JudikaturJustiz3Ob204/99t

3Ob204/99t – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. März 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Emanuel M*****, vertreten durch Dr. Georg Pammesberger, Rechtsanwalt in Gmunden, gegen die beklagte Partei Heide-Maria M*****, vertreten durch Dr. Jörg Brunhuemer, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 8. Februar 1999, GZ 21 R 459/98v-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom 10. September 1998, GZ 3 C 1682/97g-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass es lautet:

"Der Anspruch der beklagten Partei aus dem am 28. 2. 1995 vor dem Bezirksgericht Wels zu 1 C 41/95h abgeschlossenen Vergleich auf Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 4.000, zu dessen Hereinbringung ihr zu 5 E 6515/97p des Bezirksgerichtes Gmunden die Lohnexekution bewilligt wurde, ist erloschen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen, und zwar für das Verfahren erster Instanz S 18.347,60 (darin enthalten S 2.959,60 USt und S 590 Barauslagen), für das Berufungsverfahren S 19.675,20 (darin enthalten S 3.169,20 USt und S 660 Barauslagen) und für das Revisionsverfahren S 8.066,40 (darin enthalten S 1.014,40 USt und S 1.980 Barauslagen).

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger verpflichtete sich im Scheidungsverfahren mit Vergleich vom 28. 2. 1995, der Beklagten Unterhalt im Sinne des § 66 EheG zu leisten, und zwar beginnend mit 1. 3. 1995 monatlich S 4.000.

Mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichtes vom 17. 11. 1997 wurde der Beklagten wider den Kläger zur Hereinbringung der für die Monate August bis Oktober 1997 rückständigen und der ab 1. 1. 1997 laufenden monatlichen Unterhaltsbeträge die Lohnexekution bewilligt.

Der Kläger begründete im Juni oder Juli 1997 ein Dienstverhältnis. Sein Nettoeinkommen von August 1997 bis Februar 1998 betrug im Schnitt ca S 24.500 pro Monat. Bis Oktober 1997 bezahlte er an die Beklagte monatlich S 2.000. Für die beiden (ehelichen) Kinder der Parteien hatte er insgesamt S 3.300 monatlich zu leisten. Im Zeitpunkt der Scheidung hatte er rund S 17.000 monatlich verdient. Seit November 1997 ist er wieder verheiratet. Durch diese Eheschließung wurde ein zwei Jahre altes Kind legitimiert. Seine nunmehrige Ehegattin erwartete im Dezember 1998 von ihm ein Kind. Sie verdiente zuletzt als Kellnerin aushilfsweise rund S 3.600 pro Monat.

Die Beklagte ist einkommenslos und war dies auch im Zeitpunkt der Scheidung. Sie lebt seit Herbst 1997 mit ihren beiden aus der Ehe mit dem Kläger stammenden Kindern in einer Wohnung in W*****.

Der Kläger stellte das Klagebegehren, die angeführte Exekution zur Folge seiner Einwendungen "für unzulässig zu erklären". Einerseits sei in einem früheren Verfahren vor dem Erstgericht vereinbart worden, dass er im Hinblick auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nur noch S 2.000 monatlich bezahlen müsse, was er auch getan habe, weshalb kein Unterhaltsrückstand bestehe. Andererseits stehe - ungeachtet des Umstandes, dass er nur mehr ca S 18.000 (14 x jährlich) netto verdiene - dem Unterhaltsanspruch der Beklagten entgegen, dass diese einen Lebensgefährten habe, der auch bei ihr wohne.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, dass die vom Kläger behauptete Vereinbarung einer Unterhaltsreduktion auf monatlich S 2.000 nicht bestehe. Zufolge seines seit Mai 1997 verdienten Nettoeinkommens von monatlich S 21.000 sei er in der Lage, den vergleichsweise geregelten Unterhaltsanspruch zu erfüllen. Sie führe keine Lebensgemeinschaft.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Abgesehen von dem eingangs im Wesentlichen wiedergegebenen Sachverhalt stellte es noch fest, dass die Beklagte im Juni 1997 [richtig: 1998] ein weiteres Kind geboren habe. Wer Vater dieses Kindes sei, sei nicht feststellbar gewesen.

