JudikaturJustiz5Ob509/96

5Ob509/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred H*****, vertreten durch Dr.Gerhard Seidel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH Co KG, ***** vertreten durch Dr.Helmut Valenta ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen Herausgabe (Streitwert S 245.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 5.April 1995, GZ 6 R 233/94-30, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 24.August 1994, GZ 3 Cg 298/92-22, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger erwarb im Februar oder März 1987 bei der Beklagten ein Motorboot Marke Fjord 30, Weekender. Im Winter 1987/88 wurden von der Beklagten an diesem Boot mehrere Reparaturen sowie ein Transport und sonstige Nebenleistungen vorgenommen, zu deren Bezahlung der nunmehrige Kläger im Verfahren 39 Cg 195/89 des Handelsgerichtes Wien rechtskräftig schuldig erkannt wurde. Dieses Urteil wurde vom Kläger vor Einbringung dieser Klage vollständig erfüllt.

Der Geschäftsführer der Beklagen ließ im Oktober 1988 erneut das Boot von Portoroz - nunmehr Republik Slowenien - nach Österreich bringen. Das Boot wurde repariert und befindet sich seither in Gewahrsame der Beklagten.

Mit der am 30.10.1992 eingebrachten Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Herausgabe dieses Motorbootes samt den im Motorboot befindlichen Gegenständen, nämlich einer Campingkühlbox für Gas- und Strombetrieb umschaltbar, einem Außenbordmotor Marke Mercury mit 4 PS, einem tragbaren Notstromaggregat, einem kompletten Eßgeschirr und vier Reserveschiffschrauben für das Boot. Der Kläger behauptete, daß sich die Beklagte, die die Gewahrsame über dieses Boot habe, zu Unrecht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufe; der Kläger habe nämlich alle Leistungen, zu denen er im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien verurteilt worden sei, erbracht. Die Beklagte verweigere die Herausgabe mit der unrichtigen Behauptung, es seien weitere offene Beträge zu entrichten. Der Kläger habe nämlich keine weiteren Reparaturaufträge erteilt, außerdem habe er nicht den Auftrag gegeben, das Boot nach Österreich zu transportieren, sodaß auch ein diesbezüglicher Entgeltsanspruch und Ansprüche bezüglich Zollbehandlungs- und Liegeplatzgebühren nicht zu Recht bestünden. Im übrigen seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt; außerdem seien sie der Höhe nach nicht angemessen.

Die Beklagte, deren Klagebeantwortung am 2.12.1992 beim Erstgericht einlangte, beantragte, die Klage abzuweisen, und brachte vor: Ihr stehe ein Zurückbehaltungsrecht zu. Sie habe nämlich über Auftrag des Klägers diverse Reparaturarbeiten ordnungsgemäß durchgeführt und seien die bezüglichen Rechnungen bislang nicht bezahlt. Außerdem habe die Beklagte ein Verdeck für das Boot angefertigt; es seien zwischenzeitig Zollbehandlungs- und Liegeplatzgebühren aufgelaufen, die dem Kläger verrechnet worden seien. Auch diese Kosten seien bislang nicht bezahlt. Die hier geltend gemachten Rechnungen seien alle nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Handelsgericht Wien gewesen. Insgesamt ergebe sich eine "Gegenforderung" der Beklagten von S 296.680,80.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging hiebei im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Der Kläger gab im Oktober 1988 das Boot erneut bei der Beklagten in Reparatur und stellte eine Vollmacht aus, damit die Beklagte das Boot im Hafen von Portoroz betreten, auskranen und nach L***** tranportieren könne. Die Beklagte beglich in Portoroz die Liegegebühren, krante das Boot aus und transportierte es im Oktober 1988 in ihre Werkstatt nach L*****. Der Kläger selbst bestellte noch am 30.11.1988 Ersatzteile für das Boot. Diese spätere, klagsgegenständliche Reparatur wurde im April 1989 fertiggestellt und das Boot ab Mai 1989 bei der "Firma" ***** in T***** gelagert. Leistungen, die die Beklagte für den Kläger nach der im Frühjahr 1988 erfolgten Reparatur erbracht hatte, waren nicht Gegenstand des Verfahrens 39 Cg 195/89 des Handelsgerichtes Wien.

