JudikaturJustiz3Ob536/94

3Ob536/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Helwig Keber, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Wilhelm S*****, und 2. Brigitte S*****, vertreten durch Dr.Michael Nierhaus, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 5,391.579,20 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 21.April 1994, GZ 2 R 72/94-17, womit der Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 31.Jänner 1994, GZ 16 Cg 59/93v-14, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Am 6.12.1993 schlossen die Streitteile einen gerichtlichen Vergleich, mit welchem die Beklagten die eingeklagten Forderungen im Gesamtbetrag von S 5,391.579,20 sA als zu Recht bestehend anerkannten (Punkt 1 dieses Vergleiches = AS 61). Sie vereinbarten, daß der Vergleich "rechtskräftig" werden sollte, wenn er nicht bis 31.12.1993 (Poststempel) widerrufen werde (Punkt 6 des Vergleiches = AS 65).

Am 31.12.1993 gaben die Beklagten einen von ihnen selbst, nicht aber von ihrem Rechtsvertreter gefertigten Vergleichswiderruf zur Post (GZ 16 Cg 59/93v-13).

Am 14.1.1994 beantragten die Beklagten die Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der rechtzeitigen Erhebung des Vergleichswiderrufes, wobei sie ausführten, nicht gewußt zu haben, daß für einen solchen Widerruf Anwaltszwang bestehe (GZ 16 Cg 59/93v-14).

Dieser Antrag wurde vom Erstgericht mit der Begründung abgewiesen, daß es sich bei einem Vergleich um einen zivilrechtlichen Vertrag und bei der Widerrufsfrist um keine gesetzliche oder richterliche Frist handle.

Gegen diesen Beschluß erhoben die Beklagten Rekurs, in welchem sie vorbrachten, die mangelnde Unterfertigung des Vergleichswiderrufs durch einen Rechtsanwalt stelle ein verbesserungsfähiges Formgebrechen dar. Das Erstgericht hätte einen entsprechenden Verbesserungsauftrag erteilen müssen.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht diesen Rekurs der Beklagten zurück. Es bestehe für die Widerrufserklärung infolge der Bestimmungen der §§ 27 Abs.3, 29 Abs.2 ZPO keine Anwaltspflicht. Der Vergleichswiderruf der Beklagten sei demnach fristgerecht und ordnungsgemäß beim Erstgericht eingelangt, weshalb dieses über Antrag das Verfahren ohnehin fortzusetzen habe, weil es nicht durch einen rechtswirksamen Vergleich beendet sei. Demzufolge mangle es den Beklagten an der für jedes Rechtsmittel erforderlichen Beschwer.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist unzulässig.

Es ist der Klägerin durchaus zuzubilligen, daß lediglich für Vergleiche vor einem Bezirksgericht, selbst wenn deren Betrag oder Geldeswert S 30.000,-- übersteigt, keine Anwaltspflicht besteht, und daß sich die in den §§ 27 Abs.3 und 29 Abs.2 ZPO vorgesehene Ausnahme von der Anwaltspflicht auf alle Erklärungen der Parteien, die für das Zustandekommen des Vergleiches von Bedeutung sind, also insbesondere auch auf den Schriftsatz, mit dem ein bedingt abgeschlossener Vergleich widerrufen wird, erstrecken (EvBl. 1992/83; JAB 991 BlgNR

17. GP 6). Die fehlende Unterfertigung des einen bedingten Vergleich widerrufenden Schriftsatzes kann tatsächlich nach Ablauf der Widerrufsfrist nicht mehr wirksam nachgeholt werden; eine nachträgliche Verbesserung dieses Formgebrechens im Sinne der §§ 84, 85 ZPO ist ausgeschlossen (EvBl. 1980/125; JBl. 1980, 378; 4 Ob 108/80; aA Konecny in JBl 1984, 71). Es mag auch durchaus zutreffen, daß eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist, innerhalb welcher ein bedingter gerichtlicher Vergleich durch Schriftsatz widerrufen werden konnte, unzulässig ist (EvBl. 1962/39; RZ 1965, 162; aA Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 574). Damit ist aber für den klägerischen Revisionsrekurs nichts gewonnen.

Die Klägerin begehrt in ihrem Revisionsrekurs die Abänderung des rekursgerichtlichen Beschlusses dahin, daß der Beschluß des Erstgerichtes vollinhaltlich bestätigt werde; hilfsweise wird die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt. Aufgrund der von den Beklagten nicht bekämpften Zurückweisung ihres Rekurses gegen den erstinstanzlichen Beschluß mangelt es der Klägerin an der für jedes Rechtsmittel erforderlichen Beschwer. Die Zurückweisung des Rekurses der Beklagten hat nämlich zur Folge, daß der erstinstanzliche Beschluß bestehen bleibt. Dieser Beschluß, der die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags der Beklagten ausspricht, hat aber genau jenen Inhalt, den die Klägerin anstrebt. Es ist gleichgültig, aus welchen Gründen und in welcher Form dem Rekurs der Beklagten kein Erfolg beschieden war; es mag auch das Rekursgericht in der Begründung seiner Entscheidung von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes abgewichen sein. Dennoch ist die Klägerin durch diese Zurückweisung des Rekurses der Beklagten nicht beschwert, weil damit im Ergebnis erreicht wurde, was die Klägerin ohnehin anstrebt, nämlich die Aufrechterhaltung des Beschlusses des Erstgerichtes, welches den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten abgewiesen hat.

Der Revisionsrekurs ist sohin zurückzuweisen.