JudikaturJustiz5Ob114/07m

5Ob114/07m – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. September 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Josefine K*****, vertreten durch Dr. Alfred Fitzek, öffentlicher Notar in 9711 Paternion, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und von Dienstbarkeiten und anderer Eintragungen ob der Liegenschaft EZ *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 12. Februar 2007, AZ 2 R 19/07g, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Villach vom 6. Dezember 2006, TZ 8686/06, bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden wie folgt abgeändert:

„Aufgrund des Übergabsvertrages vom 7. 11. 2006 werden nach Einsicht in die Selbstberechnungserklärung vom 12. 9. 2006, Erfassungsnummer 63-206.596/2006, auf der Liegenschaft EZ ***** nachstehende Eintragungen bewilligt:

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies das im Spruch ersichtliche Begehren der Antragstellerin mit der Begründung ab, dass aufgrund Punkt 3. des Übergabsvertrages sowohl ein Fruchtgenussrecht als auch ein „ruhendes" Wohnungsgebrauchsrecht zugunsten von Imelda K***** eingeräumt werde, weil sich letztere im Falle des Vorablebens des Übergebers dazu verpflichte, dass übergebene Haus nur für ihr eigenes Wohnbedürfnis zu verwenden und dieses nicht zu vermieten bzw zu verpachten. Die Verbücherung eines ruhenden dinglichen Rechtes sei nicht vorgesehen und komme einem aufschiebend bedingten dinglichen Recht nahe. Die Eintragung eines solchen Rechtes im Grundbuch sei aber erst mit dem Entstehen des Vollrechts möglich. Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Antragstellerin nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Judikatur des Obersten Gerichtshofes zulässig sei. Im vorliegenden Fall würde ein zunächst unbeschränktes Recht möglicherweise und zu einem unbestimmten Zeitpunkt eine Beschränkung erfahren. Zwar bestehe die Pflicht, neben dem Hauptbuch auch in die Urkundensammlung einzusehen, wenn das Hauptbuch auf diese Bezug nehme. Wenn allerdings, wie hier, auch eine solche Einsicht nicht klarstelle, welche Berechtigung Imelda K***** konkret zustehe, ob also das Vorableben des Übergebers bereits eingetreten sei, widerspreche dies der Grundbuchsklarheit.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin.

Rechtliche Beurteilung

Er ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes abgewichen sind, und auch berechtigt. Die Rechtsmittelwerberin macht zusammengefasst geltend, dass mit Punkt 3. des Übergabsvertrages ein sofort wirksames Fruchtgenussrecht im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen eingeräumt werde, welches lediglich im Falle des Vorablebens des Übergebers eingeschränkt werde. Eine solche vertragliche Einschränkung sei auch nach § 509 ABGB, der nicht zwingendes Recht darstelle, vertraglich jederzeit möglich. Gemäß 5 Ob 73/94 sei ein unter einer auflösenden Bedingung eingeräumtes Eigentumsrecht bis zum Eintritt der Bedingung als dingliches Vollrecht im Grundbuch einzutragen. Dies gelte auch für andere dingliche Rechte, wie zB das Fruchtgenussrecht. Auch sei im Vertrag die für den Fall eines bestimmten, jedoch noch ungewissen Eintrittes vertraglich vereinbarte Einschränkung des Fruchtgenussrechtes zweifelsfrei und klar formuliert. Im Gegensatz zur Meinung des Rekursgerichtes liege es im Wesen einer Bedingung, dass ihr Eintritt ein ungewisses Ereignis darstelle, die Tatsache der vertraglich vereinbarten Einschränkung des dinglichen Rechtes für den Fall des Vorablebens des Übergebers sei aber der Urkunde zweifelsfrei zu entnehmen.

Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

1. Gemäß § 94 Abs 1 GBG hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen. Es darf eine grundbücherliche Eintragung unter anderem nur dann bewilligen, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG). Das Ansuchen kann somit nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt ein derartiger ist, dass er nicht nur in formaler Beziehung unbedenklich erscheint, sondern auch bezüglich der materiell-rechtlichen Frage irgendwelche Zweifel nicht aufkommen lässt (RIS-Justiz RS0060878). Der streng formelle Charakter des Grundbuchsrechts verbietet es dem Grundbuchsgericht, eine grundbücherliche Eintragung bloß aufgrund von Schlussfolgerungen aus vorliegenden Urkunden zu bewilligen (5 Ob 8/79 = NZ 1980, 56). Dagegen müssen Umstände, die sich urkundlich nicht dartun lassen auf dem Rechtsweg geklärt werden (RIS-Justiz RS0060878). In diesem Sinne stellt es ein Eintragungshindernis dar, wenn die Einräumung des Rechtes in der Urkunde von Umständen abhängig gemacht wird, die der Urkunde selbst nicht zu entnehmen sind (5 Ob 153/92 = NZ 1993, 241 [Hofmeister] = ÖBA 1993, 570 [Hoyer]).

2. Richtig ist auch, dass nach der ständigen Judikatur Anwartschaften auf künftige Rechte mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht durch

Einverleibung (Vormerkung) verdinglicht werden können (5 Ob 339/61 =

SZ 34/192; 3 Ob 18/82 = SZ 55/58 = NZ 1983, 137; RIS-Justiz

RS0060269). So wurde in der bereits von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung 5 Ob 2388/96d = NZ 1997/399 [Hoyer], ebenfalls im Falle eines Übergabsvertrages, ein zunächst ruhendes Fruchtgenussrecht als nicht eintragungsfähig angesehen, weil bedingte und betagte Rechte vor Eintritt der Bedingung oder des Termins nicht im Grundbuch eingetragen werden können. Auch wenn ein Fruchtgenussrecht zwar unbedingt eingeräumt werde, bis zu einem bestimmten Ereignis, in concreto dem Ableben der Übergeberin, aber ruhen solle, ändere dies nichts daran, dass das Recht selbst erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zustehe und daher im Sinne der Judikatur zumindest betagt sei. Die Einverleibung des Rechtes im Grundbuch sei jedoch dazu bestimmt das Recht sofort und unbedingt zu verschaffen. Die, wenn auch nur durch einen Verweis auf die Urkundensammlung, in das Grundbuch aufzunehmende Beschränkung, dass das Recht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis ruhe, würde einen widersprüchlichen Grundbuchsstand herbeiführen. Ebenso wurde im Fall der Entscheidung 5 Ob 137/05s weder die Versorgungsrente des Übergebers in der für die Zeit ab 2014 vereinbarten Höhe noch die durch das Überleben des Übergebers bedingte Rente seiner Ehefrau als Reallast für eintragungsfähig erachtet.

3. All dies gilt aber nicht für die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung. Hier wird nämlich ein - möglicherweise zeitlich begrenztes - dingliches Vollrecht übertragen. So bejahte der Oberste Gerichtshof im Fall eines unter einer auflösenden Bedingung zugunsten des Voreigentümers geschlossenen Kaufvertrages über eine Liegenschaft, also eines zeitlich durch ein sogenanntes Heimfallsrecht beschränkten Eigentumsrechtes, die Verbücherungsfähigkeit (5 Ob 73/94 = JBl 1995, 110 = NZ 1995/324; krit Hoyer in: Zeitlich begrenztes Eigentum durch Vertrag?, GS Hofmeister, 283 ff zum hier nicht vorliegenden Fall einer drittwirksamen zeitlichen Begrenzung des Vollrechts Eigentum). Zulässig sei die grundbücherliche Eintragung von Vereinbarungen, welche die Beschränkung des Inhaltes eines dinglichen Rechtes zum Gegenstand hätten, zB durch ein vertraglich ausbedungenes Heimfallsrecht an einer Liegenschaft. Dabei handle es sich nicht um die bedingte Eintragung eines Rechtes, die durch Vormerkung zu geschehen hätte, sondern um die unbedingte Eintragung, also die Einverleibung eines bedingten Rechtes. Der Unterschied bestehe darin, dass durch die Vormerkung das Recht nur gegen nachträgliche Rechtfertigung erworben werde, während durch die Einverleibung des auflösend bedingten Rechtes das Recht durch die Eintragung sofort, ohne nachträglich erforderliche Rechtfertigung, erworben werde, das Recht selbst aber nur bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses bestehe. Derartige Eintragungen seien durch das Gesetz keineswegs ausgeschlossen und erfolgten, wenn die Voraussetzungen gegeben seien, durch Einverleibung des Rechtes unter der gestellten Bedingung, wobei diese Beschränkung in der Eintragung des Rechtes selbst oder durch besondere Eintragung zum Ausdruck zu bringen sei.

