JudikaturJustiz4Ob101/06s

4Ob101/06s – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Oktober 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Dr. Ralph Mitsche, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** AG, *****, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen (Streitwert 36.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 23. März 2006, GZ 1 R 33/06x-15, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 25. Oktober 2005, GZ 5 Cg 120/05k-10, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft mit acht Aktionären. Die Aktien sind in Zwischenscheinen verbrieft, die auf Namen lauten; die Aktionäre sind dem Vorstand und dem Aufsichtsrat bekannt. Hauptversammlungen wurden stets durch schriftliche Einladung an die Aktionäre einberufen. Eine Anmeldung zur Hauptversammlung oder eine Hinterlegung der Aktien (Zwischenscheine) ist in der Satzung nicht vorgesehen. Bis April 2005 wurde keine Anmeldung verlangt, sie ist in der Praxis auch unterblieben.

Die Klägerin hält 2 % des Grundkapitals. Am 13. April 2005 erhielt sie die Einladung zu einer außerordentlichen Hauptversammlung am 28. April 2005, bei der ein Abschlussprüfer für den Jahresabschluss 2004 bestellt werden sollte. Sie beauftragte einen Anwalt, sie dort zu vertreten, meldete sich aber nicht an. Die übrigen Aktionäre hinterlegten ihre Zwischenscheine.

In der Hauptversammlung wies sich der Vertreter der Klägerin mit der Originalvollmacht aus und legte eine Kopie des auf den Namen der Klägerin lautenden Zwischenscheins vor.

Der Vorsitzende der Hauptversammlung ließ unter Hinweis auf § 107 Abs 3 AktG über die „Zulassung" der Klägerin „zur Hauptversammlung" abstimmen. Alle anderen anwesenden Aktionäre stimmten dagegen. Der Vertreter der Klägerin erhob gegen diesen Beschluss und gegen die Feststellung, dass die Hauptversammlung ordnungsgemäß einberufen worden sei, Widerspruch gemäß § 196 Abs 1 AktG.

Der Vertreter der Klägerin nahm an der Hauptversammlung „durchwegs teil". Der Zutritt zur Hauptversammlung wurde ihm mit dem Beschluss der Hauptversammlung „nicht verwehrt". Er meldete sich namens der Klägerin mehrfach zu Wort.

Die Hauptversammlung bestellte einen Prüfer für den Jahresabschluss 2004. Der Beschluss erfolgte einstimmig (mit Ausnahme der Klägerin). Der Vertreter der Klägerin erhob auch dagegen Widerspruch gemäß § 196 Abs 1 AktG.

Die Klägerin beantragt, die Beschlüsse auf Nichtzulassung zur Hauptversammlung und auf Bestellung des Abschlussprüfers für nichtig zu erklären. Aktionäre könnten weder nach der Satzung noch nach dem Aktiengesetz von der Teilnahme an der Hauptversammlung und von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen werden. Vielmehr stehe es ihnen frei, ohne weitere Förmlichkeiten zum Termin der Hauptversammlung zu erscheinen und dort erforderlichenfalls ihre Aktionärseigenschaft nachzuweisen. Auch bei den vorausgegangenen Hauptversammlungen sei eine Anmeldung der Aktionäre weder verlangt worden noch tatsächlich erfolgt. Über die Aktionärseigenschaft der Klägerin bestehe kein Zweifel. Die Entscheidung, ob ein Aktionär zur Hauptversammlung zugelassen werde, falle nicht in die Zuständigkeit der Hauptversammlung, sondern in jene des Vorsitzenden. Dass die Mehrheit über die Teilnahmeberechtigung der Minderheit entscheide, sei mit dem Wesen der Aktiengesellschaft unvereinbar. Die Nichtzulassung der Klägerin zur Hauptversammlung verstoße gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht der Aktionäre und gegen den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Der Klägerin sei nicht nur das Stimmrecht, sondern die Zulassung zur Hauptversammlung verweigert worden. Sie habe (daher) ihr Auskunftsrecht in Bezug auf den in Aussicht genommenen Prüfer nicht ausüben können. Ihr Vertreter sei beauftragt gewesen, Bedenken gegen ihn vorzutragen und gegen seine Bestellung zu stimmen. Bei Zulassung wäre die Abstimmung anders ausgegangen.

