JudikaturJustiz6Ob1522/96

6Ob1522/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. März 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schwarz, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 19.März 1995 verstorbenen Theresia L***** infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des erbserklärten Erben Leopold L*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Krems an der Donau als Rekursgerichtes vom 4.Dezember 1995, GZ 1 R 138, 223/95-12, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs des erbserklärten Erben wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 ZPO und § 510 ZPO).

Text

Begründung:

a) Die vom erblasserischer Witwer, erbserklärten Erben und nunmehrigen Rechtsmittelwerber aufgrund letztwilliger Anordnung zum gesamten Nachlaß abgegebene unbedingte Erbserklärung wurde zu Gericht angenommen. Von den sechs Kindern der Erblasserin gaben fünf Erb- und Pflichtteilsverzichtserklärungen ab, die - 1979 geborene (somit noch minderjährige) und von der Erblasserin mit der Begründung, sie habe sie trotz schwerer Krankheit im Stich gelassen, vernachlässigt und nicht einmal besucht, enterbte - Tochter des sechsten (vorverstorbenen) Kindes ließ zeitlich nach der Entscheidung erster Instanz durch ihre Mutter erklären, "den Pflichtteil in Anspruch zu nehmen".

Die Vorinstanzen ordneten gemäß § 92 Abs 2 Z 1 AußStrG von Amts wegen die Schätzung und Inventierung des Nachlaßvermögens an.

Rechtliche Beurteilung

In entsprechender Anwendung des § 92 Abs 2 Z 1 AußStrG ist nach neuerer Rechtsprechung auch von Amts wegen zu inventieren, wenn die Voraussetzungen auf einen minderjährigen Noterben zutreffen, es sei denn, daß die in § 162 AußStrG umschriebenen Zweifel ausgeschlossen werden können (SZ 57/67 = JBl 1986, 516 mit Anm von Kralik ua; Welser in Rummel2, § 892 ABGB Rz 11; Kralik, Erbrecht3 288). Auch die Beweislastverteilung des § 771 ABGB führt dazu, daß dem Enterbten, der ohne Enterbung pflichtteilsberechtigt wäre, solange die Rechte eines Noterben im Abhandlungsverfahren zustehen, als der Erbe den Enterbungsgrund nicht glaubhaft machen kann (NZ 1985, 148; Eccher in Schwimann, § 771 ABGB Rz 5). Ein Pflichtteilsberechtigter kann gemäß § 768 Z 2 ABGB enterbt werden, wenn er den Erblasser im Notstande hilflos gelassen hat. Notstand ist vor allem finanzielle Hilfsbedürftigkeit, darüber hinaus aber jeder Zustand der Bedrängnis, der nach den Grundsätzen der Menschlichkeit gerechterweise zu der Erwartung berechtigt, daß der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser helfen würde (Eccher aaO § 768 ABGB Rz 11 mwN; Koziol-Welser, Grundriß10, II 392 mwN in FN 7). Das Verhalten muß dem Pflichtteilsberechtigten vorwerfbar sein (Eccher aaO § 768 ABGB Rz 7; Welser aaO § 768 ABGB Rz 2). Ob in diesem Sinn das vom Rechtsmittelwerber in seinem Rekurs an die zweite Instanz ON 8 AS 29 f der Minderjährigen vorgeworfene Verhalten den Tatbestand des § 768 Z 2 ABGB erfüllt (vgl dazu die Fallbeispiele aus der Judikatur bei Welser aaO § 768 ABGB Rz 3 und Eccher aaO § 771 Rz 8) und vor allem vorwerfbar ist, kann ohne Beweisverfahren nicht entschieden werden, betrifft aber wegen seiner Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 14 Abs 1 AußStrG. Nach der Rechtsprechung ist im Zweifelsfall vorsichtshalber zu inventieren (SZ 34/61), und stellt die Inventierung ihrem Wesen nach ein besonderes außerstreitiges Beweissicherungsverfahren dar (zuletzt SZ 64/184).

Allfällige Vorempfänge an den Pflichtteilsberechtigten üben auf die Notwendigkeit der Inventierung keinen Einfluß (vgl NZ 1985, 148; Eccher aaO § 804 ABGB Rz 4), mögen sie auch dazu führen, daß kein Pflichtteil mehr auszuzahlen ist.

b) Der erbserklärte Erbe erhob gegen die vom Erstgericht angeordnete Schätzung und Inventierung des Nachlaßvermögens Vorstellung und Rekurs und nach Vorlage des Aktes an die zweite Instanz gegen die abweisende Vorstellungsentscheidung, wie sich aus dem vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Akt des Rekursgerichtes ergibt, direkt an dieses einen Rekurs samt Nachtrag.

Wird mit der Vorstellung kein Rekurs verbunden, ihr aber nicht stattgegeben, so kann die Partei gegen diesen Beschluß nach § 9 Abs 4 AußStrG Rekurs erheben (EFSlg 21.230). Wird hingegen wie hier mit der Vorstellung bereits ein zulässiger Rekurs verbunden, ist nach herrschender Auffassung ein gesonderter Rekurs gegen die Abweisung der Vorstellung unzulässig (SZ 10/318; Feil, Rechtsmittel im Außerstreitverfahren nach der WGN 1989 Rz 13; König, Zum § 9 Abs 4 AußStrG in JBl 1974, 303 ff). Der Rekurs gegen die Abweisung der Vorstellung wurde demnach zu Recht mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückgewiesen (JBl 1974, 323). Auf die dort vorgetragenen Argumente durfte sachlich nicht eingegangen werden.

Erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG stellen sich demnach insgesamt nicht.

Rechtssätze
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