Da das Boot in Jugoslawien gekauft und in Österreich nicht verzollt worden war, liefen Zollbehandlungskosten in der Höhe von S 1.000,-- an, die alle drei Monate erneut entrichtet werden müssen, weiters Lagerplatzgebühren von S 1.800,-- pro Monat. Im März 1990 schaffte die Beklagte ein neues Verdeck an, um das Boot vor Wettereinflüssen zu schützen. Einwinterungskosten von jeweils S 2.500,-- fielen für die Jahre 1991/92/93 an. Erst am 2.4.1990 legte die Beklagte Rechnung über die erbrachten Tranport-, Reparatur- und Lagerleistungen. Am 12.6.1991 brachte der Kläger eine Klage auf Herausgabe gegen Sicherheitsleistung gemäß § 471 Abs 2 ABGB gegen die Beklagte ein. Als Sicherheit bot der Kläger eine Bankgarantie an. Diese Klage wurde im Verfahren 3 Cg 184/91 des Erstgerichtes abgewiesen, weil das Gericht diese mit 31.12.1991 limitierte Bankgarantie vom 19.3.1991 nicht als ausreichende Sicherheit für die Forderung der zurückbehaltungsberechtigten Beklagten erachtete.

In seiner rechtlichen Beurteilung kam das Erstgericht zum Schluß, daß der Beklagten ein Retentionsrecht nicht zustehe: Das "Retentionsrecht" nach § 1052 ABGB bestehe nur so lange, als aus dem Werkvertrag eine klagbare Forderung bestehe. Wenn die Forderung verjährt sei, bestehe dieses Retentionsrecht nicht mehr. Im vorliegenden Fall seien die mit Rechnung vom 2.4.1990 begehrten Entgelte für Reparaturarbeiten und Transportleistungen für Leistungen verlangt worden, die bereits im April 1989 abgeschlossen worden seien. Die Rechnungslegung wäre somit zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen. Es sei daher davon auszugehen, daß die Verjährungsfrist jedenfalls im April 1989 zu laufen begonnen habe, sodaß zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Retentionsrechtes (in der Klagebeantwortung vom 2.12.1992) die mit diesem Recht zu besichernde Forderung nicht mehr klagbar sei, sodaß das Retentionsrecht nach § 1052 ABGB erloschen sei. Der Umstand, daß die Beklagte im Verfahren 3 Cg 184/91 des Erstgerichtes ihre Forderung in der Klagebeantwortung vom 9.7.1991 geltend gemacht habe, lasse für sie nichts gewinnen, weil in diesem Verfahren lediglich zu klären gewesen sei, ob die vom Kläger vorgelegte befristete Bankgarantie eine angemessene Sicherheitsleistung im Sinne des § 471 Abs 2 ABGB darstelle; Verfahrensgegenstand sei jedoch nicht die rechtskräftige Feststellung dieser eingewendeten Forderungen gewesen. Bezüglich der geltend gemachten Kosten für Zoll, Liegeplatzgebühren und Einwinterung ergebe sich, daß jene Gebühren, die den Zeitraum vor dem 1.12.1992 betreffen, verjährt seien. Hinsichtlich der weiteren Gebühren komme der Beklagten ein Retentionsrecht nicht zu, weil es, soweit es sich auf § 1052 ABGB stützen könnte, im April 1992 erloschen sei, sodaß nur mehr ein Retentionsrecht im Sinne des § 471 Abs 1 ABGB in Frage komme. § 1440 ABGB schließe aber ausdrücklich ein Zurückbehaltungsrecht für in Verwahrung genommene Gegenstände aus. Der Begriff "in Verwahrung genommen" werde von der Rechtsprechung weit interpretiert; nicht nur aufgrund eines Verwahrungsvertrages im Sinne der §§ 957 f ABGB übernommene Sachen seien erfaßt, sondern auch aufgrund anderer Verträge übernommene Sachen, soweit sie ein Verwahrungselement enthielten, also die Verwahrung eine vertragliche Nebenpflicht bilde. Diese Erwägungen hätten auch für die Kosten der (zur Schadensvermeidung notwendigen) Anschaffung eines Verdeckes zu gelten, zumal dieses Verdeck von der Beklagten aus eigenen Stücken, ohne Auftrag des Klägers, angeschafft worden sei. Insgesamt ergebe sich zwar eine Forderung der Beklagten in der Höhe von S 99.240,-- (Verdeck zuzüglich Liege- und Einwinterungskosten sowie Zollgebühren) die nicht verjährt sei, für die allerdings ein Zurückbehaltungsrecht nicht existiere.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, sprach (im Berichtigungsbeschluß vom 22.1.1996) aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte zur Rechtsrüge folgendes aus:

