JudikaturJustiz4Ob202/02p

4Ob202/02p – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 16. 2. 2002 verstorbenen Anna Maria M*****, zuletzt wohnhaft in *****, über den Revisionsrekurs des erblasserischen Witwers Ing. Kurt M*****, vertreten durch Dr. Helga Gaster, Rechtsanwältin in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 16. Juli 2002, GZ 3 R 148/02k 21, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 13. Mai 2002, GZ 15 A 76/02g 15, teilweise bestätigt und der Rekurs des erblasserischen Witwers teilweise zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Erblasserin setzte ihre Tochter zur Alleinerbin ein. Ihrem Ehegatten vermachte sie ein Legat zur Abdeckung seiner Pflichtteilsansprüche. Die erblasserische Tochter stellte den Antrag auf schriftliche Abhandlungspflege. Der Witwer stimmte diesem Antrag nicht zu und beantragte die Schätzung und Inventarisierung des Nachlasses sowie die Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung durch den Gerichtskommissär. Den Vertreter der Erbin lehnte er wegen Befangenheit ab.

Das Erstgericht nahm die Bevollmächtigung des Vertreters der erblasserischen Tochter zur Kenntnis (Punkt 1), erteilte dem Erbenmachthaber eine Frist zur Abgabe der Erbserklärung und zur Vorlage der Schlussanträge (Punkt 2), wies den Antrag des erblasserischen Witwers, die Verlassenschaftsabhandlung durch den Notar als Gerichtskommissär durchzuführen und den Erbenmachthaber nicht zur Durchführung der Abhandlung im Eingabenweg zuzulassen, ab (Punkt 3) und ordnete die Schätzung und Inventarisierung des Nachlasses durch den Gerichtskommissär an (Punkt 4). Es verneinte die Antragslegitimation des Witwers als Noterben in der Frage, in welcher Form die Abhandlung geführt werde. Als Noterbe sei er nur insoweit Beteiligter des Verlassenschaftsverfahrens, als er durch eine Entscheidung des Abhandlungsgerichts in seinen materiellen Rechten verkürzt oder in seiner verfahrensrechtlichen Stellung beeinträchtigt werde. Dies sei durch Anordnung der schriftlichen Abhandlungspflege nicht der Fall. Im Übrigen werde der Pflichtteilsanspruch durch die Inventarisierung und Schätzung ohne Interessenkollision ermittelt.

Das Rekursgericht wies den gegen die Punkte 1 und 4 des erstgerichtlichen Beschlusses gerichteten Rekurs des erblasserischen Witwers zurück, im Übrigen gab es ihm nicht Folge. Es bestätigte Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung mit der Maßgabe, dass der Antrag des Witwers zurückgewiesen werde. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die Rechtsprechung zur Rekurslegitimation des Noterben im Verlassenschaftsverfahren nicht einheitlich sei. Soweit das Erstgericht die Bevollmächtigung des Erbenmachthabers zur Kenntnis genommen habe, liege keine auf die Erzielung von Rechtswirkungen gerichtete Willenserklärung des Gerichts vor, Punkt 1 der Entscheidung sei daher nicht anfechtbar. Zur Anordnung der Inventarisierung und Schätzung fehle es an einer Beschwer des Rechtsmittelwerbers, der diese Maßnahme selbst beantragt habe. Die schriftliche Abhandlungspflege greife in die dem Noterben nach §§ 784, 804 und 812 ABGB zustehenden Rechte nicht ein, der Noterbe könne dieser Art der Abhandlung daher nicht entgegentreten. Die von ihm erklärte Ablehnung des Erbenmachthabers entbehre einer Rechtsgrundlage.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Noterben ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 16 Abs 2 AußStrG) nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Noterbe im Abhandlungsverfahren nur insoweit Beteiligter, als durch eine Entscheidung des Abhandlungsgerichts eine Verkürzung seiner materiellen Rechte oder eine Beeinträchtigung seiner verfahrensrechtlichen Stellung herbeigeführt wird (EFSlg 47.000; NZ 1989, 14; NZ 2000, 219; SZ 68/126; 4 Ob 1612/94; 4 Ob 208/97k; RIS Justiz RS0006500). Die Antragslegitimation des Noterben ist im Verlassenschaftsverfahren auf die Rechte nach §§ 784, 804 und 812 ABGB beschränkt (SZ 60/225; NZ 1989, 14; NZ 1997, 30 (LGZ Graz); 4 Ob 1612/94).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Oberste Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung schon wiederholt die Antragslegitimation des Noterben in der Frage, in welcher Form die Abhandlung geführt wird (unter Ablehnung der in 3 Ob 524/83 und 2 Ob 642/85 vertretenen älteren Meinung) verneint, weil die schriftliche Abhandlungspflege in die dem Noterben nach §§ 784, 804 und 812 ABGB eingeräumten Rechte nicht eingreift (EFSlg 47.000 und 47.001; NZ 1989, 14; NZ 2000, 219; 4 Ob 1612/94).

Mit dieser Rechtsprechung steht die Entscheidung des Rekursgerichts im Einklang. Die vom Rechtsmittelwerber zitierte Entscheidung 3 Ob 560/92 verneint die Antrags und Rekurslegitimation eines Noterben, der sich am Verlassenschaftsverfahren trotz Verständigung nicht beteiligt hatte. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers ist dieser Entscheidung jedoch nicht zu entnehmen, dass ein Noterbe, der Anträge nach den §§ 784, 804 oder 812 ABGB gestellt hat, durch die schriftliche Abhandlungspflege jedenfalls beschwert sei. Eine derartige Deutung hat auch schon 6 Ob 161/99s (NZ 2000, 219) als zu weitgehend abgelehnt. Die Entscheidung 7 Ob 115/99h (NZ 2000, 147) ist nicht einschlägig. Sie bejahte die Beteiligtenstellung eines privilegierten (§ 160 AußStrG) fideikommissarischen Nachlegatars in Anbetracht der von Amts wegen vorzunehmenden Maßnahmen zur Sicherstellung der Legatserfüllung. Im Verfahren 7 Ob 177/01g war entscheidungswesentlich, ob dem Noterben ausreichend Gelegenheit zur Beteiligung gegeben wurde, und nicht, ob der Noterbe der schriftlichen Abhandlungspflege zustimmen musste.

Angesichts der dargelegten jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist eine neuerliche Befassung mit dieser Frage entbehrlich.

Der Rechtsmittelwerber weist zwar zutreffend darauf hin, dass das gleichzeitige Einschreiten eines öffentlichen Notars als Gerichtskommissär und als Parteienvertreter von der Rechtsprechung abgelehnt wird (RIS Justiz RS0038260). Im vorliegenden Fall schreitet der rechtsfreundliche Vertreter der Erbin (ein Rechtsanwalt) jedoch als Erbenmachthaber ein. Einem Tätigwerden als Gerichtskommissär stünde schon der Umstand entgegen, dass er nicht Notar ist (§ 1 Abs 1 GerKoärG). Eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die Ausschließung eines Notars als Gerichtskommissär (§ 6 GerKoärG) auf den Erbenmachthaber scheitert schon daran, dass der Erbenmachthaber (anders als der Gerichtskommissär) nicht als Organ des Gerichtes, sondern als Parteienvertreter auf Grund der ihm von den Erben erteilten Vollmacht tätig wird.

Der unzulässige Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Rechtssätze
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