JudikaturJustiz3Ob98/16g

3Ob98/16g – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juni 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. Mag. N*****, 2. Dipl. Ing. Dr. R*****, beide vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. S*****, vertreten durch Neubauer Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung (§ 36 EO), über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 16. Oktober 2015, GZ 13 R 54/15m 61, womit die Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom 30. September 2014, GZ 6 C 884/13f 42, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem Rekurs ON 62 wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Parteien unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

2. Der zweite Rekurs der klagenden Parteien (ON 63) und die dazu erstattete Rekursbeantwortung (ON 66) werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Impugnationsklagen abweisende Urteil des Erstgerichts wurde den Klägern am 1. Oktober 2014 zugestellt. Am 28. Oktober 2014, also am vorletzten Tag der Berufungsfrist, beantragten sie die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang zur Erhebung einer Berufung und kündigten an, vollständig ausgefüllte Vermögensbekenntnisse unter Anschluss darauf bezughabender Belege würden unaufgefordert nachgereicht.

Mit Beschluss vom 6. November 2014 trug das Erstgericht den Klägern auf, binnen drei Tagen je ein vollständig ausgefülltes Vermögensbekenntnis vorzulegen, weil dies entgegen der Ankündigung im Verfahrenshilfeantrag bisher unterblieben sei.

Mit Beschluss vom 18. November 2014 wies das Erstgericht einerseits den am 13. November 2014 eingebrachten Antrag „der Kläger“ (richtig: [nur] der Erstklägerin) auf Fristerstreckung um zwei Wochen und andererseits die Verfahrenshilfeanträge ab. Es wäre den Klägern unzweifelhaft möglich gewesen, die erforderlichen Belege in der ihnen tatsächlich zur Verfügung stehenden Zeit (schon während der vierwöchigen Rechtsmittelfrist und anschließend auch noch zwischen der Stellung des Verfahrenshilfeantrags am 28. Oktober 2014 und dem 13. November 2014) zu beschaffen. Da die Kläger also „ihrer sich aus § 66 Abs 1 ZPO ergebenden“ Pflicht nicht nachgekommen seien, seien ihre Verfahrenshilfeanträge abzuweisen.

Dem dagegen erhobenen Rekurs der Kläger gab das Rekursgericht mit Beschluss vom 21. Jänner 2015 nicht Folge. Wenn dem Verfahrenshilfeantrag kein oder kein vollständiges Vermögensbekenntnis iSd § 66 Abs 1 ZPO angeschlossen sei, liege ein Formgebrechen vor, aufgrund dessen ein Verbesserungsverfahren einzuleiten sei. Die Länge der nach § 85 Abs 2 ZPO zu setzenden Verbesserungsfrist liege im richterlichen Ermessen. Die hier vom Erstgericht gesetzte dreitägige Frist sei nicht zu beanstanden, weil den Klägern angesichts ihrer eigenen Ankündigung, die Vermögensbekenntnisse unaufgefordert nachzureichen, ohnehin bewusst gewesen sei, dass solche mit dem Antrag vorzulegen gewesen wären, wobei ihnen faktisch ohnehin ein Zeitraum von mehr als zwei Wochen ab dieser Ankündigung für die Verbesserung zur Verfügung gestanden sei. Mangels fristgerechter Vorlage der Vermögensbekenntnisse habe das Erstgericht die Verfahrenshilfeanträge zu Recht abgewiesen.

Nach Zustellung dieser Rekursentscheidung am 4. Februar 2015 brachten die Kläger am 4. März 2015 eine Berufung gegen das erstgerichtliche Urteil ein.

Mit dem nun angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht – die Argumentation der Beklagten in ihrer Berufungsbeantwortung aufgreifend – die Berufung als verspätet zurück. Ein unzulässiger Verfahrenshilfeantrag führe nicht zu einer Fristunterbrechung gemäß § 464 Abs 3 ZPO. Dies sei im Rechtsmittelverfahren auch dann wahrzunehmen, wenn der Antrag zu Unrecht als zulässig behandelt worden sei. In der in einem anderen Verfahren zwischen der Erstklägerin und der Beklagten ergangenen Entscheidung 1 Ob 179/15b habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass ein bewusst ohne Anschluss eines Vermögensbekenntnisses eingebrachter Verfahrenshilfeantrag als unzulässig zu qualifizieren sei. Der Zweitkläger habe bereits in seiner Impugnationsklage die Bewilligung der Verfahrenshilfe (außer Beigebung eines Rechtsanwalts) ohne Beibringung eines Vermögensbekenntnisses beantragt, weshalb ihm ein Verbesserungsauftrag erteilt worden sei. Die Erstklägerin habe gerichtsnotorisch wiederholt gleichlautende Verfahrenshilfeanträge gestellt, ohne jemals ein Vermögensbekenntnis – mit dem Antrag oder auch nach einem Verbesserungsauftrag – vorzulegen, wie etwa dreimal im Verfahren AZ 27 Cg 7/11i und zweimal im Verfahren AZ 3 Cg 133/12v je des Landesgerichts Eisenstadt. Bereits aus dem Wortlaut des hier gestellten Verfahrenshilfeantrags ergebe sich, dass den – anwaltlich vertretenen – Klägern bewusst gewesen sei, dass die Vorlage eines Vermögensbekenntnisses samt Beilagen erforderlich sei. Vor diesem Hintergrund könne aber ihr prozessuales Verhalten – die Einbringung von Verfahrenshilfeanträgen ohne Vermögensbekenntnis am vorletzten Tag der Berufungsfrist – nur dahin gedeutet werden, dass sie absichtlich und rechtsmissbräuchlich eine Verlängerung der Berufungsfrist erreichen wollten. Eine Verbesserung sei nach der Rechtsprechung dann unzulässig, wenn – wie hier – in den zu verbessernden Schriftsatz absichtlich zur Verfahrensverzögerung Formfehler eingebaut worden seien. Die unzulässigen Verfahrenshilfeanträge hätten deshalb keine Fristverlängerung bewirkt, sodass die Berufung verspätet sei.

