JudikaturJustiz6Ob592/85

6Ob592/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Juni 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Siegfried Norbert A, Journalist, Karl Tornaygasse 41/75/26, 1232 Wien, vertreten durch Dr.Gertrud Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Erna A, Angestellte, Neustiftgasse 6, 2433 Margarethen am Moos, vertreten durch Dr.Josef Olischer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Nichtigkeit des Urteiles im Verfahren 9 Cg 112/80 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19.Februar 1985, GZ 12 R 7/85-43, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19.September 1984, GZ 9 Cg 287/82-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.877,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer und S 480,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile mit Urteil vom 2.12.1981, 9 Cg 112/80-25, aus dem Verschulden des Klägers; das Urteil erwuchs in Rechtskraft. Der Kläger (dort Beklagter) war in jenem Verfahren durch den auf Antrag der Beklagten bestellten Prozeßkurator Dr. Horst B vertreten worden.

Der Kläger begehrte mit der am 12.7.1982 eingebrachten, auf § 529 Abs 1 Z 2 ZPO gestützten Klage die Nichtigkeit des Scheidungsurteiles und - im fortgesetzten Verfahren - die Abweisung des Scheidungsbegehrens. Er behauptete, der Beklagten sei bei Einbringung der Scheidungsklage bekannt gewesen, wo er sich aufgehalten habe, sie habe aber ihren Wohnsitz als seinen Aufenthalt angeführt. Seinen späteren Wohnungswechsel hätte sie durch Anrufe bei seinen Angehörigen leicht ermitteln können. Zu Weihnachten 1980 habe sie ihn in der neuen Wohnung besucht und ihm mitgeteilt, daß sie die Scheidungsklage eingebracht habe, habe ihm jedoch nach einer Aussprache zugesichert, die Klage zurückzunehmen. Vom Juni 1981 bis Juni 1982 hätten die Streitteile wieder die volle Lebensgemeinschaft aufgenommen. Der Kläger habe erst am ll.6.1982 anläßlich einer Rechtshilfevernehmung beim Bezirksgericht Liesing vom Scheidungsurteil erfahren und am 15.6.1982 beim Erstgericht eine Urteilsausfertigung ausgehändigt erhalten.

Die Beklagte wendete ein, an den Kläger hätten Zustellungen nie bewirkt werden können. Es sei zwar möglich, daß sich der Kläger zur fraglichen Zeit in Wien aufgehalten habe, doch sei es nicht einmal dem Jugendgerichtshof Wien gelungen, seinen Aufenthalt auszuforschen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Es stellte fest:

In der Scheidungsklage führte die Beklagte Margarethen am Moos (ihren Wohnsitz) als Anschrift des nunmehrigen Klägers an. Die Klage samt Ladung für den 21.3.1980 wurde vom Postamt an das Gericht mit dem Vermerk zurückgesandt, der Kläger sei nach 1210 Wien, Autokaderstraße 3/46/8, verzogen. Das Gerichtsstück konnte ihm auch dort nicht zugestellt werden, weil er zufolge eines Nachsendevermerkes bis 10.9.1980 auf einer Dienstreise im Ausland sei. Am 7.11.1980 beantragte die Beklagte, für den Kläger einen Kurator zu bestellen, weil es ihr unmöglich sei, seinen Aufenthalt auszuforschen. Das Erstgericht schaffte daraufhin die Akten P 32/80 des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha und 20 U 308/80 des Jugendgerichtshofes Wien bei und entnahm ersterem die Anschrift des nunmehrigen Klägers in 1232 Wien, Karl Tornay-Gasse 41/75/26. Aber auch an dieser Anschrift konnte die Zustellung der Klage nicht bewirkt werden, weil sich der Kläger nach dem Postfehlbericht auf Auslandsdienstreise befand. Ein weiterer Zustellversuch an der Anschrift 1090 Wien, Glasergasse 9, scheiterte, weil sich der Kläger laut Postvermerk bis 30.6.1981 auf einer Studienreise im Ausland aufhielt. Daraufhin bestellte das Erstgericht Rechtsanwalt Dr.Horst B zum Kurator des Klägers. Dennoch ergingen auch weiterhin Ladungen an den Kläger selbst. Am 10.7.1981 teilte Herta C dem Erstgericht brieflich mit, der in 1232 Wien, Karl Tornaygasse 41, wohnhafte Kläger sei auf Auslandsdienstreise. Zur Verhandlungstagsatzung am 2.12.1981 versuchte das Erstgericht, den Kläger an den Anschriften in 1232 Wien, Karl Tornaygasse 41, und 1090 Wien, Glasergasse 9, zu laden; letzteres Gerichtsstück wurde postamtlich hinterlegt, ersteres langte mit dem Vermerk zurück, der Beklagte befinde sich auf Dienstreise im Ausland. Das Scheidungsurteil wurde an den Prozeßkurator zugestellt und erwuchs am 31.12.1981 in Rechtskraft. Erst am 16.6.1982 meldete sich der Kläger beim Kurator.

