JudikaturJustiz5Ob570/80

5Ob570/80 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 1980

Kopf

SZ 53/103

Spruch

Ein Bestandgeber ist Unternehmer im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes, wenn er dritte Personen (z. B. einen Hausbesorger) beschäftigt und eine größere Zahl von Bestandverträgen abgeschlossen hat, die die Einschaltung anderer Unternehmungen oder von Erfüllungsgehilfen zur Regel macht; den dennoch selbstverwaltenden Bestandgeber trifft die Beweislast, daß die Bewirtschaftung seiner Liegenschaft keine dauernde Organisation erforderlich macht

OGH 8. Juli 1980, 5 Ob 570/80 (LGZ Wien 41 R 690/79; BG Fünfhaus 4 C 818/79)

Text

Die Beklagte ist Eigentümerin eines einzigen Mietshauses in Wien. Zwischen den Streitteilen wurde am 10. Oktober 1979 über die Wohnung Nr. 3 in diesem Haus - die nach dem Mietengesetz als Substandardwohnung zu qualifizieren ist - ein Mietvertrag abgeschlossen, der unter anderem die Bestimmung enthält: "Gegen Mietzinsforderungen ist jegliche Kompensation ausgeschlossen." Bei Abschluß des Mietvertrages mußte der Kläger eine Ablösezahlung von 10 000 S leisten. Die Beklagte hat seine Forderung auf Außerkraftsetzung des mietvertraglich vereinbarten Kompensationsverbotes abgelehnt und ihm im Falle der Nichtzahlung des vorgeschriebenen Mietzinses mit Kündigung gedroht.

Der Kläger begehrt mit der am 19. Oktober 1979 eingebrachten Klage die Feststellung, daß die Bestimmung des zwischen den Vertragsteilen abgeschlossenen Mietvertrages hinsichtlich der obgenannten Wohnung, wonach jede Kompensation von Mietzinsforderungen ausgeschlossen wird, nicht verbindlich sei. Dazu wurde vorgebracht, daß die Beklagte als Unternehmerin im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 KSchG diese im Widerspruch zu § 6 Abs. 1 Z. 8 dieses Gesetzes stehende Bestimmung in den Vertrag aufgenommen habe. Der Kläger beabsichtige nunmehr insbesondere den Anspruch auf Rückforderung der bezahlten Ablöse, aber auch allenfalls künftig entstehende Forderungen gegen die Hauseigentümerin mit den jeweils vorgeschriebenen Mietzinsen zu kompensieren. Im Hinblick auf die in diesem Zusammenhang stehende Androhung der Kündigung im Fale der Nichtzahlung des vorgeschriebenen Zinses habe der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Ungültigkeit des mietvertraglich vereinbarten Kompensationsverbotes.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Eigentümer auch nur eines Mietshauses als einer auf Dauer angelegter Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit falle unter den Unternehmerbegriff des § 1 Abs. 2 KSchG, sofern er mehr als eine einzige Wohnung gewerbsmäßig vermiete. In einem Mietvertrag zwischen einem solchen Unternehmer und einem Verbraucher sei ein vereinbartes generelles Kompensationsverbot nach § 6 Abs. 1 Z. 8 KSchG unzulässig und nicht verbindlich.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache an dieses zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung unter Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes gemäß § 519 Z. 3 ZPO zurück. Das Gericht zweiter Instanz folgte nicht der Auffassung des Erstgerichtes, wonach der Eigentümer eines Mietshauses jedenfalls Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sei, sofern er mehr als eine Wohnung gewerbsmäßig vermiete. Unternehmen im Sinne dieses Gesetzes sei jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, wenn sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sei. Ein solches Unternehmen liege unzweifelhaft bei einem Haus mit vielen vermieteten oder zur Vermietung bereitstehenden Bestandobjekten vor, sei aber nicht gegeben bei Räumlichkeiten, die der Eigentümer eines einzigen Einfamilienhauses oder einer Eigentumswohnung vermiete, weil er etwa selbst eine andere Wohnung beziehe. Hier fehle es an einer auf Dauer angelegten Organisation. Eine solche werde etwa in der Bestellung eines Hausbesorgers oder in dem Umstand zu erblicken sein, daß die Geschäfte des Vermieters einen solchen Umfang haben, daß üblicherweise zu deren Bewältigung ein Gebäudeverwalter bestellt werde. Diese Voraussetzung werde unter den derzeitigen Verhältnissen in der Regel aber erst dann anzunehmen sein, wenn in einem Haus mehr als fünf Bestandobjekte vermietet werden oder ein Wohnungseigentümer mehr als fünf Eigentumswohnungen vermiete oder ein Hauptmieter mehr als fünf Mietobjekte in Untermiete vergebe. Dabei seien jedoch immer die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zur Auslegung des Unternehmerbegriffes könnten die Bestimmungen des § 343 HGB nicht herangezogen werden, weil der Kaufmannsbegriff des HGB enger sei als der weitergehende Begriff des Unternehmers nach dem KSchG, der auch die freien Berufe, die Land- und Forstwirtschaft und selbst Tätigkeiten, die nicht auf Gewinn gerichtet sind, umfasse. Nicht zu billigen sei auch die Ansicht, daß die Klauseln des § 6 KSchG ganz allgemein Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffes der guten Sitten im Sinne des § 879 ABGB lieferten und daher auch außerhalb des Verbrauchergeschäftes Anwendung fänden. Eine solche Absicht des Gesetzgebers hätte durch einen entsprechenden Hinweis in den novellierten Bestimmungen des § 879 ABGB seinen Niederschlag gefunden. Daß im konkreten Fall bei Abschluß des Mietvertrages allgemeine Geschäftsbedingungen oder ein Vertragsformblatt herangezogen worden wären (§ 879 Abs. 3 ABGB), sei weder behauptet worden noch im Verfahren hervorgekommen.

