JudikaturJustiz3Ob93/97s

3Ob93/97s – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. August 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei F*****, vertreten durch Dr.Gerhard Huber und Dr.Michael Sych, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei E*****, vertreten durch Günter Maier, Rechtsanwalt, D-80801 München, Franz-Joseph-Straße 5, Bundesrepublik Deutschland, wegen DM 6,664,417 sA, infolge Rekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 21. September 1995, GZ 46 R 677/95-18, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 26.September 1994, GZ 10 E 2039/93b-9, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten des Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die betreibende Partei bezeichnete in dem am 14.2.1992 beim (damaligen) Exekutionsgericht Wien eingebrachten Exekutionsantrag die verpflichtete Partei mit "E***** Bank Ltd. H***** Street, Kingstown, St.Vincent" und führte als deren Vertreter "Dr.Günter Maier, Rechtsanwalt, DW-8000 München 40, Franz-Josef-Straße 5, als Liquidator" an. Das Exekutionsgericht Wien bewilligte mit Beschluß vom 14.2.1992 die beantragte Exekution aufgrund des vollstreckbaren Versäumungsurteils des Handelsgerichtes Wien vom 11.12.1991, 17 Cg 165/91, zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung der betreibenden Partei von DM 6,664.417 sA durch Pfändung des Herausgabeanspruchs der verpflichteten Partei gegen das Landesgericht für Strafsachen Wien auf die mit Verwahraufträgen dieses Gerichtes vom 27.6.1990 (ON 50) und vom 12.3.1991 (ON 277) im Verfahren 26 b Vr 4985/90 zu den Massezeichen II/HMB/700/91 und II/HMB/350/91 bei der Verwahrungsabteilung des Oberlandesgerichtes Wien erlegten beweglichen Sachen aller Art, insbesondere auch Inhaberpapiere, sowie der im § 296 EO angeführten Wertpapiere und Einlagebücher, Überweisung dieses gepfändeten Herausgabeanspruchs zur Einziehung unbeschadet etwa früher erworbener Rechte dritter Personen, sowie durch Verwahrung und Verkauf dieser Vermögenswerte bzw durch Behebung von Spareinlagen und aus den Verwahrungsaufträgen ersichtlichen Barguthaben durch den Gerichtsvollzieher und Aushändigung der behobenen Beträge an die betreibende Partei zu Handen ihrer Vertreter. Dem Drittschuldner wurde verboten, die Erlagsgegenstände an die verpflichtete Partei auszufolgen. Der verpflichtete Partei wurde jede Verfügung über den gepfändeten Anspruch, insbesondere dessen Geltendmachung gegen den Drittschuldner, untersagt. Mit Zustellung des Verbots an den Drittschuldner wird am Herausgabeanspruch ein Pfandrecht erworben. Dem Drittschuldner wurde aufgetragen, die angeführten Vermögenswerte dem Gerichtsvollzieher zum Zwecke des Vollzuges der Exekution herauszugeben.

Die Exekutionsbewilligung wurde an Rechtsanwalt Günter Maier als Liquidator der verpflichteten Partei am 16.3.1992 im Rechtshilfeweg durch das Amtsgericht München zugestellt.

Weiters wurde die Exekutionsbewilligung am 19.2.1992 dem Landesgericht für Strafsachen Wien zugestellt.

Der Akt wurde mit Beschluß vom 4.1.1993 dem Bezirksgericht Josefstadt gemäß BG BGBl 756/92 abgetreten.

Beim Vollzug am 24.3.1993 wurde von der Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien die Herausgabe der dort deponierten Wertpapiere und Sparbücher sowie des erlegten Bargeldbetrags verweigert, weil kein Ausfolgebeschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vorliege.

Die betreibende Partei stellte am 24.8.1994 im Hinblick darauf, daß sich die Vermögenswerte nunmehr in der Verfügung des Bezirksgerichtes Josefstadt befänden, den Antrag auf Verwertung des Pfandrechtes und Überweisung des gesamten Forderungsbetrages an ihre Rechtsvertreter (ON 8).

