JudikaturJustiz3Ob195/02a

3Ob195/02a – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Rohrer, Dr. Pimmer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Eva K*****, vertreten durch Dr. Christian Haffner, Rechtsanwalt in Amstetten, wider die beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei Dr. Alois K*****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wegen einstweiligen Unterhalts, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 4. Juni 2002, GZ 2 R 24/02s, 25/02p 69, womit der Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 15. Jänner 2002, GZ 3 Cg 113/95h 62, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.063,80 EUR (darin enthalten 177,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das von der Klägerin und gefährdeten Partei (im Folgenden nur Klägerin) am 16. Mai 1995 gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden nur Beklagter) eingeleitete Verfahren des Landesgerichts Steyr über ihre Ansprüche aus dem Titel des Ehegattenunterhalts nach § 94 EheG, nun zeitlich beschränkt bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung ist noch anhängig. In diesem Verfahren wurde der Beklagte während aufrechter Ehe mit einstweiliger Verfügung (EV) vom 22. September 1995, teilweise abgeändert durch Beschluss des Rekursgerichts vom 5. Jänner 1996, teilweise abgeändert durch Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 12. Juni 1996 (3 Ob 2101/96h) gemäß § 382 Z 8 lit a EO zur Zahlung einstweiligen Unterhalts ab 1. Juli 1995 verpflichtet. Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 31. Oktober 1996 geschieden, zufolge Urteil des Berufungsgerichts vom 3. Juni 1997 aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe. Nach der Rechtskraftbestätigung des Landesgerichts Krems an der Donau vom 11. Dezember 1997 trat die Rechtskraft des Scheidungsausspruchs am 26. August 1997 ein. Einen Antrag des Beklagten, das Scheidungsurteil sei in Ansehung des Scheidungsausspruchs bereits am 12. Dezember 1996 eingetreten, wies das Landesgericht für Krems an der Donau ab, diese Abweisung wurde vom zuständigen Rekursgericht mit Beschluss vom 30. Oktober 1998 bestätigt (vgl dazu auch 3 Ob 305/99w). Das Rekursgericht hat mit rechtskräftigen Beschlüssen vom 2. September 1999 die Klageänderung, soweit die Klägerin nach Rechtskraft der Scheidung ihr Unterhaltsbegehren auf § 66 EheG stützte, nicht zugelassen und, dem Antrag des Beklagten vom 27. Dezember 1996 folgend, unter Abweisung eines Mehrbegehrens die EV in Ansehung des Zeitraums ab 1. September 1997 gemäß § 399 Abs 1 Z 4 EO aufgehoben.

Aufgrund der EV zahlte der Beklagte an die Klägerin auch noch nach Rechtskraft des Scheidungsurteils vom 1. September 1997 bis zum 30. September 1999 Unterhaltsbeträge von insgesamt 270.000 S (= 19.621,67 EUR), deren Rückzahlung er nun, gestützt auf § 394 Abs 1 EO, begehrt, weil die EV jedenfalls ab 1. September 1997 nicht gerechtfertigt gewesen sei. Er habe alle Zahlungen unter Vorbehalt der Rückzahlung geleistet, sofort nach Vorliegen der Teilrechtskraft des Scheidungsurteils die Aufhebung der EV beantragt und somit alles getan, um die Aufhebung der ungerechtfertigten EV zu erreichen; er habe damit rechnen können, dass über seine Anträge in angemessener Zeit entschieden werde. Der Klägerin sei jedenfalls seit September 1997 weder nach § 66 EheG noch nach § 67 EheG ein Unterhaltsanspruch unter Bedachtnahme auf die von ihr tatsächlich erzielten Einkommen bzw. unter Berücksichtigung des Umstands, dass ihr eine ganztägige Beschäftigung zumutbar gewesen wäre, zugestanden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Rückforderungsantrags und brachte vor, ihr Unterhaltsanspruch sei nicht rechtskräftig aberkannt worden; es sei nämlich noch keine Entscheidung im Hauptverfahren ergangen. Im Übrigen schulde ihr der Beklagte bis zur Rechtskraft der Scheidung Unterhalt gemäß § 94 ABGB, danach gemäß § 66 EheG. Diese Unterhaltsverpflichtung habe der Beklagte erfüllt; es sei ihm daher kein Vermögensnachteil erwachsen. Die Klägerin habe nie Ansprüche nach § 66 EheG geltend gemacht, sie nie eingemahnt und nie klageweise erhoben; dies gelte insbesondere für die Zeit bis zur Aufhebung der EV mit 30. September 1999. Die Ansprüche der Klägerin nach § 66 EheG seien somit erloschen.