Der hauptberuflich als Rettungsfahrer tätige Harald S***** nächtige jedenfalls mehrere Male pro Monat bei der Beklagten. Sie mache mit ihm auch gemeinsame Ausflüge mit den Kindern und gehe gemeinsam einkaufen. Harald S***** lasse seine Dienstkleidung bei seinem Dienstgeber waschen. Seine Privatkleidung wasche teilweise die Beklagte, teilweise eine Bekannte. Finanzielle Zuschüsse für Miete oder Betriebskosten oder finanzielle Beiträge zu den Einkäufen der Beklagten leiste er nicht. Er werde teilweise auf der Dienststelle verköstigt, teilweise von der Beklagten zum Essen eingeladen. Während des Krankenhausaufenthaltes der Beklagten anlässlich ihrer Entbindung habe Harald S***** die Kinder der Parteien betreut. Ob zwischen der Beklagten und Harald S***** eine Geschlechtsgemeinschaft bestehe, sei nicht feststellbar gewesen. Dieser sei im Jänner 1996 (bis Juli 1996) aus dem (vormals gemeinsamen) Haushalt seiner Ehegattin ausgezogen. Von Juli 1996 bis März 1997 habe er wiederum dort gelebt. Seit März 1997 sei er zwar noch an dieser Anschrift gemeldet, komme aber nicht mehr in die Wohnung. Zwischen Harald S***** und seiner Ehegattin behänge kein Verfahren wegen Ehescheidung.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht das Zustandekommen einer Vereinbarung der Parteien auf Herabsetzung des monatlichen Unterhaltsanspruches. Ein Ruhen des selben sei gleichfalls nicht gegeben, weil die Beklagte mit Harald S***** nicht in Wohngemeinschaft lebe. Da wechselweise keine Beiträge zu den Bedürfnissen des täglichen Lebens geleistet würden, sei auch eine Wirtschaftsgemeinschaft nicht gegeben. Auch habe das Vorliegen einer Geschlechtsgemeinschaft vom Kläger nicht erwiesen werden können. Da die Beziehung der Beklagten zu Harald S***** nicht den Merkmalen einer Lebensgemeinschaft entspreche, komme daher ein Ruhen des Unterhaltsanspruches nicht zum Tragen.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers nicht Folge. Es traf nach Beweiswiederholung teils von den Feststellungen des Erstgerichtes abweichende, teils diese ergänzende Feststellung wie folgt:

Die Beklagte bezog ihre Wohnung in W***** im Herbst 1997. Die Mietkosten betragen S 4.140 monatlich.

Die Miete wird von der Beklagten unter Zuhilfenahme eines Zuschusses des Landes Oberösterreich von S 2.000 pro Monat finanziert. Sie lernte Harald S***** ca Ende des Jahres 1995 kennen. Er war ihr bei der Erlangung ihrer damaligen Wohnung behilflich und half ihr bei der Übersiedlung. Seit seinem Auszug aus der Ehewohnung (im März 1997) nächtigt er - soweit er nicht Nachtdienst hat - regelmäßig bei der Beklagten. Er unterhält zu ihr auch eine geschlechtliche Beziehung, verrichtet mit ihr und ihren Kindern Einkäufe, unternimmt Ausflüge und wird von ihr - soweit er seine Mahlzeiten nicht im Krankenhaus einnimmt - versorgt. Seine private Kleidung wird teilweise von der Beklagten gewaschen. Sie ist mit ihm zweimal mit einem von ihm gelenkten Reisebus auf Urlaub nach Italien gefahren. Im Zuge eines einwöchigen Aufenthaltes bewohnte sie gemeinsam mit ihm ein Zimmer. Ob Harald S***** finanzielle Beiträge zu den Miet- oder Betriebskosten oder zu Einkäufen der Beklagten leistet, war nicht feststellbar. Ob er Vater des von der Beklagten am 18. 6. 1998 geborenen Kindes ist, war nicht feststellbar. Er unterstützt die Beklagte bei der Bewältigung der Alltagsaufgaben, unter anderem beaufsichtigte er während des Spitalsaufenthaltes der Beklagten anlässlich der Geburt ihres dritten Kindes ihre beiden Kinder aus der geschiedenen Ehe.