Das hier von der Beklagten behauptete Retentionsrecht könne nur das des Vertragspartners nach § 1052 ABGB (Einrede des nicht erfüllten Vertrages) oder das nach § 471 ABGB sein. Ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht der Beklagten scheitere alleine schon daran, daß zwischen den Streitteilen kein beiderseitiges Handelsgeschäft vorliege. Ein Werkvertrag liege nur bezüglich der im November 1988 begonnenen Reparatur vor (verrechnet mit der Rechnung vom 2.4.1990 über - reine - Reparaturkosten in Höhe von S 31.324 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, somit insgesamt S 37.588,80), mit dem das - zuvor erfolgte - Kranen und der Transport nach Oberösterreich im Zusammenhang stehe. Diese Werklohnforderung sei bereits verjährt gewesen, als das diese sichernde Zurückbehaltungsrecht in diesem Prozeß mit der Klagebeantwortung am 1.2.1992 geltend gemacht worden sei. Die Rechnung über die Reparaturarbeiten hätte nämlich bereits im April 1989 gelegt werden können. Ab diesem Zeitpunkt habe die Verjährungsfrist für die Werklohnforderung zu laufen begonnen. Umstände, die den Lauf der Verjährung der Werklohnforderung gehemmt oder unterbrochen hätten, habe die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht behauptet. Auch habe die Beklagte im Verfahren erster Instanz kein Vorbringen dahin erstattet, sie habe ihr Retentionsrecht betreffend die gegenständlichen Forderungen bereits vor Einbringung der Klagebeantwortung am 1.2.1992 geltend gemacht.

Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 1052 ABGB (untechnisch als Zurückbehaltungsrecht bezeichnet) diene dazu, den Partner zur Leistung zu veranlassen. Treffe den Partner keine Leistungspflicht (mehr), könne die Einrede nicht (mehr) erhoben werden. Jabornegg (Das Zurückbehaltungsrecht und die Einrede des nicht erfüllten Vertrages, 252 ff) mache insofern eine Einschränkung, als er bei Zurückbehaltungsrechten kraft Austauschverhältnisses (§ 1052 ABGB etwa) die Ansicht vertrete, daß Verjährung der gesicherten Forderung (hier der Werklohnforderung) in Analogie zu § 933 Abs 2 ABGB nicht zum Erlöschen des Zurückbehaltungsrechtes führe, wenn das Zurückbehaltungsrecht innerhalb der Verjährungsfrist geltend gemacht werde. Diese Rechtsansicht könne aber nicht restlos überzeugen, weil das Zurückbehaltungsrecht (bzw die Einrede des nicht erfüllten Vertrages) der Besicherung der Gegenleistung diene und im Falle der Verjährung der gesicherten Forderung es letztlich keine Möglichkeit gebe, diese klageweise durchzusetzen und in die als Sicherungsobjekt dienende Sache zu vollstrecken. Andererseits hätte der Werkbesteller etwa keine Möglichkeit, die reparierte, ihm gehörige Sache herauszuverlangen. Es entstünde somit ein nicht lösbarer Konflikt. Da die Rechtsordnung der Lösung von Konflikten und nicht der Erzeugung unlösbarer Konflikte diene, könne die von Jabornegg vorgeschlagene Lösungsvariante nicht überzeugen. Das Berufungsgericht sei daher der Ansicht, daß nach Verjährung der durch das Zurückbehaltungsrecht besicherten Forderung auch das Zurückbehaltungsrecht wegen des Verlustes des Sicherungszweckes verloren gehe. Der Sicherungszweck begründe somit eine gewisse Akzessorietät des Sicherungsmittels mit der gesicherten Forderung. Selbst wenn man nicht diese Rechtsansicht teile und vom Lösungsansatz Jaborneggs ausgehe, wäre für die Beklagte nichts gewonnen, weil sie im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet habe, sie habe den Kläger vor der Verjährung ihrer Werklohnforderung auf diese mit dem Bemerken hingewiesen, sie mache ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 1052 ABGB (Einrede des nicht erfüllten Vertrages) geltend. Der diesbezügliche Hinweis auf das Verfahren 3 Cg 184/91 des Erstgerichtes stelle eine unzulässige Neuerung dar.

