JudikaturJustiz3Ob289/97i

3Ob289/97i – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Graf, Dr.Rohrer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R*****bank *****, vertreten durch Dr.Leo Häusler und Dr.Johann Grasch, Rechtsanwälte in Leibnitz, und anderen wider die verpflichtete Partei Eduard A*****, wegen Zwangsversteigerung und Einverleibung eines Ersatzpfandrechts gemäß § 222 Abs 4 EO infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Miteigentümer der durch das Ersatzpfandrecht belasteten Liegenschaft 1) Eduard A***** und 2) Aloisia A*****, beide vertreten durch Dr.Willibald Rath, Dr.Manfred Rath und Mag.Gerhard Stingl, Rechtsanwälte in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichts vom 28.April 1997, GZ 4 R 131/97g-50, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom 9.Dezember 1996, GZ 2 E 3590/95x-41, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der "außerordentliche" Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der (führenden) betreibenden Partei wurde mit Beschluß vom 11.Oktober 1995 die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft des Verpflichteten bewilligt. In der Versteigerungstagsatzung vom 9.Mai 1996 erhielt der Meistbietende um 1,041.000 S den - schließlich in Rechtskraft erwachsenen - Zuschlag. Nach dem Meistbotsverteilungsbeschluß vom 28. Oktober 1996 wurden einem im Verhältnis zur (führenden) betreibenden Partei vorrangigen Simultanpfandgläubiger, dem der Beitritt zur Zwangsversteigerung mit Beschluß vom 5.Februar 1996 bewilligt worden war, 717.498,26 S zur vollständigen Befriedigung durch Barzahlung und der (führenden) betreibenden Partei 323.501,74 S zur teilweisen Befriedigung durch Barzahlung zugewiesen. Auf Antrag der (führenden) betreibenden Partei stellte das Erstgericht auch deren Ersatzanspruch infolge vollständiger und unverhältnismäßiger Befriedigung der Forderung des Simultanpfandgläubigers aus dem Meistbot der versteigerten Liegenschaft mit 499.548,52 S sA fest und sprach im übrigen aus, nach Rechtskraft dieses Beschlusses "auf Antrag die Einverleibung dieses Ersatzanspruchs ..." zu verfügen. Am 15. November 1996 bestätigte das Erstgericht die Rechtskraft des Meistbotsverteilungsbeschlusses. Mit Beschluß vom 9.Dezember 1996 ordnete es die Einverleibung des Pfandrechts zugunsten des Ersatzanspruchs der (führenden) betreibenden Partei "in der Rangordung und anstelle der im Lastenblatt unter C-LNr. 2a einverleibten Forderung" des Simultanpfandgläubigers "unter

gleichzeitiger Einverleibung der Löschung dieser Forderung ... in der Haupteinlage ... und die Löschung der Anmerkung der Simultanhaftung

in beiden Einlagen" an. Die Miteigentümer der mit dem Simultan- und späteren Ersatzpfandrecht belasteten Liegenschaft erhoben am 4.März 1997 Rekurs gegen den Meistbotsverteilungsbeschluß. Dieses Rechtsmittel wurde mit Beschluß des Gerichts zweiter Instanz vom 28. April 1997 als unzulässig zurückgewiesen. Deren Rechtsmittel gegen den Beschluß vom 9.Dezember 1996 gab das Rekursgericht keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht erwog es:

Der Beschluß auf Einverleibung der Ersatzhypothek gemäß § 222 Abs 4 EO sei, wenngleich er im Exekutionsverfahren ergehe, ein Grundbuchsbeschluß, weil er nicht die versteigerte Liegenschaft betreffe. Daher richte sich die Zulässigkeit von Rechtsmitteln nach den Vorschriften des Grundbuchsrechts. Bei Bestellung von Simultanpfandrechten durch mehrere Liegenschaftseigentümer sei deren "innere Rechtsbeziehung" beachtlich. Werde eine Liegenschaft vom Simultanpfandgläubiger "überproportional in Anspruch genommen", habe deren Eigentümer - je nach Gestaltung des Innenverhältnisses - einen Rückgriffsanspruch gegen die Eigentümer der anderen haftenden Liegenschaften. Jener übernehme gemäß § 1358 ABGB auch die Sicherungsrechte des Gläubigers, um die Realisierung seines Regreßanspruchs zu gewährleisten. Der Anspruch des Nachhypothekars auf Einverleibung einer Ersatzhypothek bestehe nur soweit, als "sein Pfandschuldner über ein Rückgriffsrecht gegen die Eigentümer der betroffenen Liegenschaft" verfüge. Es sei weder vorgesehen noch möglich, solche Tatumstände im Exekutions- oder im Grundbuchsverfahren zu klären. Der Ersatzberechtigte trete erst durch Einverleibung des Ersatzanspruchs in ein Rechtsverhältnis zum Eigentümer der nicht veräußerten, jedoch simultan haftenden Liegenschaft und könne die Zahlung des Ersatzanspruchs nicht vor der Einverleibung begehren. Weil jedoch die Ersatzforderung nur bis zur Deckung des Ausfalls berechtigt sei und ein Ersatz nur nach Maßgabe des Bestands der Simultanforderung zustehe, könne der Liegenschaftseigentümer gegen die Ersatzforderung alle Einwendungen erheben, die gegen die Forderungen des Simultanpfandgläubigers und des Ersatzberechtigten be- stünden. Dadurch seien alle Bedenken gegen dessen Nichtbeiziehung bei Festsetzung des Ersatzanspruchs im Meistbotsverteilungsverfahren beseitigt. Dort könnte über streitige Tatumstände gar nicht erkannt werden. Hier bestehe dagegen Bindung an den "im rechtskräftigen Meistbotsverteilungsbeschluß festgestellten Ausfall", mag dieser auch deshalb unrichtig errechnet worden sein, weil sich die quotenmäßige Aufteilung auch auf den im Rang CLNr. 2a zugewiesenen Forderungsteil beziehe, obgleich dafür - nach dem Grundbuchstand - "keine Simultanhaftung mit einer anderen Liegenschaft" bestehe. Diese Tatsache könnten die Rekurswerber im Rechtsweg aufzeigen.

Rechtliche Beurteilung

Der "außerordentliche" Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs soll der Meistbotsverteilungsbeschluß, soweit er die Einverleibung des Ersatzanspruchs gemäß § 222 Abs 3 und 4 EO vorbereitet, nicht "im Exekutionsverfahren, sondern im Grundbuchsverfahren" ergehen, betreffe doch dieser Entscheidungsteil "nicht die versteigerten Liegenschaften". Demnach stehe dem Eigentümer der mit dem Simultanpfandrecht belasteteten, jedoch nicht versteigerten Liegenschaft auch kein Rekursrecht gegen den Meistbotsverteilungsbeschluß zu (SZ 11/87; RPflSlgE 1985/148 mwN), werde doch jener "durch die Einräumung eines solchen Ersatzanspruchs in keiner Weise in seiner bisherigen Rechtsstellung geschmälert" (RPflSlgE 1985/148). Diese Ansicht übernahmen Heller/Berger/Stix (Kommentar zur Exekutionsordnung 1531) ohne zusätzliche Begründung.

Der Ausspruch im Meistbotsverteilungsbeschluß über die nach Antrag anzuordnende bücherliche Einverleibung des Pfandrechts für die Ersatzforderung auf der nicht versteigerten Liegenschaft ist kein unanfechtbarer Entscheidungsvorbehalt, keine bloße Mitteilung oder Ankündigung einer künftigen Verfügung, sondern die anfechtbare "Grundlage für die Einverleibung der Ersatzansprüche der nachstehenden Berechtigten" (3 Ob 10/87). Allein die Meistbotsverteilung im Exekutionsverfahren ist daher für die Anordnung der bücherlichen Einverleibung des Ersatzpfandrechts maßgeblich.

