JudikaturJustiz5Ob83/99p

5Ob83/99p – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. April 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin Juliane S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, gegen die Antragsgegner 1.) Salzburger S***** reg. Gen. m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Herbert Pflanzl und Dr. Ägidius Horvatits, Rechtsanwälte in 5033 Salzburg, 2.) Alois und Adele H*****, 3.) Maria K*****, und 4.) Michaela S*****, wegen Abberufung des Hausverwalters (§ 26 Abs 1 Z 7 WEG iVm § 13a Abs 1 Z 6 und § 18 Abs 1 Z 3 zweiter Fall WEG) infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 26. November 1998, GZ 54 R 374/98h-83, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 12. Juni 1998, GZ 16 Msch 1/96w-75, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1.) Der Revisionsrekurs der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

2.) Der Antrag der Erstantragsgegnerin, über die Antragstellerin gemäß § 86 ZPO (richtig wohl § 85 Abs 1 GOG) eine Ordnungsstrafe zu verhängen, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zu Pkt 1 der Entscheidung:

Gemäß § 26 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 526 Abs 2 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Rekursgerichtes, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, nicht gebunden. Verneint er die Zulässigkeit des Rechtsmittels, kann sich die Entscheidung gemäß § 528a ZPO iVm § 510 Abs 3 Satz 4 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Im gegenständlichen Fall hat das Rekursgericht die Anrufung des Obersten Gerichtshofes als zulässig angesehen, weil keine ihm zugängliche höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, inwieweit schon länger zurückliegende Vorfälle zur Abberufung eines Hausverwalters nach § 18 Abs 1 Z 3 WEG führen können. Von einer die Rechtsentwicklung vorantreibenden Beantwortung dieser Rechtsfrage hängt jedoch die anstehende Rechtsmittelentscheidung wegen der besonderen Fallgestaltung gar nicht ab. Auch im Revisionsrekurs werden keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 26 Abs 2 WEG) aufgezeigt.

Ob ausreichende Gründe vorliegen, den Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage gemäß § 18 Abs 1 Z 3 zweiter Fall WEG auf Antrag eines Miteigentümers abzuberufen, läßt sich immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen (WoBl 1992, 114/84 ua; jüngst 5 Ob 52/99d). Eine Anrufung des Obersten Gerichtshofes kommt bei derartigen Entscheidungen nur in Frage, wenn das Rekursgericht den ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Beurteilungsspielraum verlassen hat, sodaß aus Gründen der Rechtssicherheit eine Korrektur der Entscheidung geboten ist (5 Ob 1091/92 = EWr II/26/11; vgl 5 Ob 1053/92 = EWr II/17/12 ua). Das trifft auf die vorliegende Entscheidung des Rekursgerichtes nicht zu.

Daß die vom Erstgericht festgestellten Mängel der Verwaltung (es geht im wesentlichen um die wiederholte Vorschreibung von Betriebskostenakonti, die die effektiven Betriebskosten des Vorjahres um deutlich mehr als 10 % überstiegen haben, um die auf eine mangelhafte Abstimmung von getrennt geführten Konten zurückzuführende Bekanntgabe eines Passivums von S 1.377,99 an die Antragstellerin im Jahr 1996, obwohl sich bei Kontenabstimmung ein Aktivum ergeben hätte, um Prämien für die Gebäudeversicherung, die sich - zumindest früher als tatsächlich geschehen - hätten reduzieren lassen, und um einen von der Erstantragsgegnerin im Jahr 1990 eingeholten Kostenvoranschlag für den Hauskanalanschluß, der fast 400 % über den tatsächlich aufgelaufenen Kosten der von den Wohnungseigentümern selbst in Auftrag gegebenen Bauarbeiten lag) nicht das Gewicht einer den Tatbestand des § 18 Abs 1 Z 3 zweiter Fall WEG erfüllenden groben Vernachlässigung der Verwalterpflichten erreichen, hält sich im Rahmen der einschlägigen Judikaturgrundsätze. Die Gründe für eine sofortige Abberufung des Wohnungseigentumsverwalters auf Individualantrag eines Miteigentümers müssen nämlich so beschaffen sein, daß nach allgemeiner Verkehrsauffassung gewichtige Bedenken gegen seine Treue- und Interessenwahrungspflicht bestehen (MietSlg 39/30; SZ 60/126; MietSlg 40/30; WoBl 1990, 51/31; WoBl 1992, 114/84 ua). Derart schwerwiegende Bedenken sind durch den festgestellten Sachverhalt nicht oder jedenfalls nicht so deutlich indiziert, daß sich ihre Verneinung als grober, im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmender Beurteilungsfehler erkennen ließe.