Im Pflegschaftsverfahren (P 32/80 des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha) stellte die Beklagte am 7.5.1980 Anträge. Vom Rechtshilfegericht verfügte Ladungen an der Anschrift 1210 Wien, Autokaderstraße 3-7/46/2/8, und - nach dem das Gerichtsstück mit dem Vermerk, der Adressat sei nach 1232 Wien, Karl Tornaygasse 41, verzogen beim Pflegschaftsgericht zurückgelangt war - an dieser Anschrift blieben erfolglos. Letzteres Gerichtsstück langte mit dem postamtlichen Vermerk zurück, der Kläger halte sich im Ausland auf. Auch eine weitere Ladung ging mit einem ähnlichen Vermerk an das Pflegschaftsgericht zurück. Auch der Beschluß des Pflegschaftsgerichtes vom 14.1.1981 über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen an das gemeinsame mj.Kind Wulff konnte dem Kläger an der Anschrift in der Karl Tornaygasse 41 nicht zugestellt werden; laut Postfehlbericht befand er sich auf Auslandsdienstreise. Am 1.7.1981 teilte die Beklagte dem Pflegschaftsgericht mit, sie habe sich mit dem Kläger außergerichtlich geeinigt. Ein weiterer Beschluß des Pflegschaftsgerichtes vom 15.7.1981 wurde hinterlegt und ging mit dem Vermerk 'nicht behoben' an das Gericht zurück. Auch im Pflegschaftsakt befindet sich eine Zuschrift der Herta C vom 8.9.1981, wonach der Kläger Ende September 1981 von einer Auslandsdienstreise zurückkehren werde.

