JudikaturJustiz7Ob116/12b

7Ob116/12b – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. September 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei G***** J*****, vertreten durch Mag. Adolf Konstantino Huber, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Dr. Y***** B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiligem Unterhalt und Prozesskostenvorschuss, über den Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 24. April 2012, GZ 48 R 48/12g 77, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 19. Jänner 2012, GZ 1 C 36/10h 72, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Parteien sind kasachische Staatsbürger und schlossen am 4. 6. 1993 vor einem Standesamt in Kasachstan die Ehe. Die Parteien kamen am 8. 4. 2000 wegen der beruflichen Tätigkeit des Beklagten er arbeitet im Sekretariat der OSZE nach Österreich. Im Jahr 2005 bezogen sie eine Eigentumswohnung in Wien, in der nach dem Auszug des Beklagten im September 2009 die Klägerin und der gemeinsame Sohn weiter wohnen.

Der Beklagte verdiente im Jahr 2010 netto monatlich zwischen 6.800 EUR und 7.200 EUR. Er bezahlte zunächst monatlich die Betriebskosten der Wohnung von 240 EUR, das Entgelt für Fernsehen und Internet von 100 EUR, die Kreditraten von 850 EUR zuzüglich einer Gebühr von 32 EUR sowie die Prämie für die Haushaltsversicherung von 29 EUR und im Quartal das Entgelt für Strom und Heizung von 496 EUR. Seit Juni 2011 zahlt der Beklagte nur mehr monatlich die Betriebskosten, das Entgelt für Internet und Telefon von 40 EUR sowie die Kreditraten. Weitere Unterhaltsleistungen erbringt er nicht.

Die Klägerin arbeitete vor der Geburt des gemeinsamen Kindes am 30. 8. 1998 an der Universität in Kasachstan als Vortragende. Seit die Ehegatten in Österreich leben, ist die Klägerin im Haushalt tätig und betreut das Kind. Ihr Studium wurde in Österreich nicht nostrifiziert. Sie verfügt über kein eigenes Einkommen. Im Jahr 2005/2006 versuchte sie, Kleidungsstücke nach Kasachstan zu exportieren, scheiterte jedoch an der Finanzierung. Die Klägerin behob im Mai 2010 vom gemeinsamen Konto 12.000 EUR. Davon zahlte sie einen Prozesskostenvorschuss an ihren Anwalt und ihre Schulden, wonach ihr ein Betrag von 3.000 EUR an Bargeld verblieb.

Der Beklagte tauschte das Schloss zu der im gemeinsamen Eigentum stehenden Wohnung in Kasachstan aus. Die Klägerin verfügt über keinen Schlüssel.

Im in Kasachstan geführten Ehescheidungsverfahren über die am 11. 1. 2010 vom Beklagten eingebrachte Klage fand eine Verhandlung statt, deren Termin der Klägerin bekannt war. Ihre Schwester war bei diesem Termin für sie anwesend. Die Ehe der Parteien wurde mit Beschluss vom 25. 5. 2010 „für beendet“ erklärt, somit geschieden, obwohl die Klägerin bis jetzt an der Ehe festhält. Ihre durch einen Rechtsanwalt erhobenen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Die Scheidung der Ehe der Streitteile auf Grund des in Kasachstan durchgeführten Scheidungsverfahrens ist rechtskräftig.