Die Kläger erhoben gegen diesen Beschluss am selben Tag zwei beinahe inhaltsgleiche Rekurse (ON 62 zum führenden und ON 63 zum verbundenen Verfahren), in denen sie jeweils primär die Aufhebung dieses Beschlusses und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht beantragen.

Die Beklagte erstattete zu den Rekursen je eine Rekursbeantwortung (ON 66 und ON 67) mit dem Antrag, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ON 63 und die dazu erstattete Rekursbeantwortung sind wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RIS Justiz RS0041666) zurückzuweisen.

Der Rekurs ON 62 ist hingegen gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Rücksicht auf den Streitwert und ungeachtet des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zulässig und berechtigt.

1. Die Unterbrechungswirkung eines Verfahrenshilfeantrags nach § 464 Abs 3 oder § 73 Abs 2 ZPO setzt einen zulässigen Antrag – mag sich dieser auch letztlich als unberechtigt erweisen – voraus, weshalb ein in Wahrheit unzulässiger Verfahrenshilfeantrag die Berufungsfrist auch dann nicht unterbrechen kann, wenn er zu Unrecht als zulässig behandelt und deshalb meritorisch abgewiesen (oder gar bewilligt) wurde (RIS Justiz RS0123515). Unzulässig ist ein Verfahrenshilfeantrag nach der Rechtsprechung jedenfalls dann, wenn er nach rechtskräftiger Abweisung eines früheren Antrags ohne Behauptung einer geänderten Einkommens und Vermögenssituation wiederholt wird (1 Ob 179/15b mwN). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

2. Ein innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellter Verfahrenshilfeantrag, zu dem der Antragsteller weder ursprünglich noch aufgrund eines ihm erteilten Verbesserungsauftrags ein Vermögensbekenntnis vorgelegt hat, ist nicht zurück , sondern abzuweisen, sodass die Rechtsmittelfrist mit Rechtskraft dieses Beschlusses neu zu laufen beginnt (RIS Justiz RS0120073). Die Vorinstanzen haben deshalb zu Recht die innerhalb der Berufungsfrist gestellten Verfahrenshilfeanträge der Kläger meritorisch behandelt.

3. Wurden in einen Schriftsatz (Antrag) absichtlich zur Verfahrensverzögerung Formfehler eingebaut, ist nach der Rechtsprechung zwar ein Verbesserungsauftrag entbehrlich (RIS Justiz RS0036447). Auch in einem solchen Fall wäre aber ein ohne gleichzeitige Vorlage des Vermögensbekenntnisses gestellter Verfahrenshilfeantrag (ohne vorheriges Verbesserungsverfahren) ab und nicht zurückzuweisen.

4. Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht aus der Entscheidung 1 Ob 179/15b. Dieser lag nämlich der Sachverhalt zugrunde, dass die dortige Beklagte (hier Erstklägerin) nach rechtskräftiger Abweisung eines Verfahrenshilfeantrags innerhalb der Rechtsmittelfrist ohne Behauptung einer Änderung der Sachverhaltsgrundlage einen neuerlichen Verfahrenshilfeantrag (und zwar bewusst ohne Anschluss eines Vermögensbekenntnisses) einbrachte. Im vorliegenden Verfahren haben die Kläger demgegenüber erstmals innerhalb der Berufungsfrist Verfahrenshilfe (auch) durch Beigebung eines Rechtsanwalts beantragt.

5. Der Verfahrenshilfeantrag der Kläger wurde auch nicht durch das vom Berufungsgericht referierte Prozessverhalten (nur) der Erstklägerin in zwei anderen Gerichtsverfahren unzulässig. Eine solche Beurteilung käme allenfalls dann in Betracht, wenn beide Kläger in diesem Verfahren bereits ein prozessuales Verhalten an den Tag gelegt hätten, das den eindeutigen Schluss zuließe, sie hätten (wiederholte) Verfahrenshilfeanträge mutwillig oder in Verschleppungsabsicht bewusst mit einem Formmangel behaftet eingebracht (vgl RIS Justiz RS0125478). Davon kann aber (bisher) keine Rede sein.

6. Das Berufungsgericht wird deshalb im fortgesetzten Verfahren neuerlich über die Berufung zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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