Die Beklagte wandte ein, die Klägerin habe sich nicht zur Hauptversammlung angemeldet. Daher hätten ihr die stimmberechtigten Aktionäre gemäß § 107 Abs 3 AktG zu Recht die Zulassung zur Hauptversammlung verweigert. Die Klägerin habe an der Hauptversammlung teilnehmen können, sie sei nur zur Ausübung des Stimmrechts nicht zugelassen worden. Sie sei daher nicht von der Teilnahme an der Hauptversammlung ausgeschlossen gewesen. Die Nichtzulassung zur Abstimmung habe keine Auswirkungen auf das Ergebnis gehabt. 84 % des „vertretenen" Grundkapitals hätten für die Bestellung gestimmt, die 2 % der Klägerin hätten keinen Ausschlag gegeben. Die behauptete Verfahrensverletzung habe sich daher nicht auf das Beschlussergebnis ausgewirkt.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Neben dem eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt, der im Rechtsmittelverfahren unstrittig ist, nahm es als erwiesen an, dass der Vertreter der Klägerin keine Auskunft zur Person des in Aussicht genommenen Abschlussprüfers verlangt habe und dass der Beschluss zur Bestellung des Abschlussprüfers mit „84 % des vertretenen Grundkapitals" erfolgt sei. Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Klägerin habe sich entgegen § 107 Abs 3 AktG nicht spätestens drei Tage vor der Hauptversammlung angemeldet. Daher habe die Hauptversammlung über ihr Stimmrecht zu entscheiden gehabt. Das Bestehen auf einer gesetzlich vorgesehenen „Hinterlegungspflicht" sei keine Verletzung der Treue- und Gleichbehandlungspflicht. Da der Abschlussprüfer mit 84 % des „vertretenen" Grundkapitals bestellt worden sei und die Klägerin nur über 2 % des Grundkapitals verfüge, sei ihre Nichtzulassung zur Stimmrechtsausübung für das Ergebnis irrelevant gewesen. Zudem sei die Klägerin in der Hauptversammlung durchwegs anwesend gewesen und habe an der Willensbildung teilgenommen. Sie habe ihr „Rede- und Antragsrecht" ausgeübt.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 20.000 EUR und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Enthalte die Satzung keine Regelung über die Abhängigkeit des Stimmrechts von der Hinterlegung der Aktien, so müssten nach § 107 Abs 3 AktG die Aktionäre zur Ausübung des Stimmrechts zugelassen werden, wenn sie sich nicht später als am dritten Tag vor der Versammlung angemeldet haben. Werde diese Frist nicht eingehalten, so entscheide die Hauptversammlung über das Stimmrecht. Im konkreten Fall habe die Nichtzulassung gegen Treu und Glauben verstoßen, weil Anmeldungen bis zur strittigen Hauptversammlung weder für notwendig gehalten noch vorgenommen worden seien. Zudem erlaube § 107 Abs 3 AktG nur den Ausschluss vom Stimmrecht. Die Beklagte sei aber „von der Zulassung zur Hauptversammlung" ausgeschlossen worden. Das sei von § 107 Abs 3 AktG nicht gedeckt, weswegen die Klägerin jedenfalls zur Anfechtung berechtigt sei. Nach der Relevanztheorie sei ein Verfahrensverstoß nur dann unbeachtlich, „wenn der Leistungszweck der Verfahrensbestimmung nach Lage des Sachverhaltes schon auf andere Weise gewährleistet war". Informationsfehler und sonstige Verletzungen der „Teilnahme- und Mitwirkungsrechte" begründeten daher in aller Regel die Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen. Gleiches gelte für eine Verletzung des „Teilnahmerechts" eines Aktionärs, weil ihm damit jede Möglichkeit genommen werde, an der Meinungsbildung in der Hauptversammlung teilzunehmen und sein Fragerecht auszuüben. Auf die Frage, ob die Klägerin tatsächlich an der Ausübung des Fragerechts gehindert worden sei, komme es nicht an. Daher liege in der Nichteinvernahme eines dazu beantragten Zeugen kein relevanter Verfahrensmangel.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 107 Abs 3 AktG fehlt. Sie ist auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. § 195 Abs 1 AktG ermöglicht die Anfechtung eines Beschlusses der Hauptversammlung wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung. Nach Auffassung der Klägerin hat die Hauptversammlung dadurch gesetzwidrig gehandelt, dass sie ihren Vertreter entgegen der bisherigen Übung nicht „zur Hauptversammlung" zugelassen habe. Daher sei nicht nur dieser Beschluss, sondern auch die Bestellung des Abschlussprüfers anfechtbar.

