JudikaturJustiz4Ob200/20w

4Ob200/20w – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. November 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. Dr. Brenn, Hon. Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG in Wien, sowie der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei B***** GmbH in Liqu., *****, vertreten durch Freimüller Obereder Pilz RechtsanwältInnen GmbH in Wien, wegen 529.936,31 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. September 2020, GZ 2 R 83/20w 37, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin erwarb im April 2008 von der Gesamtrechtsvorgängerin der Beklagten eine vermietete Liegenschaft. Die entsprechenden Bestandverträge betrafen zwei Unternehmen und waren jeweils bis 31. 8. 2012 befristet. Im Kaufvertrag wurde festgehalten, dass eine wirtschaftliche Beziehung der Verkäuferin zu den beiden Mietern vorliegt.

[2] Die Verkäuferin gab im Kaufvertrag – bezogen auf die beiden Mietverträge – eine „Garantieerklärung“ mit folgendem Wortlaut ab:

„dass die … Mietverträge mit den Unternehmen oder Nachmietern oder Untermietern gemäß der Bestandverträge jeweils wenigstens über die vereinbarte Laufzeit eine Kündigung durch den jeweiligen Mieter oder Nachmieter nicht erfolgen wird und diese daher über die vereinbarte Laufzeit aufrecht bleiben werden und weiters, dass die sich aus den entsprechenden Mietverträgen zu ergebenden Mieten fristgemäß geleistet werden. Die Verkäuferin leistet Gewähr dafür, dass für diese Mietverhältnisse rechtlich verbindliche befristete Bestandverträge vorliegen. Die Verkäuferin garantiert daher, dass die genannten Mietverträge allenfalls mit Nach oder Untermietern jeweils über die vereinbarte Mindestlaufzeit aufrecht bleiben und leistet vollen Schadenersatz, sollte eines der genannten Vertragsverhältnisse aus Gründen, die vom jeweiligen Mieter zu vertreten sind, vor der genannten Laufzeit ersatzlos beendet werden.“

[3] Zur weiteren Absicherung eines allfälligen Mietenausfalls betreffend die Mietverhältnisse verpflichtete sich die Verkäuferin

„zur wirtschaftlichen Absicherung dieser Mietverhältnisse eine abstrakte Bankgarantie über den Betrag von 200.000,00 EUR mit einer Mindestlaufzeit bis 31. 8. 2012 vorzulegen...“

[4] Einer der beiden Bestandnehmer stellte ca ab Juni 2008 die Mietzinszahlungen ein. Im Juni 2009 wurde über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte hinsichtlich dieses Bestandnehmers den Mietvertrag per Ende August 2009 bzw Ende März 2010 auf (die beiden Aufkündigungen bezogen sich auf unterschiedliche Bestandflächen).

[5] Die Klägerin meldete im Insolvenzverfahren dieses Bestandnehmers ihre Forderungen aus dem Bestandvertrag an, die zum größten Teil vom Insolvenzverwalter bestritten wurden. 2010 zog die Klägerin (nach Auflösung des Bestandvertrags) die Bankgarantie von 200.000 EUR. Der Insolvenzverwalter zeigte am 23. 1. 2012 die Masseunzulänglichkeit gemäß § 124a IO an. Am 19. 11. 2013 legte der Insolvenzverwalter den Schlussbericht samt Schlussrechnung. Hinsichtlich der Masseforderungen einigte sich der Insolvenzverwalter mit der Klägerin auf eine Abschlagszahlung. Der Insolvenzverwalter leistete 2014 eine entsprechende Zahlung von insgesamt 290.066,07 EUR an die Klägerin.

[6] Mit ihrer im Mai 2016 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin den Ersatz des (restlichen) Mietzinsausfalls hinsichtlich des insolventen Bestandnehmers. Unter Berücksichtigung der gezogenen Bankgarantie, den Mieteinnahmen aus Weitervermietungen sowie der (die Masseforderungen betreffenden) Zahlungen des Insolvenzverwalters ergebe sich ein noch aushaftender Betrag in Höhe von (zuletzt) 529.936,31 EUR. Dafür habe die Beklagte aufgrund ihrer Garantieerklärung im Kaufvertrag aufzukommen. Diese Garantieerklärung sei als echte Garantie auszulegen; sie sei nicht beschränkt auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes. Daher unterliege sie einer 30-jährigen Verjährungsfrist.

[7] Nach Ansicht der auf Seiten der Klägerin beigetretenen Nebenintervenientin habe die Klägerin erst mit Vorliegen des Schlussberichts sowie der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters ausreichend sichere Kenntnis darüber erlangt, dass ihr durch die Insolvenz ihres Mieters und die damit verbundenen Mietzinsausfälle ein Schaden entstanden sei. Die Forderung sei daher nicht verjährt. Die maßgeblichen Bestimmungen des Kaufvertrags seien nicht als Garantie zu qualifizieren. Vielmehr sei damit ein Bürgschaftsverhältnis begründet worden, weil durch den Verweis auf die Bestandverhältnisse und die offenkundig intendierte Absicherung der ordnungsgemäßen Erfüllung der daraus entspringenden Zahlungsverpflichtung ein unzweifelhafter und deutlicher Bezug zum gesicherten Grundverhältnis hergestellt worden sei. Eine Bürgschaftsschuld unterliege jedoch unabhängig von der für die Hauptschuld geltenden Verjährung der 30-jährigen Verjährungsfrist.