In rechtlicher Beurteilung dieses Sachverhaltes führte das Berufungsgericht aus:

Das Eingehen einer Lebensgemeinschaft bilde für den Scheidungsunterhalt weder den Verwirkungstatbestand nach § 74 EheG noch den Erlöschenstatbestand nach § 75 EheG (Pichler in Rummel, ABGB2 § 74 Rz 1; EvBl 1968/300; 3 Ob 61/88 mwN), führe aber nach herrschender Ansicht für deren Dauer - unabhängig davon, ob der geschiedene unterhaltsberechtigte Ehegatte vom Partner der Lebensgemeinschaft Unterhalt bezieht - zum Ruhen des Scheidungsunterhaltsanspruches (Schwind, Eherecht2 295; Pichler in Rummel, ABGB2 § 75 EheG Rz 2 mwN; SZ 27/134 = SpR 38; JBl 1991, 589 mwN).

Das Wesen einer Lebensgemeinschaft bestehe darin, dass es sich um einen eheähnlichen Zustand handle, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspreche (vgl 3 Ob 61/88; 3 Ob 115/90 = JBl 1991, 589). Der Gesetzgeber behandle die nicht eheliche Lebensgemeinschaft in einzelnen Sondergesetzen gleich einer Ehe (vgl hiezu 3 Ob 61/88 mwN; JBl 1991, 589), weshalb davon ausgegangen werden müsse, dass die Eingehung einer Lebensgemeinschaft durch einen geschiedenen Ehegatten an sich nicht sittenwidrig ist.

Die Begründung der herrschenden Ansicht (vgl den Nachweis in JBl 1991, 589 sowie SZ 27/134 = EvBl 1954/228) gehe auch dahin, dass es deshalb zum Ruhen des Unterhaltsanspruches des geschiedenen Ehegatten komme, weil dessen Durchsetzung sittenwidrig wäre, wenn der geschiedene Ehegatte zur Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten direkt oder indirekt finanzielle Beiträge leisten müsste.

Dieser Auffassung habe jüngst Lammer (in ÖJZ 1999, 58) entgegengehalten, dass die Sanktion des Ruhens des Unterhaltsanspruches für den Fall der Eingehung einer Lebensgemeinschaft aus dem Grund der Sittenwidrigkeit des Unterhaltsbegehrenden dann nicht zum Tragen kommen könne, wenn im konkreten Fall dem Lebensgefährten keine Vermögenswerte zufließen würden, weil dieser ohnehin versorgt sei und weil die Alimentation (der Höhe nach) nicht sehr bedeutend wäre. Der erkennende Senat schließe sich dieser Ansicht an und vermeine, dass im vorliegenden Einzelfall eine Sittenwidrigkeit des Unterhaltsverlangens der Beklagten, das [gemeint offenbar: die] zum Ruhen ihres Unterhaltsanspruchs Anlass geben könnte, nicht angenommen werden könne.

Die Beklagte verfüge nämlich über kein eigenes Einkommen, könne sich auch nicht selbst erhalten und sei zur Bestreitung ihrer Lebensbedürfnisse auf den vom Kläger eingeräumten Unterhaltsanspruch dringend angewiesen. Mit dem zu leistenden Scheidungsunterhalt von S 4.000 pro Monat könne sie weder direkt noch indirekt einen Lebensgefährten finanzieren. Der Betrag müsste als unbedingt notwendig dafür gelten, um die Wohnungs-, Kleidungs- und Freizeitbedürfnisse einer erwachsenen Person zur Abdeckung zu bringen. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn Harald S***** ihr sogar noch finanziell helfen würde. Käme es zum Ruhen des Unterhaltes, wäre die Beklagte praktisch auf Hilfeleistungen der öffentlichen Hand oder auf eine finanzielle Unterstützung durch Stiedl angewiesen, worauf sie aber keinen Anspruch habe.