Daran bleibt auch festzuhalten, wenn man die von der Antragstellerin sonst noch geltend gemachten, nicht oder nicht in allen Einzelheiten festgestellten Verwaltungsmängel in die Beurteilung einbezieht. Es trifft zwar zu, daß mehrere einzelne Pflichtverletzungen des Verwalters, die für sich allein betrachtet noch keine grobe Vernachlässigung der Verwalterpflichten darstellen, bei der gebotenen Gesamtschau seine Abberufung rechtfertigen können, sofern es sich nicht um jeweils geringfügige und entschuldbare Fehlleistungen handelt, und daß im Rahmen dieser Gesamtschau auch länger zurückliegende Vorfälle zu berücksichtigen sind (WoBl 1989, 19/7; WoBl 1990, 51/31), doch nimmt mit der Länge des Beobachtungszeitraums auch das Gewicht einer Häufung von Verwaltungsmängeln ab. Verteilen sich diese Mängel auf einen langen Zeitraum, dann behalten sie die Qualität einzelner Fehlleistungen, die noch keinen Rückschluß auf eine grobe Vernachlässigung der Verwalterpflichten zulassen. Es darf nicht aus den Augen gelassen werden, daß für die sofortige Abberufung des Verwalters einer Wohnungseigentumsanlage auf Antrag (nur) eines Miteigentümers gravierende, die Vertrauensbasis zerstörende Pflichtverletzungen zu fordern sind. Im konkreten Fall, der sich dadurch auszeichnet, daß alle Mit- und Wohnungseigentümer mit Ausnahme der Antragstellerin der Erstantragsgegnerin das Vertrauen ausgesprochen haben, also gegen ihre Abberufung sind, zeigt sich dies besonders deutlich. Der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer würde im Hinblick auf das Verbot der Wiederbestellung (§ 18 Abs 2 WEG) ein Verwalterwechsel aufgezwungen, den sie gar nicht will. Dafür reichen die hier in Rede stehenden Verwaltungsmängel nicht aus.

Ein unter diesem Gesichtspunkt zu vernachlässigender Vorwurf an die Erstantragsgegnerin geht dahin, anläßlich einer Kamininstandsetzung im Jahr 1981 die zunächst veranschlagten Kosten von rund S 25.000,-- um nahezu 100 % überschritten zu haben. Auch wenn der Meinung des Rekursgerichtes, dieser Vorfall liege zu lange zurück, um überhaupt noch in die Beurteilung der Abberufungsgründe einbezogen werden zu können, nicht bis zur Konsequenz der völligen Unbeachtlichkeit zu folgen ist (WoBl 1989, 19/7; WoBl 1990, 51/31), bleibt am Ergebnis festzuhalten, daß der Tatbestand der groben Vernachlässigung von Verwalterpflichten selbst dann nicht erfüllt ist, wenn man der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit den Arbeiten am Kamin Versäumnisse bei der Ausschreibung oder Bauüberwachung unterstellt und sie in das Gesamtbild aller angeblichen Verwaltungsmängel einfügt. Die rekursgerichtliche Einschätzung, es liege im konkreten Fall kein Abberufungsgrund iSd § 18 Abs 1 Z 3 zweiter Fall WEG vor, ist auch dann vertretbar.

