JudikaturJustiz5Ob181/15a

5Ob181/15a – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Oktober 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. Mag. C***** B*****, 2. M***** B*****, und 3. C***** B*****, alle vertreten durch die Simma Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und anderer Grundbuchshandlungen ob der EZ ***** GB *****, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 28. Juli 2015, AZ 2 R 214/15h, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 25. Juni 2015, TZ 5373/2015, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

Urkunden

1 Schenkungsvertrag vom 29. 05. 2015

2 Geburtsurkunden vom 31. 01. 1989

3 Einheitswertabfrage vom 13. 08. 2014

Bewilligt wird:

1 in EZ ***** KG *****

auf Anteil B LNR 1 (Mag. C***** B*****)

die Einverleibung des Eigentumsrechts zu 1/2 (bezogen auf den Anteil)

für M***** B*****

2 in EZ ***** KG *****

auf Anteil B LNR 1 (Mag. C***** B*****)

die Einverleibung des Eigentumsrechts zu 1/2 (bezogen auf den Anteil)

für C***** B*****

3 in EZ ***** KG *****

die Einverleibung der Dienstbarkeit des lebenslänglichen Wohnungsgebrauchsrechtes gemäß Pkt IV. des Schenkungsvertrags vom 29. 5. 2015

für Mag. C***** B*****

4 in EZ ***** KG *****

auf Anteil gemäß Pkt 1.

die Einverleibung Vorkaufsrecht gemäß Pkt V. des Schenkungsvertrags vom 29. 5. 2015

für C***** B*****

5 in EZ ***** KG *****

auf Anteil gemäß Pkt 2.

die Einverleibung Vorkaufsrecht gemäß Pkt V. des Schenkungsvertrags vom 29. 5. 2015

für M***** B*****

6 in EZ ***** KG *****

die Einverleibung Belastungs- und Veräußerungsverbot gemäß Pkt VI des Schenkungsvertrags vom 29. 5. 2015

für Mag. C***** B***** .

Verständigt werden:

1 Simma Rechtsanwälte GmbH,

Marktplatz 9, 6850 Dornbirn

2  Mag. C***** B*****

3 M***** B*****

4 C***** B*****

5 Finanzamt B*****

6  Marktgemeinde H*****“

Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

Text

Begründung:

Die Erstantragstellerin ist grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit dem darauf errichteten Wohnhaus *****. Der Zweitantragsteller und die Drittantragstellerin sind die leiblichen Kinder der Erstantragstellerin.

Mit Schenkungsvertrag vom 29. 5. 2015 schenkte die Erstantragstellerin dem Zweitantragsteller und der Drittantragstellerin je einen Hälfteanteil an der Liegenschaft. Dieser Schenkungsvertrag wurde nicht als Notariatsakt errichtet und enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

„…

III. ÜBERGABE, GEWÄHRLEISTUNG:

1. Die Vertragsteile beurkunden mit diesem Vertrag, dass die Übergabe und Übernahme des Schenkungsgegenstandes bereits am 2015 05 16 erfolgte, und zwar dadurch, dass die GESCHENKNEHMER die Liegenschaft und das Haus zum Zwecke der tatsächlichen Besitzergreifung betreten und die Verwaltungsakte an sich genommen haben.

IV. WOHNUNGSGEBRAUCHSRECHT:

1. Aufgrund des Vorbehaltes der GESCHENKGEBERIN räumen M***** B***** und C***** B***** der GESCHENKGEBERIN an dem auf der geschenkten Liegenschaft errichteten Wohnhaus samt dem gesamten umgebenden Garten die Dienstbarkeit des lebenslangen und unentgeltlichen Wohnrechtes als Gebrauchsrecht ein. Die Dienstbarkeit ist insoweit keine ausschließliche, als dass sich die GESCHENKNEHMER vorbehalten, ihrem leiblichen Vater ebenfalls ein Wohnungsgebrauchsrecht im selben Umfang wie in diesem Vertragspunkt dargelegt, einzuräumen; im letztgenannten Fall wird die Dienstbarkeit von der GESCHENKGEBERIN und dem leiblichen Vater der GESCHENKNEHMER gemeinsam ausgeübt werden. Die Einräumung weiterer Wohnungsgebrauchsrechte wird jedoch ausgeschlossen.