Zu prüfen bleibe, ob der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht im Sinne des § 471 ABGB hinsichtlich ihrer sonstigen Gegenforderungen, nämlich Liegeplatzkosten, Zollgebühren, Einwinterungskosten und die Kosten für das Anbringen eines Verdeckes zustehen. § 471 ABGB gewähre dem Herausgabepflichtigen einer Sache ein Zurückbehaltungsrecht zur Sicherung seiner fälligen Forderungen wegen des für die Sache gemachten Aufwandes oder des durch die Sache ihm verursachten Schadens. Die geltend gemachten Forderungen seien als ein derartiger gemachter Aufwand auf die Sache anzusehen, nicht jedoch das Kranen und der Transport mit Sondergenehmigung und Begleitfahrzeug (diese Kosten stünden im Konnex mit der vorgenommenen Reparatur). Soweit diese Gegenforderungen nicht verjährt seien, könnten sie somit ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nach § 471 ABGB begründen. Zu prüfen bleibe lediglich die Frage, ob hier nicht der Ausschluß des § 1440 ABGB, wonach eigenmächtig oder listig entzogene, entlehnte, in Verwahrung oder in Bestand genommene Stücke nicht Gegenstand des Zurückbehaltungsrechtes sein können, vorliege. Der Begriff "in Verwahrung genommen" werde von der Rechtsprechung weit interpretiert. Die Rechtsprechung nehme diesen Tatbestand nicht nur aufgrund eines Verwahrungsvertrages im Sinne der §§ 957 ff ABGB an, sondern auch für Verträge aller Art, soweit sie ein Verwahrungselement enthielten, also die Verwahrung eine vertragliche Nebenpflicht bilde. Jabornegg sei insofern zu folgen, daß keine Rede davon sein könne, daß zB die Pflicht des Werkunternehmers zur Verwahrung des vom Besteller gelieferten Stoffes bzw des Werkes bis zur Abholung einer Zurückbehaltung wegen der Forderung aus dem Werkvertrag entgegenstehe. Jabornegg führe dazu aus, daß Grund dafür, weshalb in diesen Fällen das Verwahrungselement keinen den Zurückbehaltungsausschluß begründende Wirkung entfalten könne, darin liege, daß die in Betracht zu ziehenden Gegenansprüche alles andere als überraschend seien; eine schutzwürdige, uneingeschränkte Rückgabeerwartung bestehe von vornherein nicht. Nur dann, wenn ausnahmsweise Verhältnisse gegeben seien, welche das Verwahrungselement mit unerwarteten Ansprüchen verbinde, werde das Zurückbehaltungsrecht analog § 1440 ABGB auszuschließen sein. Gerade dies treffe aber auf den vorliegenden Fall zu. Die Ansprüche auf Werklohn seien verjährt, ebenso die Ansprüche auf den Ersatz der Krankosten und des Transportes mit Sondergenehmigung und Begleitfahrzeug, weiters Ansprüche auf Lagergebühren und Zollgebühren bis einschließlich November 1989, somit für einen Zeitraum, der etwa ein halbes Jahr nach Beendigung der in Auftrag gegebenen Reparatur liege. Das Anbringen eines Verdecks am Boot stelle einen Aufwand auf die Sache dar, der in keinem unmittelbaren Zusammenhang mehr mit dem seinerzeitigen Reparaturauftrag stehe. Dasselbe gelte für die Einwinterungskosten 1991/92, 1992/93 und 1993/94 und die Lager- und Zollgebühren ab Dezember 1991. Diese Kosten seien im übrigen typische, mit einer Verwahrung verbundene Kosten, sodaß zum einen die zeitliche und sachliche Konnexität dieser Kosten mit dem Reparaturauftrag, also dem Werkvertrag, fehle und zum anderen es sich gerade um jene Kosten handle, denen der Gesetzgeber die Sicherung durch ein Zurückbehaltungsrecht gerade nicht gewähren wollte. Der Beklagten stehe somit ein Zurückbehaltungsrecht nicht zu.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen gewesen, weil dem Berufungsgericht eine Rechtsprechung des Höchstgerichtes zur Frage, inwieweit die Verjährung der zu sichernden Forderung auf das Zurückbehaltungsrecht Auswirkungen habe, nicht bekannt sei.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; offenbar hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil jüngere einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt, und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte macht zusammengefaßt geltend, daß ihr für ihre Ansprüche ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 471 ABGB und gemäß § 1052 ABGB zustehe. Dem stehe die Bestimmung des § 1440 ABGB nicht entgegen. Das Retentionsrecht sei einem Pfandrecht ähnlich gestaltet; es könne nicht Sinn eines Retentionsrechtes sein, daß dieses Sicherungsrecht mit der Verjährung der Forderung verloren gehe.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 471 Abs 1 ABGB besteht ein Zurückbehaltungsrecht zur Sicherung fälliger Forderungen ua wegen des für die Sache gemachten Aufwandes. Aufwand auf die Sache ist der zu ihrer Erhaltung oder Verbesserung gemachte Aufwand. Es genügt zwar nicht irgendein äußerer Zusammenhang mit der Sache, doch ist der Begriff nicht eng auszulegen. Hieher gehören zB Reparaturkosten (Petrasch in Rummel2 § 471 ABGB Rz 8 mwN) wie im vorliegenden Fall. Der Erhaltung oder Verbesserung der Sache diente hier aber nicht nur die Bootsreparatur, sondern auch der Aufwand an Zollbehandlungs-, Lagerplatz- und Konservierungskosten; hiezu zählt auch die Anschaffung des neuen Verdecks, mit dem das Boot vor Witterungseinflüssen geschützt werden sollte.