Die beiden angefochtenen Beschlüsse hängen somit zusammen: Die Anfechtbarkeit der Bestellung des Abschlussprüfers folgt nach Auffassung der Klägerin aus der angeblich rechtswidrigen Nichtzulassung ihres Vertreters zur Hauptversammlung. Umgekehrt kann diese Nichtzulassung nur dann mit Aussicht auf Erfolgt angefochten werden, wenn sie - in einer noch näher zu klärenden Weise - Auswirkungen auf (andere) Entscheidungen der Hauptversammlung (hier auf den Bestellungsbeschluss) hatte oder zumindest haben konnte. Eine isolierte Nichtigerklärung nur des Nichtzulassungsbeschlusses kommt demgegenüber nicht in Betracht. Denn wäre die Erheblichkeit für die Bestellung des Abschlussprüfers zu verneinen, wäre auch nicht erkennbar, welche eigenständige Bedeutung die Beseitigung des Nichtzulassungsbeschlusses für die Klägerin haben sollte. Die Klägerin hätte sich mit der Anfechtung des Bestellungsbeschlusses begnügen können; die Rechtmäßigkeit der Nichtzulassung wäre in diesem Fall als Vorfrage zu prüfen gewesen. Bekämpft sie - wie hier - den Nichtzulassungsbeschluss auch in der Hauptsache, so kann sie damit nur Erfolg haben, wenn dieser Beschluss auch Auswirkungen auf (andere) Entscheidungen der Hauptversammlung haben konnte.

2. Die Beklagte beruft sich für ihren Standpunkt auf § 107 Abs 3 AktG. Damit kann sie aber jedenfalls nur für den Ausschluss vom Stimmrecht Erfolg haben; ein Ausschluss von der Hauptversammlung als solcher - also auch vom Auskunfts- und Rederecht - ist von § 107 Abs 3 AktG jedenfalls nicht gedeckt (vgl zur Differenzierung zwischen Teilnahme an der Hauptversammlung und an der Abstimmung Strasser in Jabornegg/Strasser, Kommentar zum Aktiengesetz4 § 107 Rz 8; Schmidt in Doralt/Nowotny/Kalss, Kommentar zu Aktiengesetz, § 112 Rz 9 mwN). Im vorliegenden Fall ist zwar nicht ausgeschlossen, dass sich der Beschluss nach Auffassung der Abstimmenden nur auf das Stimmrecht beziehen sollte; dafür spricht insbesondere der vorherige Hinweis des Vorsitzenden der Hauptversammlung auf § 107 Abs 3 AktG. Das Berufungsgericht hat aber richtig erkannt, dass für die Anfechtung nach § 195 AktG schon aus Gründen der Rechtssicherheit (nur) der protokollierte Wortlaut maßgebend ist (vgl 9 Ob 64/03g = SZ 2003/74 mwN). Der Beschluss auf Nichtzulassung zur Hauptversammlung erfasst aber jedenfalls auch die Nichtzulassung zur Abstimmung. Es ist daher zu prüfen, ob er wenigstens in diesem Teilaspekt gerechtfertigt war.