Die Klägerin begehrte, verbunden mit der Klage auf Bezahlung von Unterhalt, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, nach der der Beklagte schuldig erkannt werden solle, ihr monatlich einen vorläufigen Unterhalt von 1.500 EUR ab 1. 7. 2010 sowie einen Prozesskostenvorschuss in der Höhe von 2.411,48 EUR zu zahlen. Sie modifizierte das Provisorialbegehren in der Folge, der Beklagte sei zur Bezahlung eines vorläufigen monatlichen Unterhalts in der Höhe von 2.310 EUR (davon abzuziehen seien 550 EUR wegen des derzeit geleisteten Naturalunterhalts) und eines Prozesskostenvorschusses von 9.000 EUR verpflichtet. Das Scheidungsurteil sei in Österreich nicht anzuerkennen, weil sie in ihrem rechtlichen Gehör verletzt worden sei. Die Entscheidung des kasachischen Gerichts in erster Instanz sei in ihrer Abwesenheit gefällt worden. Jedenfalls sei das Scheidungsurteil erst mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Republik Kasachstan vom 9. 12. 2010 in Rechtskraft erwachsen. Das Unterhaltsbegehren sei nach österreichischem Recht zu beurteilen. Vor Inkrafttreten der EuUVO (Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen Europäische Unterhaltsverordnung) sei nach IPRG zwar kasachisches Recht anzuwenden, doch werde in Art 205 des Gesetzes der Republik Kasachstan Nr 321 1 vom 17. 12. 1998 „über Ehe und Familie“ (in der Folge: FamGB) normiert, dass sich die persönlichen Vermögens und Nichtvermögensrechte der Ehegatten nach dem Recht jenes Staats bestimmten, auf dessen Territorium die Ehegatten den letzten gemeinsamen Wohnsitz gehabt hätten. Ab dem 1. 7. 2011 fällige Unterhaltsbeträge seien gemäß Art 15 EuUVO iVm Art 3 HUP 2007 (Haager Protokoll vom 23. 11. 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht) nach dem Recht des Staats, in dem die berechtigte Person, hier die Klägerin, ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe, zu beurteilen. Die Klägerin habe entsprechend der in der Ehe vereinbarten Aufgabenteilung die Haushaltsführung und die Erziehung des gemeinsamen Sohnes übernommen. Sie sei nicht in der Lage, ein Eigeneinkommen zu erzielen, habe kein Vermögen und sei auch wirtschaftlich nicht imstande, die Prozesskosten zu tragen. Der Beklagte habe die Klägerin böswillig verlassen, weil er den gemeinsamen Wohnsitz einseitig aufgehoben und eine außereheliche Beziehung eingegangen sei. Die Klägerin sei mit der Ehescheidung nicht einverstanden gewesen. Bei der Unterhaltsbemessung müsse sich der Beklagte ein Drittel der Wohnungskosten anrechnen lassen, auch wenn er nicht mehr dort wohne. Die zu leistenden Kreditraten seien nicht zu beachten.

Der Beklagte stützt sich darauf, dass das kasachische Scheidungsurteil bereits am 29. 7. 2010 mit dem Beschluss des Berufungskollegiums des Gerichts der Stadt A***** eingetreten sei. Die Unterhaltspflicht des Beklagten bestimme sich nach FamGB. Danach habe die Klägerin keinen Anspruch auf einstweiligen und nach Ehescheidung gar keinen Anspruch auf Unterhalt. Die Parteien hielten sich nur vorübergehend in Österreich auf. Ein gemeinsamer Wohnsitz bestehe nicht. Die Klägerin habe vom gemeinsamen Konto am 12. 5. 2010 12.000 EUR ohne Rücksprache mit dem Beklagten abgehoben. Dies sei bei der Unterhaltsfestsetzung anzurechnen, ebenso die Kosten für die von ihr bewohnte Wohnung und die Kreditraten zu 50 %. Sie könne mindestens 4.000 EUR monatlich ins Verdienen bringen. Sie sei berechtigt, die gemeinsame Wohnung in Kasachstan zu vermieten. Die Klägerin habe ihren Unterhaltsanspruch verwirkt, weil sie jegliche eheliche Gesinnung vermissen habe lassen und auch den ehelichen Respekt gegenüber dem Beklagten verloren habe. Die Rückverweisung des Art 205 FamGB beziehe sich ausdrücklich auf Ehegatten und setze damit eine aufrechte Ehe voraus. Die EuUVO sei nicht anzuwenden, weil die Republik Kasachstan diese nicht ratifiziert habe. Außerdem erklärte der Beklagte ausdrücklich, sich nicht den Bestimmungen des HUP 2007 zu unterwerfen. Die Anknüpfung an österreichisches Recht sei nicht stark genug, um das Personalstatut der Streitteile zu verdrängen.

Im ersten Rechtsgang wurden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben, weil der Text des anzuwendenden kasachischen Ehe und Familiengesetzes vom 17. 12. 1998 wegen divergierender Übersetzungen zweifelhaft war und auch noch abzuklären war, ob es Rückverweisungsnormen gibt.

Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Begehren ab. Das rechtliche Gehör der Klägerin sei vor dem kasachischen Gericht gewahrt worden, sodass die Entscheidung über die Ehescheidung für den österreichischen Rechtsbereich anzuerkennen sei. Gemäß § 18 Abs 1 IPRG seien die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe nach dem gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten zu beurteilen. Da das gemeinsame Kind nicht behindert sei, stehe der Klägerin nach Art 134 FamGB kein Unterhaltsanspruch zu. Art 205 FamGB sei nicht anzuwenden, wenn die Ehe der Streitteile geschieden sei, da die Norm nur vom „Ehegatten“ und nicht vom „geschiedenen Ehegatten“ ausgehe. Gemäß Art 75 EuUVO sei diese Verordnung nur auf nach dem Datum ihrer Anwendbarkeit eingeleitete Verfahren anzuwenden. Überdies habe sich der Beklagte nach Art 5 HUP 2007 gegen die Anwendung ausgesprochen. Da es bei kasachischem Unterhaltsrecht bleibe und danach der Klägerin kein Unterhalt zustehe, sei der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Das Rekursgericht hob den Beschluss auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Obwohl hier drei verschiedene Zeiträume zu unterscheiden seien (bis zur rechtskräftigen Scheidung der Ehe der Streitteile; zwischen Rechtskraft der Scheidung und 18. 6. 2011, dem Inkrafttreten der EuUVO; ab dem 1. 7. 2011), sei der geltend gemachte Anspruch insgesamt nach österreichischem Recht zu beurteilen.

Für den Zeitraum bis Rechtskraft der Scheidung ergebe sich aus § 18 IPRG, dass kasachisches Sachrecht anzuwenden sei und durch Art 205 FamGB eine Rückverweisung auf das Recht jenes Staats erfolge, in dem die Ehepartner ihren gemeinsamen Wohnsitz hätten. Der Anspruch der Klägerin richte sich daher in diesem Zeitraum nach § 94 ABGB. Dazu fehlten aber Feststellungen (gemeint: auch Erhebungen des kasachischen Rechts), wann der Ausspruch über die Scheidung der Ehe rechtskräftig geworden sei. Weiters fehlten Feststellungen dazu, welche Beträge die Klägerin aus den verbleibenden 3.000 EUR für ihren Unterhalt verwendet habe.

Gleiches gelte für den Zeitraum nach Scheidung der Ehe bis Juni 2011, weil die Rückverweisung gemäß Art 205 FamGB auch auf die Rechtswirkungen nach Scheidung der Ehe anzuwenden sei. Zumindest aus Art 136 FamGB gehe hervor, dass trotz der Überschrift „Ehepartner“ auch die Unterhaltspflicht eines Ehepartners nach Scheidung geregelt werde. Daraus sei zu schließen, dass im kasachischen Gesetz das Wort „Ehepartner“ wenn auch nicht durchgehend auch für geschiedene Ehepartner verwendet werde. Art 205 FamGB sei überdies die einzige Verweisungsnorm im Zusammenhang mit im Ausland lebenden Ehepartnern. Die Parteien hätten keine weitere Aufschluss gebende Judikatur oder Literatur über das ausländische Sachrecht vorgelegt. Die Klägerin verlange Unterhalt nach § 69 Abs 2 EheG, der zur Grundvoraussetzung einen Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG habe. Im kasachischen Recht sei jedoch die Scheidung ohne einen Verschuldensausspruch erfolgt. Die Klägerin habe bereits im Verfahren 10 C 17/11k des Bezirksgerichts Döbling die Klage auf Ausspruch des Verschuldens erhoben. Dieses Verfahren sei jedoch noch nicht abgeschlossen. Die Klägerin sei berechtigt, vorläufigen Unterhalt zu verlangen. Das Erstgericht müsse ein Bescheinigungsverfahren zum Vorbringen der Klägerin zum Verschulden des Beklagten (böswilliges Verlassen, außereheliche Beziehung) im fortzusetzenden Verfahren nachholen. Weiters müsse das Erstgericht nach Erörterung mit den Parteien das Bescheinigungsverfahren zur Frage der Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit der Klägerin ergänzen.

