JudikaturJustiz6Ob245/07h

6Ob245/07h – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. November 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Günther Viehböck, Rechtsanwalt, 2340 Mödling, Bahnhofsplatz 1a/1/5, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der L***** AG, *****, vertreten durch Tröthandl Rupprecht Schenz Haider Rechtsanwälte OEG in Mödling, gegen die beklagte Partei Mag. Johann K*****, vertreten durch Dr. Kurt Berger und andere Rechtsanwälte in Wien, und deren Nebenintervenienten 1. E*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Hanns F. Hügel, Rechtsanwalt in Mödling, 2. K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien,

3. A***** GmbH, *****, vertreten durch Graf Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 5,385.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 30. August 2007, GZ 2 R 136/07w-105, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Gegenstand dieses Verfahrens sind Schadenersatzansprüche des Klägers als Masseverwalter der L***** AG, deren Vorstandsmitglieder der Beklagte und Andre Maarten R***** - gegen ihn wurde das Verfahren gemäß § 191 ZPO unterbrochen - waren. Er wirft den beiden unter anderem die Ausschüttung einer Sonderdividende im Jahr 1999 und Insolvenzverschleppung vor. Gegen den Beklagten - und andere Personen - behängt zu AZ 33 Ur 180/02f des Landesgerichts Wiener Neustadt ein Strafverfahren unter anderem wegen schweren Betrugs und Untreue. Am 23. 3. 2007 erstattete Mag. (FH) Martin G***** ein Buchsachverständigengutachten. Darin listet er eine Vielzahl von diesem Gutachten zugrunde liegenden Unterlagen auf und führt aus, das Gutachten basiere im Wesentlichen auf den Unterlagen und Daten, welche beim Landeskriminalamt Niederösterreich archiviert und welche ihm auch bereits im Zusammenhang mit seiner gutachterlichen Tätigkeit im erwähnten Strafverfahren zur Verfügung gestanden seien, darunter nicht nur die im Rahmen diverser Hausdurchsuchungen beschlagnahmten, sondern auch die vom Kläger übergebenen Unterlagen, diverse Gutachten, Einvernahmeprotokolle diverser Personen im erwähnten Strafverfahren und so weiter; aus kostentechnischen Gründen werde davon Abstand genommen, sämtliche dieser Unterlagen dem Gutachten als Beilagen anzufügen. In einem Schreiben vom 18. 6. 2007 erwähnte der Sachverständige, dass diese Unterlagen einen Umfang von mehr als 1.000 Ordner hätten.

Das Erstgericht wies den Antrag des Beklagten auf Gewährung der Einsicht in sämtliche Unterlagen, die dem Sachverständigen für die Erstellung seines Gutachtens zur Verfügung gestanden waren, insoweit ab, als er sich nicht auf die Einsicht in Unterlagen bezog, die dem Sachverständigen vom Kläger übergeben worden waren. Des Weiteren erstreckte es die ursprünglich bis 11. 4. 2007 gesetzte (zweiwöchige) Frist zur Bekanntgabe, ob eine mündliche Gutachtenserörterung erfolgen und worüber der Sachverständige Aufklärungen und Erläuterungen zu seinem Gutachten abgeben solle, bis 30. 6. 2007 und trug schließlich dem Beklagten auf, seine Anträge, dem Sachverständigen keine Kosten für sein Gutachten zuzusprechen sowie Befund und Gutachten „zu verwerfen", den Sachverständigen zu entheben und einen neu zu bestellenden Sachverständigen mit der Gutachtenserstattung zu beauftragen, zu begründen.

Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs des Beklagten zurück.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

1. Aus § 291 ZPO ergibt sich die Absicht des Gesetzgebers, die Anfechtung von Entscheidungen im Zuge der Beweisaufnahme aus prozessökonomischen Erwägungen rigoros zu beschränken. Ihre Rechtfertigung finden diese Rechtsmittelbeschränkungen im provisorischen Charakter vieler Beschlüsse des Beweisverfahrens, deren Tragweite in diesem Prozessstadium noch nicht absehbar ist (Fasching, Zivilprozessgesetze III1 [1966] 357; Rechberger in Fasching/Konecny, ZPO² [2004] § 291 Rz 1). So erklärt für den Urkundenbeweis § 319 Abs 1 ZPO unter anderem gegen zufolge § 301 ZPO ergehende Beschlüsse ein Rechtsmittel für nicht zulässig; diese Bestimmung bezieht sich auf die Veranlassung der Vorlage einer als Beweismittel zu benützenden Urkunde, welche sich bei einer öffentlichen Behörde befindet und deren Ausfolgung oder Vorlage die Partei im Wege unmittelbaren Einschreitens nicht zu erlangen vermag. Für den Sachverständigenbeweis ordnet wiederum § 366 ZPO Rechtsmittelbeschränkungen an, die nach Rechtsprechung und Lehre (vgl die Nachweise bei Rechberger, aaO § 366 Rz 1) unter anderem auch die konkreten Aufträge des Gerichts an den bestellten Sachverständigen (etwa) über den Umfang der Begutachtung erfassen.