Aufgrund ständiger Rechtsprechung ist § 528 Abs 2 Z 2 ZPO über § 78 EO auch im Exekutionsverfahren anzuwenden. Gegen dessen Verfassungsmäßigkeit bestehen keine Bedenken (SZ 66/87 = JUS Z 1398). Danach ist der Revisionsrekurs gegen einen im Verfahren zweiter Instanz zur Gänze bestätigten Beschluß unzulässig. Ausnahmen von dieser Regelung bestehen gemäß §§ 83 Abs 3 [seit der EO-Novelle 1995 § 84 Abs 6], 239 Abs 3 und 402 Abs 1 EO (3 Ob 55/94; MietSlg 45.731 = NRsp 1994/40) und bei den in § 350 EO geregelten Eintragungen und Löschungen, weil solche aufgrund des Exekutionstitels auch im Grundbuchsverfahren beantragt werden können und kein Unterschied in der Anfechtbarkeit derartiger Entscheidungen - je nach deren Erlassung entweder im Grundbuchs- oder im Exekutionsverfahren - bestehen soll (SZ 66/87 = JUS Z 1398).

In Erörterung der bücherlichen Einverleibung bzw Löschung exekutiver Pfandrechte sowie der Einverleibungen und Löschungen gemäß § 237 EO wurde jedoch in 3 Ob 41/93 (SZ 66/87 = JUS Z 1398) auch ein allgemeiner Beurteilungsmaßstab für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln begründet. Danach ist wesentlich, ob sich eine bücherliche Eintragung "in erster Linie nach den Ergebnissen des Exekutionsverfahrens" richtet. Ist das zu bejahen, sind die "hierüber ergehenden Beschlüsse ... daher auch inhaltlich noch diesem Verfahren zuzurechnen, weshalb für andere Verfahrensarten geltende gesetzliche Regelungen über die Rechtsmittelzulässigkeit für die Verfassungsmäßigkeit des im Exekutionsverfahren anzuwendenden § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ohne Bedeutung" sind. In einer späteren Entscheidung sprach der erkennende Senat aus, daß ein als Exekutionssache erledigter Antrag auf Pfandrechtsvormerkung, der als reine Grundbuchssache zu behandeln gewesen wäre, den Bestimmungen der Exekutionsordnung über die Zulässigkeit von Rechtsmitteln unterliegt und mit Beschlüssen gemäß § 350 EO nicht vergleichbar ist (RPflSlgE 1995/41).

Unter Heranziehung dieser Prämissen kann die bisherige Rechtsprechung, wonach der Meistbotsverteilungsbeschluß, soweit er die Einverleibung des Ersatzanspruchs gemäß § 222 Abs 3 und 4 EO vorbereitet, im Grundbuchsverfahren ergehe, nicht mehr aufrechterhalten werden, richten sich doch Existenz und Höhe des Ersatzanspruchs sowie die Anordnung der bücherlichen Einverleibung der Ersatzhypothek nicht nur "in erster Linie", sondern ausschließlich nach den Ergebnissen des Exekutionsverfahrens anläßlich der Meistbotsverteilung. Es wäre daher nicht sachgerecht, die Anordnung der bücherlichen Einverleibung der Ersatzhypothek als notwendigen Teil der Realisierung des erörterten Punktes des rechtskräftigen Meistbotsverteilungsbeschlusses, worüber nur das Exekutionsgericht erkennen kann, ihrer exekutiven Natur zu entkleiden und als einen im reinen Grundbuchsverfahren gefaßten Grundbuchsbeschluß zu qualifizieren. Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gegen die Bestätigung eines Beschlusses gemäß § 222 Abs 4 letzter Satz EO richtet sich daher nicht nach § 126 GBG, sondern nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO in Verbindung mit § 78 EO. Auf das Rechtsmittelverfahren sind auch sonst nicht die Bestimmungen des Grundbuchsgesetzes (§§ 122 ff), sondern die der Exekutionsordnung anzuwenden, gelten doch jene, soweit es der Zweck der Exekution auf unbewegliches Vermögen erfordert, nur ergänzend neben den Regelungen

der Exekutionsordnung (RZ 1991/15 = JUS Z 562; SZ 58/74 = RZ 1985/86

= NZ 1985, 193 [zust Hofmeister]). Daraus folgt jedoch hier die

absolute Unzulässigkeit des Revisions- rekurses, weil das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß zur Gänze bestätigte. Bei dieser Rechtslage ist nicht mehr von Bedeutung, ob eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO zu lösen wäre.