Für den dritten Zeitraum ab 1. 7. 2011 ergebe sich die Anwendung österreichischen Rechts gemäß Art 15 EuUVO iVm dem HUP 2007. Die Verweisungsnormen seien auch auf grenzüberschreitende Sachverhalte ohne Binnenmarktbezug anzuwenden. Es sei das Recht des Staats maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe. Gemäß Art 22 HUP 2007 finde dieses Protokoll keine Anwendung auf Unterhalt, der in einem Vertragsstaat für einen Zeitraum vor Inkrafttreten des Protokolls verlangt werde. Das HUP 2007 sei nur auf alle zukünftigen Zeiträume anzuwenden. Auch wenn sich der Beklagte auf Art 5 HUP 2007 stütze, weise kein Recht eines anderen Staats eine engere Beziehung zur Ehe auf, die die Parteien zum größeren Teil in Österreich verbracht hätten.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehle, ob, wenn die Ehe nach ausländischem Recht geschieden worden sei, im Rahmen einer einstweiligen Verfügung vor rechtskräftiger Entscheidung über das Verschulden Unterhalt zugesprochen werden könne und ob dabei als Anspruchsgrundlage § 69 Abs 2 EheG heranzuziehen sei, und dazu, ob das HUP 2007 für Verfahren, die vor dem 18. 6. 2011 eingeleitet worden seien, jedoch Unterhaltsansprüche zum Gegenstand hätten, die nach diesem Zeitraum fällig seien, anzuwenden sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der erstinstanzliche Beschluss wiederhergestellt werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beteiligte sich am Revisionsrekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Im Revisionsrekursverfahren ist zu Recht nicht strittig, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der Ehescheidung gemäß § 97 AußStrG vorliegen, was bereits im ersten Rechtsgang geklärt wurde. Das rechtliche Gehör der Klägerin wurde schon deshalb gewahrt, weil sie nach den Feststellungen im Scheidungsverfahren von ihrer dazu bevollmächtigten Schwester und in der Folge von einem Rechtsanwalt vertreten war und auch Rechtsmittel, wenn auch erfolglos, erhoben hat.

Das Rekursgericht hat zutreffend dargelegt, dass auf den geltend gemachten vorläufigen Unterhalt insgesamt österreichisches Recht zur Anwendung gelangt und die Rechtslage für drei Abschnitte geprüft werden muss, nämlich 1. zwischen Antragstellung und Rechtskraft des Scheidungsausspruchs, 2. zwischen Rechtskraft des Scheidungsausspruchs und Juni 2011 und 3. ab 1. 7. 2011.

Zum 1. Abschnitt:

Da beide Streitteile kasachische Staatsbürger sind, ist gemäß § 20 iVm § 18 Abs 1 Z 1 IPRG kasachisches Unterhaltsrecht anzuwenden. Der Beklagte zieht im Revisionsrekurs nicht in Zweifel, dass Art 205 FamGB eine Rückverweisung auf das österreichische Recht enthält. Gemäß § 5 Abs 1 IPRG umfasst die Verweisung auf eine fremde Rechtsordnung auch deren Verweisungsnorm. Die Bestimmung lautet:

„Art 205 Persönliche immaterielle und materielle Rechte und Pflichten von Ehepartnern

Die persönlichen immateriellen und die materiellen Rechte und Pflichten von Ehepartnern werden durch die Gesetzgebung des Staats, auf dessen Territorium sie ihren gemeinsamen Wohnsitz haben, und wenn ein gemeinsamer Wohnsitz fehlt durch die Gesetzgebung des Staats, in dem sie ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten, festgelegt. ...“

Da der letzte gemeinsame Wohnsitz der Parteien in Wien liegt, ist während aufrechter Ehe unzweifelhaft österreichisches Recht anzuwenden. Der Beklagte hält dem nichts entgegen. Zur abschließenden Beurteilung des Unterhaltsanspruchs während aufrechter Ehe bedarf es noch der vom Rekursgericht dargelegten Verfahrensergänzungen, gegen die sich der Revisionsrekurs ohnedies nicht wendet.

