JudikaturJustiz6Ob174/06s

6Ob174/06s – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. August 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** GmbH (richtig: „J*****ges.m.b.H."), ***** vertreten durch Dr. Markus Frank, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Doris T*****, vertreten durch Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 4.358,87, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21. Jänner 2006, GZ 36 R 617/05k-77, womit das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 25. Mai 2005, GZ 11 C 56/02i-70, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

1) Die Parteienbezeichnung der klagenden Partei wird auf „J*****ges.m.b.H." berichtigt.

2) Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Beklagte erwarb im Jahr 1995 ein Haus, welches sie generalsanieren und um zwei Stockwerke aufstocken ließ. Im Jahr 2000 beauftragte sie die Klägerin mit der Sanierung des undichten Flachdaches und der Beseitigung der daraus resultierenden Wasserschäden in den Wohnungen top Nr 16 und 17 dieses Hauses. Die Beklagte zahlte die Rechnungen der Klägerin für die Flachdachsanierung, nicht aber für die Beseitigung der Wasserschäden. Die Klägerin begehrt EUR 4.358,87 an Werklohn für die Beseitigung der Wasserschäden und bringt dazu vor, es handle sich um 70 % der in Rechnung gestellten Beträge. Aus prozessualer Vorsicht werde ein Abzug von 30 % vorgenommen, weil durch eine mangelhafte Abdeckung des geöffneten Daches zusätzliche Wasserschäden im Badezimmer der angeführten Wohnungen aufgetreten seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Da mangels eines entsprechenden Nachweises durch die beklagte Partei nicht feststehe, dass die klagende Partei den bereits vorhandenen Schaden vergrößert und damit die erhöhten Reparaturkosten verursacht habe, sei das Klagebegehren berechtigt.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Auf den vorliegenden Fall sei § 1302 ABGB anzuwenden. Nach dem Vorbringen der Streitteile bestehe kein Zweifel daran, dass bezüglich der Wasserschäden zwei Schädiger vorhanden seien. Da sich die Anteile dieser Schädiger nicht bestimmen ließen, hafteten beide Schädiger gemäß § 1302 ABGB zur ungeteilten Hand. Es sei daher Sache der Klägerin, sich beim Vorschädiger zu regressieren.

Mit Beschluss vom 17. 5. 2006 ließ das Berufungsgericht nachträglich die ordentliche Revision zu. Zwar bestehe eine klare Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach § 1302 ABGB auch bei mehreren Werkunternehmen anzuwenden sei, die mangelhaft geleistet hätten, bei welchen alternative Kausalität bestehe und die Klärung der Verursachung unmöglich sei. Auch sei es nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht relevant, ob der „zweite Schädiger" bekannt sei oder nicht. Weil es jedoch zumindest vertretbar erscheine, dass aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen - insbesondere im Hinblick auf das zeitliche Auseinanderliegen der beiden schädigenden Handlungen - kein Anwendungsfall des § 1302 vorliege, sei die Revision zuzulassen. Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

Nach Wortlaut und Zweck des Gesetzes ist nicht zweifelhaft, dass das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO die Stichhältigkeit eines Abänderungsantrages prüfen muss (Zechner in Fasching/Konecny² § 508 Rz 9). Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision darf daher nur dann abgeändert werden, wenn der Rechtsmittelwerber nach der Überzeugung des Berufungsgerichts tatsächlich eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigte, von deren Lösung die Entscheidung abhängt, die jedoch bei der ersten Beurteilung der Zulässigkeitsfrage übergangen wurde. Die bloße Vertretbarkeit einer anderen Lösung wirft noch keine erhebliche Rechtsfrage auf; andernfalls müsste der Oberste Gerichtshof in jedem derartigen Fall die Sachentscheidung treffen (Zechner aaO; 1 Ob 102/00g = EvBl 2001/52; 3 Ob 59/02a uva).

Soweit die Klägerin nunmehr die Auffassung vertritt, § 1302 ABGB sei nicht anzuwenden, weil kein zweiter haftender Schädiger vorhanden sei, setzt sie sich zu ihrem eigenen Vorbringen in der Klage in Widerspruch, wonach das Flachdach ursprünglich mangelhaft hergestellt war. Das Unternehmen, das diesen Dachbodenausbau durchgeführt habe, sei in der Folge in Konkurs gegangen (AS 6 = Seite 2 in ON 4). Dass die Anwendbarkeit des § 1302 ABGB nicht davon abhängt, dass der zweite Schädiger auch tatsächlich zum Ausgleich herangezogen werden kann, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 2 Ob 129/70 = SZ 44/48).

Auch ist anerkannt, dass die §§ 1301, 1302 ABGB auch auf sogenannte Nebentäter anwendbar ist (Koziol, Haftpflichtrecht I³ Rz 14/9; SZ 60/55). Dabei haften auch Nebentäter, von denen jeder zurechenbar eine Ursache für den gesamten Schaden gesetzt hat, solidarisch (Koziol aaO Rz 14/10). Durch die Anerkennung einer Solidarhaftung wird die Haftung des Nebentäters keineswegs erweitert; vielmehr wird ihm bloß die Begünstigung der Teilhaftung versagt (Koziol aaO). Dies erscheint sachgerecht, weil das Insolvenzrisiko eher demjenigen anzulasten ist, dessen schuldhaftes Verhalten conditio sine qua non für den eingetretenen Schaden war, als dem schuldlosen Geschädigten (Koziol aaO). Dass das Erstgericht nicht konkret feststellen konnte, dass der Wasserschaden durch die unsachgemäße Vorgangsweise der klagenden Partei vergrößert wurde, ist nicht entscheidend: Abgesehen davon, dass die Klägerin selbst vorgebracht hat, durch die mangelhafte Abdeckung der geöffneten Dachfläche den Wasserschaden vergrößert zu haben (AS 8 = S 4 in ON 4), ist im Fall des § 1302 ABGB bei Unbestimmbarkeit der Anteile die potenzielle Ursächlichkeit aufgrund des konkret-gefährlichen Handelns der alternativ in Betracht kommenden Täter haftungsbegründend (Koziol aaO Rz 14/7), weil das Unaufklärbarkeitsrisiko nicht zu Lasten des Geschädigten gehen soll (vgl zu einem Wasserschaden 1 Ob 628/92 = ecolex 1993, 382 mwN). Die Revision war daher spruchgemäß zurückzuweisen.

Die Parteienbezeichnung der klagenden Partei war spruchgemäß auf den im Firmenbuch eingetragenen Firmenwortlaut zu berichtigen (§ 235 Abs 5 ZPO).

Rechtssätze
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