Das Erstgericht wies diesen Verwertungsantrag des betreibenden Gläubigers mit der Begründung ab, der betreibende Gläubiger habe zwar formell ein Anspruchspfandrecht durch Zustellung der Exekutionsbewilligung an den Drittschuldner Landesgericht für Strafsachen Wien am 19.2.1992 erworben, das sich durch Erlag der gepfändeten Sparbücher und Wertpapiere gemäß § 1425 ABGB zugunsten des Bezirksgerichtes Josefstadt zu 2 Nc 203/94s formell in ein Sachpfandrecht umgewandelt habe. Voraussetzung für die Verwertung des Pfandrechts sei aber, daß die Forderung tatsächlich der verpflichteten Partei zustehe. Aus der Drittschuldnerveräußerung zu 10 E 5377/93 und 10 E 2731/93 ergebe sich, daß die von "P***** als ehemaligem Geschäftsführer der E***** Bank Ltd. als vorläufige Schadensgutmachung deponierten Beträge" nicht der E***** Bank Ltd. zustehen und das Landesgericht für Strafsachen Wien daher "nicht Drittschuldner ist" und auch kein wirksames Pfandrecht erworben wurde.

Das Rekursgericht stellte den Akt mit Beschluß vom 18.1.1995 dem Erstgericht gegen allfällige neuerliche Vorlage zurück. Da nach der gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren anzuwendenden Bestimmung des § 37 ZPO das Gericht den Mangel der Vollmacht in jeder Lage des Rechtsstreites von Amts wegen zu berücksichtigen habe und nach Ansicht des Rekursgerichtes aus der Aktenlage nicht klar erkennbar sei, daß die verpflichtete Partei tatsächlich durch Günter Maier als Liquidator vertreten wird, werde das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren - allenfalls unter Zuhilfenahme der betreibenden Parteien - die Vertretungsqualifikation des angeblichen Liquidators zu überprüfen und erst dann den Akt allenfalls wieder dem Rekursgericht vorzulegen haben.

Das Erstgericht forderte Rechtsanwalt Günter Maier als Liquidator der verpflichteten Partei auf, seine Vertretungsqualifikation nachzuweisen. Rechtsanwalt Günter Maier legte hierauf mit Schriftsatz ON 15 den Handelsregisterauszug 25 Ic 1978 der verpflichteten Partei über seine Eintragung als Liquidator vor.

Das Erstgericht legte den Rekurs der betreibenden Parteien am 18.5.1995 dem Rekursgericht mit dem Bericht vor, der Liquidator Rechtsanwalt Günter Maier habe seine Vertretungsbefugnis nunmehr nachgewiesen.

Das Rekursgericht gab hierauf mit dem angefochtenen Beschluß dem Rekurs der betreibenden Gläubiger Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung über den Verwertungsantrag nach Rechtskraft der Exekutionsbewilligung auf. Das Rekursgericht sprach aus, daß "der Revisionsrekurs" gegen diese Entscheidung zulässig sei, weil keine einheitliche Rechtsprechung zur Vertretung der hier verpflichteten Partei vorliege. Im Hinblick auf die große Anzahl der bereits anhängigen und in Zukunft noch zu erwartenden Verfahren stelle dies eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar.

In der Begründung führte das Rekursgericht aus, "aus Anlaß des Rekurses" sei der angefochtene Beschluß aus folgenden Erwägungen aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Zustellung der Exekutionsbewilligung an die durch die Regierung des Fürstentums Liechtenstein bestellte Liquidatorin der verpflichteten Partei Coopers Lybrand AG, Stampfenbachstraße 73, CH-8035 Zürich, und Eintritt der Rechtskraft der Exekutionsbewilligung aufzutragen:

Verwertungshandlungen wie die von der betreibenden Partei beantragten, welche die gepfändeten Werte endgültig dem Vermögen der verpflichteten Partei entziehen, seien erst nach Eintritt der Rechtskraft der Exekutionsbewilligung zulässig (vgl § 169 Abs 3, § 266 Abs 1 EO). Mängel der gesetzlichen Vertretung seien bei Überprüfung der gehörigen Zustellung der Exekutionsbewilligung jederzeit von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 78 EO, § 6 Abs 1 ZPO). Aus den aus Anlaß des Rekurses eingesehenen Akten 2 Nc 203/94s des Erstgerichtes (Erlagsakt), 4 d Vr 4985/90, Hv 3308/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (Strafakt gegen Dkfm.Walter P*****) sowie 16 Cg 426/93 des Handelsgerichtes Wien ergebe sich zur Frage der gehörigen Vertretung folgender Sachverhalt:

"In der Entscheidung vom 14.Juli 1993, 8 Ob 634/92, welche im Zuge der Einschränkung des Verfahrens 16 Cg 426/93h des Handelsgerichtes Wien auf die Frage, ob die hier verpflichtete und dort erstbeklagte Partei E***** Bank Ltd. i.L. durch die amtlich bestellte Liquidatorin Coopers Lybrand AG oder durch den von den Aktionären bestellten Liquidator Günter Maier, Rechtsanwalt in München, vertreten sei, sprach der Oberste Gerichtshof aus, daß in dem Fall, daß sich der tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung der E***** Bank Ltd. in Österreich befinden sollte, die E***** Bank durch ihren gesellschaftsrechtlich unstrittig rite bestellten und in der Folge - soweit aktenkundig - auch nicht wieder abberufenen oder sonst wie ersetzten Liquidator Günter Maier vertreten werde. Sei der tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung jedoch in Liechtenstein, so sei die vom Fürstentum Liechtenstein amtlich bestellte Liquidatorin Coopers Lybrand AG auch hinsichtlich aller im Ausland befindlichen Vermögenswerte ausschließlich vertretungsbefugt, soferne diese nur in der Bilanz der E***** Bank als Aktivum ausgewiesen seien. Hingegen sei der in Liechtenstein bestellte Konkursverwalter hinsichtlich des in Österreich liegenden Vermögens nicht vertretungsbefugt, und die in Liechtenstein erfolgte Konkurseröffnung habe mangels Konkursabkommens zwischen Österreich und Liechtenstein auf ein Verfahren über in Österreich gelegenes Vermögen keine Auswirkungen.

Die verpflichtete Partei wurde am 22.6.1978 in das Handelsregister des Staates St.Vincent and the Grenadines eingetragen. In der außerordentlichen Generalversammlung vom 23.4.1990 wurde die freiwillige Liquidation beschlossen und Günter Maier zum Liquidator bestellt. Mit Entscheidung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom 30.1.1990 wurde die Liquidierung der exekutionsrechtlich betrachtet im Fürstentum Liechtenstein liegenden Vermögenswerte der verpflichteten Partei verfügt und die Coopers Lybrand AG zur Liquidatorin der Zweigniederlassung in Liechtenstein bestellt. Mit Beschluß vom 25.10.1990, S 404/90, eröffnete das fürstlich-liechtensteinische Landesgericht das Konkursverfahren über das Vermögen der hier verpflichteten Partei und bestellte Rechtsanwalt Dr.Gabriel Marxer, 9492 Eschen, zum Masseverwalter (Edikt bei ON 379 des Erlagsaktes).