Die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches könne daher nicht als sittenwidrig angesehen werden, weil eine direkte oder indirekte Mitfinanzierung eines Lebensgefährten durch den Scheidungsunterhalt hier ausgeschlossen sei. Selbst wenn eine Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft hier gegeben seien, vermöchten daher jene Gründe, die nach der herrschenden Ansicht (vgl SZ 27/134) zur Sittenwidrigkeit des Unterhaltsverlangens führen, nicht zu tragen. Das Erstgericht habe daher zutreffend ein Ruhen des Scheidungsunterhalts der Beklagten hier nicht angenommen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil den Voraussetzungen für ein Ruhen des Anspruches auf Scheidungsunterhalt eine erhebliche rechtliche Bedeutung beizumessen und es im Ergebnis abweichend von der ständigen Rechtsprechung davon ausgegangen sei, dass es im Einzelfall der Prüfung bedürfe, ob das Unterhaltsverlangen eines geschiedenen Ehegatten als sittenwidrig anzusehen sei.

Dieses Urteil bekämpft der Kläger mit Revision in der Hauptsache, hilfsweise aber auch im Kostenpunkt. In der Hauptsache begehrt er die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin, dass der Klage stattgegeben werde. In eventu stellt er einen Aufhebungsantrag, hilfsweise begehrt er, die Kosten der Beklagten im Berufungsverfahren nur mit S 19.015,20 zu bestimmen.

Der Kläger macht in seiner Revison geltend, die Auffassung des Berufungsgerichtes, es sei im Einzelfall zu prüfen, ob das Unterhaltsverlangen eines geschiedenen Ehegatten berechtigt sei, widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, die bei einer Lebensgemeinschaft einen Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehegatten per se als sittenwidrig ansehe. Das Berufungsgericht habe es sowohl bei den Feststellungen als auch bei der rechtlichen Beurteilung vermieden, das Verhältnis zwischen der Beklagten und Harald S***** wörtlich als Lebensgemeinschaft zu qualifizieren. Seinen Ausführungen sei jedoch zu entnehmen, dass es das Bestehen einer solchen Lebensgemeinschaft angenommen habe, weil sonst der Hinweis auf ein Abweichen von der ständigen Judikatur obsolet sei. Das Unterhaltsbegehren eines in Lebensgemeinschaft lebenden Geschiedenen sei sittenwidrig, weil in einem solchen Fall ein von außen geleisteter Beitrag immer zumindest indirekt dem Lebensgefährten zugute komme. Auch nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes ergebe sich, dass Bedürfnisse des Lebensgefährten (Wohnung, Nahrung, Kleiderreinigung, Freizeitgestaltung) zumindest indirekt von ihm (Kläger) mitfinanziert würden. Gerade die vom Berufungsgericht übernommenen Voraussetzungen der Lehrmeinung Lammers lägen hier eben nicht vor, weil, wie dargelegt, dem Lebensgefährten doch Vermögenswerte zufließen würden und nicht gesagt werden könne, dieser sei ohnehin anderwärtig versorgt. Dieser habe eben gerade keine eigene Wohnung und esse doch ständig bei der Beklagten. Schließlich sei noch zu berücksichtigen, dass es fraglich sei, wie der Unterhaltsverpflichtete je beweisen könnte, dass der Lebensgefährte Beiträge zum gemeinsamen Aufwand leiste.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. Sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach der seit der Entscheidung SpR 38 neu = SZ 27/134 = EvBl 1954/228 ständigen Rechtsprechung ruht der Unterhaltsanspruch einer geschiedenen Ehegattin für die Dauer einer Lebensgemeinschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie von ihrem Partner Unterhaltsleistungen bezieht. Von dieser Judikatur abzugehen sieht sich der erkennende Senat auch durch die jüngsten Ausführungen von Lammer (Zum "Ruhen" des Unterhaltsanspruchs bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft, ÖJZ 1999, 53) nicht veranlasst. Schon seine verfassungsrechtlichen Bedenken (aaO 62 f) können nicht geteilt werden. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (wie er unter anderem auch in Artikel 14 MRK formuliert ist) ist in dem von der Rechtsprechung angenommenen Ruhen des nachehelichen Unterhaltsanspruches bei Aufnahme einer Lebensgemeinschaft nicht zu sehen. Dass von diesem Ruhen praktisch ausschließlich Frauen betroffen sind, hängt nicht mit einer darin liegenden Diskriminierung des weiblichen Geschlechts zusammen, sondern damit, dass de facto auch heute noch Männer nur in den allerseltensten Fällen nach Scheidung ihrer Ehe einen Unterhaltsanspruch haben, auch wenn die entsprechenden Gesetzesbestimmungen geschlechtsneutral sind (insofern hat sich seit der Kommentierung von Schwind in Klang2 I/1 573 im Jahr 1956 nichts Wesentliches geändert). Auch eine Verletzung von Artikel 8 MRK ist zu verneinen. Dasselbe gilt schon für § 75 EheG, der ebenfalls unter Umständen für unterhaltsberechtigte Geschiedene zur Folge haben kann, dass das Eingehen einer weiteren Ehe finanziell erschwert wird, weil dadurch der Scheidungsunterhalt erlischt. Umgekehrt kann ja auch nicht gesagt werden, dass für den nach Scheidung Unterhaltspflichtigen die Möglichkeit, eine neue Ehe oder eine Lebensgemeinschaft zu begründen, in einer Artikel 8 MRK widersprechenden Weise behindert würde, weil etwa § 66 EheG eine - zeitlich nicht befristete - Unterhaltsverpflichtung auferlegt. Auch Gimpel-Hinteregger (Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft, in Harrer/Zitta, Familie und Recht 633), welche ebenfalls aus der MRK abgeleitete verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsprechung zum Ruhen des Unterhaltsanspruches geltend machte, hatte solche gegen § 75 EheG (aaO 644) nicht geäußert. Auch diese Bestimmung stellt geschiedene Unterhaltsberechtigte vor die Wahl, "aus materiellen Motiven zu heiraten oder einsam zu bleiben", bewirkt doch die Wiederverehelichung das (endgültige) Erlöschen des Unterhaltsanspruchs unabhängig davon, ob in der neuen Ehe ein Unterhaltsanspruch erworben wird (SZ 27/134; Zankl in Schwimann, ABGB2 Rz 1 zu § 75 EheG). Auch in diesem Fall wird vernünftigerweise nur eine Ehe mit einem entsprechend leistungsfähigem Partner in Frage kommen. Darüberhinaus ist ihre Argumentation überspitzt, gibt es doch verschiedene Stufen von Partnerbeziehungen, die eben auch nach der Rechtsprechung unterhalb der Schwelle der eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu keinem zeitweiligen Verlust des Unterhaltsanspruches führen. Demnach hält der erkennende Senat die Ansicht für unrichtig, wonach die Rechtsprechung, nach welcher das Eingehen einer Lebensgemeinschaft durch einen unterhaltsberechtigten Geschiedenen zum Ruhen des Unterhaltsanspruches führt, einen Verstoß gegen Art 8 MRK bedeute. Aber auch die vom Berufungsgericht übernommene Ansicht, das Argument der Sittenwidrigkeit komme dann nicht zum Tragen, wenn im konkreten Fall dem Lebensgefährten keine Vermögenswerte zufließen, weil dieser ohnehin versorgt ist und weil die Alimentation (der Höhe nach) nicht sehr bedeutend wäre, teilt der erkennende Senat nicht, wie noch zu zeigen sein wird.

