JudikaturJustiz5Ob141/06f

5Ob141/06f – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Veith, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Günter S*****, vertreten durch Dr. Lothar Stix, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Sabine H*****, vertreten durch Dr. Bernd Schmidinger, Rechtsanwalt in Innsbruck, und der Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei

1. Ing. Anton L***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Thomas Girardi, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2. Heinrich H*****, vertreten durch Dr. Bernhard Stanger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Vorlage von Urkunden (Streitwert EUR 124.750), Erwirkung einer Grundbuchshandlung (EUR 2.000) und Feststellung (Streitwert EUR 15.000), Gesamtstreitwert EUR 126.750, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. April 2006, GZ 5 R 7/06b-58, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:

Die Nichteinhaltung der Vorschriften des § 488 Abs 4 ZPO iVm § 281a ZPO begründet nur dann eine erhebliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, wenn das Berufungsgericht aufgrund einer mangelhaften Beweiswiederholung oder mangelhaften Verfahrensergänzung von den Feststellungen der ersten Instanz abweichende und für die rechtliche Beurteilung relevante Feststellungen trifft. Gibt aber das Berufungsgericht den Parteien bekannt, dass es eine Beweiswiederholung zu bestimmten, im Beweisbeschluss bezeichneten, prozessentscheidenden Themen vorzunehmen gedenkt, dann ist vor allem auch in Anbetracht der Rüge dieser entscheidungswesentlichen Feststellungen in den Rechtsmittelschriften von vornherein klar, was Gegenstand der vom Berufungsgericht im Rahmen der Beweiswiederholung vorzunehmenden Überprüfung der erstgerichtlichen Beweise ist. Ein überraschendes Vorgehen des Berufungsgerichts, dessen Verhinderung Zweck der Bestimmung des § 488 Abs 4 ZPO ist, liegt dann nicht vor (RIS-Justiz RS0113504; RS0040339; RS0042217 ua).

Dem Protokoll über die mündliche Berufungsverhandlung vom 25. 4. 2006 (ON 57) lässt sich entnehmen, dass das Berufungsgericht Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen über die Frage hatte, welche Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Erstnebenintervenientin am 22. 4. 1998 über die schriftlich getroffene Vereinbarung hinaus getroffen wurden, insbesondere zur Frage, ob an der zu errichtenden Dachgeschoßwohnung Wohnungseigentum begründet werden sollte. Weiters war nach dem Protokoll die Frage ergänzungsbedürftig, welche Verpflichtungen auf die Beklagte im Zusammenhang mit dem Ankauf der Liegenschaft überbunden wurden. Nach Bekanntgabe dieser Umstände wurden die entsprechenden Aussagen und Urkunden verlesen, dies unter Zustimmung der Parteien.

Dass bei diesem prozessualen Sachverhalt eine erhebliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht bewirkt wurde, weil das Verhalten des Gerichtes dem durch § 488 Abs 4 ZPO zu gewährleistenden Informationswert entsprach, ist in Anbetracht der dargestellten Rechtsprechung unbedenklich. Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO wird dadurch nicht berührt.

2.) Zur behaupteten unrichtigen rechtlichen Beurteilung:

Wohl trifft es zu, dass als Voraussetzung der Bestimmtheit einer Erklärung nach § 869 ABGB auch deren Bestimmbarkeit ausreicht (RIS-Justiz RS0014693; vgl RS0013954 ua) und dass im Einzelfall eine Aufteilung nach Geschoßen bei einem erst zu errichtenden Objekt der erforderlichen Bestimmtheit des Wohnungseigentumsobjekts noch genügen kann (5 Ob 121/02h = wobl 2003/42 [Call]).

Ob einer Vereinbarung, wie hier der zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Erstnebenintervenientin am 22. 4. 1998 getroffenen, die wesentlichen Rechtsfolgen, die die Erklärenden anstrebten, entnehmbar sind, ist jedoch idR eine Vertragsauslegung im Einzelfall, die als solche nicht revisibel ist (RIS-Justiz RS0042936; RS0044358 ua).

Zur Frage, ob im bezeichneten Vertrag als angestrebte wesentliche Rechtsfolge die Zusage von Wohnungseigentum am zu errichtenden Dachgeschoß vereinbart wurde, ist noch Folgendes anzumerken:

Zufolge § 2 Abs 6 WEG 2002 ist Wohnungseigentumsbewerber derjenige, dem schriftlich, sei es auch bedingt oder befristet, von einem Wohnungseigentumsorganisator die Einräumung von Wohnungseigentum an einem bestimmt bezeichneten wohnungseigentumstauglichen Objekt zugesagt wurde. Für eine solche schriftliche Zusage des Wohnungseigentums genügt auch eine Punktation gemäß § 885 ABGB. Darunter ist ein von den Parteien unterfertigter Aufsatz zu verstehen, in dem alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale eines Vertrages enthalten sind (5 Ob 96/99z = wobl 2000/5 mwN). Unter den Hauptpunkten der Einigung versteht die Rechtsprechung die bestimmte Bezeichnung des Wohnungseigentumsobjekts, die Gegenleistung und die Verschaffungspflicht bzw Übernahmspflicht (RIS-Justiz RS0052884); im Wesentlichen wird darunter die Vereinbarung der einem Wohnungseigentümer nach § 2 Abs 1 WEG 2002 zustehenden Rechte verstanden (RIS-Justiz RS0082712 [T5]).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger seine Kaufoption hinsichtlich einer bestimmten Liegenschaft auf den Geschäftsführer der Erstnebenintervenientin übertragen und sich als Gegenleistung dafür sowie für die Freimachung des Objekts von Mietern das Recht einräumen lassen, „auf der letzten Geschossdecke des neu zu errichtenden Gebäudes auf dem Grundstück .....unter dem Dach eine Wohnung auf eigene Kosten auszubauen". Darüber hinaus erklärten beide Vertragsteile ihre Einwilligung, dass die in der Vereinbarung festgelegten Rechte des Klägers bücherlich sichergestellt werden. Weiters räumte der Kläger dem Geschäftsführer der Erstnebenintervenientin „ein Vorkaufsrecht" ein.

Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage eine eindeutige Bestimmbarkeit der gewünschten Rechtsfolge - nämlich der Zusage von Wohnungseigentum an dem zu errichtenden Objekt - vermisste, so stellt dies in Anbetracht der oben wiedergegebenen Rechtsprechung zu den Erfordernissen einer wirksamen Zusage von Wohnungseigentum keine erhebliche Verkennung der Rechtslage und keinen erheblichen Verstoß gegen Auslegungsregeln dar.

Das hatte zur Zurückweisung der außerordentlichen Revision des Klägers zu führen.

Rechtssätze
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