3. Nach § 107 Abs 2 AktG kann die Satzung die Ausübung des Stimmrechts davon abhängig machen, dass die Aktien bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Versammlung hinterlegt werden; dabei ist die Frist so zu bemessen, dass für die Hinterlegung mindestens vierzehn Tage frei bleiben. Enthält die Satzung keine solche Bestimmung, so müssen die Aktionäre nach § 107 Abs 3 AktG „zur Ausübung des Stimmrechts zugelassen werden, wenn sie sich nicht später als am dritten Tag vor der Versammlung anmelden". Mangels einer Satzungsbestimmung iSv Abs 2 kann der Klägern im vorliegenden Fall nur die unterbliebene Anmeldung iSv Abs 3 entgegengehalten werden. Fraglich ist, welche Folgen dieses Unterbleiben für das Stimmrecht in der Hauptversammlung hat.

3.1. Rechtsprechung dazu gibt es nicht (in 7 Ob 703/89 war die Auslegung von § 107 Abs 3 AktG nicht erheblich). In der Lehre wird teilweise die Auffassung vertreten, dass eine Verletzung der Anmeldepflicht mangels besonderer Anordnung in der Satzung keine Folgen für das Stimmrecht habe (Bachner in Doralt/Nowotny/Kalss aaO § 107 Rz 23 mwN zu älteren Lehrmeinungen; Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts5 270); es gibt aber auch Gegenstimmen, nach denen § 107 Abs 3 AktG unabhängig von einer in der Satzung vorgesehenen Anmeldepflicht anzuwenden ist (Strasser aaO § 107 Rz 8; Ulrich/Prochaska, Stimmrechtsausübung trotz verspäteter Aktienhinterlegung? GeS 2003, 197 [nach FN 10]).

3.2. Die Auffassung, dass die unterbliebene Anmeldung das Stimmrecht nicht berühre, hat systematische Gründe gegen sich. Aus der einleitenden Formulierung von § 107 Abs 3 AktG folgt, dass diese Bestimmung bei Fehlen einer satzungsmäßigen Hinterlegungspflicht anwendbar ist. Diese ausdrückliche Bezugnahme auf die Satzung schließt - zumindest mangels anderer in diese Richtung weisender Indizien - die Annahme einer weiteren ungeschriebenen Anwendungsvoraussetzung aus, die ebenfalls mit der Satzung zusammenhängt. Ein derart unsystematisches Vorgehen kann dem historischen Gesetzgeber nicht unterstellt werden; es gibt dafür auch keine zwingenden objektiven (teleologischen) Gründe. Vielmehr kann die dem Wortlaut nähere Auslegung, wonach Aktionäre bei unterbliebener Anmeldung nicht zur Abstimmung zugelassen werden müssen, auch als (dispositive) Ordnungsvorschrift zur erleichterten Planung der Hauptversammlung (zumal bei einer großen Zahl an Aktionären) verstanden werden. Die andere Auslegung (zwingende Zulassung auch ohne Anmeldung) führte letztlich dazu, dass § 107 Abs 3 AktG bei Fehlen einer Satzungsbestimmung zur Teilnahme an der Hauptversammlung - also in einer Situation, die von dieser Regelung gerade erfasst werden soll - jede praktische Wirkung verlöre. Aus einem Umkehrschluss zu § 107 Abs 3 AktG folgt allerdings nur, dass Aktionäre, die sich nicht rechtzeitig angemeldet haben, nicht zugelassen werden müssen. Konsequenterweise vertreten daher auch jene Autoren, die aus dem Unterbleiben der Anmeldung grundsätzlich Rechtsfolgen ableiten, die Auffassung, dass im Einzelfall vom Anmeldeerfordernis abgesehen werden kann (Strasser, wohl auch Ulrich/Prochaska aaO). Damit wird die Entscheidung über die Zulassung zur Abstimmung zu einer Ermessensentscheidung.