Gemäß § 1440 ABGB sind ua in Verwahrung genommene Sachen kein Gegenstand der Zurückbehaltung. Die Verwahrung des Bootes bildete für die Beklagte als Werkunternehmerin - trotz der inzwischen langen Dauer - keine vertragliche Haupt-, sondern eine Nebenpflicht, was die Anwendung des § 1440 ABGB nach der Rechtsprechung aber nicht ausschließt (Rummel in Rummel2 § 1440 ABGB Rz 14 mwN). Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, wenn es im Anschluß an Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht und Einrede des nicht erfüllten Vertrages 238, die Ansicht vertritt, daß die Pflicht des Werkunternehmers zur Verwahrung des vom Besteller gelieferten Stoffes bzw des Werkes bis zur Abholung einer Zurückbehaltung wegen der Forderung aus dem Werkvertrag nicht entgegensteht. Der Grund dafür liegt darin, daß wegen offenbar zu erwartender Gegenansprüche keine uneingeschränkte Rückgabeerwartung besteht (Jabornegg aaO; Rummel aaO). Dem Berufungsgericht ist aber nur teilweise zu folgen, wenn es meint, hier seien ausnahmsweise Verhältnisse gegeben, welche das Verwahrungselement mit unerwarteten - nämlich verjährten - Ansprüchen verbinde. Für die Frage der Rückgabeerwartung kommt es auf die Verhältnisse bei Hingabe der Sache an; die Frage der Bedeutung einer allenfalls später eingetretenen Verjährung ist hiemit nicht zu vermengen.

Zu erwarten hatte der Kläger Ansprüche für Reparatur, Kranen und Transport des Bootes vom Hafen in die Werkstätte der Beklagten. Insoweit ergibt sich aus § 1440 ABGB kein Hindernis für eine Zurückbehaltung. Aus damaliger Sicht nicht zu erwarten waren die nach der Reparatur angefallenen zusätzlichen Zollbehandlungs-, Liegeplatz- und Konservierungskosten. Auch wenn die Frage des angemessenen Ersatzes für diese Kosten noch offen ist, wäre das Boot dem Kläger gegen Bezahlung des Werklohnes und der Kosten für Kranen und Transport (jeweils samt Nebenspesen) herauszugeben (vgl Jabornegg aaO).