Die Klägerin replizierte, sie habe die Unterhaltszahlungen gutgläubig verbraucht; eine Einmahnung oder Einklagung habe sich auf Grund der tatsächlich erfolgten Unterhaltsleistungen erübrigt. Sie sei weder in der Lage, ihren Unterhalt zur Gänze selbst zu verdienen noch eine Ganztagsbeschäftigung auszuüben.

Das Erstgericht verpflichtete die Klägerin zur Rückzahlung des von ihr erhaltenen Unterhalts von 1. September 1997 bis 30. September 1999 von 19.621,66 EUR sA; es vertrat die Rechtsansicht, die rechtskräftige Feststellung des Erlöschens des Anspruchs iSd § 399 Abs 1 Z 4 EO sei von § 394 Abs 1 EO erfasst. Wenn die EV zwar gerechtfertigt, aber die Fortdauer unnötig oder infolge des späteren Erlöschens des Anspruchs unberechtigt gewesen sei, treffe die verschuldensunabhängige Ersatzpflicht für die Zeit der ungerechtfertigten Fortdauer der EV die gefährdete Partei dann, wenn ihr Gegner nicht in der Lage gewesen sei, sofort die Aufhebung zu erwirken, weil der Sicherungswerber dem Antrag auf Aufhebung widersprochen und dadurch die Fortdauer der EV bewirkt habe. Dass der Klägerin allenfalls ein Unterhaltsanspruch gemäß § 66 EheG ab 1. September 1997 zustehe, könne nicht berücksichtigt werden, weil im Hauptverfahren wegen Unterhalts eine Entscheidung nur für die Ansprüche der Klägerin bis zum 31. August 1997 zu fällen sei. Der Beklagte mache aber seinen Rückforderungsanspruch erst für bezahlten Unterhalt ab 1. September 1997 geltend.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es die Anträge des Beklagten nach § 394 Abs 1 EO abwies. Wenn die EV zwar gerechtfertigt, aber die Fortdauer unnötig oder - wie hier - infolge des späteren Erlöschens des Anspruchs unberechtigt gewesen sei, treffe die Ersatzpflicht für die Zeit der ungerechtfertigten Fortdauer der EV den Sicherungswerber nur dann, wenn ihr Gegner nicht in der Lage gewesen sei, die Aufhebung der EV zu erwirken. Hier habe der Beklagte mit Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils den Antrag auf Aufhebung der EV gestellt, die jedoch erst wesentlich später aufgehoben worden sei. Die Klägerin sei zwar der Aufhebung der EV mit rechtlichen Argumenten entgegengetreten, habe aber nicht durch Beweisanträge eine Entscheidung über die Aufhebungsanträge verhindert oder hinausgezögert. Die Verzögerung des Verfahrens sei vielmehr dadurch gekennzeichnet gewesen, dass der Beklagte immer wieder "Nebenschauplätze" einschließlich aufwändiger Rechtsmittelverfahren eröffnet habe. Verfahrensverzögerungen könnten sich nicht insofern zu Lasten der Klägerin wenden, als ihr im Rahmen eines Entschädigungsverfahrens nach § 394 Abs 1 EO der Rückersatz eines Großteils der erhaltenen Unterhaltsbeträge auferlegt werde.

Die zweite Instanz erachtete den ordentlichen Revisionsrekurs als zulässig, weil es sich bei der an Bedeutung das vorliegende Verfahren übersteigenden Rechtsfrage, ob ein Unterhaltsempfänger (gemeint: Unterhaltszahler) grundsätzlich Ersatz- bzw Rückforderungsansprüche nach § 394 Abs 1 EO stellen könne, wenn er zwar fristgerecht einen Aufhebungsantrag in Ansehung der EV gestellt habe, über diesen aber erst viel später entschieden worden sei, nur auf eine Literaturmeinung habe stützen können.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist nicht berechtigt.

a) Der Beklagte stützt seinen Anspruch auf Rückzahlung des auf Grund einer einstweiligen Verfügung nach § 381 Abs 1 Z 8 lit a EO an die Klägerin gezahlten einstweiligen Unterhalts auf § 394 Abs 1 EO, somit auf eine Norm, bei der es auf ein Verschulden nicht ankommt (1 Ob 239/00d = EvBl 2001/84 mwN u.a.).