Zur Frage des faktischen Sitzes der Hauptverwaltung der verpflichteten Partei:

Alleinaktionärin der verpflichteten Partei war bis 16.10.1984 die C***** AG. Sodann übernahm Dkfm.Walter P***** allmählich sämtliche Aktien (16 Cg 14/91-27, Beilage ./27, eidesstattliche Erklärung von Rechtsanwalt Dr.Peter W***** vom 9.2.1990). Zeichnungsberechtigte Vorstandsmitglieder waren bis 12.3.1990 Ingrid M***** und Yvonne M*****, welche ihre Tätigkeit im Fürstentum Liechtenstein entfalteten; von 12.3.1990 bis 22.4.1990 sodann Dkfm.Walter P*****, und ab 23.4.1990 der Liquidator Günter Maier. Die jährlichen ordentlichen Generalversammlungen der E***** Bank fanden in den Räumlichkeiten ihres Anwaltes Dr.Peter W***** in Vaduz statt. Tatsächlicher Entscheidungsträger war jedoch bis zur Liquidation Dkfm.Walter P*****, der als Generalbevollmächtigter von Wien aus agierte (Strafurteil 4 d Vr 4985/90, insbesondere Seiten 91 ff; Registerauszüge zu 16 Cg 14/91). Die Vertretungshandlungen der registermäßig vertretungsbefugten Organe wurden im Fürstentum Liechtenstein gesetzt (Strafurteil Seite 71 f). Die Tätigkeit der E***** Bank bestand hauptsächlich in der Vergabe von Kleinkrediten, der Hereinnahme von Festgeldanlagen und dem Ankauf von notleidenden titulierten Forderungen. Der umfangreiche Postverkehr wurde ausschließlich über die C***** AG in Schaan abgewickelt (16 Cg 14/91-27, Beilage ./7). Die Buchhaltung wurde in Wien geführt (Strafurteil Seite 102 ff). Das Büro von Dkfm.Walter P***** befand sich gleichfalls in Wien. Im geschäftlichen Verkehr wurde als Sitz nur Kingstown, St.Vincent, Postfach 881, angegeben. Rechtsverbindliche Erklärungen der E***** Bank wurden als in Kingstown abgegeben deklariert, obwohl sie von Dkfm.P***** in Wien unterzeichnet wurden (Strafurteil Seite 105). Auf dem Geschäftspapier wurden als mögliche Adressen zur Kontaktaufnahme mit der verpflichteten Partei in Europa angeführt: "Name und Anschrift unserer Hauptaktionärin: C***** AG, Fl.-9494 Schaan, S*****-Gasse 2, Postfach 455, Telefon Nr.075/28120 (Fürstentum Liechtenstein)" sowie teilweise "DK-1209 Kopenhagen, B*****straede 18". Bei allfälligen Fragen waren die Angestellten des Dkfm.P***** angewiesen, vorzugeben, daß Telefongespräche aus Liechtenstein geführt würden. Für persönliche Vorsprachen wurden Kunden in das Büro der "Hauptaktionärin" C***** AG in Schaan verwiesen (Strafurteil Seite 95)".

Aus diesen Feststellungen ergebe sich, daß der tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung als jener Ort, an dem üblicherweise die leitenden Entscheidungen des ständigen Geschäftsbetriebes und der laufenden Verwaltung gefaßt wurden, in Liechtenstein gewesen sei. Dkfm.Walter P***** habe zwar von Wien aus agiert, sei jedoch als maßgeblicher Entscheidungsträger nach außen hin nicht in Erscheinung getreten. Für den außenstehenden Dritten habe die E***** Bank im Fürstentum Liechtenstein am Sitz ihrer Hauptaktionärin, der C***** AG, agiert.

Gegenstand dieses Exekutionsverfahrens sei nach dem Vorbringen der betreibenden Parteien ein in Österreich befindlicher Vermögenswert der verpflichteten Partei, der in der Bilanz als Aktivum aufgeschienen sein muß (sonst wäre die Exekution ja ins Leere gegangen). Aufgrund der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes (8 Ob 634/92) sei daher davon auszugehen, daß die verpflichtete Partei in diesem Verfahren nur von der amtlich bestellten Liquidatorin Coopers Lybrand AG vertreten werden kann, nicht aber durch Rechtsanwalt Günter Maier.

Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht daher nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Exekutionsbewilligung der Coopers Lybrand AG, Stampfenbachstraße 73, CH-8035 Zürich, zuzustellen und erst nach Rechtskraft der Exekutionsbewilligung über den Verwertungsantrag neuerlich zu entscheiden haben.

