JudikaturJustiz3Ob51/20a

3Ob51/20a – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Priv. Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Erlagssache des Erlegers D*****, vertreten durch Graf Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen den Erlagsgegner A***** KG, *****, vertreten durch D***** als Masseverwalter, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des M*****, vertreten durch Mag. Dr. Robert Hirschmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 20. Februar 2020, GZ 3 R 25/20y-43, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht den gegen die Ausfolgung des Erlags an die aufgelöste KG und Insolvenzschuldnerin zu Handen des Insolvenzverwalters vom Einschreiter erhobenen Rekurs mit der wesentlichen Begründung zurück, dass die KG durch den Insolvenzverwalter (somit nicht durch den Einschreiter als Liquidator bzw Kommanditisten) vertreten sei und es sich bei den vom Einschreiter gegen die Ausfolgung des Erlags vorgebrachten Gründen um rein wirtschaftliche Interessen handle.

In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs gründet der Einschreiter seine Argumentation zu seiner Rechtsmittellegitimation (ausschließlich) auf den Umstand, dass er die aufgelöste KG und Erlagsgegnerin als einer der Liquidatoren und Kommanditisten vertrete, zumal noch keine rechtskräftige Bestellung des Insolvenzverwalters vorliege und der Masseverwalter im Insolvenzverfahren durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz nicht rechtskräftig enthoben worden sei. Mangels nicht rechtskräftiger Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei der Masseverwalter nicht befugt, den Erlagsbetrag einzuziehen. Sowohl der (neuerlich gestellte) Insolvenzeröffnungsantrag als auch der Revisionsrekurs im Insolvenzeröffnungsverfahren seien rechtsmissbräuchlich.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Einschreiter wirft damit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

2. Ein Dritter, dem die Parteistellung und Rechtsmittellegitimation abgesprochen wurde, kann die Überprüfung dieser Rechtsansicht verlangen (RS0006793 [T7]). Die Zurückweisung des Rekurses durch das Rekursgericht ist mangels einer dem § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vergleichbaren Regelung nicht jedenfalls, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar (RS0120974 [T9]).

3.1 Mit dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung wird dem Insolvenzschuldner die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse entzogen (RS0128749). Der Insolvenzschuldner wird vom Insolvenzverwalter als gesetzlicher Vertreter hinsichtlich des Massevermögens vertreten (RS0106041). Bei einer Gesellschaft geht die Verfügungsbefugnis über das Gesellschaftsvermögen von deren Vertretern auf den Insolvenzverwalter über (RS0118043; RS0059995 [T3]). Die Befugnisse der Gesellschaftsorgane (auch der Liquidatoren, vgl 6 Ob 154/05y) werden somit durch die Befugnisse des Insolvenzverwalters überlagert (RS0059995 [T7]).

3.2 Die Wirkungen der Insolvenzeröffnung (damit auch der Übergang der Vertretungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter) treten (bereits) mit der Insolvenzeröffnung, also mit dem Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Edikts folgt (§ 2 Abs 1 IO). Rechtsmittel gegen Beschlüsse, womit das Insolvenzverfahren eröffnet wird, haben keine aufschiebende Wirkung (§ 71c Abs 2 IO). Die Wirkungen der Insolvenzeröffnung bleiben vielmehr nach § 79 Abs 1 IO solange aufrecht, bis der Involvenzeröffnungsbeschluss rechtskräftig abgeändert wurde (RS0118048; 8 Ob 84/03s; 8 Ob 20/05g).

3.3 Nach der geschilderten klaren Rechtslage war die aufgelöste KG damit im Zeitpunkt sowohl der Rekurserhebung als auch der angefochtenen Entscheidung durch den Masseverwalter (noch) vertreten, wobei es weder auf die inhaltliche Berechtigung des Bestellungsbeschlusses und dessen fehlender Rechtskraft noch auf den (allenfalls späteren) Eintritt der Rechtskraft des Abänderungsbeschlussen des Oberlandesgerichts Graz im Insolvenzverfahren ankommt. Die Verneinung der Rekurslegitimation des Einschreiters hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung. Die Forderung des Einschreiters, das Rekursgericht hätte den Eintritt der rechtskräftigen Bestellung des Masseverwalters abwarten müssen, findet im Gesetz keine Rechtsgrundlage (vgl § 71c Abs 2 IO).

3.4 Die Frage, ob im Fall der Rechtskraft der rekursgerichtlichen Abweisung des Insolvenzeröffnungsantrags die Vertretungsbefugnis der Gesellschaftsorgane rückwirkend wieder aufleben könnte (vgl Senoner in Konecny Insolvenzgesetze § 79 IO Rz 19), ist hier nicht präjudiziell. Denn schon das Rekursgericht hat den Einschreiter darauf hingewiesen, dass für die aufgelöste KG Gesamtvertretungsbefugnis nach § 150 iVm § 161 Abs 2 UGB bestand. Der Einschreiter verweist in seinem Rechtsmittel ebenfalls ausdrücklich auf diesen Umstand, vermeint aber, dass er diese alleine wahrnehmen könne. Bei der kollektiven Vertretungsbefugnis können die zur Liquidation gehörenden Handlungen aber nur gemeinsam vorgenommen werden (§ 150 Abs 1 UGB; 6 Ob 127/17w = RS0131903; 6 Ob 1/18t; 7 Ob 734/78 = RS0035123 [zu Prozesserklärungen]). Wenn das Rekursgericht die Rekurslegitimation des ausdrücklich als Einzelperson und erkennbar im Widerspruch zu einem weiteren Liquidator eingeschrittenen Revisionsrekurswerbers im Sinne der Rechtsprechung im Erlagsverfahren verneint hat, bedarf die Zurückweisung des Rekurses unabhängig von der Vertretungsbefugnis des Insolvenzverwalters mangels erheblicher Rechtsfrage keiner Korrektur.

4. Auch der Hinweis, dass der neuerliche Insolvenzeröffnungsantrag bzw der Revisionsrekurs im Insolvenzeröffnungsverfahren rechtsmissbräuchlich gestellt worden seien, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen. Diese Fragen sind Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens im Insolvenzverfahren. Selbst ein missbräuchlich gestellter Antrag/Revisionsrekurs ändert nichts daran, dass das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und die oben referierten Wirkungen zur Folge hatte. Damit hängt die Frage der Rechtsmittellegitimation des Einschreiters gerade nicht von der Beantwortung der zum Missbrauch aufgeworfenen Fragen ab. Bei dieser Sachlage käme somit der Lösung der als erheblich angesehenen Rechtsfrage nur theoretische Bedeutung zu. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist aber nur zulässig, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, die angeschnittene Rechtsfrage also für die Entscheidung präjudiziell ist (RS0088931).

Rechtssätze
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