JudikaturJustiz4Ob291/01z

4Ob291/01z – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Norbert Gugerbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T***** Großhandelsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Millauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Löschung (Streitwert im Provisorialverfahren 500.000 S), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 15. Oktober 2001, GZ 4 R 139/01t-14, mit der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 5. März 2001, GZ 18 Cg 20/01g-3, bestätigt wurde, und über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 15. Oktober 2001, GZ 4 R 140/01i-15, mit dem der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 30. April 2001, GZ 18 Cg 20/01g-10, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 15. Oktober 2001, GZ 4 R 139/01t-14, wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 15. Oktober 2001, GZ 4 R 140/01i-15, wird als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Zur Sicherung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs beantragte die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, im World-Wide-Web des Internet die Bezeichnung "amtskalender.at" als Adresse (Domain-Name) bzw Adressenteil zu benützen und die entgeltliche oder unentgeltliche Abtretung oder 'Übertretung' (sic) von Rechten an dem von nic.at Internet Verwaltungs- und BetriebsgesmbH zugunsten der Beklagten registrierten Domain-Namen 'amtsblatt.at' (sic) an Dritte vorzunehmen. Die Klägerin sei Herausgeberin des österreichischen Amtskalenders und besitze sämtliche Rechte an diesem Werk, das im 68. Jahrgang erscheine und verkehrsbekannt sei. Die Beklagte habe den Domain-Namen "amtskalender.at" für sich registrieren lassen und verletze dadurch §§ 2, 9 UWG.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Das Produkt der Klägerin trage die Bezeichnung "Österreichischer Amtskalender"; mit dem für die Beklagte registrierten Domain-Namen werde in keine Rechte der Klägerin eingegriffen.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung antragsgemäß (Beschluss ON 3) und berichtigte deren Spruch infolge eines Antrags der Klägerin (Beschluss ON 10) dahin, dass es dort anstelle von 'Übertretung' nunmehr "Übertragung" und anstelle von 'amtsblatt.at' nunmehr "amtskalender.at" zu lauten habe. Aufgrund eines vorangegangenen Parteifehlers sei dem Gericht eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, die berichtigungsfähig sei. Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergebe sich zweifelsfrei, welche Wörter sie gemeint habe.

Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei (ON 14); es bestätigte auch den Berichtigungsbeschluss und sprach aus, dass der Revisionsrekurs gem § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei (ON 15).

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionsrekurse sind unzulässig.

1. Zum Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der einstweiligen Verfügung:

Gemäß § 419 Abs 1 ZPO können Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten in einem Urteil berichtigt werden. Diese Vorschrift findet gem § 78 EO, § 430 ZPO auch auf im Sicherungsverfahren ergangene Beschlüsse Anwendung. Eine Urteilsberichtigung im Sinn des § 419 ZPO setzt offenbare Unrichtigkeiten im Urteil oder dessen Begründung voraus. Sie ist nur dann zulässig, wenn die zu berichtigende Entscheidung dem Willen des Gerichtes offensichtlich nicht entsprochen hat, somit eine Diskrepanz zwischen Gewolltem und Erklärtem vorlag (JBl 1979, 38; SZ 65/116; 6 Ob 225/01h uva; Rechberger in Rechberger, ZPO2 § 419 Rz 2); andernfalls würde nämlich mit einer Berichtigung in die Rechtskraft der Gerichtsentscheidung eingegriffen werden (6 Ob 159/98w; 2 Ob 251/00a; 6 Ob 22501h).

Die zur Berichtigung berechtigende Diskrepanz zwischen Gewolltem und Erklärtem muss sich für Gericht und Parteien aus dem ganzen Zusammenhang der Entscheidung offenkundig ergeben. Aus dem Inhalt der Entscheidung muss offenkundig sein, dass das, was ausgesprochen wurde, dem wahren Willen des Gerichtes nicht entsprochen hat. Eine rechtlich unrichtige, aber so gewollte Entscheidung ist nicht berichtigungsfähig (SZ 65/116; 9 Ob 67/01w). Ein Gerichtsfehler kann auf einem offensichtlichen Übersehen eines Fehlers in einem bei Anfertigung der Urschrift verwendeten Formularvordruck (JBl 1986, 257 [zust. Pfersmann] = ImmZ 1986, 308), aber auch auf dem Übersehen von einer Partei selbst bei Verfassung eines Schriftsatzes unterlaufenen Fehlern beruhen.

