JudikaturJustiz5Ob231/06s

5Ob231/06s – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. November 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Herbert M***** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Vereins *****, vertreten durch Dr. Gerald Hauska, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beklagten Dr. Othmar B*****, vertreten durch Sattlegger Dorninger Steiner Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 2,000.000 s.A., über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 31. August 2006, GZ 6 R 99/06f-48, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Beklagte war seit 1. 11. 2001 Präsident eines seit mehreren Jahren in der höchsten Spielklasse des österreichischen Profi-Fußballsportes vertretenen Fußballvereines sowie seit Juli 1998 Gesellschafter einer im Dezember 1997 gegründeten GmbH, die alle kaufmännischen Aktivitäten des Vereines übernommen hatte, während der Verein nur mehr den reinen Spielbetrieb im Rahmen der österreichischen Fußballliga (ÖFBL) durchführte. Der Verein verfiel am 25. 6. 2002 in Konkurs, die GmbH kurz darauf am 11. 7. 2002. Auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Situation des Vereines forderte die ÖBFL wie bereits in den vergangenen Spielsaisonen für die Vergabe einer Lizenz für das Spieljahr 2002/2003 eine Haftungserklärung des Vereinspräsidenten, welcher Forderung der Beklagte nachkam. Um die Lizenzvergabe und damit die weitere Spielsaison zu sichern, unterzeichnete der Beklagte als Gesellschafter der GmbH eine weitere, mit 12. 4. 2002 datierte, bis 30. 6. 2003 befristete Haftungserklärung zu Gunsten des Vereines. Darin verpflichtete er sich unwiderruflich, „sämtliche Forderungen, die dem Verein gegen die GmbH zustehen, jederzeit auf erste Aufforderung durch den Vereinsvorstand dem Verein den jeweils geforderten Betrag unverzüglich zu bezahlen", wobei als Nachweis die Vorlage eines Halbjahres- bzw Jahresabschlusses genüge. Diese Haftungserklärung war unter anderem von einem Mitglied des Vereinsvorstandes und dem vom Verein beauftragten Wirtschaftsprüfer vorbereitet worden. Die Klausel über den erforderlichen Nachweis wurde auf Wunsch des Beklagten aufgenommen, der über die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der GmbH sowie den Stand der gegenseitigen Verrechnungen nicht Bescheid wusste und generell in die Erstellung des Sanierungskonzeptes kaum eingebunden worden war. Der Halbjahres- bzw Jahresabschluss sollte im Fall eines Abrufes die Höhe der Haftungssumme dokumentieren. Nach Kenntnis des Beklagten, der anlässlich der Unterzeichnung der Haftungserklärung nachdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass diese die einzige Chance sei, die Lizenz zu bekommen, war für den Verein zuletzt eine Jahresbilanz für das Geschäftsjahr 2000/2001 erstellt worden. Von wann die letzte Bilanz der GmbH stammte, war ihm nicht bekannt.

Bei einer Hausdurchsuchung am 4. 6. 2002 wurden in den Geschäftsräumlichkeiten des Vereins sämtliche Geschäftsunterlagen sowohl des Vereins als auch der GmbH vorläufig beschlagnahmt. Die Geschäftsunterlagen des Vereins einschließlich des unter anderem auf dem Bilanzabschluss zum 31. 12. 2001 basierenden Reorganisationskonzeptes des Rechnungsprüfers des Vereins standen dem im Strafverfahren bestellten Sachverständigen und - auf diesem Weg - auch dem Kläger als Masseverwalter zur Verfügung.

Dem Abruf der Garantie über EUR 2,132.854,76 wurde lediglich der Status des Vereines und der GmbH, datiert mit 10. 4. 2002, angeschlossen. Nicht feststellbar war, wer diesen Status erstellt hatte.

Die Vorinstanzen haben die Zahlungspflicht des Beklagten auf Grund des nicht der Effektivklausel entsprechenden Abrufes verneint.

Rechtliche Beurteilung

Die Auslegung von Erklärungen im Einzelfall stellt nur bei einer krassen, zu einem unvertretbaren Auslegungsergebnis führenden Fehlbeurteilung eine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0042555; RS0042776; RS0042936). Auch die im Rahmen eines Garantievertrages abgegebenen Erklärungen des Garanten unterliegen den Auslegungsregelungen der §§ 914, 915 ABGB (RIS-Justiz RS0033002; RS0017670). Ihre Interpretation wirft daher regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen auf (9 Ob 122/01h; 6 Ob 105/05t = ÖBA 2006/1328), was genauso für eine in der Garantie enthaltene Effektivklausel gilt (RIS-Justiz RS0017670 [T10]).

Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes lässt sich hier nicht erkennen. Die Forderung des Revisionswerbers, ungeachtet des Grundsatzes der formellen Garantiestrenge (RIS-Justiz RS0017013; RS0016984) müsse bei Auslegung der Effektivklausel auf die konkreten Umstände, insbesondere auf den Geschäftszweck und die Interessenlage Bedacht genommen werden (10 Ob 51/03b; 1 Ob 44/05k), steht mit dem von den Vorinstanzen erzielten Auslegungsergebnis nicht in Widerspruch: Primärer Zweck der Haftungserklärung war die Erlangung der Lizenz und damit die Sicherung des Vereines, während die in die Garantieerklärung aufgenommene Bedingung nach dem festgestellten Sachverhalt dem Interesse des Beklagten diente, der in die wirtschaftliche Führung des Vereins und der GmbH, insbesondere bezogen auf die gegenseitige Verrechnung, tatsächlich nicht eingebunden war und deshalb eine Objektivierung der Haftungssumme durch einen „offiziellen" Nachweis forderte. Dieser, den Erklärungsempfängern objektiv erkennbare Zweck des vom Garanten verlangten Nachweises steht mit der Auffassung des Berufungsgerichtes, gemeint sei die Vorlage des letzten, vor Abruf der Haftung für den Verein erstellten Jahresabschlusses, in Einklang. Lässt sich nach dem Wortlaut in Verbindung mit dem objektiven Geschäftszweck nach den Auslegungsregeln des § 914 ABGB ein vernünftiges Ergebnis erzielen, kommt die in der Revision angezogene Unklarheitenregel des § 915 ABGB nicht zur Anwendung (RIS-Justiz RS0017752).

Mit seiner Argumentation, der Garant habe in seiner Eigenschaft als organschaftlicher Vertreter des Vereines seine Verpflichtung zur Vorlage der Bilanzen verletzt und beharre wider Treu und Glauben auf die Effektivklausel, vernachlässigt der Kläger die den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen, insbesondere was die fehlende Einbindung des Beklagten in das Sanierungskonzept, sein mangelndes Wissen um die wirtschaftlichen Verhältnisse, die bereits am 4. 6. 2002 (vor Abruf) erfolgte Beschlagnahme sämtlicher Geschäftsunterlagen und die dem Masseverwalter offene Möglichkeit zur Einsichtnahme in diese Unterlagen betrifft. Ob eine Bedingung als eingetreten gilt, wenn der durch sie Beschwerte ihren Eintritt wider Treu und Glauben herbeigeführt hat, ist eine Frage des Einzelfalles (vgl RIS-Justiz RS0012728 [T14]). Die Großteils nicht durch den festgestellten Sachverhalt gedeckten Ausführungen des Revisionswerbers vermögen auch in diesem Punkt keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, zumal die Buchführungs- und Bilanzierungspflicht während des Konkurses auch für Zeiträume vor der Konkurseröffnung nicht den bisherigen organschaftlichen Vertreter, sondern den Masseverwalter trifft (RIS-Justiz RS0039298). Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).