JudikaturJustiz3Ob264/03z

3Ob264/03z – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Lucas M*****, geboren am 30. Oktober 1997, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Mag. Ruth M*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 26. September 2003, GZ 54 R 129/03x 11, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Lienz vom 28. August 2003, GZ 1 P 107/03w 6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit der Einschränkung bestätigt, dass es dem Vater untersagt wird, den Minderjährigen mit einem von ihm selbst gelenkten Kraftfahrzeug zu befördern.

Text

Begründung:

Der Minderjährige war zur Zeit der Entscheidung erster Instanz fast sechs Jahre alt. Die nicht verheirateten Kindeseltern leben seit etwa drei Jahren getrennt. Der Vater konnte bisher sein Besuchsrecht nur im Beisein der Mutter ausüben.

Dem Antrag des Vaters auf Regelung seines persönlichen Verkehrs mit dem Kind hielt die Mutter im Wesentlichen entgegen: Das Kind habe sich schon regelrecht geweigert, ohne ihr Dabeisein mit dem Vater etwas zu unternehmen. Bei seinen Besuchen habe sich der Vater trotz ihrer Bitte seinem Lesestoff mehr gewidmet als dem Kind. Es sei vorgekommen, dass der Vater mit einer Alkoholfahne erschienen sei. Es sei ihm bereits zweimal der Führerschein wegen Alkohol am Steuer entzogen worden, einmal vor acht Jahren und zuletzt vor wenigen Monaten. Unter Alkoholeinfluss neige der Vater zu unberechenbaren Handlungen. Sie habe auch Bedenken, dass das Kind von Vater und Großvater mit Situationen konfrontiert werde, die es aufgrund seines Alters überforderten. Es sei bei den Großeltern auch schon zu einer Gefährdung des Kindes beim Spielen auf einer Zufahrtsstraße gekommen. Das Kind sei auch besonders sensibel. Schließlich müsse sie an manchen Samstagen von 06.00 Uhr bis etwa 14.00 Uhr arbeiten und könne dann das Kind nicht übergeben. Ihrer Mutter wolle sie aus gesundheitlichen Gründen die Übergabe ersparen. Schließlich habe der Vater auch drei Unfälle gehabt.

Das Erstgericht setzte das Besuchsrecht in der vom Vater gewünschten Weise fest: in dreiwöchigem Intervall, am 1. Besuchswochenende am Samstag von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr, am 2. Besuchswochenende am Samstag von 13.00 bis 17.00 Uhr und am Sonntag von 10.00 Uhr bis 14.00 Uhr sowie am 3. Besuchswochenende am Samstag von 09.00 bis 18.00 Uhr und am Sonntag von 09.00 bis 15.00 Uhr, jeweils ohne Beisein der Mutter.

Das Erstgericht traf Feststellungen zu den Wohn und Familienverhältnissen der väterlichen Großeltern. Dort habe der Vater einen eigenen Wohnbereich mit ausreichend Platz und Spielgelegenheit für das Kind. Sowohl dem Vater als auch den Großeltern liege das Wohl des Kinds am Herzen und es bestünden keine Bedenken, dieses in die Obhut des Vaters und seiner Eltern zu geben.