Das Erstgericht werde demnach Feststellungen über das Vorliegen einer auf Dauer angelegten Organisation des Hauseigentümers bezüglich des gegenständlichen Mietshauses (Bestellung eines Hausbesorgers oder Verwalters, Anzahl der Mietobjekte) zu treffen und im fortgesetzten Verfahren auch zu berücksichtigen haben, daß die Annahme der Unternehmereigenschaft der Beklagten im Sinne des KSchG nur zu einer Unverbindlicherklärung des vereinbarten Kompensationsverbotes im Ausmaß des § 6 Abs. 1 Z. 8 KSchG führen könne.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß dem § 6 Abs. 1 Z. 8 KSchG sind für den Verbraucher besonders solche Vertragsbestimmungen im Sinne des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen das Recht des Verbrauchers, seine Verbindlichkeiten durch Aufrechnung aufzuheben, für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers oder für Gegenforderungen ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, die im rechtlichen Zusammenhang mit der Verbindlichkeit des Verbrauchers stehen, die gerichtlich festgestellt oder die vom Unternehmer anerkannt worden sind. Die Annahme der Unzulässigkeit und damit Unverbindlichkeit des Kompensationsverbotes in diesem eingeschränkten Sinne im Rahmen des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Bestandvertrages für eine Wohnung setzt voraus, daß an dem Rechtsgeschäft (Bestandvertrag) im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 KSchG einerseits jemand beteiligt ist, für den das Geschäft zum Betrieb seines Unternehmens gehört (Unternehmer) und andererseits jemand, für den dies nicht zutrifft (Verbraucher). Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der typischen Umstände, die einen besonderen Schutz des Verbrauchers erforderlich machen, auf dessen Unterlegenheit gegenüber dem Unternehmer an wirtschaftlicher Macht und an Wissen durch die Spezialisierung auf eine besondere Art von Geschäften hingewiesen. Zu diesem Wissen gehört auch die Erfahrung aus der Vielzahl von Geschäften, das Wissen um die dabei vorkommenden Zwischenfälle und die rechtlichen Möglichkeiten, wie für solche Zwischenfälle die eigene rechtliche Stellung möglichst günstig gestaltet werden kann. Der sachliche Geltungsbereich des KSchG im Zusammenhang mit dem Unternehmer- und Verbraucherbegriff wurde demnach auf objektive einigermaßen genau zu beschreibende und festzustellende Umstände abgestellt, bei denen die Lage, die das Motiv der Regelung bildet, typischerweise gegeben ist (744 Blg Nr, XIV. GP, 15 f.) Es muß daher zur Beurteilung der Anwendbarkeit der Vorschrift über das Verbrauchergeschäft konkret geprüft werden, ob sich eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit einer Person in bezug auf das konkrete Rechtsgeschäft mit einer bestimmten Person wegen der auch hiezu erforderlichen dauernden Organisation als unternehmerische darstellt, weil die Beurteilung als Verbrauchergeschäft nur von dem funktionellen Verhältnis zwischen den Streitteilen abhängt (vgl. Meinhart, Konsumentenschutz und Immobilienrecht, ImmZ 1980, 7). § 6 Abs. 1 KSchG ist aus der Auffassung des Gesetzgebers entstanden, daß beim Verbrauchervertrag die übermächtige Position des Unternehmers typisch die Freiheit des Willensentschlusses und die Überlegtheit auf Seiten des Verbrauchers hindert, weshalb ohne weitere Interessenabwägungen bestimmte Vertragsklauseln für ungültig erklärt werden. Dementsprechend ist der Auffassung beizupflichten, daß § 6 Abs. 1 KSchG über die Verbraucherverträge hinaus Bedeutung hat, weil es erkennen läßt, welche Vertragsregelungen der Gesetzgeber für ungültig erachtet, wenn ungleich starke Vertragspartner einander gegenüberstehen (Koziol - Welser[5] I, 391 f). Entsprechende Schutzbestimmungen gegenüber suspekten Vertragsklauseln, die einem Vertragspartner zufolge der bestehenden Vertragsübermacht des anderen aufgezwungen werden, sind im Bereiche des Wohnungswesens durch die Gesetzgebung in jüngerer Zeit auch in den Bestimmungen des § 24 WEG und des § 21 WGG erlassen worden. Als unzulässig wurde dabei etwa das Aufrechnungsverbot für Gegenforderungen des Wohnungseigentumswerbers angesehen (vgl. Faistenberger - Barta - Call, WEG 1975, 710).