Entgegen der insoweit übereinstimmenden Ansicht des Revisionswerbers und des Berufungsgerichtes wird in der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Sittenwidrigkeit des Unterhaltsbegehrens eines in Lebensgemeinschaft lebenden geschiedenen Ehegatten nicht mehr damit begründet, dass sonst der Unterhaltspflichtige zur Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten direkt oder indirekt finanzielle Beiträge leisten müsste. In diesem Punkt hatte sich die Leitentscheidung SZ 27/134 auf die kurz nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich (zum ABGB) ergangene Entscheidung SZ 20/83 berufen. Nach dieser habe sich die Rechtsprechung zuletzt dem Rechtsempfinden des Volkes angeschlossen, das es als unrichtig ansehe, dass der geschiedene Ehemann seine Frau zu alimentieren habe, obwohl sie aus einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft den Unterhalt erhalte oder obwohl sie die Unterhaltsleistung des Mannes zur Finanzierung eines eheähnlichen Verhältnisses verwende. In dieser Entscheidung wird die in der Lebensgemeinschaft bestehende dauernde Verletzung der auch nach der Scheidung weiterbestehenden ehelichen Pflichten als Grundlage des Sittenwidrigkeitsurteils genommen und ausgeführt, eine Verpflichtung des Mannes, durch seine Alimentationsleistung eine derart dauernde Sittenwidrigkeit zu unterstützen, könne nicht angenommen werden. Daraus folge, dass die geschiedene Frau, die in einer Lebensgemeinschaft lebe, während der Dauer derselben, gleichviel ob sie oder ihr Lebensgefährte die Kosten dieser Gemeinschaft bestreite, keine Alimentation von ihrem geschiedenen Gatten verlangen könne, was als Ruhen seiner Alimentationspflicht bezeichnet werden könne.