3.3. Fraglich ist, wer diese Entscheidung zu treffen hat: die Hauptversammlung (Strasser, Ulrich/Prochaska aaO) oder - nach allgemeinen Grundsätzen - deren Vorsitzender (Bachner aaO § 108 Rz 50 mwN aus der deutschen Rsp und Lehre; Kastner/Doralt/Nowotny aaO 270). Es mag nun zwar zutreffen, dass die Zulassung zur Stimmrechtsausübung in der Regel gesetzlich determiniert ist, sodass eine Zuständigkeit der Hauptversammlung wenig Sinn hat (Bachner aaO § 102 Rz 42 mwN). Diese Argumentation überzeugt aber nicht, wenn - wie hier - eine Ermessensentscheidung zu treffen ist. In diesem Fall könnte der Vorsitzende durch Zulassung oder Nichtzulassung auch gegen den Willen der Mehrheit den Ausgang von Abstimmungen beeinflussen, ohne dass das - außer bei Ermessensmissbrauch - überprüfbar wäre. Aus diesem Grund ist zumindest für die Zulassung oder Nichtzulassung von Aktionären, die sich entgegen § 107 Abs 3 AktG nicht rechtzeitig angemeldet haben, eine Zuständigkeit der Hauptversammlung anzunehmen.

3.4. Im konkreten Fall hat schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die Verweigerung der Zulassung gegen Treu und Glauben verstieß. Die Gesellschaft hatte nie eine Anmeldung gefordert, solche Anmeldungen waren nie erfolgt, und der Kreis der Aktionäre beschränkte sich auf eine überschaubare und namentlich bekannte Gruppe. Mangels eines erkennbaren legitimen Interesses der Gesellschaft muss das überraschende Bestehen auf dem dispositiven Recht daher als Rechtsmissbrauch angesehen werden.

4. Der Beschluss auf Nichtzulassung war daher rechtswidrig, und zwar unabhängig davon, ob man ihn im Sinn des protokollierten Wortlauts auf die Teilnahme an der Hauptversammlung als Ganze oder nur auf den Ausschluss vom Stimmrecht bezieht. Nach der Rechtsprechung kann die beklagte Gesellschaft allerdings beweisen, dass eine Gesetzesverletzung keinen Einfluss auf den angefochtenen Hauptversammlungsbeschluss hatte (RIS-Justiz RS0049471). Bei der Prüfung des Einflusses der Nichtzulassung auf die Bestellung des Abschlussprüfers ist zwischen zwei Aspekten zu unterscheiden:

Beschlossen, aber (anscheinend) nicht umgesetzt wurde die Nichtzulassung zur Hauptversammlung als solche. Tatsächliche Folge dieses Beschlusses war die Nichtzulassung zur Abstimmung.

4.1. Unstrittig ist, dass der Vertreter der Klägerin an der Hauptversammlung teilgenommen und sich zur Bestellung des Abschlussprüfers zu Wort gemeldet hat. Das Erstgericht hat weiters festgestellt, dass er keine Fragen zur Person des Abschlussprüfers gestellt habe. Das impliziert, dass er auch nicht an solchen Fragen gehindert wurde.