Bei seinen weiteren Ausführungen zum Verwertungsantrag ging das Rekursgericht von folgender Verfahrenssituation aus:

Die im Exekutionsantrag angeführten Massen wurden im Zuge des Strafverfahrens 26 b Vr 4985/90 (4 d Hv 3308/92) des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wie folgt erlegt:

II/HMB/350/91: von Rechtsanwalt Dr.Herbert Eichenseder am 12.3.1991 mit der Widmung "zwecks Wahrung der Rechte gemäß den Bestimmungen der §§ 34/15 und 167 StGB von allen Beteiligten beauftragt" (Band X, ON 276 des Strafaktes); es handelt sich um Gelder und Wertpapiere in einem Gesamtwert von rund Schilling 150 Mio. (Band X, ON 277 und 278).

Masse II/HMB/121/91 erlegt von Rechtsanwalt Dr.Franz Klemens Obendorfer als Vertreter des Dkfm.Walter P***** am 13.1.1991; es handelt sich um einen Bargeldbetrag von S 119.700 (Band VI, ON 161).

II/HMB/700/91 erlegt von Dr.Eichenseder im Vollmachtsnamen von Elisabeth T*****, der ehemaligen Lebensgefährtin von Dkfm.P*****, am 28.6.1990; es handelt sich um einen Bargeldbetrag von DM 667.000.

II/HMB/586/91:

erlegt von Dr.Eichenseder am 7.9.1990; Sparbuch mit einem Einlagestand von S 500.000 (Verwahrungsauftrag vom 23.9.1991, ON 387, Bd 12).

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.12.1992, 4 d Vr 4985/90, Hv 3308/92, wurde Dkfm.Walter P*****, der sich seit 21.6.1990 in Untersuchungshaft befand, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs zum Nachteil von Anlegern der E***** Bank mit einer Schadenssumme von rund Schilling 390 Mio. verurteilt. Das Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Beschluß vom 25.7.1994 erlegte das Landesgericht für Strafsachen Wien die bei ihm getätigten Erläge aufgrund der Bestimmung des § 2 des Bundesgesetzes über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse vom 26.11.1993, BGBl Nr.281/63, gemäß § 1425 ABGB beim Bezirksgericht Josefstadt. Als Erlagsgegner wurden neben den Erlegern Dr.Eichenseder bzw Dr.Obendorfer jene 189 Privatbeteiligten, zugunsten welcher im Strafverfahren ein Privatbeteiligtenzuspruch erfolgte, sowie jene rund 360 Privatbeteiligten, welche mit ihren Forderungen auf den Rechtsweg verwiesen wurden, angeführt (ON 1 des Erlagsaktes 2 Nc 203/94s). Der Erlag wurde vom Bezirksgericht Josefstadt mit Beschluß vom 25.August 1994, 2 Nc 203/94s-12, gemäß § 1425 ABGB angenommen. Die Erlagsmassen tragen nunmehr die Bezeichnung II/HMB/844 bis 846/94. In dem Beschluß werden 590 Erlagsgegner angeführt, und es wird ausgesprochen, daß die Ausfolgung der Verwahrnisse nur über einverständlichen Antrag aller Erlagsgegner oder aufgrund einer rechtskräftigen und vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung, aus welcher die Ausfolgung der Erlagsgegenstände hervorgehe, erfolgen werde. Dieser Beschluß wurde von zahlreichen Erlagsgegnern angefochten, wobei die Rekursbegehren teilweise darauf abzielen, daß die Annahme nach § 309 EO zu erfolgen habe, teilweise aber auch auf gänzliche Abweisung des Erlagsbegehrens gerichtet sind. Mit Beschluß des LG für ZRS Wien vom 16.12.1994, 43 R 899/94, wurde der Akt vorläufig unerledigt dem Erstgericht zum Anschluß der Zustellnachweise hinsichtlich zahlreicher Erlagsgegner sowie zum Anschluß der Nachweise des Rechtsübergangs hinsichtlich der im Akt als Rechtsnachfolger angeführten Personen zurückgestellt. Der Akt wurde dem Rechtsmittelgericht noch nicht neuerlich vorgelegt.