Zum 2. Abschnitt:

Ausländisches Sachrecht ist im Allgemeinen im Provisorialverfahren schon dann anzuwenden, wenn die Richtigkeit des erhobenen Materials wahrscheinlich ist (7 Ob 59/11v im ersten Rechtsgang mwN). Die Parteien haben dem Gericht Beihilfe zu leisten (RIS Justiz RS0045163).

Es stellt sich die Frage, ob sich Art 205 FamBG nur auf Ehepartner oder auch auf geschiedene Ehepartner bezieht. Das Argument des Revisionsrekurses, in der Bestimmung sei nur von „Ehepartnern“ die Rede, nicht jedoch von „geschiedenen Ehepartnern“, greift zu kurz. Die Verweisung bezieht sich auf die persönlichen immateriellen und materiellen Rechte und Pflichten von Ehepartnern. Zu den Rechtsfolgen einer Eheschließung gehören auch die Rechte und Pflichten, die sich aus der Auflösung der Ehe ergeben. Eine Scheidung bedingt, dass vorher eine Ehe geschlossen wurde. Solange wie hier im amtswegigen Ermittlungsverfahren im Sinn von § 4 Abs 2 IPRG im Rahmen des Provisorialverfahrens keine gegenteilige Interpretation und Anwendung der Gesetzesstelle in Kasachstan hervorkommt, ist davon auszugehen, dass die Verweisungsnorm des § 205 FamGB auch geschiedene Ehegatten umfasst (im Ergebnis in diesem Sinn auch 1 Ob 201/09d, worin die Anwendung österreichischen Rechts im Scheidungsverfahren zwischen kasachischen Staatsbürgern bejaht wurde).

Die gegen ihren Willen geschiedene Klägerin begehrt Unterhalt nach § 69 Abs 2 EheG, was einen urteilsmäßigen Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG voraussetzt. Wird die Ehe aus einem dem § 55 Abs 3 EheG entsprechenden Grund einer ausländischen Rechtsordnung geschieden, so hat der Unterhalt begehrende Ehepartner einen selbständigen Rechtsschutzanspruch auf eine Entscheidung nach § 61 Abs 3 EheG (RIS Justiz RS0057050, RS0114475; Stabentheiner in Rummel 3 § 61 EheG Rz 5, Aichhorn in Gitschthaler/Höllwerth , Ehe und Partnerschaftsrecht § 61 EheG Rz 12). Es ist auf Antrag das rechtskräftige Urteil eines anderen Staats (nachträglich) durch einen Verschuldensausspruch zu ergänzen. Die Klägerin hat einen derartigen Antrag gestellt, über ihn wurde aber noch nicht rechtskräftig entscheiden.

Solange nach Scheidung der Verschuldensausspruch fehlt, kann nur im Rahmen des Provisorialverfahrens ein vorläufiger Unterhalt zugesprochen werden, das Unterhaltsverfahren selbst ist zu unterbrechen (3 Ob 89/09y mwN). Im Provisorialverfahren sind die anspruchsbegründenden Voraussetzungen glaubhaft zu machen. Da sich das Scheidungsverfahren mit einem allfälligen Verschulden eines Ehepartners nicht auseinandergesetzt hat, bedarf es im Rahmen des Provisorialverfahrens der entsprechenden Bescheinigung (vgl Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , Ehe und Partnerschaftsrecht, § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO Rz 19). Das Erstgericht hat bisher dazu noch kein Bescheinigungsverfahren durchgeführt, was nachzuholen ist, worauf das Rekursgericht zutreffend hinwies.

Zum 3. Abschnitt:

Seit dem 18. 6. 2011 ist die EuUVO in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden. Nach Art 15 EuUVO bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht für die Mitgliedstaaten, die durch das HUP 2007 gebunden sind, nach jenem Protokoll. Nach Art 75 Abs 1 EuUVO ist die EuUVO erst auf alle nach dem 18. 6. 2011 eingeleitete Verfahren anzuwenden (vgl Fucik , Neues zur Unterhaltsdurchsetzung im Ausland in iFamZ 2011, 170; Nademleinsky , Die neue EU Unterhaltsverordnung samt dem neuen Haager Unterhaltsprotokoll in EF Z 2011/82, 130).