Auf dieser Sachverhaltsgrundlage wäre der beklagten Gesellschaft der Beweis gelungen, dass der (formale) Nichtzulassungsbeschluss als solcher - abgesehen von der gesondert zu prüfenden Nichtzulassung zur Abstimmung - von vornherein keinen Einfluss auf die Beschlussfassung haben konnte. Das Fragerecht der Teilnehmer dient zwar auch der Information der anderen Aktionäre und der Hauptversammlung als Ganzer (Schmidt aaO § 112 Rz 2). Konnte es aber ohnehin ausgeübt werden, hatte der formale Beschluss auf Nichtzulassung eines Aktionärs „zur Hauptversammlung" keinen Einfluss auf die Willensbildung. Das gilt unabhängig davon, ob man für die Prüfung des Einflusses von Verfahrensmängeln auf die Kausalitäts- oder die Relevanztheorie abstellt (vgl dazu Diregger aaO § 195 Rz 54 ff; Strasser aaO § 195 Rz 6; beide mwN; ausführlich Schröckenfuchs/Ruhm, Relevanz oder Kausalität? Zur Beziehung zwischen dem Verstoß gegen die Rechtsordnung und der Rechtswidrigkeit eines Beschlusses von Kapitalgesellschaften bei Verfahrensfehlern, wbl 2003, 461).

Der Unterschied dieser Theorien liegt erst auf einer weiteren Ebene:

Bei einer Verweigerung des Auskunftsrechts wäre der Beklagten nach der Relevanztheorie der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens verschlossen (so Diregger und Schröckenfuchs/Ruhm aaO, ebenso Thiery,

Zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, ecolex 1990, 151; ebenso die nun wohl herrschende Auffassung in Deutschland, vgl Karsten Schmidt in Großkommentar zum Aktiengesetz4 § 241 Rz 21 ff mwN); die Kausalitätstheorie erlaubte demgegenüber den Beweis, dass der Beschluss auch bei Ausübung des Auskunftsrechts zustande gekommen wäre (Strasser aaO).

Der Oberste Gerichtshof ist bisher der Kausalitätstheorie gefolgt. War eine Gesetzes- oder Satzungsverletzung offensichtlich oder nachweisbar ohne Einfluss auf den Hauptversammlungsbeschluss, sei der beklagten Gesellschaft der Beweis der Einflusslosigkeit des Verstoßes

gestattet (7 Ob 703/89 = SZ 62/190; 7 Ob 300/05a = ecolex 2006/215;

offen gelassen in 4 Ob 1588/90 = ecolex 1991, 465). Zumindest für den

hier zu beurteilenden Fall ist allerdings die Relevanztheorie vorzuziehen. Sie entspricht nicht nur allgemeinen Grundsätzen zur Wahrung von Minderheitenrechten (vgl RIS-Justiz RS0013383 zum Äußerungsrecht in Miteigentumssachen), sondern berücksichtigt auch den Umstand, dass die Teilnahme an der Hauptversammlung ein wesentliches (auch Minderheits )Recht der Aktionäre ist. Durch das in der Hauptversammlung auszuübende Rede- und Auskunftsrecht wird die Tatsachenbasis für deren Entscheidungen verbreitert, was selbstverständlich auch im Interesse der Gesellschaft liegt. Wird dieses Teilnahmerecht durch einen rechtswidrigen Vorgang beeinträchtigt, erfordert daher auch das Interesse der Gesellschaft eine entsprechende Sanktionierung. Ließe man den letztlich nur mit Spekulationen begründbaren Nachweis der fehlenden Kausalität zu, würde zudem ein wesentliches Minderheitsrecht in das Belieben der Mehrheit gestellt (Thiery aaO). Das ist schon aus generalpräventiven Erwägungen abzulehnen.

Diese Fragen stellen sich aber nicht, wenn das Fragerecht faktisch ohnehin ausgeübt werden konnte. Ob das der Fall war, steht noch nicht fest. Das Berufungsgericht hat insofern einen primären Verfahrensmangel angenommen, weil ein dazu geführter Zeuge nicht gehört worden ist. Aufgrund seiner Auffassung, dass schon der „Ausschlussbeschluss" als solcher einen relevanten Gesetzesverstoß begründe, hat es aber die Erheblichkeit dieses Verfahrensmangels verneint. Das trifft aus den oben genannten Erwägungen nicht zu. Damit ist die Sache schon aus diesem Grund noch nicht entscheidungsreif.