Was die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Frage, inwieweit die Verjährung der zu sichernden Forderung auf das Zurückbehaltungsrecht Auswirkungen hat, anlangt, so hat der Oberste Gerichtshof in ZBl 1936/229 ausgesprochen, daß das Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB ebenso wie das Faustpfandrecht nach § 1483 ABGB verhindere, daß die Verjährung der Forderung (Fortbezahlung des Lagerzinses) zu laufen beginne, solange sich die Ware in der Verfügungsgewalt des Forderungsberechtigten befinde. Denn wenn auch das Zurückbehaltungsrecht im allgemeinen nicht einem Faustpfandrecht gleichkomme, stehe es ihm doch in der Wirkung des § 1483 ABGB gleich, weil derselbe Rechtsgrund, der bei Bestand eines Faustpfandrechtes verhindere, daß die Verjährung der gesicherten Forderung zu laufen beginne, auch beim Zurückbehaltungsrecht wirksam sei.

In der Lehre wird die Frage nicht einheitlich beantwortet: So ist Klang an einer Stelle (in Klang2 VI 618 mwN) der Ansicht, auf das Zurückbehaltungsrecht sei § 1483 ABGB sinngemäß anzuwenden, während er an anderer Stelle (in Klang2 II 544 mwN, auf welche Stelle sich Pimmer in Schwimann ABGB II, § 471 Rz 7 stützt) ausführt, das Zurückbehaltungsrecht könne aufgrund verjährter Forderungen nicht geltend gemacht werden. Für analoge Anwendung des § 1483 ABGB auf das Zurückbehaltungsrecht sprechen sich auch Schubert in Rummel2 § 1483 ABGB Rz 2, Mader in Schwimann ABGB V, § 1483 Rz 1, Gschnitzer/Faistenberger/Barta/Call/Eccher, Sachenrecht2 234, und Burgstaller. Das Pfandrecht in der Exekution 126 f aus. Jabornegg aaO 254 ff, dem Petrasch in Rummel2 § 471 ABGB Rz 7 folgt, unterscheidet dahin, daß das Zurückbehaltungsrecht kraft Austauschverhältnisses analog § 933 Abs 2 ABGB nach Geltendmachung innerhalb der Verjährungszeit nicht verjährt, während das Zurückbehaltungsrecht "kraft Vermögenshaftung" (126 ff, 194 ff; etwa wegen durch die Sache verursachten Schadens) mit der Verjährung des gesicherten Anspruches endet. Eine Analogie zu § 1483 ABGB lehnt Jabornegg ab (256). Huber, Probleme der Verjährung und des Einlösungsrechts bei Faustpfandbestellung durch einen Dritten, ÖJZ 1986, 193, 196, weist zu der in § 933 Abs 2 ABGB normierten Anzeigeobliegenheit darauf hin, daß das Interesse der Rechtsordnung an einer raschen Streitbereinigung wegen der Gefahr des Nachschiebens von Mängeln zumindest eine Warnung des Vertragspartners geboten erscheinen lasse. Soweit eine vergleichbare Gefahr auch bei Retentionsrechten entstehe, sei § 933 Abs 2 ABGB analog anzuwenden, sonst sei das Retentionsrecht hinsichtlich der Verjährung wie ein Pfandrecht zu behandeln.

In Deutschland überwiegt die Ansicht, daß ein Zurückbehaltungsrecht für einen verjährten Anspruch ausgeübt werden kann, wenn dieser bei Entstehung des Zurückbehaltungsrechts noch nicht verjährt war (BGHZ 48, 116; 53, 122; Heinrichs in Palandt54 § 223 BGB Rz 4; Hefermehl in Erman9 § 223 BGB Rz 5; Dilcher in Staudinger12 § 223 Rz 6; vgl v. Feldmann in MünchKomm3 § 223 BGB Rz 2; Walter in Soergel12 § 223 BGB Rz 2). Canaris, JZ 1967, 758, verlangt hiebei, daß die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes vor Vollendung der Verjährung erfolgt ist. Johannsen in RGRK12 § 223 BGB Rz 4 lehnt hingegen ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines verjährten Anspruches ab. Schließlich wird auch in der Schweiz die Ansicht vertreten, daß Retentionsrechte, was die Verjährung der Forderung betrifft, wie das Faustpfand behandelt werden müssen (Berti in Honsell/Vogt/Wiegand, Obligationenrecht I Art 140 Rz 2, 4, 10 mwN).

