JudikaturJustiz7Ob136/21g

7Ob136/21g – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Februar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* G*, vertreten durch die Beurle Rechtsanwälte GmbH Co KG in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. H* W*, 2. I* W*, 3. M* K*, 4. C* K*, 5. B* L*, 6. K* L*, 7. H* L*, 8. F*, 9. H* N*, 10. G* P*, 11. G* H*, 12. C* H*, 13. R* K*, 14. L* P*, 15. E* P*, 16. G* R*, 17. D* E*, 18. A* H*, 19. F* S*, 20. G* H*, 21. S* K*, 22. H* W*, 23. R* P*, 24. E* R*, 25. K* K*, 26. R* M*, 27. M* L*, 28. A* R*, 29. J* G*, 30. F* G*, 31. K* S*, 32. A* R*, 33. C* W*, und 34. S* K*, 1. bis 18. , 21. , 23. bis 30. , und 32. bis 34. beklagte Parteien vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, 19. , 20. und 31. beklagte Parteien vertreten durch Dr. Manfred Pilgerstorfer, Rechtsanwalt in Wien, und 22. beklagte Partei vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Entfernung und Wiederherstellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 1. Juni 2021, GZ 4 R 18/21a 70, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Das Berufungsgericht ist nicht verpflichtet, sich im Rahmen der Überprüfung der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen mit jedem einzelnen Beweisergebnis beziehungsweise mit jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RS0043162). Ein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensverstoß bildet nur dann den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO, wenn er abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen, und sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge gar nicht oder nur so mangelhaft auseinandersetzt, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind (RS0043027 [T3], RS0043162 [T3], RS0042993 [T1], RS0043150 [T1]).

[2] 1.2. Die vom Revisionswerber behauptete Mangelhaftigkeit der Erledigung liegt hier nicht vor, weil sich das Berufungsgericht sowohl mit den allgemeinen beweiswürdigenden Überlegungen des Erstgerichts als auch mit den in der Berufung ins Treffen geführten Argumenten auseinandergesetzt hat und dies in seinem Urteil festhielt ( RS0043150 ).

[3] 2.1. Eine stillschweigende Erklärung im Sinne des § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vornehmlich aus diesem Verhalten und den Begleitumständen geschlossen wird. Sie kann in einer positiven Handlung (konkludente oder schlüssige Willenserklärung) oder in einem Unterlassen (Schweigen) bestehen (RS0109021). Die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen ist regelmäßig einzelfallbezogen und stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0109021 [T5, T6]).

[4] 2.2. Die Vorinstanzen haben das Begehren des Klägers auf Entfernung eines Überbaus einer auf dem Nachbargrundstück der Beklagten im Jahr 1978 errichteten Garage abgewiesen, wobei sie sich dazu nicht nur auf die Erfüllung der Voraussetzungen der Ersitzung einer Dienstbarkeit des Überbaus bezogen. Sie haben den festgestellten Sachverhalt erkennbar auch dahin beurteilt, dass die Voraussetzungen der schlüssigen Einräumung einer Servitut jedenfalls in Ansehung der nördlichen Grundstücksgrenze von Anfang an gegeben gewesen seien. Sie stützten sich dabei darauf, dass die (zunächst konsenswidrige) Errichtung des Grenzzauns in der Mitte der – 9 bis 12 cm auf dem Grund des Klägers errichteten – Mauer den Rechtsvorgängern des Klägers klar ersichtlich war, dass die Ergebnisse des Benützungsbewilligungsverfahrens den Rechtsvorgängern des Klägers übermittelt wurden sowie darauf, und die Rechtsvorgänger des Klägers als Grundeigentümer zwölf Jahre später auch einen Antrag auf baubehördliche Genehmigung unterfertigten, auf dem die Grundstücksgrenze mit mittig auf der Mauer angegeben wurde und weder sie noch der Kläger (zumindest bis 2010) Einwände gegen diesen Zustand erhoben hatten. Das Verhalten der Rechtsvorgänger des Klägers kann im Rahmen des den Gerichten im Einzelfall zukommenden Ermessensspielraums als Zustimmung zur Einräumung einer Servitut aufgefasst werden.

[5] 2.3. Auf die in der Revision erörterten Fragen der Redlichkeit als Voraussetzung der Ersitzung kommt es damit nicht an.

[6] 3.1. Auch das Eigentumsrecht wird durch das Verbot der schikanösen Rechtsausübung beschränkt (RS0010395). Bei einem geringfügigen Grenzüberbau könnte der Schikaneeinwand des Bauführers iSd § 418 ABGB dann berechtigt sein, wenn eine Verhaltensweise des Grundnachbarn vorliegt, die weit überwiegend auf eine Schädigung des Bauführers abzielt und die Wahrung und Verfolgung der sich aus der Freiheit des Eigentums ergebenden Rechte deutlich in den Hintergrund tritt (9 Ob 32/02z; RS0115858; vgl RS0026265; RS0025230).

[7] 3.2. In Ansehung des Überbaus an der westlichen Grundstücksgrenze vertraten die Vorinstanzen die Ansicht, dass der Rechtsmissbrauchseinwand der Beklagten stichhältig sei, weil den Kläger hier nur ein Eck im Ausmaß von 12 x 12 cm geringfügig bei der Verwirklichung seines Bauvorhabens beeinträchtigen könnte, was im Verhältnis zu den massiven Kosten, die ein Rückbau bzw ein Umbau der Garagen erfordern würde, im klaren Missverhältnis stehe.

[8] 3.2. Auch hier zeigt die Revision keine Fehlbeurteilung im Einzelfall auf. Darüber hinaus wird die Bejahung der Schikane auch dadurch gestützt, dass – unangefochten – gar nicht festgestellt werden konnte, ob und wenn ja, wann ein Umbau erfolgen wird und wie er tatsächlich ausgeführt werden soll.

[9] 4. Insgesamt stellen sich keine erheblichen Rechtsfragen.

[10] Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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