JudikaturJustiz3Ob82/85

3Ob82/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann A, Wachswarenerzeuger, 6280 Zell am Ziller, Unterdorf 8, vertreten durch Dr. Josef Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Josef A, Kaffeehausbesitzer, 6280 Zell am Ziller, Unterdorf 10, vertreten durch Dr. Alfons Leuprecht, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen § 35 EO, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 21. November 1984, GZ 2a R 504/84-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 19. Juli 1984, GZ C 746/83-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortungen selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Johann A hat nach dem mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 27. Juni 1983, 5 R 187/83, bestätigten Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21. April 1983, 5 Cg 595/82-9, ab sofort dafür zu sorgen, daß seine Ehegattin, Monika A, es unterläßt, in dem von ihr auf den Grundstücken 164/2 und 27 je KG B am C geführten gastgewerblichen Betrieb im Freien mehr als 40 Sitzplätze für gastgewerbliche Zwecke aufzustellen. Josef A hatte die Höhe seines Interesses mit 70.000 S angegeben (§ 59 JN). Das Berufungsgericht fand keinen Anlaß, von dieser unwidersprochen gebliebenen Bewertung abzuweichen und sprach damals aus, daß der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden hatte, 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt.

Im Zuge des Josef A zur Erwirkung dieser Handlungen Johann AS bewilligten Exekutionsverfahrens erhob dieser gegen den betriebenen Anspruch im Wege der Klage die Einwendung, der Anspruch sei erloschen, weil der Verpflichtete nach Rechtskraft des Titels im Sinn desselben - allerdings erfolglos - auf seine Ehegattin eingewirkt habe. Als Wert des Streitgegenstands seiner Oppositionsklage gab der Oppositionskläger darin 70.000 S an. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nach mündlicher Berufungsverhandlung nicht Folge und sprach in seinem das Urteil erster Instanz ganz bestätigenden Urteil aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S nicht übersteigt. Das Berufungsgericht begründete seine von der Bewertung im Titelprozeß und durch den Oppositionskläger abweichende Bewertung des Streitgegenstands damit, daß es im Oppositionsverfahren nur darum gehe, ob das bisherige Verhalten des Klägers ausreiche, den Anspruch zu Fall zu bringen. Gegen das ihm am 19. Dezember 1984 zugestellte Urteil des Berufungsgerichts erhob der Kläger am 29. Jänner 1985 ein als 'außerordentliche Revision' bezeichnetes Rechtsmittel, gegen das der Beklagte eine fristgerechte Revisionsbeantwortung erstattete.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 20. März 1985, 3 Ob 1011/85-20, als verspätet zurückgewiesen, weil sie in einer Ferialsache erhoben wurde, in der die Weihnachtsgerichtsferien auf die Revisionsfrist keinen Einfluß hatten. Dem Beklagten wurde für die Revisionsbeantwortung kein Kostenersatz zuerkannt, weil er darin keine Einwendungen gegen die aus der Revisionsschrift erkennbare Verspätung derselben erhoben hatte.

Dieser Beschluß des Obersten Gerichtshofes wurde dem Kläger am 23. April 1985 zugestellt.

Am 24. April 1985 brachte der Kläger einen an das Erstgericht gerichteten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Revisionsfrist ein. In diesen Schriftsatz nahm der Kläger auch sein wieder als 'außerordentliche Revision' bezeichnetes, inhaltlich mit dem als verspätet zurückgewiesenen übereinstimmendes Rechtsmittel gegen das Berufungsurteil auf. Das Erstgericht bewilligte die beantragte Wiedereinsetzung und stellte am 22. Mai 1985 eine Ausfertigung des Wiedereinsetzungsantrages samt darin aufgenommener Revisionsschrift dem Beklagten zu, der am 17. Juni 1985 eine neuerliche Revisionsbeantwortung zur Post gab, die von seiner ersten teilweise abweicht.

Das Rechtsmittel des Klägers ist zwar nicht mehr verspätet, aber unzulässig.

Zunächst ist festzuhalten, daß es sich bei dem Rechtsmittel des Klägers entgegen der nach § 84 Abs 2 ZPO unerheblichen unrichtigen Benennung nicht um eine außerordentliche, sondern um eine ordentliche Revision handelt. Eine außerordentliche Revision liegt nämlich nur dann vor, wenn sie sich gegen ein Berufungsurteil richtet, in dem gemäß § 500 Abs 3 ZPO ausgesprochen ist, daß die Revision nicht nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig ist (§ 505 Abs 3 ZPO).

Gegen ein Urteil des Berufungsgerichts ist, soweit es das angefochtene Urteil bestätigt, die Revision - in der hier nicht durchbrochenen Regel - nach § 502 Abs 3 ZPO unzulässig, wenn der davon betroffene Streitgegenstand oder Teil des Streitgegenstands in Geld oder Geldeswert 60.000 S nicht übersteigt.

Ob der von der Bestätigung betroffene Wert des nicht ausschließlich in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstands, über den das Berufungsgericht entscheidet, 60.000 S übersteigt, hat das Berufungsgericht nach § 500 Abs 2 Z 2 ZPO im Urteil auszusprechen. Nach dem drittletzten Satz des zitierten Absatzes sind auf die Berechnung des Wertes des Streitgegenstands die §§ 54 bis 60 JN sinngemäß anzuwenden, jedoch ist das Gericht nicht an die Geldsumme gebunden, zu deren Annahme an Stelle der angesprochenen Sache sich der Kläger erboten oder die er als Wert des Streitgegenstands angegeben hat. Erforderlichenfalls sind die Parteien in der Berufungsverhandlung über den Wert des Streitgegenstands zu vernehmen.

