechtfertigenden Fehlbeurteilung noch nicht gesprochen werden (RS0043415). Die Feststellung des Bewußtseinsinhaltes und der Absicht der Erblasserin zur Zeit, da sie ihre Verfügung getroffen hat, ist dabei eine solche tatsächlicher Art, die im Revisionsverfahren ohnedies nicht mehr bekämpft werden kann (SZ 38/221, SZ 69/247, NZ 1989, 266; RS0043460). Dies gilt vorliegendenfalls damit auch für die - weitere und in die Überlegungen der Vorinstanzen miteingeflossene - Feststellung, daß die Erblasserin (trotz ihres Zerwürfnisses mit dem Vater der Kläger allein) auch mit dessen Kindern - mit denen ohnedies, seitdem sie erwachsen waren, nur loser Kontakt geherrscht hatte - "nichts mehr zu tun haben wollte" und daher durch ihre letztwillige Verfügung vom 28. 8. 1986 nicht nur die Erbseinsetzung des Vaters, sondern auch seiner drei Söhne widerrufen zu haben vermeinte.

Werden alle diese Grundsätze auf den hier zur Beurteilung anstehenden Rechtsfall übertragen, so zeigt sich, daß das Berufungsgericht allen diesen in ständiger Rechtsprechung entwickelten Auslegungsvorgaben gefolgt und in nicht zu beanstandender Weise den Willen der Testarin erforscht hat; dieser findet durch den Wortlaut ihrer letztwilligen Verfügung (vom 28. 11. 1993) auch seine Deckung (EFSlg 59.901). Durch dieses Ergebnis werden auch nicht - wie das Berufungsgericht in seinem die ordentliche Revision zulassenden Ausspruch vermeinte - frühere Judikate des Obersten Gerichtshofes, speziell zwei (ältere) Entscheidungen aus den 60er und 70er Jahren (JBl 1961, 189; NZ 1977, 121), "relativiert", unterscheiden sich doch beide Entscheidungen schon vom Sachverhalt her, nämlich den dort jeweils zugrundeliegenden schriftlichen letztwilligen Verfügungen der Erblasser, wesentlich vom hier vorliegenden Fall. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Vorentscheidung 9 Ob 28/98b, in welcher ebenfalls die letztwillige Verfügung der Erblasserin Z***** mit zu beurteilen war, auf die besondere Einzelfallproblematik bei der Auslegung des zu ermittelnden erblasserischen Willens aufmerksam gemacht, an welcher sich seither nichts Substantielles, insbesondere in Richtung einer über den Einzelfall hinausgehenden besonderen Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, geändert hat. Die Auslegung der Vorinstanzen, daß diese letztwillige Verfügung somit ein Testament mit Erbseinsetzung (des Beklagten) sei, ist im Sinne der dargestellten Rechtsprechung nicht zu beanstanden. Da die Kläger - wie gezeigt - in ihrem Rechtsmittel erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht aufzuzeigen vermögen, insbesondere nichts, woraus ein Verstoß gegen Denkgesetze oder (sonstige anerkannte) Auslegungsregeln abgeleitet werden könnte, ist ihr Rechtsmittel sohin zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Der Beklagte hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil er hierin auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels nicht hingewiesen hat (1 Ob 161/98b; 4 Ob 198/98s).

Rechtssätze
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