Am 8.5.1980 erstattete die Beklagte gegen den Kläger beim Jugendgerichtshof Wien Anzeige wegen Vergehens nach § 198 StGB. Der Aufenthalt des Klägers konnte nicht ausgeforscht werden; das Bezirkspolizeikommissariat Liesing berichtete dem Jugendgerichtshof Wien am 16.1.1981, der Kläger sei zwar in 1232 Wien, Karl Tornaygasse 41, polizeilich gemeldet, doch halte er sich nach Auskunft seiner Mutter im Iran als Kriegsberichterstatter auf, von wo er Anfang Jänner 1981 nach Wien zurückkommen werde. Es konnten ihm keine weiteren Ladungen zugestellt werden, doch erschien er bei der Hauptverhandlung am 30.3.1981 als Beschuldigter. Danach konnten aber im Strafverfahren weitere Zustellungen an ihn nicht bewirkt werden; polizeiliche Erhebungen blieben ohne Erfolg. In der Zeit von der Einbringung der Scheidungsklage an (12.3.1980) bis zur Bestellung des Prozeßkurators (9.4.1981) wohnte der Kläger, der im Frühjahr 1980 Margarethen am Moos verlassen hatte, zunächst in 1210 Wien, Autokaderstraße 3, und übersiedelte danach in die Wohnung 1232 Wien, Karl Tornaygasse 41. Der Beklagten war nur die erstere Anschrift geläufig. Ihre Versuche, Kontakte mit dem Kläger aufzunehmen, scheiterten. Dieser hielt sich während der fraglichen Zeit zwar wiederholt vom Samstag Mittag bis Sonntag abends in Wien auf, befand sich jedoch mit Ausnahme einer Woche Urlaubs die übrige Zeit im Ausland. Im Dezember 1980 trafen die Streitteile nach einem Anruf des Klägers zusammen. Bei dieser Zusammenkunft informierte die Beklagte den Kläger über das Scheidungsverfahren. Der Kläger gab ihr die Anschrift in der Karl Tornaygasse 41 nicht bekannt, sondern deutete ihr nur an, er wohne zwar 'wo', man könne ihm aber nichts zustellen. Weiteren Kontakt zwischen den Streitteilen gab es bis 9.4.1981 nicht. Die Zustellversuche scheiterten, weil der Kläger in dieser Zeit 'alles unternahm, um Zustellungen an ihn zu verhindern'.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die Beklagte habe die Kuratorbestellung weder erschlichen noch grob fahrlässig veranlaßt. Weitere Nachforschungen hätten die Beklagte gewiß in die Lage versetzt, die Anschrift Karl Tornaygasse 41 dem Gericht mitzuteilen. Damit wäre das Verfahren aber nicht anders verlaufen, weil das Gericht diese Anschrift ohnehin festgestellt habe. Angesichts der vorliegenden Postfehlberichte könne der Beklagten die Unterlassung weiterer Nachforschungen nicht als grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es ergänzte die erstinstanzlichen Feststellungen wie folgt:

Am 7.5.1980 beantragte die Beklagte beim Pflegschaftsgericht, die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha zum Unterhaltssachwalter für den mj.Wulff zu bestellen und den Kläger zum Unterhalt für dieses Kind zu verhalten. Dieser sei allerdings unbekannten Aufenthaltes. Am 4.9.1980 gab die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha die Anschrift des Klägers mit 1210 Wien, Autokaderstraße 3-7/16/8, bekannt und stellte sie am 25.9.1980 auf Autokaderstraße 3-7/46/2/8 richtig. Bei einem Zustellversuch an dieser Anschrift erfuhr das Pflegschaftsgericht am 21.10.1980 die Anschrift des Klägers in 1232 Wien, Karl Tornaygasse 41/75/26. Bei einer Einvernahme am 12.11.1980 gab die Beklagte als eine weitere mögliche Anschrift des Klägers 1090 Wien, Glasergasse 9, an. Am 28.11.1980 langte beim Pflegschaftsgericht die Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha ein, wonach die Beklagte dieser Behörde die Anschrift 1232 Wien, Karl Tornaygasse 41/75/26, bekanntgegeben habe. Zustellversuche an dieser Anschrift scheiterten am 27.11. und 29.12.1980 sowie am 16.1.1981; in allen Fällen befand sich der Kläger nach dem Postfehlbericht auf Dienstreise im Ausland. Mit Beschluß vom 4.2.1981 bestellte das Pflegschaftsgericht den Rechtsanwalt Dr. Gerhard D zum Zustellkurator. Am 17.6.1981 gab die Beklagte dem Pflegschaftsgericht die Anschrift des Klägers in der Karl Tornaygasse 41 bekannt, teilte aber am 1.7.1981 mit, sie ziehe den Antrag vom 7.5.1980 zurück, weil sie mit dem Kläger eine außergerichtliche Einigung über den Unterhalt für den mj.Wulff erzielt habe. Am 8.5.1980 langte bei der Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien die Anzeige der Beklagten gegen den Kläger wegen Verdachtes des Vergehens nach § 198 StGB ein. Darin behauptete die Beklagte, der Kläger sei unbekannten Aufenthaltes und leiste keinen Unterhalt. Polizeiliche Erhebungen zeitigten kein Ergebnis. Am 22.7.1980 beantragte die Beklagte die Verhaftung des Klägers und brachte vor, er sei von ihr gesehen worden und halte sich in Österreich unangemeldet auf. Möglicherweise wohne er bei einer Freundin in 1070 Wien oder einem Freund in 1190 Wien, wobei sie die Anschriften bekanntgab. Die polizeilichen Ermittlungen blieben neuerlich ohne Ergebnis. Die Beklagte wiederholte ihren Verhaftungsantrag am 14.11.1980, weil sich der Kläger in Österreich an wechselnden Anschriften unangemeldet aufhalte. Am 6.12.1980 forschte die Polizei die Anschrift des Klägers in 1232 Wien, Karl Tornaygasse 41/75/26, aus, doch schlugen Zustellversuche fehl, weil sich der Kläger nach Auskunft seiner Mutter im Ausland aufhielt. Am 7.1.1981 wurde der Kläger aber vom Bezirkspolizeikommissariat Liesing niederschriftlich vernommen. Am 4.3.1981 scheiterte ein weiterer Zustellversuch an der Anschrift in der Karl Tornaygasse 41. In seiner dem Gericht vorgelegten Aufstellung (Beilage C) bezeichnete der Kläger selbst seine Aufenthalte im Jahre 1980 und bis 16.4.1981 wie folgt:

'Im Jahre 1980 habe ich sohin tatsächlich gewohnt a) in 1210 Wien, Autokaderstraße, b) in 1232 Wien, Karl Tornaygasse, c) vom 10.2.1980 bis 4.8.1980 im Libanon und in Saudiarabien, d) vom 6.8.1980 bis 1.2.1980' (richtig wohl: 1981) 'Libien und Algerien. In diese Zeit fiel vom 20.12.1980 bis 1.1.1981 ein Urlaub in Wien. Ich wohnte damals in der Karl Tornaygasse. Die Beklagte hat mich in dieser Zeit gesehen und mich auch getroffen.

Ab Oktober 1980 war ich gemeldet in 1232 Wien-Siebenhirten, Karl Tornaygasse 41/75. Vom 2.1.1981 bis 16.4.1981 habe ich mich in Libien und im Sudan aufgehalten.

Während meiner Auslandsaufenthalte habe ich gelegentlich Wochenenden in Wien verbracht, dies insbesondere in der Zeit zwischen August und November 1980, da in dieser Zeit keine übersiedlung von der Autokaderstraße in Floridsdorf in die Karl Tornaygasse in Wien-Siebenhirten stattgefunden hat.'

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dem im § 116 ZPO der Kuratorbestellung vorausgesetzten unbekannten Aufenthalt sei der Fall gleich zu halten, daß der Aufenthalt zwar bekannt sei, die Partei aber dort nie erreicht werden könne. Zuvor sei allerdings die aus wichtigem Grunde zulässige Zustellung an Wochenenden und Feiertagen in Betracht zu ziehen. Zwar müsse der Antragsteller glaubhaft machen, daß er vergeblich versucht habe, den Aufenthalt des Gegners zu ermitteln, doch dürften keine umfangreichen Nachforschungen gefordert werden. Postfehlberichte reichten allerdings ebensowenig aus wie die Bescheinigung einer Auslands- oder Studienreise. Nur wenn bescheinigt werde, daß mit einer Rückkehr in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden könne und der Verreiste unerreichbr sei, lägen die Voraussetzungen des § 116 ZPO vor. Diese Erkundigungs- und Bescheinigungspflicht sei Teil der vorprozessualen Sorgfaltspflicht des Klägers. Führe eine grobe Vernachlässigung der Sorgfalt zur Bestellung eines Kurators, sei dessen Bestellung ebenso nichtig, wie wenn sie eine Partei wider besseres Wissen erschlichen habe. Der Auffassung des Klägers, seine Wochenendaufenthalte und der kurze Urlaub zu Weihnachten 1980 hätten eine Zustellung an ihn ermöglicht, könne nicht beigepflichtet werden. Der Kläger habe sich mehr als ein Jahr lang in verschiedenen arabischen Ländern aufgehalten und bloß gelegentlich und für Außenstehende nicht vorhersehbar an Wochenenden in einer Wiener Wohnung aufgehalten. Im übrigen habe auch eine Zustellung an die richtige Anschrift (ON 21 im Akt P 32/80 des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha) nicht bewirkt werden können. Daraus folge, daß dem Kläger auch Gerichtsstücke unter der Anschrift Karl Tornaygasse 41 nicht hätten zugestellt werden können. Selbst die Anordnung einer Zustellung am Wochenende (§ 100 ZPO) hätte nichts geändert, weil die