Eine solche Auffassung kann zwar, soweit nicht ein dem § 74 EheG zu unterstehende Sachverhalt verwirklicht wird, zum geltenden Recht nicht vertreten werden. Demnach kommt es aber im Wesentlichen darauf an, dass ein in Lebensgemeinschaft lebender Geschiedener nicht besser gestellt sein darf als ein wieder Verheirateter, dessen Unterhaltsanspruch nach § 75 EheG erlischt; die Lebensgemeinschaft

darf gegenüber der Ehe nicht begünstigt werden (EFSlg 87.525 = infas

1998, 77 = RdA 1998, 446 unter Berufung auf Koziol/Welser10 233 FN

109 ua; zum Unterhaltsbegehren eines Kindes EFSlg 70.751 und SZ 70/225 = EvBl 1998/54). Die vom Berufungsgericht übernommene Argumentation Lammers nimmt auf diese Begründung gerade nicht Bezug.

Im angefochtenen Urteil hat es das Berufungsgericht, worauf der Revisionswerber zutreffend hinweist, vermieden, das Zusammenwohnen der Beklagten mit einem Mann als Lebensgemeinschaft im Sinne der Judikatur zu qualifizieren. Ausdrücklich bejaht wurde lediglich das Bestehen einer Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft, auch wenn die ausführlichen Rechtsausführungen zu dieser Lebensform die Vermutung nahelegen, das Berufungsgericht habe das Vorliegen einer solchen doch angenommen.

Dem Revisionswerber ist darin zuzustimmen, dass nach den vom Berufungsgericht ergänzten Feststellungen eine derartige Qualifikation jedoch bei richtiger rechtlicher Beurteilung gerechtfertigt ist.

Zutreffend hat schon das Berufungsgericht dargelegt, dass die Lebensgemeinschaft in der jüngeren Rechtsprechung als ein eheähnlicher Zustand definiert wird, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht (EFSlg 51.553, 57.268, 66.483; RZ 1991/45, 143 = EFSlg 63.510), teils auch als ein der Ehe nachgebildetes familienrechtliches Verhältnis minderer Art (EFSlg 38.842 = RZ 1982/3; JBl 1991, 589 = ÖA 1993, 112). Sie setzt im Allgemeinen eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus, jedoch müssen nicht stets alle drei Merkmale vorhanden sein (ständige Rechtsprechung: zB SZ 40/45; EFSlg 38.825, 51.553, 57.268; EFSlg 63.510 = RZ 1991/45, 143; 2 Ob 314/98k; aus der Lehre zuletzt etwa Hopf/Kathrein, Eherecht Nr 20 zu § 66 EheG; Deixler-Hübner, Probleme der Leistungsabgeltung im Zusammenhang mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft, ÖJZ 1999, 201 [202]). In zahlreichen Entscheidungen wurde betont, dass besonders die Geschlechtsgemeinschaft nicht unter allen Umständen erforderlich ist, insbesondere dann nicht, wenn die zusammenlebenden Personen schon über ein gewisses Alter hinaus sind (3 Ob 145/54; EFSlg 38.825, 43.742 ua; sinngemäß auch RZ 1991/45, 143; Deixler-Hübner aaO, 202, die in der Geschlechtsgemeinschaft sogar ein Merkmal von eher untergeordneter Bedeutung sieht). Wiederholt wird auch betont, dass es auf die Umstände des Einzelfalles ankommt (etwa EFSlg 51.552, 82.294 etc).