...“

Vertragspunkt IX. enthält entsprechende Aufsandungserklärungen.

Unter Vorlage des Schenkungsvertrags und weiterer Urkunden begehrten die Antragsteller ob der Liegenschaft EZ ***** KG ***** die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Geschenknehmer, die Einverleibung der Dienstbarkeit des lebenslänglichen Wohnungsgebrauchsrechts gemäß Punkt IV. des Schenkungsvertrags vom 29. 5. 2015 für die Geschenkgeberin, die Einverleibung des wechselseitigen Vorkaufsrechts gemäß Punkt V. des Schenkungsvertrags vom 29. 5. 2015 für die Geschenknehmer und die Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbots gemäß Punkt VI. des Schenkungsvertrags vom 29. 5. 2015 für die Geschenkgeberin.

Das Erstgericht wies das gesamte Grundbuchsgesuch ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dass der Schenkungsvertrag mangels wirklicher Übergabe des Schenkungsgegenstands der Notariatsaktspflicht unterliege. Eine wirkliche Übergabe iSd § 943 ABGB liege nur dann vor, wenn der Geschenkgeber die Sache nicht bloß symbolisch oder durch Erklärung, sondern „real“ aus der Hand gegeben habe. Dies treffe hier nicht zu, weil im Zuge der Schenkung als Gegenleistung ein Wohnungsgebrauchsrecht für die Geschenkgeberin eingeräumt worden sei. Da die Geschenkgeberin die Liegenschaft nach wie vor bewohne, könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit angenommen werden, dass sie die Liegenschaft zu dem im Vertrag genannten Zeitpunkt tatsächlich „real“ aus der Hand gegeben habe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Nach § 1 Abs 1 lit d NotAktsG bedürften Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsaktes. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (9 Ob 149/04h, 4 Ob 166/14m) liege keine wirkliche Übergabe iSd § 943 ABGB vor, wenn eine Liegenschaft vom Schenker dem Geschenknehmer nur symbolisch (durch gemeinsames Begehen und Besichtigen, Übergabe von Verwaltungsunterlagen usw) übergeben werde, die Gewahrsame am Schenkungsgegenstand aber beim Schenker verbleibe, der die Sache kraft dinglicher Berechtigung eines bücherlich einzuverleibenden Wohnungsgebrauchs- oder Fruchtgenussrechtes weiterhin alleine benutzen solle. Es sei zwar richtig, dass im Grundbuchsverfahren beim urkundlichen Nachweis der bereits erfolgten Übergabe ein Hinweis in der Vertragsurkunde darauf, dass die „wirkliche Übergabe“ bereits erfolgt sei, genüge und einen Notariatsakt entbehrlich mache. Gebe der Inhalt eines nicht als Notariatsakt errichteten Vertrags aber zu Zweifeln Anlass, ob der Schenker dem Beschenkten die Gewahrsame an der Sache übertragen habe, hinderten die dadurch ausgelösten Bedenken die begehrte Einverleibung des Eigentumsrechts für den Beschenkten. Im vorliegenden Fall bestünden jedenfalls berechtigte Zweifel daran, ob die Geschenkgeberin die Gewahrsame an der Sache an die Geschenknehmer übertragen habe, da die Übergabe der Liegenschaft an den Zweitantragsteller und die Drittantragstellerin laut Punkt III. des Schenkungsvertrags nur symbolisch durch Betreten und Übergabe der Verwaltungsakte erfolgt sei und in Punkt V. des Vertrags der Geschenkgeberin auf Lebenszeit ein umfassendes dingliches Wohnungsgebrauchsrecht an dem auf der betroffenen Liegenschaft errichteten Wohnhaus samt dem umgebenden Garten eingeräumt worden sei. An dieser Ausgestaltung des konkreten Übergabevorgangs vermöge auch der in den Vertrag aufgenommene Vorbehalt der Geschenknehmer, allenfalls auch ihrem leiblichen Vater in Zukunft ein dann gemeinsam mit der Geschenkgeberin auszuübendes Wohnungsgebrauchsrecht einzuräumen, nichts zu ändern. Insbesondere könne aufgrund dieses Vorbehalts einer späteren Rechtseinräumung in Bezug auf diese Liegenschaft nicht von einer „geteilten Nutzung“ im Sinne der Entscheidung 5 Ob 227/14i gesprochen werden.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehle, ob die in den Entscheidungen 9 Ob 149/04h und 4 Ob 166/14m aufgestellten Grundsätze im Grundbuchsverfahren auch dann gelten, wenn nach dem Vertragswortlaut anders als zu 5 Ob 227/14i keine „geteilte Nutzung“ der geschenkten Sache vorgesehen bzw zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung praktiziert worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