Im Hinblick auf das Alter des Kindes könne dieses nach Auffassung der ersten Instanz bereits ohne weiteres mit einem Elternteil allein gelassen werden. Die Probleme des Vaters mit Führerscheinentzügen und Verkehrsunfällen hätten sich hauptsächlich vor der Geburt des Kindes zugetragen und seien auch nie im Beisein des Kindes passiert, wie die Mutter zugestanden habe. Auch der Umstand, dass der Minderjährige nichts anderes gewöhnt sei, als ständig bei ihr zu sein, stehe der Entscheidung nicht entgegen.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht die erstinstanzliche Entscheidung. Es hielt noch zusätzlich zu den erstinstanzlichen Feststellungen fest, dass der Vater in einem anderen Bundesland arbeite und immer zum Zweck der Ausübung des Besuchsrechts anreise und dann im Haus seiner Eltern übernachte. Es sei auch unstrittig, dass die Mutter bei der Besuchsrechtsausübung bisher immer zugegen gewesen sei. Ausgehend von grundsätzlichen Ausführungen zum Besuchsrecht lehnte das Rekursgericht den Vorwurf der Mutter ab, das Erstgericht habe sich nicht ausreichend mit dem Kindeswohl befasst. Es bestünden für die von ihr begehrte zeitliche Einschränkung der Besuchskontakte des Vaters ebensowenig begründete Anhaltspunkte wie für ergänzend zu erteilende "Auflagen". Es sei auch nicht angezeigt, die Besuchsrechtsausübung von ihrer Anwesenheit abhängig zu machen. Die von der Mutter gegen die Befähigung des Vaters zur alleinigen Besuchsrechtsausübung ins Treffen geführten Argumente seien nicht stichhältig. Manche der behaupteten Vorfälle lägen schon so lange zurück, dass sie zum derzeitigen Zeitpunkt keine andere Entscheidung herbeiführen könnten. Der primär erhobene Vorwurf von Verkehrsunfällen unter Alkoholeinfluss auch in jüngerer Zeit sei nicht nur nicht erwiesen, sondern es sei auch von der Mutter zugestanden, dass sich derartige Vorfälle jedenfalls nicht in Anwesenheit des Kindes ereignet hätten. Es gebe keine begründeten Anhaltspunkte dafür, dass das Wohl des Kindes konkret gefährdet wäre, würde der Vater mit ihm Ausflüge selbst mit dem Kraftfahrzeug unternehmen. Dass die Mutter auch manchmal am Samstag Vormittag arbeite, sei unerheblich, zumal die "Übergabe" unzweifelhaft von der mütterlichen Großmutter durchgeführt werden könnte.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs brachte die Mutter zum Ausdruck, das alleinige Besuchsrecht des Vaters nicht anzufechten. Sie habe aber Bedenken gegen das Ausmaß der Besuchszeiten bereits ab dem 3. Besuchswochenende. Richtigerweise sollten die Besuche für ein halbes Jahr nur am Sonntag von 10.00 bis 15.00 Uhr stattfinden. Wie sie mehrfach vorgebracht habe, sei es ihr aus beruflichen Gründen an Samstagen erst ab 15.00 Uhr möglich, das Kind an den Vater zu übergeben. Wegen der mehrfachen Alkoholisierung des Vaters am Steuer weigere sich ihre Mutter, die Übergabe durchzuführen. Die Feststellungen des Rekursgerichts über Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss seien nicht korrekt. Der letzte Führerscheinentzug wegen Alkohols am Steuer liege noch kein Jahr zurück. Sie verlange die Überprüfung von konkreten Behördenakten durch das Gericht. Sonst sei die Sicherheit des Kindes nicht gewährleistet. Im Übrigen betrage die Gehzeit vom Wohnsitz des Kindes zu dem der väterlichen Familie ca 15 Minuten. Daher müsse der Vater sein Auto zur Besuchsrechtsausübung nicht unbedingt benützen. Bei der festgesetzten Dauer der Besuchsrechtsausübung bestünde die Gefahr physischer Probleme des Kindes und auch die Gefahr, dass das Kind nicht beim Vater bleiben wolle und dann unter Druck gesetzt werde. Solches sei bereits vorgekommen und könne sich jederzeit wiederholen. Es müsse jedenfalls gewährleistet sein, dass das Kind nicht mit einem alkoholisierten Vater mitfahren müsse.

In der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Äußerung zum außerordentlichen Revisionsrekurs gestand der Vater zu, dass er im Jahr 2001 infolge einsetzenden Regens und Einknickens des Vorderrads seines Motorrades nach einem Bremsmanöver einen Unfall ohne weitere Folgen gehabt habe. Richtig sei auch, dass ihm am 11. September 2002 die Lenkerberechtigung für einen Zeitraum von vier Wochen entzogen worden sei, weil er ein Verkehrsmittel unter Alkoholeinfluss in Betrieb genommen habe. Im Übrigen seien die Vorwürfe, abgesehen von einem schweren Verkehrsunfall (vor 15 Jahren auf Grund von Übermüdung am Steuer), unrichtig. Seit dem Antrag auf Besuchsrechtsregelung sei es ihm und seinen Eltern nicht mehr möglich gewesen, seinen Sohn zu sehen oder mit ihm zu telefonieren.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

Wie nunmehr auch die Revisionsrekurswerberin nicht mehr verkennt, ist das sogenannte Besuchsrecht nach § 148 ABGB ausgenommen bei sehr kleinen Kindern, was hier nicht mehr der Fall ist grundsätzlich in Abwesenheit des pflegenden Elternteils auszuüben (stRsp; Nachweise u.a. bei Stabentheiner in Rummel3 § 148 ABGB Rz 2). An dieser Rechtslage hat sich durch die Novellierung des § 148 ABGB mit dem KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135 nichts geändert.