In der Entscheidung Arb 9.031 = MietSlg 24.609, in welcher ausgesprochen wurde, dass die Wirtschaftsgemeinschaft nicht unbedingt vorliegen müsse und allein auch nicht genüge, wurde verlangt, dass sich die Partner im Kampf gegen alle Nöte des Lebens beistehen und daher auch gemeinsam an den zur Bestreitung des Unterhalts verfügbaren Gütern teilhaben müssen. Zu 5 Ob 2104/96i (teilweise veröffentlicht in EFSlg 81.679 und 81.680) wurde eine Lebensgemeinschaft bei einer nicht vollständig ausgeprägten Wohnungsgemeinschaft und einer fehlenden Wirtschaftsgemeinschaft verneint. Schließlich heißt es zutreffend in EFSlg 85.516 = ÖBA 1998, 165, eine Wirtschaftsgemeinschaft setze voraus, dass weitgehend entweder die Lebenserhaltungskosten gemeinsam getragen werden oder einer auch für den Lebensunterhalt des anderen aufkommt. Nach der Entscheidung 3 Ob 43/94 reicht die Zahlung eines Entgeltes für die Wohnraumbenützung, für die Verpflegung und für das Waschen der Wäsche im Allgemeinen nicht für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft aus (zusätzlich wurde noch das Merkmal der Geschlechtsgemeinschaft verneint). In EFSlg 63.510 = RZ 1991/45, 143 wurde eine fallweise Unterstützung durch den Partner und fallweises Nächtigen in der Wohnung des anderen Partners trotz intimen Verhältnisses nicht als Lebensgemeinschaft angesehen. Die Führung einer gemeinsamen Kasse wurde allerdings als nicht notwendig angesehen. Dass der Mann sich an den Wohnungs- und Lebenshaltungskosten in der Weise beteiligte, dass er diese und dazu die Kosten für die Besorgung seiner Wäsche durch die geschiedene Ehefrau allmonatlich bestimmte Beiträge leiste, hindere als zumindest lose Form des gemeinsamen Wirtschaftens die Annahme einer Lebensgemeinschaft nicht. Dagegen wurde in EFSlg 66.485 infolge von Zahlungen von Wirtschaftsgeld und von Aushilfe in finanziellen Notsituationen eine teilweise Wirtschaftsgemeinschaft angenommen und insgesamt die Lebensgemeinschaft bejaht.

Zuletzt wurde des öfteren aus dem (nach außen bestehenden) Eindruck des Vorliegens einer Lebensgemeinschaft auch auf eine Wirtschaftsgemeinschaft bzw auf eine Unterhaltsgewährung durch den Partner geschlossen (EFSlg 70.751; SZ 70/225 = EvBl 1998/54; 10 ObS 244/98z = RdA 1998, 446).

Bei Anwendung dieser Rechtsprechung auf den von den Tatsacheninstanzen festgestellten Sachverhalt ist somit, versteht man "regelmäßig", wie offenbar vom Berufungsgericht gemeint, so, dass Harald S***** stets dann bei der Beklagten nächtigt, wenn er nicht Nachtdienst hat, das Merkmal der Wohnungsgemeinschaft ebenso wie das der geschlechtlichen Beziehung zu bejahen. Bezogen auf die Zeit der vom Berufungsgericht angenommenen Lebensgemeinschaft ab März 1997 war zwar nicht feststellbar, ob dieser Beiträge zu den Miet- oder Betriebskosten oder zu Einkäufen der Beklagten leistete. Es steht aber fest, dass er sie bei der Bewältigung der Alltagsaufgaben unterstützt, wobei beispielsweise angeführt wird, dass er anlässlich der Geburt ihres dritten Kindes ihre beiden ehelichen Kinder beaufsichtigte. Dazu kommt noch, dass er mit der Beklagten Einkäufe verrichtet und seine private Kleidung "teilweise" von der Beklagten gewaschen wird. Diese Umstände reichen wohl für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft nicht aus, zumal angesichts des absolut eher geringen Unterhaltsbetrages, den die Beklagte monatlich erhält, kein Fall vorliegt, in dem trifftige Gründe (wie im Fall der E EFSlg 57.270) für eine getrennte Wirtschaftsführung sprechen würden. Derartiges wurde auch gar nicht behauptet.

