JudikaturJustiz4Ob226/22x

4Ob226/22x – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Wolfgang W. Richter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei * GmbH, *, vertreten durch Mag. Heinz Heher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: 30.300 EUR) über die außerordentlichen Revisionsrekurse der klagenden und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. Oktober 2022, GZ 5 R 110/22s 11, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionsrekurse beider Parteien werden gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin und die Beklagte bieten Mobilfunkleistungen für Endkunden an.

[2] Die Beklagte bewarb von zumindest Oktober 2021 bis Ende März 2022 ein Tarifpaket wiederholt als mit 17. 11. 2021, dann mit 22. 12. 2021, danach mit 15. 3. 2022 und schließlich mit 31. 3. 2022 befristete Aktion. Dabei pries sie nach dem jeweiligen Fristablauf nahtlos dasselbe Tarifpaket zu denselben Konditionen unter Nennung eines neuen Aktionszeitraums an.

[3] Zumindest von 2. bis 19. 5. 2022 bewarb die Beklagte das Tarifpaket mit dem Blickfang „Aktion!“, ohne eine zeitliche Begrenzung für dieses „Aktionsangebot“ anzugeben. Auf Nachfrage von Kunden nannte die Beklagte den 9. 6. 2022 als Ende des Aktionszeitraums.

[4] Außerdem warb die Beklagte Neukunden mit den Hinweisen: „ Gratis-Rufnummernmitnahme für alle! “ und „ Automatische Kündigung deines alten Vertrages “ bzw „ Mit der Rufnummernmitnahme wird dein alter Vertrag automatisch gekündigt “. Sie wies dabei nicht darauf hin, dass die Kunden trotzdem verpflichtet sein können, ihrem bisherigen Anbieter bis zum Ende einer Mindestvertragslaufzeit oder einer Kündigungsfrist noch Entgelte zu zahlen.

[5] Die Klägerin möchte der Beklagten – soweit im Revisionsrekursverfahren noch relevant – mit Urteil und einstweiliger Verfügung (gerafft) folgendes Verhalten als unlauter untersagen lassen:

[6] Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Die blickfangartige Ankündigung einer „Aktion!“ erwecke auch ohne den Aktionszeitraum den Eindruck einer vorübergehenden, besonders günstigen Gelegenheit. Kunden könnten dadurch zu einem vorzeitigen Anbieterwechsel trotz aufrechter Bindungsdauer bewegt werden, obwohl die Aktion nach dem Vorbringen der Beklagten bei Werbebeginn noch sechs Wochen gelaufen sei.

[7] Rufnummernmitnahme und Kündigung des Altvertrags seien zwar tatsächlich kostenlos. Es könnten aber während einer Kündigungsfrist bzw einer noch offenen Bindungsfrist Entgeltansprüche des vormaligen Anbieters bestehen, die zu einer Doppelbelastung von Kunden führen würden. Dies gelte insbesondere für die große Gruppe jener Endnutzer, die ihren Vertrag vor dem 1. 11. 2021 abgeschlossen hätten, weil der Ausschluss einer Abschlagszahlung nach § 135 Abs 12 TKG 2021 gemäß Abs 14 nur auf Verträge anwendbar sei, die erst nach diesem Datum geschlossen worden seien.

[8] Das Rekursgericht änderte die Entscheidung insoweit ab, als es das Begehren a) zum Aktionszeitraum abwies. Die Klägerin habe zwar Vorbringen auch zur unzulässigen nahtlosen Aneinanderreihung von scheinbar begrenzten Aktionszeiträumen erstattet, ihr Unterlassungsbegehren betreffe aber nur die Bewerbung einer Aktion ohne Datumsangabe. Zur Angabe des Aktionszeitraums sei die Beklagte aber weder durch ein Gesetz verpflichtet, noch sei eine solche Pflicht aus der Entscheidung 4 Ob 84/21p Gratis bis Jahresende abzuleiten. Eine Untersagung der Aneinanderreihung von Aktionen komme hier nicht in Frage, weil dies ein aliud zum Provisorialbegehren wäre.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Revisionsrekurs der Beklagten strebt die Abweisung des gesamten Sicherungsantrags an. Die Klägerin will mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zum Begehren a) (Aktionszeitraum) erreichen. Beide Rechtsmittel zeigen aber keine erheblichen Rechtsfragen auf und sind daher nicht zulässig .

I. Zum Rechtsmittel der Klägerin

[10] 1. Die Klägerin argumentiert, dass die Beurteilung des Rekursgerichts in Widerspruch zur Entscheidung 4 Ob 84/21p stehe. Der fehlende Hinweis auf den Aktionszeitraum setze die angesprochenen Verkehrskreise sogar noch stärker unter Druck als unrichtige Angaben zu einer in Wahrheit ständig verlängerten Befristung des Angebots, wie sie damals untersagt worden seien.

[11] 1.1. Vorauszuschicken ist, dass das UWG einen Preiswettbewerb nicht verbieten oder auch nur hintanhalten möchte. Das Senken der eigenen Preise als Reaktion auf das Angebot von Mitbewerbern ist vielmehr auch Teil eines erwünschten lauteren Preiswettbewerbs (vgl RS0078363 ). Dies gilt grundsätzlich auch für kurzfristige Aktionsangebote.

[12] Unerwünscht und daher jedenfalls unlauter ist dagegen eine unrichtige Behauptung, ein Produkt wäre (zu bestimmten Konditionen) nur sehr begrenzte Zeit verfügbar (UWG Anh Z 7). Durch einen so vorgetäuschten Zeitdruck können Kunden zu unüberlegten oder trotz anderer Nachteile vorgezogenen Kaufentscheidungen verleitet werden. Eine solche unzulässige Kettenbefristung – und nicht wie hier fehlende Angaben zum Aktionszeitraum – hatte die Entscheidung 4 Ob 84/21p zum Gegenstand.