Nach Lehre und Rechtsprechung wurde bisher die Vereinbarung des Verzichtes auf die Aufrechnung grundsätzlich als gültig und wirksam anerkannt (vgl. SZ 27/197; SZ 43/7; Gschnitzer in Klang[2] VI, 511; Koziol - Welser a. a. O., 393). Bei Zahlungsunfähigkeit des Gläubigers und für den Fall, daß Gegenforderungen anerkannt oder rechtskräftig festgestellt worden sind, konnte aber schon bisher trotz einer solchen Vereinbarung aufgerechnet werden. Nach den Intentionen des Gesetzgebers sollte durch § 6 Abs. 1 KSchG darüber hinaus auch der für unbillig erachtete Ausschluß der Aufrechnung für Gegenforderungen, die dem Verbraucher im Zusammenhang mit demselben Vertrag zustehen, unzulässig sein (744 BlgNR, XIV. GP, 24).

Da nicht behauptet worden ist, daß auf Seiten des Klägers im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Bestandvertrag kein Verbrauchergeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 2 KSchG vorliegt, ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, daß es darauf ankommt, ob die Beklagte als Unternehmerin im Sinne des § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes anzusehen ist. Ausgehend vom § 1 Abs. 2 KSchG, wonach Unternehmen im Sinne des Abs. 1 Z. 1 jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit ist, geht es sohin um die Abgrenzung der Beurteilungskriterien im Falle der Vermietung von Bestandobjekten. Als Unternehmer im Sinne des KSchG wird der Vermieter anzusehen sein, wenn die Beschäftigung von dritten Personen (z. B. Hausbesorger), das Vorliegen einer Mehrzahl dauernder Vertragspartner (Mehrzahl von Mietverträgen, die eine nach kaufmännischen Grundsätzen geführte Buchhaltung erfordert) bestehen und sohin die Einschaltung von anderen Unternehmen oder Erfüllungsgehilfen erforderlich ist und auch längerfristige Vertragsbindungen bestehen (Meinhart a. a. O., 7, 8). Dem Berufungsgericht ist daher darin beizupflichten, daß als Hinweise für das Vorliegen einer auf Dauer angelegten Organisation als Voraussetzung für die Annahme einer Unternehmerstellung des Vermieters die Bestellung eines Hausbesorgers oder die erforderliche Heranziehung eines Gebäudeverwalters zur Besorgung der Geschäfte des Vermieters angesehen werden können. Die Unterlegenheit des Mieters gegenüber einem solcherart an wirtschaftlicher Macht und insbesondere an Wissen durch die Spezialisierung auf die besondere Art der Geschäfte der Hausverwaltung überlegenen Vermieter kann durch die spezifischen Schutzbestimmungen des Mietengesetzes bzw. anderer mietenrechtlicher Regelungen nicht ausgeglichen werden, weil daraus für den vorliegenden Fall ein Schutz vor unzulässigen Vertragsklauseln, wie er im § 6 Abs. 1 Z. 8 KSchG im Sinne des § 879 ABGB eingeräumt wird, nicht abgeleitet werden kann. Im vorliegenden Fall sind zudem die Voraussetzungen des § 879 Abs. 3 Z. 2 ABGB i. d. F. des KSchG weder behauptet worden noch hervorgekommen.