[8] Die Beklagte wandte unter anderem die Verjährung der Forderung ein und brachte vor, dass es sich um eine echte Garantie handle. Diese habe Schadenersatzfunktion, sie diene der Übernahme einer verschuldensunabhängigen Haftung für Mietzinsausfälle. Sie entspreche daher dem Charakter einer der kurzen, dreijährigen Verjährungsfrist unterliegenden Zusage gemäß § 1489 ABGB.

[9] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Sie qualifizierten die Erklärung im Kaufvertrag als Garantie. Damit sei die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB anzuwenden. Spätestens im Jänner 2012 (Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit) sei klar gewesen, dass die Insolvenzforderungen der Klägerin nicht befriedigt würden, damit habe die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs begonnen.

[10] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[11] In ihrer außerordentlichen Revision macht die Nebenintervenientin Fragen zur rechtlichen Qualifikation der Haftungserklärung und zur Verjährung geltend. Dabei zeigt sie keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[12] 1.1 Die Abgrenzung der Garantie von der Bürgschaft erfolgt durch Auslegung ( 6 Ob 142/10s ; RIS Justiz RS0033002). Steht die Vertragsauslegung durch die Vorinstanzen mit den Grundsätzen von Rechtsprechung im Einklang, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, kommt doch der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu ( RS0042776 ).

[13] 1.2 Garantie und Bürgschaft können dem gleichen wirtschaftlichen Zweck dienen, nämlich dem Begünstigten das Risiko einer Geschäftsverbindung mit einem Dritten abzunehmen ( RS0016942 ). Ein Garantievertrag ist vom Bestand eines Hauptschuldverhältnisses unabhängig, also nicht akzessorisch ( RS0016992 , RS0017000 ). Der Bürge hingegen übernimmt durch Vertrag mit dem Gläubiger die Haftung bloß für die Erfüllung der Schuld eines Dritten. Die Bürgschaftsverpflichtung ist damit akzessorisch, also abhängig von der Hauptverbindlichkeit des Schuldners gegenüber dem Gläubiger (§ 1346 Abs 1, § 1351 und § 1363 ABGB; RS0032169 ).

[14] 1.3 Das Berufungsgericht hat das Bestehen eines Garantievertrags damit begründet, dass die Verpflichtung der Verkäuferin bezüglich der Absicherung der Mietzinse unabhängig davon bestehen sollte, ob die zugesicherten Mietverträge rechtlichen Bestand hätten. Die Erklärung sollte gerade auch dem Zweck dienen, gegen dieses Risiko abzusichern. Dieses Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts, das auch dem Standpunkt der Klägerin und der Beklagten entspricht, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Verkäuferin musste nach der Erklärung für die Existenz rechtlich verbindlicher befristeter Bestandverträge einstehen, aus denen der Käufer Mieteinnahmen lukrieren kann. Eine derartige Haftung wird gerade dann schlagend, wenn kein wirksamer Bestandvertrag vorliegt. Davon unterscheidet sich die Haftung eines Bürgen, der für die fremde Schuld nur dann einstehen muss, wenn diese zu Recht besteht.

[15] 2.1 Liegt eine Garantieerklärung vor, kommt die Verjährungsregelung des § 1489 ABGB zur Anwendung. Garantien haben nämlich die Funktion, einen Schaden, den der Begünstigte durch den Nichteintritt eines Erfolgs erleidet, auszugleichen, auch wenn sie nicht Schadenersatzansprüche im eigentlichen Sinn sind, weil sie losgelöst von Verursachung, Rechtswidrigkeit und Verschulden sind ( 5 Ob 215/08s ; RS0017007 [T5]; RS0124549 ). Insbesondere sind auch alle Ersatzforderungen wegen Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung eines Vertrags, möge der Erfüllungsanspruch selbst auch der 30 jährigen Verjährung unterliegen, unter § 1489 ABGB zu subsumieren ( 5 Ob 7/06z ).

[16] 2.2 Die Ansicht der Vorinstanzen, dass die Klägerin im Hinblick auf die im Jänner 2012 angezeigte Masseunzulänglichkeit jedenfalls zu diesem Zeitpunkt gesichert von einem Mietzinsausfall ausgehen konnte, der den Garantiefall auslöste, bedarf keiner Korrektur. Die Klägerin hat nach der Insolvenzeröffnung und der Beendigung des Bestandvertrags sogar bereits 2010 die Bankgarantie von 200.000 EUR abberufen und damit den Garantiefall als eingetreten erachtet.

[17] Eine Masseunzulänglichkeit ist vom Insolvenzverwalter nach § 124a Abs 1 IO dann anzuzeigen, wenn die Masse (sogar) für die Bezahlung aller Masseforderungen nicht ausreicht. Damit ist für die Insolvenzgläubiger klar, dass an sie keine Ausschüttung erfolgen wird. Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus der Garantiezusage den Ersatz für den Entgang dieser Insolvenzforderungen. Dass aber spätestens bei öffentlicher Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit ein Primärschaden vorgelegen ist, dessen Verjährung die Klägerin nach Ansicht des Berufungsgerichts durch Erhebung einer Klage entgegenzuwirken gehabt hätte, dies hier aber unterblieben ist, hält sich als Einzelfallbeurteilung im Rahmen gesicherter Grundsätze der Rechtsprechung zu § 1489 ABGB (zuletzt 4 Ob 215/19z). Das trifft auch auf die Ansicht des Berufungsgerichts zu, dass die Inanspruchnahme der Garantie jedenfalls im Jänner 2012 ohne Rechtsmissbrauch hätte erfolgen können (vgl 5 Ob 215/08s; RS0017007 [T7]; RS0124549 [T1]).

Rechtssätze
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