Zur Berechtigung des Verwertungsantrags der betreibenden Gläubiger führte das Rekursgericht aus, eine der Voraussetzungen der Entscheidung über die Verwertungsanträge sei, daß das BG Josefstadt überhaupt berechtigt ist, über die Erträge zu verfügen. Dies sei mangels Rechtskraft des den Erlag annehmenden Beschlusses noch nicht der Fall.

Weiters erfolge die Pfändung und Überweisung von Rechten immer nur unbeschadet der Rechte Dritter; die betreibende Partei könne einen Herausgabeanspruch nur insoweit geltend machen, als dieser auch der verpflichteten Partei zustehe. Die verpflichtete Partei (vertreten durch die amtlich bestellte Liquidatorin Coopers Lybrand AG, diese vertreten durch Dr.Michael Winischhofer) habe zwar tatsächlich zu 23 Cg 229/94d des Landesgerichtes für ZRS Wien gegen die Republik Österreich einen Herausgabeanspruch geltend gemacht; über diesen Anspruch sei jedoch noch nicht entschieden worden. Aufgrund der Aktenlage sei davon auszugehen, daß es sich bei den gepfändeten Erlagen nicht um solche handle, die zugunsten der verpflichteten Partei getätigt wurden; der Herausgabeanspruch der verpflichteten Partei sei auch nicht aus einem anderen Grund offensichtlich; vielmehr seien die Erlage offenbar zur teilweisen Schadensgutmachung zugunsten der geschädigten Anleger erfolgt. Eine Ausnahme hievon stelle offenbar die Erlagsmasse II/HMB/586/91 (nunmehr II/HMB/846/94) dar, hinsichtlich welcher der Erlag beim Bezirksgericht Josefstadt mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.2.1995, ON 489 des Strafaktes, mit der Begründung widerrufen wurde, daß es sich hiebei um eine Haftkaution für Elisabeth T***** handle. Die Erläge erreichten rund 1/3 der Höhe der Schadenssumme, sodaß nach der Aktenlage nicht davon ausgegangen werden könne, daß nach widmungsgemäßer Verwendung der Gelder zur anteiligen Schadensgutmachung aller Geschädigter noch ein Superfluum für die verpflichtete Partei verbleiben werde. Dies wäre aber Voraussetzung für eine Zuweisung der gepfändeten Werte an die betreibenden Parteien im Exekutionsverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der betreibenden Partei an den Obersten Gerichtshof ist nicht berechtigt.

Das Rekursgericht geht zutreffend davon aus, daß die beantragte Verwertung erst nach Rechtskraft der Exekutionsbewilligung zulässig ist (§ 266 Abs 1, § 327 Abs 2 EO); es hat daher von Amts wegen bei Prüfung der ordnungsgemäßen Zustellung der Exekutionsbewilligung an die verpflichtete Partei die Frage der Vertretung der verpflichteten Partei releviert. Auf Grundlage der vom Rekursgericht hiezu nach Verfahrensergänzung unter Beteiligung der Parteien getroffenen Feststellungen ist hiezu folgendes zu erwägen:

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der - ebenfalls die nunmehr verpflichtete Partei betreffenden - Entscheidung 8 Ob 634/92 (JBl 1994, 416 = ecolex 1993, 751 = GesRZ 1993, 238 = ÖBA 1994, 165 = ZfRV 1994, 79 [Hoyer]) zur Frage der Befugnis der Vertretung der nunmehr verpflichteten Partei im dortigen Rechtsstreit ausführte, unterstellt § 12 IPRG die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer juristischen Person ihrem Personalstatut; das ist nach § 10 IPRG das Recht des Staates, in dem das Gebilde den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat (vgl BGHZ 97, 269, 271; Heldrich in Palandt56 2212). Österreich folgt damit der in Kontinentaleuropa vorherrschenden Sitztheorie. Maßgebend ist somit der Ort der Tätigkeit der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen zur Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (Schwimann in Rummel2 Rz 2 zu § 10 IPRG mwN; vgl BGHZ 97, 269, 272; Heldrich aaO 2213; Assmann in GroßkommAktG4 Einl Rz 552; Großfeld in Staudinger13, Internationales Gesellschaftsrecht Rz 219 ff; ähnlich Ebenroth in MünchKomm2 Rz 179 nach Art 10 EGBGB). Unerheblich ist der Ort, den eine Briefkastenfirma als ihren Sitz angibt (Heldrich aaO). Nach dem Personalstatut entscheidet sich insbesondere, ob das Gebilde rechtsfähig ist und rechtsfähig wurde (BGHZ 128, 41, 44; Heldrich aaO; Assmann aaO Rz 558 mwN in FN 106). Eine Folge der Sitztheorie ist es dann aber, daß juristische Personen, die in Staaten, in denen die Gründungstheorie gilt, registriert sind, zwar dort, aber nicht in dem Staat, in dem sich ihr Hauptsitz befindet, Träger von Rechten und Pflichten sein können (vgl Wengler in BGB-RGRK12 VI/1 734f mit dem Beispiel eines Gefälligkeitsstatutes [Seychellen] in VI/2 1095 FN 8a). Nach dem vorliegenden Sachverhalt hatte die verpflichtete Partei bis zur Bestellung eines Liquidators nicht in St.Vincent and the Grenadines den Hauptsitz ihrer Verwaltung. Die Verweisung des IPRG auf das Personalstatut einer juristischen Person oder sonstigen Verbindung ist grundsätzlich eine Gesamtverweisung; sie schließt daher die Beachtlichkeit von Rück- und Weiterverweisungen ein (Schwimann aaO Rz 3). Daraus folgt, daß für den österreichischen Rechtsbereich die Rechtspersönlichkeit grundsätzlich (mangels Gründung und Errichtung einer AG oder einer GmbH) dann zu verneinen ist, wenn sie weder im Gründungsstaat noch in einem Staat, der der Gründungstheorie folgt, sondern in einem Staat, für den die Sitztheorie gilt, ihren Hauptsitz hat, sie dort recte nicht errichtet wurde, sodaß ihr dort Rechtsfähigkeit nicht zukommt, es sei denn, dieser Staat verwiese auf das Recht eine anderen Staates, der der Gründugnstheorie folgt (vgl Assmann aaO zu Rz 555 f).

Das Rekursgericht stellte nunmehr für die Frage des anzuwendenden Rechtes auf einen Zeitpunkt vor der Bestellung des Liquidators durch den Gründungsstaat (23.IV.1990) ab. Ganz abgesehen davon, daß auf Grund der von ihm getroffenen Feststellungen nur der Schluß gezogen werden könnte, der Sitz der Hauptverwaltung wäre vor diesem Zeitpunkt in Österreich gewesen, war doch tatsächlicher Entscheidungsträger bis zur Liquidation Dkfm.Walter P*****, der von Wien aus agierte, wo auch die Buchhaltung geführt wurde. Die leitenden Entscheidungen des laufenden Geschäfts- und Verwaltungsbetriebes wurden somit in Wien gefaßt, wo Dkfm.Walter P***** als alleiniger Entscheidungsträger sein Büro hatte. Demgegenüber ist der Umstand, daß die jährlichen ordentlichen Generalversammlungen in Liechtenstein stattfanden, wo auch die Vertretungshandlungen der registermäßig vertretungsbefugten Organe gesetzt wurden, nicht von Bedeutung, da hiebei nicht die tatsächlich maßgeblichen Entscheidungen getroffen wurden, kommt es für das vorliegende Exekutionsverfahren ausschließlich darauf an, welchem Personalstatut die verpflichtete Partei ab dem Tag der Exekutionsbewilligung (2.2.1994) unterstand. Für eine abschließende Beurteilung mangelt es hiefür an einer tatsächlichen Entscheidungsgrundlage, konnte doch in der Zeit zwischen 22.4.1990 und 2.2.1994 der Sitz der Verwaltung in einen Staat verlegt worden sein, der der Gründungstheorie folgt oder auf den das Recht des Sitzstaates weiterverweist. Bei dieser Sachlage ist noch vor der Prüfung der gehörigen Vertretung überhaupt zu klären, ob es sich bei der verpflichteten Partei überhaupt um ein parteifähiges Gebilde handelt. Bei der Behandlung der Parteifähigkeit einer solchen Briefkastenfirma - zum Erkenntnisverfahren vgl Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht3 Rz 2210; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht**2 Rz 530 ff; Nagel, Internationales Zivilprozeßrecht3 Rz 263 f - sind die Besonderheiten des Exekutionsverfahrens zu beachten:

Grundsätzlich gelten die für das Erkenntnisverfahren wesentlichen Prozeßvoraussetzungen auch als Exekutionsvoraussetzungen (Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht4 20). Dies gilt auch für die Parteifähigkeit, die auch im Exekutionsverfahren eine Prozeßvoraussetzung darstellt (Rechberger, Die fehlerhafte Exekution 181; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO21, Rz 77 ff vor § 704 VI; Gaul in Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht10 290, 380).

Aus dem Umstand, daß ein Exekutionstitel ergangen ist, ergibt sich noch nicht, daß der im Exekutionsantrag angeführte Verpflichtete tatsächlich (noch) parteifähig ist. Vielmehr hat das Bewilligungsgericht die Frage der Parteifähigkeit selbständig zu prüfen (Heller/Berger/Stix 185). Auch im Exekutionsverfahren ist bis zu seiner Beendigung die amtswegige Wahrnehmung des Mangels der Parteifähigkeit in jedem Verfahrensstadium geboten (Rechberger aaO).

Eine abschließende Beurteilung, ob der verpflichteten Partei überhaupt Parteifähigkeit zukommt, ist hier jedoch, wie bereits ausgeführt wurde, nicht möglich. Falls der faktische Sitz der Hauptverwaltung auch nach dem 23.4.1990 noch in Wien lag, bleibt es ungeachtet der Bestellung des Liquidators Günter Maier durch den Gründungsstaat bei dem Mangel der Parteifähigkeit der verpflichteten Partei. Der erkennende 3.Senat kann der nicht näher begründeten Rechtsansicht des 8.Senats in der Entscheidung 8 Ob 634/92 (JBl 1994, 416 = ecolex 1993, 751 = GesRZ 1993, 238 = ÖBA 1994, 165 = ZfRV 1994, 79 [Hoyer]), in einem solchen Fall wäre diese Liquidatorbestellung rite zustandegekommen (und damit das Gebilde rechtsfähig geworden), für das Exekutionsverfahren nicht folgen. Bisher kann nämlich nur davon ausgegangen werden, daß dies offenbar nach dem Recht von St.Vincent and the Grenadines der Fall wäre. Nur bei einer - bisher nicht festgestellten - maßgeblichen Sitzverlegung wäre demzufolge das Recht von St.Vincent and the Grenadines anzuwenden und diese Liquidatorenbestellung allenfalls gültig und auch für dieses Exekutionsverfahren zu beachten (vgl Hoyer in Glosse ZfRV 1994, 82 ff [83]).

Das Rekursgericht hat somit aufgrund einer nicht gebilligten Rechtsansicht dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen; tatsächlich ist vor einer derartigen Entscheidung vom Erstgericht in geeigneter Weise - sinnvollerweise nach Anhörung der bisher eingeschrittenen Parteienvertreter - zu klären, ob der verpflichteten Partei überhaupt Parteifähigkeit zukommt; dann erst kann beurteilt werden, wer vertretungsbefugt ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO, §§ 40, 50 ZPO.