Gegen einen solchen Ausspruch des Berufungsgerichts findet nach § 500 Abs 4 Satz 1 ZPO kein Rechtsmittel statt. Daraus und durch Umkehrschluß aus § 508 a Abs 1 ZPO, wonach das Revisionsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden ist, ergibt sich, daß das Revisionsgericht an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 2 ZPO gebunden ist. Nur wenn die im § 500 Abs 2 ZPO genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, wenn also gar nicht zu bewerten wäre, oder wenn gegen die Bewertungsgrundsätze der §§ 54 bis 60 JN verstoßen wurde, bindet eine solche unzulässige und gesetzwidrige Bewertung den Obersten Gerichtshof nicht (Fasching, ErgBd. 67 f.; derselbe, D RZ 1830;

ständige Rechtsprechung: EvBl 1954/316;

MietSlg. 18.677; JBl 1967, 578; EvBl 1968/96; EvBl 1972/260;

EvBl 1973/55; ÖBl. 1976, 27; JBl 1982, 157 ua.). Daran hat sich durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 nichts geändert (JBl 1985, 113, 3 Ob 601/83).

Der im § 500 Abs 2 Z 2 ZPO vorgeschriebene Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts stellt sich im Hinblick auf die davon abhängige Revisionszulässigkeit (§ 502 Abs 3 ZPO) seinem Wesen nach als Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht dar (Fasching, D RZ 1830), bindet dessen Zulassungsermessen jedoch an die sinngemäße Anwendung der Wertberechnungsvorschriften der §§ 54 bis 60 JN, nicht jedoch an die Geldsumme, zu deren Annahme an Stelle der angesprochenen Sache sich der Kläger erboten oder die er als Wert des Streitgegenstands angegeben hat. Es liegt hier ein Fall des gesetzlich gebundenen Ermessens vor. Diese Vorschrift ist verfassungsrechtlich unbedenklich, weil sowohl die Grenzen des Ermessens als auch die gesetzlichen Richtlinien zu dessen Ausübung genügend determiniert sind (Fasching, Ergänzungsband 69 f. und 93). Der Revisionswerber bestreitet nicht, daß die bis zur Zivilverfahrensnovelle 1983 geltende Fassung des § 500 Abs 2 ZPO verfassungsrechtlich unbedenklich war (in diesem Sinn auch JBl 1982, 137 ua.), hält aber die geltende Fassung des § 500 Abs 2 Z 2 ZPO für verfassungswidrig, weil er vermeint, die sinngemäße Anwendung der §§ 54 bis 60 JN auf die Berechnung des Wertes des Streitgegenstands wäre seit der zitierten Novelle nur mehr für den im § 500 Abs 2 Z 3 ZPO vorgeschriebenen Ausspruch vorgesehen.

Entgegen dieser Rechtsansicht des Revisionswerbers beziehen sich die die Berechnung des Wertes des Streitgegenstands betreffenden Sätze des § 500 Abs 2 ZPO nicht nur auf den erst durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 eingeführten Ausspruch nach Z 3 dieser Gesetzesstelle, sondern nach wie vor auch auf die früher in diesem Absatz allein geregelten, derzeit in den Z 1 und 2 geregelten Aussprüche.

Diese Zuordnung der die Berechnung des Wertes des Streitgegenstands betreffenden Sätze zu allen nunmehr drei im zweiten Absatz des § 500 ZPO geregelten Wertaussprüchen wäre vermutlich auch vom Revisionswerber nicht bezweifelt worden, wenn diese Sätze dem seit der Zivilverfahrensnovelle 1983 in drei Ziffern gegliederten ersten Satz dieses Absatzes nicht ohne eigenen Absatz unmittelbar angefügt worden wären.

Der Anregung des Revisionswerbers, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Prüfung der Verfassungswidrigkeit des § 500 Abs 2 (Z 2) ZPO zu stellen, war daher nicht zu folgen. Da der Streitgegenstand der Oppositionsklage, in der das Erlöschen eines auf Erwirkung von Handlungen gerichteten Anspruchs geltend gemacht wird, nicht in einem Geldbetrag besteht, hatte das Berufungsgericht einen Ausspruch über den Wert des von der Bestätigung betroffenen Streitgegenstands vorzunehmen, ohne dabei an den vom Kläger in der Oppositionsklage entsprechend der vom nunmehrigen Oppositionsbeklagten als Kläger im Titelprozeß angegebenen Höhe seines Interesses an der eingeklagten persönlichen Leistung des nunmehrigen Oppositionsklägers als angegebenen Betrag von 70.000 S gebunden zu sein. Es kann daher nicht gesagt werden, daß das Berufungsgericht bei der Berechnung des Wertes des Streitgegenstands gegen die im § 500 Abs 2 ZPO festgelegten Bewertungsgrundsätze verstoßen hätte.

Das Revisionsgericht ist daher an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 ZPO gebunden.

Deshalb war die nach § 502 Abs 3 ZPO unzulässige, im Wiedereinsetzungsantrag überflüssigerweise wiederholte (EvBl 1964/367) Revision zurückzuweisen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen selbst zu tragen, weil sie in der ersten Revisionsbeantwortung keine Einwendungen gegen die aus der Revisionsschrift erkennbare Verspätung derselben und gegen die Zulässigkeit im Sinne des nunmehrigen Zurückweisungsbeschlusses erhob (der Beklagte erklärte darin ausdrücklich mit einer Wertannahme über 60.000 S einverstanden zu sein), und weil eine zweite Revisionsbeantwortung unzulässig war.

Rechtssätze
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