Ähnliches gilt für den Vorwurf, die Erstantragsgegnerin wäre 1995 gleichsam blind (ohne eigene Nachprüfung) auf die Forderung eines Kontrollorgans der E-Werke eingegangen, die Elektroinstallationen des Hauses zu erneuern, hätte nicht der Sohn der Antragstellerin die Unnotwendigkeit dieser Erneuerungsarbeiten erkannt und sie verhindert. Ob die fraglichen Arbeiten nicht doch einen Sinn gehabt hätten, wie das Rekursgericht meint, kann dahingestellt bleiben, weil sich aus dem Vorfall kein (zusätzliches) Indiz für eine grobe Vernachlässigung der Verwalterpflichten ableiten läßt.

Auch aus der Erneuerung der Laufbretter bei den Kaminköpfen für den Rauchfangkehrer läßt sich keine gravierende Verletzung von Verwalterpflichten konstruieren, ist sie doch auf Verlangen des Rauchfangkehrers erfolgt. Die Unterlassung der Nachprüfung, ob die Bretter nicht doch noch einige Jahre gehalten hätten, kann unter diesen Umständen durchaus als geringfügig und entschuldbar gewertet werden.

Die von der Erstantragsgegnerin im Jahr 1994 anläßlich der Sanierung der Gehwege (mit der sich auch die Antragstellerin einverstanden erklärt hatte) veranlaßte Neuversetzung der Randsteine eignet sich von vornherein nicht für den Vorwurf einer Verletzung von Verwalterpflichten, weil die beanstandete Vorgangsweise durch einen Beschluß der Miteigentümermehrheit gedeckt ist. Eine solche Genehmigung kann auch nachträglich eingeholt werden (ImmZ 1979, 296).

Was schließlich die behauptete Vernachlässigung der Verwalterpflichten im Zusammenhang mit der Gebäudeversicherung betrifft, bleibt die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, es liege (isoliert oder in der Zusammenschau mit anderen Vorwürfen) kein Abberufungsgrund vor, selbst dann vertretbar, wenn man der Erstantragsgegnerin nicht nur mangelnde bzw verspätete Bemühungen um eine Prämienreduktion in einer nach dem EU-Beitritt Österreichs veränderten Versicherungslandschaft anlastet, sondern auch eine realitätsfremde Einschätzung des Gebäudewertes (der Wiedererrichtungskosten). Fehler sind in diesem Bereich zweifellos passiert, doch wiegen sie, zumal auf die Erstantragsgegnerin nicht der geringste Verdacht der Unredlichkeit fiel, nicht so schwer, daß deshalb von einer gestörten Vertrauensbasis zwischen der Erstantragsgegnerin und der von ihr verwalteten Wohnungseigentümergemeinschaft gesprochen werden könnte. Die bei der Prüfung von Abberufungsgründen jeweils anzustellende Zukunftsprognose (5 Ob 2108/96b = EWr II/18/15) ist nach der Aktenlage keineswegs negativ, da die Erstantragsgegnerin die Anregung des Sohnes der Erstantragsgegnerin letztlich aufgegriffen und bei der betreffenden Versicherungsanstalt eine beträchtliche Prämienreduktion erwirkt hat. Der ihr zu machende Vorwurf reduziert sich damit auf zu wenig Eigeninitiative bzw auf verspätetes Handeln.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Eine Kostenentscheidung konnte entfallen, da in den Revisionsbeantwortungen der Antragsgegner keine Kosten (Barauslagen) verzeichnet wurden.

Zu Pkt 2 der Entscheidung:

Die Ahndung einer vermeintlich beleidigenden Äußerung im Revisionsrekurs der Antragstellerin durch eine Ordnungsstrafe kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Schriftsatz von einem Rechtsanwalt verfaßt wurde und hiefür die Sanktionsmöglichkeit einer gerichtlichen Ordnungsstrafe nicht vorgesehen ist (vgl EvBl 1999/15). Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob die inkriminierte Äußerung im überaus ideenreichen und sorgfältig ausgearbeiteten Rechtsmittel der Antragstellerin eine Beleidigung oder nur eine argumentative Überhöhung darstellt.

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