Auch im vorliegenden Fall wird durch Punkt 3. des Übergabsvertrages Imelda K***** ein volles Fruchtgenussrecht eingeräumt mit einer sich in Zukunft allenfalls ergebenden Beschränkung dahingehend, dass im Falle des Vorversterbens des Übergebers Imelda K***** die Verpflichtung trifft, die vom Fruchtgenussrecht betroffene Liegenschaft nur für ihr eigenes Wohnbedürfnis zu verwenden und nicht zu vermieten und zu verpachten. Damit wird aber unmittelbar ein dingliches Vollrecht eingeräumt, das in der Zukunft bei Eintritt eines noch ungewissen Ereignisses eingeschränkt werden könnte. Das vorliegende Fruchtgenussrecht ist daher grundbücherlich eintragungsfähig.

4. Was die vom Rekursgericht monierte mangelnde Klarheit des Grundbuches im Hinblick auf die Imelda K***** konkret zustehende Berechtigung, betrifft, also die Frage, ob das Vorableben des Übergebers eingetreten ist oder nicht, ist zu erwidern, dass durch Einsicht nicht nur in das Hauptbuch sondern entsprechend dem dort aufgenommenen Hinweis auf die Urkundensammlung (§ 5 Abs 2 GBG iVm § 12 Abs 3 GUG; vgl 5 Ob 73/94) auch in diese gewährleistet wird, dass die auflösende Bedingung des Imelda K***** eingeräumten Vollrechtes für jedermann ersichtlich ist und daher der grundbücherliche gute Glaube nur in diesem eingeschränkten Umfang entstehen kann. Im Übrigen kann bei der Eintragung eines auflösend bedingten Vollrechtes, im Gegensatz zum umgekehrten Fall der aufschiebenden Bedingung, der Nachweis des Eintrittes der Bedingung gerade nicht erforderlich sein, erlischt doch damit das Vollrecht. Auch ein Nachweis des Nichteintritts der auflösenden Bedingung ist nicht zu fordern. § 94 GBG verlangt grundsätzlich nur den Nachweis rechtserzeugender Tatsachen. Das Fehlen aufhebender oder rechtshemmender Tatsachen und Umstände ist dagegen dem Grundbuchsgericht, sofern nicht Sondergesetze etwas Gegenteiliges anordnen (vgl die Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 160 BAO oder Negativbescheinigungen nach den Grundverkehrsgesetzen), nicht nachzuweisen. Das folgt schon aus der grundsätzlichen Unmöglichkeit eines lückenlosen Negativbeweises, was insbesondere für den Urkundenbeweis gilt (5 Ob 16/02t = SZ 2002/33 = NZ 2003/556 [Hoyer]; Feil, Grundbuchsrecht § 94 Rz 8).

Letztlich muss im Rahmen des vom Rekursgericht herangezogenen grundbücherlichen Gutglaubensschutzes bzw der grundbücherlichen Klarheit nicht gewährleistet werden, dass dem Grundbuch und der Urkundensammlung (später) eindeutig zu entnehmen wäre, ob die auflösende Bedingung eingetreten ist oder nicht.

Die Beschränkung des Fruchtgenussrechtes durch die auflösende Bedingung kann daher durch einen Hinweis gemäß § 5 GBG iVm § 12 Abs 3 GUG bei der Einverleibung zum Ausdruck gebracht werden. Da dem Eintragungsbegehren der Antragstellerin keine anderen Gründe entgegenstehen, war die antragsabweisende Entscheidung der Vorinstanzen wie im Spruch im antragstattgebenden Sinn abzuändern.

Rechtssätze
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