Hier war die EV zur Zeit ihrer Erlassung nicht ungerechtfertigt; eine Entscheidung im Hauptverfahren über die Klage auf Unterhalt gemäß § 94 ABGB für die Zeit der aufrechten Ehe war nämlich noch nicht ergangen. Der Beklagte macht vielmehr geltend, er habe nach Rechtskraft der Scheidung und der Einbringung eines darauf gestützten Antrags auf Aufhebung der EV nach § 399 EO bis zur Entscheidung über diesen Antrag Zahlungen unter Vorbehalt der Rückforderung geleistet, obwohl der durch EV gesicherte Unterhaltsanspruch der Klägerin unstrittig nach Rechtskraft des Scheidungsausspruchs erloschen sei. Der gesetzliche Unterhaltsanspruch eines Ehegatten während aufrechter Ehe ist in § 94 ABGB geregelt, der gesetzliche Unterhaltsanspruch eines wegen (alleinigen oder überwiegenden) Verschuldens des anderen Teils geschiedenen Ehegatten in § 66 EheG. Der vollstreckbare Anspruch aus einem den gesetzlichen Unterhalt der Ehegatten regelnden Titel erlischt mit der Rechtskraft (Rechtswirksamkeit) des die Grundlage für den aus § 94 ABGB abgeleiteten Unterhalt beseitigenden, auf Scheidung der Ehe erkennenden Urteils. Eine Ausnahme besteht nur im - hier nicht vorliegenden - Fall der Scheidung der Ehe nach § 55 EheG mit dem Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG, weil nach § 69 Abs 2 EheG für den Unterhaltsanspruch auch nach der Scheidung § 94 ABGB weiter gilt und sich daher an der gesetzlichen Grundlage des Unterhaltsanspruchs durch die Scheidung nichts ändert (EFSlg 43.709 f, 67.718; 6 Ob 90/01f; Stabentheiner in Rummel 3 , § 94 ABGB Rz 23 mwN). Das Rekursgericht führte zutreffend aus, dass der der Entscheidung 6 Ob 90/01f zu Grunde liegende Sachverhalt anders als hier gelagert sei, weil dort im Einverständnis beider Parteien weiterhin Unterhaltszahlungen geleistet wurden, was auf eine schlüssige Unterhaltsvereinbarung schließen ließ, die seit der Scheidung den Unterhaltszahlungen als Titel zu Grunde lag. Im hier zu beurteilenden Fall verhindert der vom Beklagten anlässlich der Zahlungen ausgesprochene Vorbehalt eine derartige Annahme einer schlüssigen Unterhaltsvereinbarung der Streitteile.