Dieses Ergebnis legt allerdings auch die Frage nahe, ob es - im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung - nach wie vor sachgerecht erscheint, dem Eigentümer der mit einem Simultanpfandrecht belasteten, aber nicht versteigerten Liegenschaft die Beteiligung am Meistbotsverteilungs- verfahren und das Rechtsmittelrecht gegen den Meistbotsverteilungsbeschluß, in dem ein Ersatzanspruch gemäß § 222 Abs 3 und 4 EO - wie hier - festgestellt wurde, zu verwehren und diesen zur Wahrung seiner Rechte auf eine Löschungsklage oder auf Einwendungen gegen eine Zahlungsklage zu verweisen (Heller/Berger/Stix aaO 1531). An dieser Grundposition der herrschenden Ansicht übte Hoyer (Die Simultanhypothek**2 [1977] 60 ff) - zwar nicht am Beispiel des hier behandelten Falls, jedoch (auch) in Erörterung der Rechtsstellung des Eigentümers der mit einem Simultanpfandrecht belasteten, jedoch nicht versteigerten Liegenschaft als dinglich Regreßberechtigten - mit gewichtigen, nicht nur im engeren Rahmen der Regreßberechtigung bedeutsamen Einwänden Kritik. An der bisherigen Rechtsprechung ist - besonders für den hier maßgeblichen Bezug - bemerkenswert, daß sie den erwähnten Eigentümer an den Inhalt des rechtskräftigen Meistbotsverteilungsbeschlusses zum Ersatzanspruch nach § 222 Abs 3 und 4 EO ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs bindet. Dadurch kann ein Fehler in der Berechnung und Feststellung des Ersatzanspruchs im Rechtsmittelverfahren gegen die Anordnung der Einverleibung der Ersatzhypothek nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden. Den Eigentümer der mit einem Simultanpfandrecht belasteten, jedoch nicht versteigerten Liegenschaft statt dessen auf einen Zivilprozeß zu verweisen, vermag den Mangel der Beteiligtenstellung und des rechtlichen Gehörs im Meistbotsverteilungsverfahren nicht zu beheben und entspricht auch nicht Grundsätzen der Kostenökonomie. Wäre der Ersatzanspruch eines Nach- hypothekars aufgrund des rechtskräftigen Meistbotsverteilungsbeschlusses gar bereits vollstreckbar (Angst/Jakusch/ Pimmer, EO13 FB zu § 222 nach Anm 7), was in der Lehre auf Ablehnung stößt (Heller/Berger/Stix aaO 1519 ff; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht4 233; Petschek/Hämmerle/Ludwig, Das österreichische Zwangsvollstreckungsrecht 142), träte die aufgezeigte Problematik noch schärfer in den Vorderungrund. Das alles bedarf hier jedoch keiner Behandlung im Detail, weil die Rechtsmittelwerber die Zurückweisung ihres Rekurses gegen den Meistbotsverteilungsbeschluß nicht bekämpften. Obgleich die bisherigen Ausführungen Zweifel an einer Fortschreibung der Rechtsprechung über die Beteiligung am Meistbotsverteilungsverfahren und die Rechtsmittellegitimation gegen den Meistbotsverteilungsbeschluß im hier behandelten Punkt nahelegen, wird erst im Rahmen eines künftigen Anlaßfalls, der gerade die Beantwortung dieser Fragen voraussetzt, endgültig zu klären sein, ob jene Praxis einer näheren Überprüfung nach wie vor standzuhalten vermag.

Als jedenfalls unzulässig ist jedoch der außerordentliche Revisionsrekurs gegen die Anordnung der Einverleibung der Ersatzhypothek - wie oben dargelegt - zurückzuweisen.

Rechtssätze
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