JudikaturJustiz4Ob13/16i

4Ob13/16i – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff Rami Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 33.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. Oktober 2015, GZ 4 R 149/15a 12, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 14. August 2015, GZ 39 Cg 32/15x 8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Im Gegensatz zur von der Beklagten ins Treffen geführten älteren Rechtsprechung (vgl RIS Justiz RS0042751, RS0115496) hat der erkennende Senat inzwischen mehrfach festgehalten, dass die Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit im Rahmen höchstgerichtlicher Leitlinien innerhalb eines gewissen Beurteilungsspielraums auch im Wettbewerbsrecht primär Aufgabe der zweiten Instanzen ist. Somit gelten auch hier die allgemeinen Kriterien für die Zulässigkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs (RIS Justiz RS0122243).

Ob sich eine Schöpfung aufgrund ihrer Originalität hinreichend deutlich von ähnlichen Schöpfungen unterscheidet und daher ein urheberrechtlich geschütztes Werk ist, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab und hat keine darüber hinausgehende Bedeutung (RIS Justiz RS0122254; RS0115496 [T4]; vgl RS0076935 [T3]).

Die Revisionsrekurswerberin wendet sich nicht gegen die vom Rekursgericht erläuterten Leitlinien der Rechtsprechung zur Werkqualität, sondern behauptet eine unzutreffende Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall und damit einen Widerspruch zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Eine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung im Einzelfall ist aber nicht zu erkennen. Die individuelle Erarbeitung einer funktionellen und zweckmäßigen technischen Lösung ohne besonderen ästhetischen Gehalt der Planung, in der kein besonderer künstlerisch geistiger Formgedanke zum Ausdruck kommt, ist urheberrechtlich nicht geschützt (4 Ob 89/11h). Die Frage, ob sich in einem Werk Technik und Kunst verbindet und damit auch ein Kunstwerk im Sinn des UrhG vorliegt, ist nur dadurch zu lösen, dass untersucht wird, inwieweit die verwendeten Formelemente technisch bedingt sind und inwieweit sie lediglich der Form halber, aus Gründen des Geschmacks, der Schönheit, der Ästhetik gewählt wurden (RIS Justiz RS0076633). Es ist jedenfalls vertretbar, mit dem Rekursgericht die von der Klägerin als für den Werkcharakter maßgeblich ins Treffen geführten Gestaltungselemente als vorwiegend technisch bedingt anzusehen (erleichterte schnelle Zeitungsentnahme, Möglichkeit der einladenden Präsentation, abgerundete Ecken zur Verringerung der Verletzungsgefahr, frei bleibende Flächen, die für Werbung genutzt werden können).

Ebenso vertretbar hat das Rekursgericht eine unlautere Geschäftspraktik der Beklagten verneint. Von einer sklavischen Nachahmung/glatten Übernahme kann schon deshalb keine Rede sein, weil der Zeitungsaufsteller der Beklagten jenem der Klägerin zwar ähnlich ist, aber in der Wandstärke, der Gestaltung des Trennelements zwischen den Zeitungsstapeln und auch der Farbgebung unterschiedlich ist. Eine unmittelbare Leistungsübernahme und der Einsatz technischer Vervielfältigungsverfahren (etwa Nachdruck, Kopie etc; vgl 4 Ob 12/11k; RIS Justiz RS0078341) liegt hier nicht vor. Dass die für die vermeidbare Herkunftstäuschung (vgl RIS Justiz RS0078130) oder unlauteres Immitationsmarketing (vgl RIS Justiz RS0124842) erforderliche Verwechslungsgefahr nicht vorliegt, ist im Hinblick auf die klar unterschiedliche Farbgestaltung, die groß und unverwechselbar auf die jeweils angebotenen Zeitungen hinweisende Beschriftung und die offen angebotenen Waren naheliegend. Angesichts des Bekanntheitsgrades der beiden von den Streitteilen angebotenen Gratiszeitungen ist auch nicht davon auszugehen, dass das angesprochene Publikum aufgrund einer ähnlichen äußeren Form der Verkaufsständer annimmt, dass zwischen den Herausgebern der beiden Zeitungen ungeachtet der allgemein bekannten Konkurrenzsituation ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.

Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs der Klägerin daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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