b) In der neueren Rsp hat sich nun - folgend den Grundsätzen der Entscheidung SZ 11/86 = Jud 33 neu (näher dazu Gitschthaler in ÖJZ 1995, 652 ff [653] und Ch. Huber in JBl 1984, 183) - die zu billigende Auffassung durchgesetzt, dass im Lichte der Ergebnisse des Hauptverfahrens zu Unrecht bezahlter Unterhalt zurückgefordert werden kann, allerdings nur, soweit er nicht gutgläubig verbraucht wurde (JBl 1996, 727; 1 Ob 1/98y; 1 Ob 295/00i = JBl 2001, 381 = EvBl 2001/114 [unter Ablehnung der von Gitschthaler befürworteten Analogie zu § 399b Abs 1 zweiter Satz EO, somit von Billigkeitserwägungen wie bei Minderjährigen]; Zechner , Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung, 156 f; jüngst Sailer in Burgstaller/Deixler Hübner , EO, § 382 Rz 31 mwN; Rummel in Rummel 2 § 1437 ABGB Rz 12; Honsell/Mader in Schwimann 2 § 1437 ABGB Rz 18 ff). Soweit Teile der Lehre (Nachweise bei G. Kodek in Burgstaller/Deixler Hübner , EO, § 394 Rz 44) den Anspruch auf vollständige Refundierung der Überzahlung nur aus § 394 EO ableiten, beruht das auf dem dogmatischen Konzept, aus § 381 Z 2 EO lasse sich ganz allgemein die Zulässigkeit von Regelungs- und Leistungsverfügungen ableiten. Gerade am Beispiel einstweiligen Unterhalts als Provisorialmaßnahme zeigt sich aber, dass auf eine derartige Anordnung nicht alle für EV sonst geltenden Grundsätze unbesehen angewendet werden dürfen, weil sonst besondere familienrechtliche Wertungen, die die Rsp im Kern bestimmen, auf der Strecke blieben. Die Rückzahlung des verbrauchten einstweiligen Unterhalts, der anspruchslos bezahlt werden musste, lässt sich eben nicht mit derselben Elle messen wie die Ersatzpflicht aufgrund einer unberechtigten und nicht durch einen familienrechtlichen Anspruchsgrund charakterisierten EV ( Zechner aaO 157). Diese besonderen familienrechtlichen Wertungen, die einem Rückzahlungsanspruch entgegenstehen - und die G. Kodek (aaO Rz 47) als "unerfindlich" ansieht - fanden auch Eingang in die Entscheidung 1 Ob 295/00i.

Nach stRsp des Obersten Gerichtshofs kann ohne Rechtsgrundlage gezahlter Unterhalt nur dann mangels echter Bereicherung nicht zurückgefordert werden, wenn er gutgläubig verbraucht wurde. Soweit es auf die Unredlichkeit der Beklagten beim Verbrauch ankommt, hat diese der kondizierende Kläger zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Die Redlichkeit bezieht sich auf die Frage nach der Existenz eines Kondiktionsanspruchs, wobei jedoch bereits Fahrlässigkeit schadet und daher Zweifel an der Rechtmäßigkeit die Redlichkeit ausschließen (1 Ob 295/00i mwN u.a.). Die Erbringung eines derartigen Nachweises ist in einem Verfahren, in dem das Verschulden keine Rolle spielt, ausgeschlossen. Die Ansicht des Revisionsrekurswerbers, es fehle Rsp des Obersten Gerichtshofs, ob die Rückforderung einstweilen geleisteten Unterhalts im Verfahren nach § 394 EO ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch ist, ist nicht zutreffend. In der Entscheidung 1 Ob 295/00i hat der Oberste Gerichtshof in eingehender Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Lehrmeinungen abgelehnt, die Rückforderung einstweiligen Unterhalts zwischen Geschiedenen allein nach § 394 EO zu beurteilen; vielmehr sei streitentscheidend, ab welchem Zeitpunkt der Unterhaltsberechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der rechtsgrundlos empfangenen Beträge haben musste. Die Erwägungen dieser Entscheidung, wonach die Verschuldensfrage - anders als nach § 394 Abs 1 EO - zu berücksichtigen ist, sind voll zu billigen. Die Rückforderung zu Unrecht gezahlten einstweiligen Ehegattenunterhalts kann somit - entgegen G. Kodek (aaO Rz 48), der insoweit ein Wahlrecht des Gegners der gefährdeten Partei (zwischen dem Anspruch nach § 394 Abs 1 EO und dem Kondiktionsanspruch) annimmt - nicht in einem Verfahren nach § 394 Abs 1 EO erfolgen. Der Gegner der gefährdeten Partei ist insoweit auf eine Kondiktionsklage, die ihm ausreichenden Rechtsschutz bietet, verwiesen. Da der Beklagte von der Klägerin eine verschuldensunabhängige Ersatzleistung nach § 394 Abs 1 EO begehrt, ein solcher Anspruch nach den dargelegten Erwägungen aber für die Rückforderung zu Unrecht gezahlten einstweiligen Ehegattenunterhalts nicht besteht, ist dem Revisionsrekurs des Beklagten der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 78, 402 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Da die Leistung des Rechtsanwalts bei der Verfassung der Revisionsrekursbeantwortung weder nach Umfang noch nach Art den Durchschnitt derartiger Schriftsätze erheblich übersteigt, sind die Voraussetzungen für eine Entlohnung über das Maß des Tarifs nach § 21 Abs 1 RATG nicht gegeben.

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