Das Rekursgericht hat mit seiner Entscheidung, den Rekurs gegen die Ablehnung der Gewährung der Einsicht in Unterlagen, die dem Sachverständigen für die Erstellung seines Gutachtens zur Verfügung gestanden waren, als unzulässig zurückzuweisen, keineswegs diese dargestellte Rechtslage - wie der Beklagte in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs meint - krass verkannt, sondern vielmehr der Absicht des Gesetzgebers, die Anfechtung von Entscheidungen im Zuge der Beweisaufnahme aus prozessökonomischen Erwägungen rigoros zu beschränken, entsprochen.

Die im außerordentlichen Revisionsrekurs dagegen ins Treffen geführten Argumente sind eher rechtspolitischer Natur bzw verweisen ihrerseits auf prozessökonomische Überlegungen: Selbstredend wird das Erstgericht sein Urteil nicht auf ein Sachverständigengutachten stützen können, das seinerseits auf Unterlagen basiert, die den Parteien nicht zugänglich waren. Diese Frage würde allerdings erst im Rahmen der Erledigung einer allfälligen Mängelrüge gegen die Entscheidung in der Hauptsache zu beurteilen sein.

2. Das Erstgericht hatte ursprünglich den Parteien mitgeteilt, der Sachverständige werde zur Verhandlung (gemeint: zwecks Gutachtenserörterung) geladen, wenn dies eine der Parteien binnen 14 Tagen beantragt, wobei anzugeben wäre, worüber der Sachverständige mündlich Aufklärungen und Erläuterungen zu seinem Gutachten geben soll. Daraufhin beantragte der Beklagte eine Verlängerung dieser Frist auf 18 Monate ab Gewährung der Einsicht in die erwähnten Unterlagen; er benötige ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Fragen an den Sachverständigen. Damit verkennt der Beklagte jedoch, dass ihn § 357 Abs 2 ZPO gar nicht zur Erstellung eines konkreten Fragenkatalogs oder zur Anführung jener Fragen zwingt, die er an den Sachverständigen zu stellen beabsichtigt (Rechberger in Fasching/Konecny, ZPO² [2004] § 357 Rz 4 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung); er muss lediglich angeben, welche Aufklärungen bzw Erläuterungen des schriftlichen Sachverständigengutachtens er wünscht. Gerade die fehlenden bzw unbekannten Unterlagen können aber Thema derartiger Aufklärungen bzw Erläuterungen sein.

Da die Rechtsprechung etwa auch im Anwendungsbereich des § 291 Abs 2 ZPO die Ablehnung beantragter Verlängerungen der dort genannten Fristen dessen Rechtsmittelausschluss unterwerfen (vgl die Nachweise bei Rechberger, aaO § 291 Rz 3), begegnet die Auffassung des Rekursgerichts, die Ablehnung der Verlängerung einer Frist zur Bekanntgabe, ob der Sachverständige sein schriftliches Gutachten mündlich erläutern soll, sei unanfechtbar, keinen Bedenken. Insoweit geht § 291 Abs 2 ZPO dem § 141 ZPO vor, der die Abweisung von Fristverlängerungsanträgen im Allgemeinen für anfechtbar erklärt (vgl dazu Gitschthaler in Rechberger, ZPO³ [2006] § 141 Rz 4 mwN). Auch dies entspricht der bereits mehrfach erwähnten Absicht des Gesetzgebers, die Anfechtung von Entscheidungen im Zuge der Beweisaufnahme aus prozessökonomischen Erwägungen rigoros zu beschränken. Dass die erteilte Frist im Einzelfall allenfalls tatsächlich zu kurz bemessen gewesen war, kann jedoch ebenfalls (erst) mit Mängelrüge gegen die Entscheidung in der Hauptsache geltend gemacht werden.

3. Und schließlich ist auch die Auffassung des Rekursgerichts nicht zu beanstanden, beim Auftrag des Erstgerichts an den Beklagten, seine Anträge, dem Sachverständigen keine Kosten für sein Gutachten zuzusprechen sowie Befund und Gutachten „zu verwerfen", den Sachverständigen zu entheben und einen neu zu bestellenden Sachverständigen mit der Gutachtenserstattung zu beauftragen, zu begründen, habe es sich um Verbesserungsaufträge gehandelt. Weshalb ein derartiger Antrag einer Partei auf Ablehnung des Sachverständigen keiner nachvollziehbaren Begründung bedürfte, wie der Beklagte nunmehr in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs meint, ist nicht nachvollziehbar. Damit war dieser Beschluss aber ebenfalls nicht anfechtbar (vgl G. Kodek in Fasching/Konecny, ZPO² [2003] §§ 84, 85 Rz 280; Gitschthaler in Rechberger, ZPO³ [2006] §§ 84-85 Rz 25 je mwN).