4.2. Sollte das Fragerecht nicht beeinträchtigt gewesen sein, so wäre weiters zu prüfen, ob die Nichtzulassung zur Abstimmung Einfluss auf den Beschluss haben konnte. Das wäre ausgeschlossen, wenn die Stimmabgabe zu keinem anderen Ergebnis hätte führen können. Das wurde zuletzt für die verfehlte Zulassung zur Abstimmung ausgesprochen (7 Ob 300/05a = wbl 2006/151 mwN); der verfehlte Ausschluss von der Abstimmung ist gleich zu behandeln (Bachner aaO § 107 Rz 27; Diregger aaO § 195 Rz 71). Ein schützenswertes Interesse (nur) an einer richtigen Stimmenzählung gibt es nicht (Diregger aaO § 195 Rz 73). Mit der Beeinträchtigung eines wesentlichen Minderheitsrechts, bei dem der Beweis der Einflusslosigkeit aus teleologischen Gründen ausgeschlossen werden muss (oben 4.1.), kann diese Situation nicht verglichen werden.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurde der Abschlussprüfer mit 84 % des „vertretenen" Grundkapitals bestellt, sodass die Nichtberücksichtigung des 2 %igen Anteils der Klägerin jedenfalls keinen Einfluss haben könne. Dieser Auffassung kann schon aus arithmetischen Gründen nicht gefolgt werden. Solange nicht feststeht, wie viel Prozent des Grundkapitals bei der Hauptversammlung vertreten waren, kann auch nicht beurteilt werden, ob 2 % des gesamten Grundkapitals gegenüber 84 % des vertretenen Kapitals eine das Ergebnis möglicherweise beeinflussende Größe darstellen. Das ist zwar äußerst unwahrscheinlich (vgl Beilage ./A), kann aber auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht ganz ausgeschlossen werden. Das Berufungsgericht hat hier zutreffend auf die widersprüchlichen Ausführungen des Erstgerichts hingewiesen:

Einerseits hatte es angenommen, dass alle Aktionäre anwesend gewesen seien, andererseits hatte es festgestellt, dass die Beklagte acht Aktionäre habe, von denen - abgesehen von der Klägerin - (nur) vier vertreten gewesen seien. Auch aus diesem Grund ist die Sache noch nicht entscheidungsreif.

5. Diese Erwägungen führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen. Da zur Frage der faktischen Verweigerung des Auskunftsrechts erst das gesamte Beweisverfahren zu führen ist und dessen Weiterungen nicht abzusehen sind, kommt eine Verfahrensergänzung durch das Berufungsgericht nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0044905, RS0042313; zur Aufhebung in die erste Instanz bei vom Berufungsgericht bejahten, aber nicht als relevant angesehenen Stoffsammlungsmängeln vgl auch Zechner in Fasching2, § 510 ZPO Rz 9). Das Verfahren wird daher vom Erstgericht zu ergänzen sein. Dabei wird es festzustellen haben, ob dem Vertreter der Klägerin tatsächlich das Auskunftsrecht verweigert wurde oder ob dessen Nichtzulassung zur Abstimmung aufgrund der Beteiligungsverhältnisse einen Einfluss auf die Bestellung des Abschlussprüfers haben konnte. Dafür werden widerspruchsfreie Feststellungen zur Frage erforderlich sein, über welchen Anteil am Grundkapital die in der Hauptversammlung vertretenen Aktionäre verfügt hatten. Ein Nachschieben von Anfechtungsgründen ist dabei nicht mehr möglich (7 Ob 300/05a mwN). Die erstmals in der Berufung aufgestellte Behauptung der Klägerin, eine an der Abstimmung teilnehmende Aktionärin sei nicht im Aktienbuch eingetragen gewesen, ist daher verfristet.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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