Der erkennende Senat folgt der schon in ZBl 1936/229 (im Ergebnis, wenn auch mit teilweiser unzutreffender Begründung) und in einem beträchtlichen Teil der Lehre vertretenen Ansicht, daß auf das Zurückbehaltungsrecht die Vorschrift des § 1483 ABGB analog anzuwenden ist. Das Zurückbehaltungsrecht ist dem Pfandrecht im Hinblick auf seine Sicherungsfunktion jedenfalls verwandt (JBl 1991, 241). Wenn es dem Gläubiger auch nicht die gleiche Rechtsstellung vermittelt wie das Pfandrecht, so verfügt doch auch der Retentionsberechtigte über eine in seiner Gewahrsame befindliche Sicherheit, sodaß ihm eine Einklagung seiner Forderung nicht vordringlich erscheinen wird; sein Zuwarten ist nicht als Saumsal zu werten (vgl Huber aaO). Der Gläubiger braucht in diesem Zusammenhang trotz Verjährung seines Anspruches nicht etwas aufzugeben, was er bereits in Händen hat (vgl v. Feldmann aaO).

Ein Analogieschluß zu § 933 Abs 2 ABGB ist schon deshalb nicht angebracht, weil die Geltendmachung eines Sicherungsrechts mit der Anzeige von Mängeln einer Sache nicht vergleichbar ist. Es ist daher nicht erforderlich, daß das Zurückbehaltungsrecht vor Verjährung der gesicherten Forderung geltend gemacht wird, es muß nur vor deren Verjährung entstanden sein. Letzteres trifft im vorliegenden Fall aber zu, weshalb der Verjährungseinwand des Klägers dem Retentionsrecht der Beklagten nicht zu schaden vermag.

Soweit das Berufungsgericht die Erzeugung eines unlösbaren Konflikts befürchtet, ist zu bemerken, daß die vom Berufungsgericht als unbefriedigend empfundene Situation durch Zahlung des Werklohnes (samt Kran- und Transportkosten) in angemessener Höhe Zug-um-Zug gegen Herausgabe des Bootes bereinigt werden kann.

Zu keiner für den Kläger günstigeren Lösung des Verjährungsproblemes gelangt man, wenn man das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten als solches im weiteren Sinne auffassen und es der Bestimmung des § 1052 ABGB unterstellen wollte (vgl zur Abgrenzung des Anwendungsbereiches der §§ 471 und 1052 ABGB beim Werkvertrag Aicher in Rummel2 § 1052 ABGB Rz 1 mwN; Jabornegg aaO 224 ff mwN, 187 ff). Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages verjährt nämlich überhaupt nicht (Schubert in Rummel2 § 1451 ABGB Rz 1 aE; Huber aaO; Burgstaller aaO 125; vgl Heinrichs aaO und § 194 BGB Rz 6 je mwN; v. Feldmann aaO § 194 BGB Rz 23; Hefermehl aaO § 194 BGB Rz 13).

Zusammenfassend ergibt sich, daß die Ansprüche der Beklagten wenigstens teilweise die Zurückbehaltung des Bootes des Klägers rechtfertigen. Da der Kläger die Gegenleistung nicht endgültig verweigert hat, ist nicht mit Klagsabweisung vorzugehen, sondern wäre die Beklagte grundsätzlich zur Herausgabe Zug-um-Zug gegen Erfüllung der Gegenleistung zu verurteilen (Petrasch aaO Rz 9 mwN; Aicher aaO Rz 14 ff mwN). Feststellungen zur Höhe des nach den obigen Darlegungen in Betracht kommenden Anspruches der Beklagten (insbesondere angemessene Reparatur-, Kran- und Transportkosten) fehlen aber, weshalb die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben werden mußten und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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