gelegentlichen Aufenthalte des Klägers nicht vorhersehbar gewesen seien und er sich ofensichtlich bemüht habe, Zustellungen auch bei Anwesenheit in Wien scheitern zu lassen; für die Beklagte wäre es deshalb auch nicht einigermaßen erfolgversprechend gewesen, dem Kläger gerichtliche Schriftstücke zustellen zu lassen. Der Beklagten sei zwar die Anschrift Karl Tornaygasse 41 bekannt gewesen, sie habe jedoch im vorhinein nicht wissen können, wann der Kläger sich tatsächlich dort - für Stunden - aufhalten werde; eine solche Kenntnis hätte sie sich auch wegen des Bemühens des Klägers, Zustellungen zu vereiteln, mit zumutbaren Mitteln nicht beschaffen können. Es falle ihr somit keine Verletzung der vorprozessualen Sorgfaltspflicht zur Last. Daß sie die Anschrift Karl Tornaygasse 41 nur dem Jugendamt im Pflegschaftsverfahren, nicht aber dem Pflegschaftsgericht selbst angezeigt habe, sei unmaßgeblich, weil die Kenntnis der richtigen Anschrift für sich allein nichts nütze, wenn sich die Partei dort nicht aufhalte oder durch Verschleierung ihres Aufenthaltes eine wirksame Zustellung vereitle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Berufungsgerichtes ist zwar ohne jede Einschränkung zulässig (§ 502 Abs 5 ZPO), weil auch im Aufhebungsverfahren über eine Nichtigkeitsklage gegen ein Scheidungsurteil die besonderen Vorschriften über das Eheverfahren anzuwenden sind (Fasching, Zivilprozeßrecht RZ 2041) und auch § 502 Abs 5 ZPO, als eine solche Bestimmung anzusehen ist; die Revision ist aber nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Mit der Rechtsrüge beharrt der Kläger auf seinem Standpunkt, die Beklagte habe im Scheidungsverfahren die Kuratorbestellung wenigstens fahrlässig veranlaßt, weil sie seinen Aufenthalt zumindest seit Oktober 1980 gekannt habe; deshalb sei das mit dem Kurator abgeführte Verfahren im Sinne des § 529 Abs 1 Z.2 ZPO nichtig.

Ein besonderer Kurator nach § 116 ZPO darf nur bestellt werden, wenn die Partei unbekannten Aufenthaltes ist. Das trifft nicht nur dann zu, wenn der Aufenthalt auch jenen Personen nicht bekannt ist, denen er üblicherweise geläufig ist, sondern auch, wenn zwar der Aufenthalt bekannt ist, die Partei dort aber tatsächlich nicht erreicht werden kann (Fasching Komm II 617). Beantragt der Kläger die Bestellung eines Kurators für den Beklagten, so hat er glaubhaft zu machen, er habe versucht, den Aufenthalt des Gegners auszuforschen, seine - zumutbaren - Bemühungen seien aber aussichtslos gewesen (JBl 1980, 267; SZ 25/10 ua). Der bloße Hinweis auf Postfehlberichte reicht zu einer solchen Bescheinigung nicht aus, vielmehr hat der Antragsteller darzutun, daß er bei jenen Personen oder Stellen, die über den Verbleib des Gegners üblicherweise Bescheid wissen, Erkundigungen eingezogen habe (JBl 1980, 267; 5 Ob 767/80; Fasching aaO).