Das Rekursgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen, wenn es die vom Erstgericht bei Erlassung der einstweiligen Verfügung aus dem Sicherungsantrag übernommenen offensichtlichen Schreibfehler der gefährdeten Partei (Übertretung statt Übertragung; amtsblatt statt amtskalender) bei Berücksichtigung der gesamten Entscheidung und des gesamten Vorbringens im Sicherungsantrag als berichtigungsfähige offenbare Unrichtigkeiten (des Gerichts und der gefährdeten Partei) beurteilt und den Berichtigungsbeschluss des Erstgerichts bestätigt hat. Die Entscheidung im Sicherungsverfahren beruht demnach - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht auf einem unzulässigen Berichtigungsbeschluss. Auch sonst wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht aufgezeigt.

2. Zum Revisionsrekurs gegen die Bestätigung des Berichtigungsbeschlusses:

Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls (absolut) unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist, es sei denn, das die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass - ungeachtet der Ausführungen im JAB (991 BlgNR 17. GP 69), wonach die im § 528 Abs 2 Z 2 ZPO von der Unanfechtbarkeit ausgenommenen Beschlüsse jene seien, durch die der Rechtschutzanspruch überhaupt verneint wird - davon nur formalrechtlich begründete Klagezurückweisungen erfasst seien (SZ 66/118). Die Anfechtung von Konformatbeschlüssen ist demnach nur für die definitive Versagung des Rechtsschutzes, also die Verweigerung des Zugangs zu Gericht, vorgesehen. Die Berichtigung von offensichtlichen Schreibfehlern einer Partei, die das Gericht bei seiner Entscheidung übernommen hat, ist keine solch Verweisung des Zugangs zu Gericht an sich (so schon MietSlg 48.677 im Fall der Berichtigung der Parteienbezeichnung) und kann auch der Bestätigung der Zurückweisung einer Klage nicht gleichgehalten werden. Eine analoge Anwendung kommt im vorliegenden Fall daher nicht in Betracht. Auch § 402 Abs 1 EO ist nicht anzuwenden. Diese Bestimmung wurde durch die 3. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien BGBl 1992/756 ins Gesetz aufgenommen. Nach dem Ausschussbericht (718 BlgNR XVIII. GP) sollte der Rechtsmittelausschluss gegen bestätigende Entscheidung in § 528 Abs 2 Z 2 ZPO - vorbehaltlich des § 402 Abs 2 EO - für die genannten Entscheidungen im Provisorialverfahren beseitigt werden, weil diesen Entscheidungen wiederholt richtungsweisende Bedeutungen zukommen und darin oft Rechtsfragen gelöst werden, die für das (anschließende) meritorische Verfahren Bedeutung haben, in dem wegen der unterschiedlichen Revisions- und Revisionsrekursbestimmungen diese Rechtsmittelbeschränkung nicht gilt. Dass diese Motive des Gesetzgebers auf die aufgrund einer einstweiligen Verfügung zu erlassenden Vollzugsanordnungen nicht zutreffen, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (7 Ob 636/95); für Beschlüsse, mit denen eine einstweilige Verfügung berichtigt wird, gilt nichts anderes.

Ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, kann ein Auftrag an das Gericht zweiter Instanz, den im Gesetz vorgesehenen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes nachzuholen, unterbleiben (EvBl 1994/3). Eine Nichtigkeit wird durch das Fehlen dieses Ausspruchs jedenfalls nicht begründet, zumal sich aus dem am selben Tag ergangenen Beschluss des Rekursgerichts ON 14 ohnedies ergibt, von welcher Bewertung es in diese Rechtssache ausgegangen ist. Der Beschluss ist - entgegen den Rechtsmittelausführungen - in seinem Ausspruch über die Zulässigkeit eines weiteren Rechtszugs nicht unbegründet, weil er auf die entsprechende Gesetzesbestimmung verweist.

Ist ein Rechtsmittel absolut unzulässig, dann können damit aber auch nicht erhebliche Rechtsfragen im Sinne des Revisionsrekursrechts an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (4 Ob 182/00v).

Rechtssätze
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