Unter Voranstellung und Betonung der Notwendigkeit der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles bestehen keine Bedenken, ein Privatgeschäft des Vermieters anzunehmen, solange in seinem Hause nicht mehr als etwa fünf Bestandobjekte vermietet werden, wobei dies aber nur als annähernde Richtzahl angesehen werden kann. Daß bei einer darüber hinausgehenden Anzahl zu verwaltender Objekte ein wesentliches Anwachsen der Verwaltungsarbeit und damit des erforderlichen Organisationsumfanges angenommen werden kann, läßt sich etwa auch aus den Richtlinien und Honorarsätzen der Immobilienmakler und Immobilienverwalter entnehmen, wonach bei mehr als sechs verwalteten Eigentumswohnungen ein Zuschlag für jeden weiteren Wohnungseigentümer verlangt werden darf.

Die Beweislast dafür, daß die Bewirtschaftung einer solchen Liegenschaft oder solcher Bestandobjekte keine dauernde Organisation erforderlich macht und sohin ein Privatgeschäft auf seiner Seite vorliegt, trifft den selbstverwaltenden Eigentümer bzw. Verfügungsberechtigten (Welser, Die Beschränkung der Vertragsfreiheit beim Konsumentenschutzgeschäft, JBl. 1980, 5; Meinhart a. a. O., 8 FN 16).

Nach diesen Erwägungen kann zunächst der Auffassung der klagenden Partei nicht beigepflichtet werden, die in ihrem Rekurs darauf hinweist, daß es zum Vorliegen des Unternehmerbegriffes im Sinne des KSchG genüge, wenn aus der Vermietung von mehr als einer Wohnung regelmäßig Erträge erzielt würden und sich bereits aus dem Umstand, daß der Kläger Mieter der Wohnung Nr. 3 sei, ergebe, daß die Beklagte mehr als eine Wohnung im gegenständlichen Haus erwerbsmäßig vermietet.

Die Rechtssache ist aber auch entgegen der im Rekurs der beklagten Partei vertretenen Auffassung nicht im Sinne der Klagsabweisung spruchreif. Es kann nicht darauf ankommen, daß beim Erwerb des gegenständlichen Hauses nicht die Entfaltung selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, sondern der Gedanke der Kapitalanlage im Vordergrund gestanden ist, weil - wie bereits dargelegt wurde - nach den Intentionen des Gesetzgebers auf objektive einigermaßen genau zu umschreibende und festzustellende Umstände abzustellen ist, bei denen das Ungleichgewicht in den Positionen der Vertragskontrahenten typischerweise gegeben ist. Die Bezugnahme auf die Bestimmung des § 343 HGB, die auch in den Erläuterungen des Gesetzgebers vorkommt, vermag im vorliegenden Falle bei der Klärung der Frage nur insoweit weiterzuhelfen, als damit im Rahmen der regelmäßigen Befassung des Vermieters mit Angelegenheiten der Hausverwaltung zunehmend mit der Zahl der vorhandenen Bestandobjekte ein Ungleichgewicht bei den Kontrahenten anzunehmen ist. Es kann aus den schon dargelegten Gründen auch nicht der Auffassung gefolgt werden, daß schon allein deshalb das Vorliegen einer Unternehmerstellung seitens des Vermieters verneint werden müsse, weil bei der Vermietung von Wohnungen der gegenständlichen Art bereits durch das Mietengesetz der Schutz der Mieter gewährleistet sei. Dies hat gerade im vorliegenden Falle zu gelten, wo dem Mieter einer Substandardwohnung ermöglicht werden soll, eine allenfalls verbotene Ablöse bereits im Aufrechnungswege gegen die Mietzinse refundiert zu erhalten und sohin seine Verbindlichkeiten durch Aufrechnung mit einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden Gegenforderung aufzuheben.

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