Die Beklagte hat sich im Antrag auf Bestellung eines Kurators darauf berufen, sie kenne den Aufenthalt des Klägers nicht, aber auch den Gerichten sei es nicht möglich gewesen, den Aufenthalt, an welchem dem Kläger Gerichtsstücke hätten zugestellt werden können, auszuforschen. Tatsächlich hat das Erstgericht im Scheidungsverfahren vor der Kuratorbestellung - im übrigen ebenso wie das Pflegschafts- und das Strafgericht - Zustellungen an die in Frage kommenden Anschriften in 1210 Wien, Autokaderstraße 3-7/46/2/8, 1232 Wien Karl Tornaygasse 41/75/26, und 1090 Wien, Glasergasse 9, versucht. Während das Schriftstück von der erstgenannten Anschrift mit dem Vermerk zurücklangte, der Kläger sei an die zweite Anschrift verzogen, war in den Postfehlberichten nach den anderen Zustellversuchen festgehalten, daß sich der Kläger auf einer Dienst- bzw.Studienreise im Ausland aufhalte. Tatsächlich hat sich der Kläger während der fraglichen Zeit nur jeweils an Wochenenden kurzfristig und in höchst unregelmäßigen, vielfach monatelangen und jedenfalls nicht vorherbestimmbaren Abständen in der Wohnung in der Karl Tornaygasse 41 aufgehalten, sodaß auch die Verfügung der Zustellung an Wochenenden (§ 100 ZPO) aller Voraussicht nach nicht geeignet gewesen wäre, den Kläger zwecks Zustellung der Klagsschrift und Ladung zur mündlichen Streitverhandlung tatsächlich zu erreichen. Dazu kommt noch, daß er - den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts zufolge - während der fraglichen Zeit alles unternommen hat, um Zustellungen an ihn zu vereiteln (AS 137). Bezeichnend ist es, daß der Kläger der Beklagten bei seiner einzigen Zusammenkunft in der fraglichen Zeit im Dezember 1980 zwar bedeutet hat, daß er irgendwo wohne, daß man ihm aber nicht zustellen könne (AS 136). Dem Kläger ist zwar zuzugeben, daß die Beklagte diese Umstände in ihrem Antrag im Scheidungsverfahren nicht ausreichend behauptet und bescheinigt hat. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kuratorbestellung kann es aber keinen Unterschied machen, ob der Antragsteller deren Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat oder ob diese nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens im Prozeß über die Nichtigkeitsklage der vom Kurator vertretenen Partei tatsächlich vorgelegen waren. Daß der Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Kuratorbestellung tatsächlich nicht erreichbar war (Fasching aaO 618), ergibt sich nicht zuletzt daraus, daß auch die Zustellversuche des Jugendgerichtshofes Wien - trotz polizeilicher Erhebungen und Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung - fehlschlugen. Daß der Kläger sich dort meldete und in der Hauptverhandlung tatsächlich erschienen ist, beweist nicht das Gegenteil, weil diese Kontakte ausschließlich auf seine Initiative zurückzuführen waren.

Steht aber fest, daß der Kläger während der fraglichen Zeit selbst bei Beachtung der gebotenen vorprozessualen Sorgfaltspflicht der Beklagten (Klägerin im Scheidungsverfahren) tatsächlich nicht hätte erreicht werden können, so erweist sich die Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO für den Kläger (Beklagten im Scheidungsverfahren) als gerechtfertigt. Die Frage, ob und inwieweit ein zur Nichtigkeit der Kuratorbestellung führender Sorgfaltsverstoß der Beklagten anzunehmen ist, stellt sich bei dieser Sachlage daher nicht mehr.

Die Vorinstanzen haben deshalb die - an sich zulässige (vgl hiezu Fasching aaO 613 f und Zivilprozeßrecht Rz 544) - Nichtigkeitsklage zu Recht abgewiesen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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