JudikaturJustiz6Ob245/20b

6Ob245/20b – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte Hon. Prof. Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Dr. Hubert Simon, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M***** R*****, vertreten durch Suppan/Spiegl/Zeller Rechtsanwalts OG in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Oktober 2020, GZ 5 R 129/20g 12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Beklagte warf der Klägerin vor, über ein bestimmtes Thema „wider besseres Wissen so berichtet zu haben“ . Der Bedeutungsinhalt dieser Formulierung kann nur darin gesehen werden, die Beklagte unterstelle der Klägerin, bewusst falsch berichtet zu haben. Dieser Vorwurf geht deutlich über eine wertende Kritik hinaus.

[2] Diesbezüglich hat die Beklagte aber den von ihr zu erbringenden (RS0031798) Wahrheitsbeweis nicht erbracht, weil feststeht, dass die Klägerin bzw ihre Journalisten für ihre Vorwürfe zwar keine Beweise hatten, aber nicht, dass sie positiv wussten, dass ihre Vorwürfe falsch waren.

[3] Bei unwahren Tatsachenbehauptungen gibt es nach ständiger Rechtsprechung kein Recht auf freie Meinungs äußerung (RS0107915) .

[4] Soweit die Revisionswerberin meint, das klagende Medienunternehmen werde „gegen jede Kritik am faktenfreien Erfinden von Kausalitäten immunisiert“, ist diese Ansicht vom Sachverhalt nicht gedeckt: Die Journalisten der Klägerin haben in ihrem Artikel eine Verdachtslage dargestellt und auch vom Dementi aus dem Umkreis der Beklagten berichtet. Sie haben diesem Dementi bloß nicht geglaubt . Dass ein Medium schon dann einen Bericht nicht veröffentlichen dürfte, wenn der Verdacht vom Betroffenen abgestritten wird, wäre mit Art 10 EMRK unvereinbar, zumal investigativer und kritischer Journalismus auf diese Weise unmöglich gemacht würde.

[5] 2. Die vom Berufungsgericht für die nicht nähere Befassung mit der Frage der Aktivlegitimation zitierte Rechtsprechung (RS0043352 [T33, T35]) ist zwar nicht einschlägig, weil sie die Behandlung einer Rechtsrüge zu bestimmten Punkten in der Revision nur ausschließt, wenn diese in der Berufung unterlassen wurde. Hier war aber die Revisionswerberin Berufungsgegnerin .

[6] Damit ist für die Revisionswerberin aber nichts gewonnen: Zur Geltendmachung von Ansprüchen nach § 1330 Abs 1 und Abs 2 ABGB ist der von der ehrenrührigen Behauptung Betroffene, also derjenige legitimiert, dessen Ehre angegriffen wurde (RS0031766). Auch juristische Personen sind durch § 1330 Abs 2 ABGB, nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung aber auch durch § 1330 Abs 1 ABGB geschützt (RS0008985; RS0031851 [T1]). Bei der Frage, wer von der Äußerung betroffen ist, handelt es sich um eine Frage der Auslegung, die so sehr von den Umständen des einzelnen Falls abhängt, dass ihr regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bildet (RS0031766 [T5]).

[7] Nach den Feststellungen handelte es sich bei der Klägerin um die – auch im Impressum der Zeitschrift angeführte – Redaktionsgesellschaft des Nachrichtenmagazins, die den redaktionellen Inhalt desselben erstellte und im Rahmen des ihr vorgegebenen Budgets die Personalhoheit hatte. Zum Zeitpunkt der Artikelverfassung war die Klägerin für die Inhalte „zuständig“. Die Klägerin erwarb das verlagswirtschaftliche Unternehmen des Nachrichtenmagazins und ist seither Eigentümerin und Medieninhaberin des Medienunternehmens.

[8] Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage die Aktivlegitimation der klagenden „Redaktionsgesellschaft“ bejaht haben, die für den Inhalt des Nachrichtenmagazins verantwortlich ist und der mit der inkriminierten Äußerung unterstellt wird, wider besseres Wissen gearbeitet zu haben, dann ist dies keine Fehlbeurteilung (vgl 4 Ob 1073/92; 4 Ob 171/93; 6 Ob 162/17t).

[9] 3. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Klagebegehrens zu stellen sind, hängt von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls ab; die Anforderungen sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen (RS0037874 [T33]). Ob eine andere Fassung des Unterlassungsbegehrens angebracht gewesen wäre, hat keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung, ist doch dabei immer auf die Umstände des einzelnen Falls abzustellen (RS0037671). Es ist deshalb keine erhebliche Rechtsfrage, ob ein Unterlassungsgebot im Einzelfall zu weit oder zu eng gefasst wurde (RS0037671 [T5]).

[10] Ob das Adverb „so“ im Unterlassungsbegehren vorkommt oder nicht, ändert nichts am unzutreffenden Vorwurf der Beklagten, die Klägerin habe „wider besseres Wissen“ berichtet. Es ist daher im Sinne der zitierten Rechtsprechung nicht korrekturbedürftig, wenn der Beklagten (allgemein) verboten wird, die Behauptung aufzustellen, die Klägerin habe wider besseres Wissen über einen bestimmten Sachverhalt berichtet. Dass das Begehren unexequierbar würde, trifft ebenso wenig zu wie die Auffassung, es liege eine „uferlose“ Ausweitung vor, weil die Äußerung deutlich abgrenzbar bleibt. Somit unterscheidet sich der vorliegende Fall von den in der Revision zitierten Begehren, mit denen ganz allgemein und ohne Bezug zu einem konkreten Anlassfall rechtswidrige Handlungen untersagt werden sollten (vgl auch RS0037607 [T37]).