1. Nach § 1 Abs 1 lit d NotAktsG bedürfen Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsakts. Eine „wirkliche Übergabe“, muss nach außen erkennbar und so beschaffen sein, dass aus ihr der Wille des Schenkers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen (RIS Justiz RS0011383, RS0011295 [T16]). Der Ausdruck „wirkliche Übergabe“ bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens (RIS Justiz RS0011295 [T2]; RS0011383 [T6]; RS0018908 [T1]). Bei Liegenschaften genügt die außerbücherliche Übergabe (5 Ob 172/15b; 5 Ob 82/15t mwN; RIS Justiz RS0011383 [T4]).

2. Zu 9 Ob 149/04h hat der Oberste Gerichtshof in einem streitigen Verfahren auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit eines Schenkungsvertrags und Löschung der Einverleibung des Eigentumsrechts der Beschenkten aus dem im Übereilungsschutz liegenden Formzweck der Notariatsaktspflicht abgeleitet, dass eine wirkliche Übergabe iSd § 943 ABGB nur vorliegt, wenn der Geschenkgeber die Sache nicht bloß symbolisch oder durch Erklärung, sondern „real“ aus der Hand gegeben hat. Das trifft nach dieser Entscheidung nicht zu, wenn der Geschenkgeber die Liegenschaft aufgrund eines bücherlich einzuverleibenden Wohnrechts bis zu seinem Tod weiter allein nutzen sollte. Unter diesen Umständen ist auch ein gemeinsames Begehen und die Besichtigung der Liegenschaft einschließlich der Übergabe von „Verwaltungsunterlagen“ keine „wirkliche Übergabe“ iSd § 943 ABGB.

In der Entscheidung 4 Ob 166/14m folgte der Oberste Gerichtshof dieser Rechtsansicht mit dem Ergebnis, dass eine Liegenschaft, an der sich die Erblasserin im Schenkungsvertrag ein lebenslängliches ausschließliches Wohnungsgebrauchsrecht einräumen hatte lassen und die sie tatsächlich bis zu ihrem Tod bewohnte, zum Nachlass gehörte und in das Inventar aufzunehmen war. Er sah die Formulierung im Schenkungsvertrag, wonach die Übergabe zu einem bestimmten Termin an Ort und Stelle bereits erfolgt sei, als nicht ausreichend an, um ihr mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, dass die Erblasserin die Liegenschaft tatsächlich „real“ aus der Hand gegeben hatte. Zwar sei eine „wirkliche Übergabe“ iSv § 943 ABGB auch bei gleichzeitiger Einräumung eines Nutzungsrechts nicht ausgeschlossen, wie bei Übersendung des Schlüssels und Auftrag an den Notar, einen Schenkungsvertrag zu verfassen. Solche Umstände ergäben sich aber nicht aus der für die Inventarisierung allein maßgebenden Urkunde.

