JudikaturJustiz5Ob162/15g

5Ob162/15g – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Einbücherungssache der Antragsteller 1. Stadt F*****, und 2. G***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Johannes Egel, öffentlicher Notar in Feldkirch, betreffend das GST NR 114/2 (unterirdisch) GB *****, über den Rekurs gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 29. April 2015, GZ 10 Nc 4/15w 1, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Innsbruck die Einleitung des Verfahrens zur Richtigstellung des Grundbuchs gemäß den §§ 35 ff AllgGAG aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Erstantragstellerin ist die grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB *****, bestehend aus den GST NR 114/1 und 114/2. Unterhalb des GST NR 114/2 befindet sich eine Tiefgarage mit 59 Abstellplätzen. Oberhalb der Tiefgarage befinden sich keine Bauteile. Die Zu- und Abfahrt sowie der Zu- und Abgang zur Tiefgarage erfolgen über mehrere andere Grundstücke im Rahmen eingeräumter Dienstbarkeiten.

Die Erst- und die Zweitantragstellerin schlossen am 26. 3./2. 4. 2014 einen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag, nach dem die Zweitantragstellerin von der Erstantragstellerin 26/1542 Anteile an der unterirdischen Tiefgarage erwerben soll und die beiden Antragsteller Wohnungseigentum begründen. Danach sollen die von der Zweitantragstellerin erworbenen Liegenschaftsanteile untrennbar mit dem Wohnungseigentum am Tiefgaragenabstellplatz TG 001 verbunden sein. Hinsichtlich der weiteren 1516/1542 Anteile soll die Erstantragstellerin Mit- und Wohnungseigentümerin sein. Diese Liegenschaftsanteile bilden 58 Mindestanteile, mit denen Wohnungseigentum an den Abstellplätzen TG 002 bis 059 verbunden werden soll.

Die Antragsteller streben zur Umsetzung des zuvor beschriebenen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrags die Einbücherung der unter dem GST NR 114/2 liegenden Tiefgarage als Kellereigentum im Sinn des § 300 ABGB und folgend die Erlassung eines inhaltlich konkretisierten Beschlusses zur Begründung von Wohnungseigentum an.

Das Bezirksgericht Feldkirch als Grundbuchgericht erstellte zum Zweck der Einleitung des Richtigstellungsverfahrens den Entwurf einer Grundbucheinlage. Der Präsident des Landesgerichts Feldkirch legte die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck mit der Äußerung vor, es bestünden keine Gründe, von der Einleitung des Richtigstellungsverfahrens abzusehen.

Das Oberlandesgericht Innsbruck wies den Antrag auf Einleitung des Richtigstellungsverfahrens gemäß § 35 ff AllgGAG ab. Es vertrat rechtlich zusammengefasst den Standpunkt, dass hier der Begründung von Kellereigentum bereits die verba legalia des § 300 ABGB entgegenstünden, wonach Kellereigentum nur unter der Erdoberfläche eines anderen begründet werden könne. Die Erstantragstellerin sei grundbücherliche Eigentümerin jenes Grundstücks, welches sich oberhalb der einzubüchernden Tiefgarage befinde. Nach dem Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag veräußere die Erstantragstellerin zwar den Stellplatz TG 001 an die Zweitantragstellerin, doch verblieben die Stellplätze TG 002 bis TG 059 weiterhin im (Mit-)Eigentum der Erstantragstellerin. Da sich die Tiefgarage sohin nicht unter fremdem, sondern vielmehr unter eigenem Grund befinde, scheitere die Einbücherung als Kellereigentum an der fehlenden Eigentümerverschiedenheit. Dem Antrag fehlten überdies Ausführungen dahin, ob die neu einzutragende Liegenschaft öffentliches Gut gewesen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragsteller mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Anordnung der Einleitung des Verfahrens zur Richtigstellung des Grundbuchs. Hilfsweise stellen die Antragsteller auch einen Aufhebungsantrag.

Der nach bereits erfolgter Verfassung des Entwurfs der Grundbucheinlage zum Zweck der Einleitung des Richtigstellungsverfahrens und des späteren Rechtserwerbs erhobene Rekurs ist zulässig (§ 62 AllgGAG) und berechtigt, weil das Erstgericht das Erfordernis der Eigentümeridentität als Voraussetzung für die Begründung von Kellereigentum nicht richtig beurteilt hat:

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 300 ABGB kann an Räumen und Bauwerken, die sich unter der Erdoberfläche der Liegenschaft eines anderen befinden und nicht der Fundierung von über der Erdoberfläche errichteten Bauwerken dienen, wie Kellern, Tiefgaragen und industriellen oder wirtschaftlichen Zwecken gewidmeten Stollen, mit Einwilligung des Liegenschaftseigentümers gesondert Eigentum begründet werden (Kellereigentum). Ist ein unterirdisches Bauwerk, an dem Kellereigentum begründet werden soll, erst nach Grundbuchanlegung entstanden, so ist zum Zweck der Verbücherung das Verfahren zur Richtigstellung des Grundbuchs nach den Bestimmungen des AllgGAG einzuleiten (§ 65 Abs 1 AllgGAG; vgl 5 Ob 6/80 EvBl 1981/18 = SZ 53/109 = JBl 1981, 266; Helmich in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.02 § 300 ABGB Rz 7).