Daraus folgt, dass, was die Beklagte und ihren Partner angeht, die Merkmale der Geschlechts- und Wohnungsgemeinschaft vorliegen und dieses Verhältnis dem typischen Erscheinungsbild eines ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dass eine (volle) Wirtschaftsgemeinschaft aus den Tatsachenfeststellungen nicht abgeleitet werden kann, hindert die Beurteilung als eheähnliche Lebensgemeinschaft nicht. Ob eine andere Beurteilung erforderlich wäre, wenn feststünde, dass der Lebensgefährte zum Unterhalt der Beklagten nichts beiträgt, oder dass diese in keiner Form gemeinsam wirtschaften, braucht angesichts der getroffenen Negativfeststellung nicht geprüft werden. Angesichts des äußeren Bildes einer Lebensgemeinschaft hätte dies die Beklagte behaupten und beweisen müssen. Ob im Übrigen nicht allein schon der Umstand, dass der Mann, mit dem die Beklagte ein sexuelles Verhältnis hat, verheiratet ist, für sich allein die Sittenwidrigkeit ihres Unterhaltsbegehrens begründen würde, braucht nicht untersucht zu werden, weil der Kläger seine Oppositionsklage darauf niemals gestützt hat und auch in der Revision darauf nicht Bezug nimmt. Keinesfalls aber könnte aus der Tatsache, dass der Lebensgefährte der Beklagten verheiratet ist, abgeleitet werden, dass mangels konkreter Möglichkeit einer alsbaldigen Eheschließung die Rechtsprechung über das Ruhen des Unterhaltsanspruchs nicht anzuwenden wäre. Dies würde eine durch nichts zu rechtfertigende Begünstigung von ehebrecherischen Lebensgemeinschaften bedeuten.

Demnach war in Stattgebung der Revision des Klägers die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern. Im Hinblick auf die im Widerspruch zur Rechtsprechung stehende Formulierung des Klagebegehrens war der Urteilsspruch von Amts wegen richtig zu fassen (EvBl 1959/115; SZ 54/139 uva). Da nach der Rechtsprechung das Ruhen des Unterhaltsanspruchs ein zeitweiliges Erlöschen (und nicht bloß eine Hemmung) bedeutet (EvBl 1973/266; EFSlg 34.565), war dies zum Ausdruck zu bringen. Wenn auch der Unterhalt ab dem auf die Aufnahme der Lebensgemeinschaft (im März 1997) folgenden Monat nicht mehr zu leisten ist (SZ 40/45 = EvBl 1967/401 = EFSlg 8.685), braucht der Beginn des Ruhens des Unterhaltsanspruchs deshalb nicht in das Urteil aufgenommen zu werden, weil die Beklagte erst für ab August 1997 fällige Unterhaltsbeträge Exekution führt. Darauf wird in der Klage Bezug genommen und diesen Zeitraum umfasst auch der Urteilsspruch.

Soweit der Kläger auch die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes bekämpft, ist ihm entgegenzuhalten, dass zufolge § 519 Abs 1 ZPO Kostenentscheidungen der zweiten Instanz stets unanfechtbar sind (Fucik in Rechberger, ZPO2 Rz 6 zu § 55 und Kodek aaO Rz 2 zu § 519).

Zufolge der Abänderung der Urteile der Vorinstanzen hatte der erkennende Senat eine eigene Kostenentscheidung für das gesamte Verfahren zu fällen. Diese beruht auf § 41 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 ZPO. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt die vom Kläger in Anspruch genommene Kostenbemessungsgrundlage unter der sich nach dem Gesetz ergebenden. Er hat somit keinesfalls überhöhte Kosten verzeichnet. Allerdings gebührt für die Berufung lediglich der einfache Einheitssatz, hat doch eine Berufungsverhandlung mit Beweiswiederholung stattgefunden. Die Verdreifachung bzw Vervierfachung des Einheitssatzes nach § 23 Abs 9 RATG kommt daher nicht zu tragen. Nach Absicht des Gesetzgebers sollte dann, wenn eine Berufungsverhandlung mit Beweisaufnahme oder sonstige Ergänzung des Verfahrens stattfindet, am bisherigen Kostenersatzrecht nichts geändert werden (EB zur RV der WGN 1997 898 BlgNR 20. GP 53).

Angesichts des Umstandes, dass die Bemessungsgrundlage für die Pauschalgebühren gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit f GGG nur S 7.950 beträgt, waren dem Kläger an Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren dritter Instanz nur S 1.980 zuzuerkennen.

Rechtssätze
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