3. Diese beiden Entscheidungen tragen das Ergebnis der Vorinstanzen entgegen ihrer Auffassung nicht. Im Grundbuchsverfahren ist für die Beantwortung der Frage der Übertragung der Gewahrsame und damit der wirklichen Übergabe der Wortlaut des Schenkungsvertrags maßgeblich (vgl RIS Justiz RS0060573; RS0060878). Aus diesem Wortlaut unmittelbare logische Schlussfolgerungen zu ziehen, ist dem Grundbuchsgericht zwar nicht verwehrt, es darf sich aber nicht auf Spekulationen zu Fragen der Auslegung des Vertrags insbesondere nach der wahren oder hypothetischen Absicht der Parteien einlassen (vgl RIS Justiz RS0060573 [T16]; RS0060878 [T36]). Die Konzentration auf den urkundlichen Nachweis einer erfolgten Übergabe beruht auf dem Gedanken, dass im Grundbuchsverfahren, einem reinen Akten- und Urkundenverfahren, darüber hinausgehende Überlegungen zum Schutz eines Geschenkgebers, der entgegen dem Wortlaut der Urkunde(n) das Schenkungsobjekt nicht tatsächlich übergeben hatte, in der Regel ausgeschlossen sind (5 Ob 82/15t).

Im Grundbuchsverfahren erschöpft sich der „Nachweis“ der Übergabe daher in mehr oder weniger ausführlichen Urkundenfloskeln (5 Ob 172/15b, 5 Ob 227/14i mwN). Konkrete Übergabsakte müssen nicht dargestellt werden, es genügt ein Hinweis in der Vertragsurkunde, dass die „Übergabe“ bereits erfolgt ist. Ein Notariatsakt ist dann entbehrlich (RIS Justiz RS0018923). Dies wurde in der höchstgerichtlichen Judikatur auch im Fall einer gleichzeitigen Einräumung eines lebenslangen, alleinigen Wohnungsrechts zu Gunsten des Geschenkgebers bejaht (5 Ob 172/15b; 5 Ob 82/15t; 5 Ob 247/02p).

4. Die im Schenkungsvertrag vom 29. 5. 2015 gewählte Formulierung dass „ die Übergabe und Übernahme des Schenkungsgegenstandes bereits am 2015 05 16 erfolgte, und zwar dadurch, dass die Geschenknehmer die Liegenschaft und das Haus zum Zwecke der tatsächlichen Besitzergreifung betreten und die Verwaltungsakte an sich genommen haben“, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Grundbuchsachen an sich ein ausreichender urkundlicher Nachweis für eine wirkliche Übergabe.

Dem Wortlaut des Vertrags lässt sich nicht entnehmen, dass die Geschenkgeberin das Haus schon vor der im Schenkungsvertrag festgehaltenen Übergabe am 16. 5. 2015 selbst alleine bewohnt hat, diese ausschließliche Nutzung faktisch unverändert blieb und sich daher nur der Rechtstitel für die Benützung ändern sollte. Dass die Adressen der Geschenkgeberin und des Schenkungsgegenstands nach Straße und Hausnummer im Vertrag übereinstimmend aufscheinen, reicht nicht aus, um begründete Zweifel an der zeitlich vor Vertragsabschluss erfolgten urkundlich nachgewiesenen Tatsache der wirklichen Übergabe zu wecken (vgl 5 Ob 82/15t). Anders als in dem der Entscheidung 5 Ob 172/15b zu Grunde liegenden Fall, hat sich die Geschenkgeberin hier in Ergänzung zu ihrem alleinigen Wohnungsgebrauchsrecht auch nicht derart weitgehende Rechte vorbehalten, dass nahe läge, ihre Stellung solle in tatsächlicher Hinsicht keine wesentliche Änderung erfahren.

5. Der von den Vorinstanzen angenommene rein symbolische Charakter einer Übergabe ohne realen Hintergrund ist daher durch die Urkunde nicht gedeckt. Der von den Vorinstanzen herangezogene Abweisungsgrund liegt nicht vor, weil der Schenkungsvertrag nach wirklicher Übergabe des Schenkungsobjekts nicht als Notariatsakt errichtet werden musste.

Da andere Abweisungsgründe weder aufgezeigt wurden noch zu erkennen sind, erweist sich der Revisionsrekurs als berechtigt. In Stattgebung des Rechtsmittels war das Grundbuchsgesuch somit zu bewilligen.

Rechtssätze
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