2. Das Erstgericht hat die Begründung von Kellereigentum allein deshalb für ausgeschlossen erachtet, weil die Erstantragstellerin einerseits Eigentümerin jenes Grundstücks ist, welches sich oberhalb der einzubüchernden Tiefgarage befindet, und andererseits Wohnungseigentum an den Abstellplätzen TG 002 bis 059 erwerben soll, womit es an der Eigentümerverschiedenheit fehle. Diesem Verständnis einer bestehenden Eigentümeridentität ist allerdings nicht zu folgen:

3. Das (Allein-)Eigentum vermittelt nach § 354 ABGB im Allgemeinen die Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten, und jeden Andern davon auszuschließen. Wenn eine noch ungeteilte Sache mehreren Personen zugleich zugehört, so entsteht gemäß § 361 ABGB ein gemeinschaftliches Eigentum. In Beziehung auf das Ganze werden die Miteigentümer für eine einzige Person angesehen; insoweit ihnen aber gewisse, obgleich unabgesonderte Teile angewiesen sind, hat jeder Miteigentümer das vollständige Eigentum des ihm gehörigen Teils. Über ihren jeweiligen ideellen Anteil können die Berechtigten grundsätzlich allein verfügen (§ 829 ABGB), über die Sache selbst alle nur gemeinsam ( Holzner in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.02 § 361 ABGB Rz 1). Schon dadurch wird deutlich, dass Alleineigentum und Miteigentum rechtlich nicht gleichgestellt werden können.

4. Der Unterscheidung Alleineigentum und Miteigentum wird im Sachenrecht mehrfach Rechnung getragen:

4.1. So mag es strittig sein, ob Superädifikate auf eigenem Grund möglich sind (vgl dazu die Nachweise Helmich in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.02 § 297 ABGB Rz 11); dass ein Miteigentümer des Gebäudes gleichzeitig Eigentümer der Liegenschaft ist, begründet aber jedenfalls keine die Superädifikatseigenschaft hindernde Eigentümeridentität (1 Ob 99/53 SZ 26/83 = NZ 1956, 57; RIS Justiz RS0011044 [T1]; Helmich aaO).

4.2. Den Begriff „Dienstbarkeit“ definiert § 472 ABGB als das Recht, mit dem ein Eigentümer verbunden wird, zum Vorteile eines Andern in Rücksicht seiner Sache etwas zu dulden oder zu unterlassen. Ähnlich formuliert es § 482 ABGB, wonach alle Servituten darin übereinkommen, dass der Besitzer der dienstbaren Sache (...) einem Andern die Ausübung eines Rechts zu gestatten, oder das zu unterlassen hat, was er als Eigentümer sonst zu tun berechtigt wäre. Daraus wird gefolgert, dass das österreichische Sachenrecht eine Eigentümerservitut nicht vorsieht und eine solche daher auch nicht ins Grundbuch eingetragen werden kann (5 Ob 118/07z EvBl 2007/165 = NZ 2007/694 [ Hoyer ] = Zak 2007/549; RIS Justiz RS0122304). Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht für den Fall des Miteigentums; es ist vielmehr in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass eine Dienstbarkeit eines Miteigentümers an der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Sache möglich ist (RIS Justiz RS0011528). Ebenso kann etwa der Alleineigentümer des herrschenden Grundstücks auch Miteigentümer der dienenden Grundstücke sein (vgl 7 Ob 186/15a).

5. Es besteht im Lichte dieses sachenrechtlichen Verständnisses einer klaren Trennung von gänzlicher und bloß partieller Eigentümeridentität auch bei der Beurteilung der für die Begründung des Kellereigentums notwendigen Eigentümerverschiedenheit kein Anlass für eine abweichende Sichtweise. Der erkennende Senat kommt daher zum Ergebnis:

Eine die Begründung von Kellereigentum nach § 300 ABGB ausschließende Eigentümeridentität liegt schon dann nicht vor, wenn der Alleineigentümer der Liegenschaft nur Miteigentümer des im Kellereigentum stehenden Bauwerks werden soll.

6. Der vom Erstgericht herangezogene Grund für die Verweigerung der Einleitung des Richtigstellungsverfahren liegt somit nicht vor. Da auch keinerlei aktenkundige Hinweise dafür bestehen, dass es sich beim betroffenen Grundstück um öffentliches Gut handeln könnte, war dem Rekurs stattzugeben und die Einleitung des Verfahrens zur Richtigstellung des Grundbuchs aufzutragen.