Nach § 148 Abs 1 erster Satz ABGB nF wird nunmehr erstmals ausdrücklich im Gesetz auch ein Recht des Kindes auf persönlichen Verkehr mit dem nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteil verankert, was auch der bisherigen Rsp des Obersten Gerichtshofs entspricht (RIS Justiz RS0107648; zum neuen Recht nunmehr auch 9 Ob 201/02b = EFSlg 103.055). Beruft sich die Mutter auf den Widerstand eines Kindes gegen ein Besuchsrecht des Vaters, dann versagt dieses Argument, wenn es an der Mutter liegt, die von ihr bzw die ihr nahestehenden Personen ausgehende negative Beeinflussung des Kindes gegenüber dem Vater abzubauen oder zumindest den Vater dem Kind neutral darzustellen (9 Ob 201/02b = EFSlg 100.241 mwN). Nur die Ablehnung von Besuchen durch das bereits 14 jährige Kind hat die Konsequenz des § 185b AußStrG idF KindRÄG 2001, jüngere Kinder können auch gegen ihren Willen zu einem Besuchsrecht verhalten werden, auch wenn die Mündigkeit keine starre Grenze bildet (9 Ob 201/02b = EFSlg 103.072). Dass eine entsprechende Vorbereitung des Kindes auf den Besuch eine Pflicht des betreuenden Elternteils ist, hat bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt (vgl dazu nunmehr auch 9 Ob 201/02b = EFSlg 100.241). Das Recht auf persönlichen Verkehr hätte nur dann zurückzustehen, wenn hiedurch das Kindeswohl gefährdet wäre.

Zu Recht haben die Vorinstanzen der eher vagen Behauptung der Mutter über die Notwendigkeit "an manchen Samstagen (AS 27) bis 15.00 Uhr zu arbeiten", keine Relevanz beigemessen. Dasselbe gilt auch für die offensichtlich grundlose Weigerung der mütterlichen Großmutter, an einer Übergabe an den Vater mitzuwirken. Sollte dies tatsächlich zutreffen, wird es Sache der Mutter sein, diese auf andere Weise zu bewerkstelligen. Nicht schlüssig erscheint auch das Vorbringen, das Kind, das unbestrittenermaßen nie ohne ihr Beisein beim Vater oder den väterlichen Großeltern war, sei bereits von diesen unter Druck gesetzt worden. Schon mangels näherer Konkretisierung einer solchen Druckausübung ist diesem Argument keinesfalls zu folgen. Charakterliche Einwände gegen den Vater werden im Revisionsrekurs nicht mehr dargetan. Auch gegen das Ausmaß der Besuchszeit, die keine Übernachtung beim Vater vorsieht, bestehen keine Bedenken.

Mit Recht macht allerdings die Mutter geltend, das Wohl des Kindes, das ja für die Regelung des Besuchsrechts ausschlaggebend ist (stRsp, RIS Justiz RS0047958), spreche dagegen, dem Vater seine Mitnahme in einem von ihm gesteuerten Kraftfahrzeug zu ermöglichen. Wie dieser selbst zugestanden hat, wurde ihm erst am 11. September 2002 die Lenkerberechtigung wegen alkoholisierter Inbetriebnahme eines Verkehrsmittels für vier Wochen entzogen. Damit kann aber auch den Behauptungen der Mutter über andere Vorfälle mit alkoholisiertem Lenken eines PKWs die Relevanz nicht aberkannt werden. Da es hier eminent um das körperliche Wohl des Kindes geht, geht es keinesfalls an, diesen Einwand damit abzutun, dass solche Vorfälle nicht erwiesen seien. Das wurde ja erster Instanz in keiner Weise überprüft. Wie auch aus den ErlBem zur RV des KindRÄG hervorgeht, die im Einklang mit Lehre und Rsp stehen, entspricht es der allgemein anerkannten psychologischen und soziologischen Erkenntnis, dass die Aufrechterhaltung ausreichender persönlicher Kontakte zwischen dem Kind und dem Elternteil, bei dem es nicht lebt, für die weitere Entwickung des Kindes von besonderer Bedeutung ist (9 Ob 201/02b = EFSlg 100.205 mN). Demnach ist es erforderlich, eine rasche Entscheidung zu treffen. Diesem Erfordernis widerspräche es, zur Durchführung der notwendigen Erhebungen über eine mögliche Gefährdung des Kindeswohls durch das Fahrverhalten des Vaters die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Es ist daher dem Revisionsrekurs insoweit Folge zu geben, als dem Vater die Beförderung des Kindes mit einem von ihm gesteuerten Kraftfahrzeug zu untersagen ist. Es wird an ihm liegen, beim Erstgericht eine Abänderung dieser Entscheidung zu erwirken, was dann möglich wäre, wenn es sich bei dem Vorfall, der zugestandenermaßen zum Entzug der Lenkerberechtigung führte, um ein einmaliges und nicht habituelles Fehlverhalten des Vaters handeln sollte bzw wenn eine erhebliche Besserung in seinem Fahrverhalten gewährleistet erschiene. Die Beschränkung ist dem Vater auch im Interesse des Kindes zumutbar, zumal er der im Revisionsrekurs aufgestellten Behauptung über die geringe Entfernung zwischen dem Wohnort des Kindes und dem seinen nicht entgegentrat.

Im Übrigen ist aus den dargelegten Erwägungen der angefochtene Beschluss zu bestätigen.

Rechtssätze
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