Das HUP 2007 aber ist in der Gemeinschaft (mit Ausnahme Dänemarks und des Vereinigten Königreichs) auch auf Grund des Ratsbeschlusses vom 30. 11. 2009 ab dem 18. 6. 2011 anwendbar ( Fucik in Fasching/Konecny 2 , Art 15 EuUVO Rz 2; Nademleinsky aaO 130). Dies bewirkt, dass trotz Art 75 Abs 1 EuUVO das HUP 2007 bereits mit seinem Inkrafttreten in den Mitgliedstaaten anzuwenden ist. Für ein am 18. 6. 2011 in einem Mitgliedstaat bereits eingeleitetes Verfahren gilt damit Art 22 HUP 2007. Danach findet das Protokoll (nur) dann keine Anwendung auf Unterhalt, wenn er in einem Vertragsstaat für einen Zeitraum vor Inkrafttreten des Protokolls in diesem Staat verlangt wird. Unterhaltspflichten vor dem Zeitraum des Inkrafttretens sind nach den bisherigen Bestimmungen zu prüfen, Unterhaltspflichten für den Zeitraum danach richten sich hingegen nach dem HUP 2007 ( Fucik aaO, 171; Nademleinsky aaO, 132; Andrae in Rauscher , Europäisches Zivilprozess und Kollisionsrecht EuZPR/EuIPR [2010], Art 15 EG UntVO [= EuUVO] Rn 20 Pkt 1). Es kann damit zu einem Statutenwechsel kommen ( Fucik aaO, 171; Nademleinsky aaO, 132; Andrae aaO, Art 22 HUntStProt [= HUP 2007] Rn 1). Für den zeitlich dritten Abschnitt gilt daher das HUP 2007.

Das Protokoll ist auch dann anzuwenden, wenn das darin bezeichnete Recht dasjenige eines Nichtvertragsstaats ist (Art 2 HUP 2007). Da es sich um ein globales Einheitskollisionsrecht handelt, das allseitig anzuwenden ist, gelten die Verweisungsnormen des HUP 2007 auch dann, wenn der grenzüberschreitende Bezug kein Binnenmarktbezug ist. Das HUP 2007 regelt das Unterhaltskollisionsrecht umfassend ( Nademleinsky aaO, 132; Fucik, Neues zur Unterhaltsdurchsetzung im Ausland in iFamZ 2011, 170 f).

Sofern nichts anderes angeordnet ist, ist für Unterhaltspflichten das Recht des Staats maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art 3 Abs 1 HUP 2007). In Bezug auf Unterhaltspflichten zwischen (auch früheren) Ehegatten findet dieses Recht keine Anwendung, wenn eine der Parteien sich dagegen wendet und das Recht eines anderen Staats, insbesondere des Staats ihres letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist (Art 5 HUP 2007).

Der gewöhnliche Aufenthalt der berechtigten Person (der Klägerin) ist Wien. Der Beklagte hat sich zwar gegen die Anwendung des HUP 2007 mit der Begründung ausgesprochen, dass das gemeinsame Personalstatut das Recht sei, zu dem seine Ehe eine engere Verbindung habe. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Nicht nur aus Art 3 HUP 2007, sondern auch aus Art 5 HUP 2007 selbst geht hervor, dass das primäre Kriterium für die Begründung einer engen Verbindung zu einem Staat die Lage des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts sein soll. Dieser letzte gemeinsame Aufenthalt liegt in Wien, beide Ehepartner leben noch immer hier und sie haben länger als die Hälfte ihrer Ehezeit hier gewohnt. Damit liegt die engere Verbindung der Ehe zu Österreich vor. Es ist daher wie bereits das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat der geltend gemachte Unterhaltsanspruch der Klägerin nach österreichischem Recht zu beurteilen. Es kommt trotz Anwendung des HUP 2007 zu keinem Statutenwechsel. Für die endgültige Beurteilung des vorläufigen Unterhalts fehlen, wie bereits dargelegt, noch Feststellungen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 402 iVm § 78 EO iVm § 52 ZPO.