JudikaturJustiz3Ob232/12g

3Ob232/12g – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Januar 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj N***** T*****, vertreten durch ihre Eltern J***** und C***** T*****, ebendort, diese vertreten durch Mag. Alfred Witzlsteiner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. M***** GmbH, *****, und 2. M***** L*****, beide vertreten durch Dr. Walter Heel und Mag. Christof Heel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 38.277,74 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. Oktober 2012, GZ 1 R 165/12t 44, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 26. Juli 2012, GZ 17 Cg 126/11p 38, teilweise aufgehoben und teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen werden mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen legten ihrer Entscheidung über die Schadenersatzansprüche der Klägerin aufgrund ihres Unfalls mit dem vom Zweitbeklagten gelenkten Motorschlitten, der eine Piste des von der Erstbeklagten betriebenen Schigebiets befuhr, ein gleichteiliges Verschulden beider Streitteile zu Grunde. Dem Zweitbeklagten und der für diesen mithaftenden Erstbeklagten legten die Vorinstanzen zur Last, mit der Auffahrt des Pistengeräts über das unübersichtliche Gelände nicht noch eine halbe Stunde bis zum Ende des Schibetriebs zugewartet zu haben, obwohl ein unmittelbarer Einsatz nicht notwendig gewesen sei. Die Beklagten hätten durch den Einsatz des Pistengeräts vor Betriebsschluss eine unnötige Gefahrenquelle für abfahrende Schifahrer geschaffen. Die zum Unfallszeitpunkt zehnjährige Klägerin treffe jedoch ein Mitverschulden, weil sie ihre Fahrgeschwindigkeit nicht den Gelände und Sichtverhältnissen angepasst habe. Von ihr wäre ungeachtet ihres Alters zu erwarten gewesen, dass sie nicht über eine Kante springe, ohne ihre Geschwindigkeit zu reduzieren und ohne zu wissen, was sich unterhalb der Kante befinde. Da das Mitverschulden von Kindern geringer zu werten sei als das von Erwachsenen, sei von einer Verschuldensteilung 1 : 1 auszugehen.

Rechtliche Beurteilung

Beide Streitteile vermögen keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Der Oberste Gerichtshof sprach bereits mehrfach aus, dass Pistengeräte typische Erscheinungen auf einer Schipiste sind; dies den Betreiber des Pistengeräts aber nicht der Pflicht enthebe, auf die Möglichkeit Bedacht zu nehmen, dass Schifahrer nicht auf Sicht fahrend „zu Tal rasen“ (2 Ob 30/10s mwN). Für Schifahrer gefährliche Geräte zwischen Pistenpräparierungsgeräten und Motorschlitten besteht insoweit kein Unterschied sollen nach Möglichkeit während der Liftbetriebszeit nicht eingesetzt werden (4 Ob 2372/96v; 2 Ob 30/10s). Wie jeden Verkehrssicherungspflichtigen trifft auch den Pistenhalter die Beweislast dafür, dass er die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat (RIS Justiz RS0022476); diese können auch in der Unterlassung einer nicht notwendigen Fahrt mit einem Pistenfahrzeug bestehen (2 Ob 30/10s).

Die nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Frage, ob die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ausreichend waren, insbesondere der Einsatz als notwendig zu beurteilen ist, wirft dann regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO auf. Dass die Vorinstanzen die konkrete Fahrt (Transport des Vaters eines ursprünglich vermissten, in der Zwischenzeit aber wieder aufgefundenen Mädchens) als vor Betriebsschluss nicht notwendig beurteilten, bildet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Ist ein Pistengerät hinter einer Geländekante für den talwärts fahrenden Schifahrer längere Zeit bis unmittelbar vor dem späteren Zusammenstoß nicht wahrnehmbar und nach Erkennbarkeit eine unfallvermeidende Reaktion nicht mehr möglich, macht es auch keinen Unterschied, ob es sich um ein großes und schweres oder wesentlich kleineres Fahrzeug handelt.

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass das Gebot des Fahrens auf Sicht auch für Schifahrer gilt (RIS Justiz RS0023345). Jeder Schifahrer muss kontrolliert fahren, das vor ihm liegende Gelände genau beobachten und seine Geschwindigkeit auf die Geländeverhältnisse einrichten (RIS Justiz RS0023429). Dass die gravierende Missachtung dieses Gebots auch einer zehnjährigen erfahrenen Schifahrerin, die auch Rennen bestreitet, anzulasten ist, bildet ebensowenig eine aufzugreifende Fehlbeurteilung wie die konkrete Verschuldensteilung in diesem Fall. In einem nicht einsehbaren Bereich der Piste kann sich nicht nur ein Pistengerät als Hindernis verbergen, sondern auch andere langsamere oder gestürzte Schifahrer oder sonstige Gefahrenquellen, die insbesondere für sehr schnell fahrende Schifahrer verhängnisvoll werden können. Dies ist auch Kindern im Alter der Klägerin, zumal wenn sie erfahrene Schifahrer sind, einsichtig. Dass nach der Rechtsprechung das Mitverschulden von Kindern geringer zu werten ist als das von Erwachsenen (RIS Justiz RS0026996), fand bereits darin Niederschlag, dass die Vorinstanzen ungeachtet des objektiv betrachtet grob leichtsinnigen Verhaltens der Klägerin lediglich von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 ausgingen (vgl das Verhältnis 2 : 1 in 2 Ob 30/10s).

Die Revisionsbeantwortung der Klägerin, zu deren Erstattung sie nicht aufgefordert wurde, war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, weshalb ihr kein Kostenersatz zuzusprechen war.