[13] 1.2. Richtig zeigt die Klägerin im Revisionsrekurs zwar auf, dass Werbung auch durch unvollständige Informationen irreführend iSd § 2 UWG sein kann.

[14] Dies ist der Fall, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, so dass die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in für den Kaufentschluss erheblicher Weise irrezuführen (RS0121669). Ob dies zutrifft, kann aber nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und wirft daher in der Regel keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung auf ( RS0053112 [insbes T12]).

[15] 1.3. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung im vorliegenden Fall kann das Rechtsmittel nicht aufzeigen, vor allem nicht durch Verweis auf die Entscheidung 4 Ob 84/21p , in der eine ganz andere Rechtsfrage gelöst wurde.

[16] Vielmehr entspricht es der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, nach der das UWG keine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen kennt (vgl RS0078579 [T16, T20]).

[17] Der Fachsenat hat auch bereits Sonderangebote, ohne Angabe eines konkreten Aktionszeitraums für lauter angesehen, sofern kein Lockvogelangebot vorliegt, bei dem nur eine schon ex ante als unzureichend erkennbare Menge der Aktionsware vorhanden ist (vgl etwa 4 Ob 147/00x).

[18] Der im Revisionsrekurs beanstandete Anlockeffekt einer solchen Werbeaktion ist also nicht per se unlauter. Ein unlauteres Element könnte nach der Lockangebotjudikatur vorliegen, wenn der Aktionszeitraum so kurz bemessen wäre, dass Interessenten keine ausreichende Möglichkeit haben, nach Wahrnehmen der Werbung zu den beworbenen Konditionen einen Vertrag abzuschließen. Darauf gibt es aus dem Sachverhalt aber keinen Hinweis.

[19] 1.4. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass auch das hier nicht anwendbare Preisauszeichnungsgesetz zwar Preisermäßigungen für Sachgüter regelt (§ 9a PrAG), in diesem Zusammenhang aber nur festlegt, welcher vergangene Preis als Vergleichswert herangezogen werden darf. Auch der Gesetzgeber hält also bei Preisermäßigungen weder Regelungen zur Dauer des Aktionszeitraums noch solche zur Information über die Dauer für erforderlich.

[20] 2. Die Klägerin rügt als Mangel des Rekursverfahrens, dass das Rekursgericht verpflichtet gewesen wäre, ihr Unterlassungsbegehren zu präzisieren und dem Provisorialantrag allenfalls als Minus stattzugeben. Konkret nennt sie folgenden Formulierungsvorschlag für eine amtswegige Präzisierung des Spruchs: „ im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ein bestimmtes Angebot als 'Aktion' zu bewerben, insbesondere durch den blickfangartig herausgestellten Begriff ′Aktion!′ oder sinngleiche Behauptungen oder Vorgangsweisen, ohne dass sie auf eine zeitliche Befristung - wenn eine solche tatsächlich vorliegt - ausreichend deutlich hinweist, oder sinngleiche Praktiken anzuwenden.

[21] 2.1. Ob eine Neuformulierung des Spruchs zur Verdeutlichung eines (Sicherungs-)Begehrens unter Berücksichtigung des dazu erstatteten Vorbringens zulässig ist, kann nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RS0041192). Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich dabei also in der Regel nicht.

[22] 2.2. Im vorliegenden Fall könnte dem Sicherungsantrag auch mit der unterstrichenen Ergänzung nicht stattgegeben werden. Dass ein Aktionsangebot zeitlich nicht unbegrenzt verfügbar ist, ergibt sich nämlich schon aus dem Wort selbst. Außerdem behaupteten weder Klage noch Provisorialantrag eine Irreführung der Kunden dadurch, dass sie bei Bewerbung einer Aktion ohne ausdrücklich genannten Endzeitpunkt von einem neuen dauerhaft verfügbaren Angebot ausgehen würden.

[23] Eine Untersagung von Kettenaktionen, wie sie in der Entscheidung 4 Ob 84/21p erfolgte, strebt das Rechtsmittel nicht an.

II. Zur Rufnummernmitnahme ohne Hinweis auf Kosten:

[24] 1. Die Beklagte sieht in der Ansicht des Rekursgerichts, das die Werbeaussagen der Beklagten zur Rufnummernmitnahme für irreführend unvollständig hält, eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung. Das Rekursgericht habe außer Acht gelassen, dass den Endnutzern gemäß § 135 Abs 12 TKG 2021 (iSd Art 105 Abs 6 RL [EZ] 2018/1972) ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehe. Der Altanbieter habe daher keine Ansprüche auf Restentgelt, außer für einbehaltene subventionierte Endgeräte.

[25] 2. Dabei zieht der Revisionsrekurs aber nicht in Zweifel, dass die große Gruppe der Endnutzer mit vor dem 1. 11. 2021 abgeschlossenen Verträgen sehr wohl mit Abschlagszahlungen konfrontiert sein könnten, weil der Ausschluss einer Abschlagszahlung nach § 135 Abs 12 TKG 2021 gemäß Abs 14 nur jene auf Verträge anwendbar ist, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossen wurden.

[26] Die Beklagte setzt sich mit diesem tragenden Element rechtlicher Beurteilung nicht auseinander, sodass schon aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird (vgl RS0118709).

Rechtssätze
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