JudikaturJustiz3Ob190/11d

3Ob190/11d – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** R*****, vertreten durch Dr. Martin Brenner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag. R***** K*****, wegen Unzulässigkeit einer Exekution gemäß § 36 EO, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. Juni 2011, GZ 46 R 257/11a 20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 1. März 2011, GZ 29 C 4/10z 13, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei und der Antrag der beklagten Partei auf Zurück /Abweisung des Antrags vom 24. August 2011 auf Zulassung der ordentlichen Revision werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 93,19 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Impugnationskläger verfasste eine ehrenbeleidigende und kreditschädigende Äußerungen zu Lasten des beklagten Rechtsanwalts enthaltende Sachverhaltsdarstellung, die er dem Betreiber einer Internetseite übergab, der sie dort gemeinsam mit einem Artikel veröffentlichte. Deswegen wurden sowohl der Kläger als auch der Betreiber mit Einstweiliger Verfügung (EV) ua verpflichtet, „ jegliche Verbreitung des Artikels […] samt Text der Anzeige ( Sachverhaltsdarstellung [...]) zu unterlassen, und diesen Artikel nicht mehr abrufbar zu machen und/oder zu beseitigen. “ Nach Zustellung der EV am 1. Juli 2009 suchte der Kläger zunächst das Titelgericht auf und versuchte dann, mit dem Betreiber Kontakt aufzunehmen, was ihm vorerst nicht gelang. Als er diesen schließlich erreichte, verweigerte dieser die Entfernung des Artikels samt Anzeige von seiner Internetseite. Darauf begab sich der Kläger am 14. Juli 2009 neuerlich zum Titelgericht und beantragte, ihm Verfahrenshilfe unter Beigebung eines Rechtsanwalts zur Erhebung sämtlicher Rechtsmittel gegen die EV und für das weitere Verfahren zu gewähren. Danach unternahm er bis zum 22. Juli 2009 keine weiteren Versuche, den Betreiber zur Entfernung des Eintrags zu bewegen oder selbst zu erwirken, dass der Eintrag im Internet nicht mehr abrufbar ist/beseitigt wird. Die inkriminierte Veröffentlichung war im Zeitraum 1. Juli 2009 (Zustellung der EV) bis 22. Juli 2009 über verschiedene Suchmaschinen, aber auch auf der Internetseite des Betreibers weiter abrufbar. Am 23. Juli 2009 beantragte der Beklagte wegen Verstoßes gegen die EV über den Kläger Beugestrafen zu verhängen, weil der Artikel und die Anzeige nach wie vor online seien; die Unterlassungsexekution gemäß § 355 EO wurde bewilligt und über den Kläger eine Geldstrafe von 500 EUR verhängt.

Seine Impugnationsklage begründet der Kläger im Wesentlichen damit, er habe sich unmittelbar nach Erhalt der EV mit dem Betreiber in Verbindung gesetzt und mehrfach versucht, diesen davon zu überzeugen, die Strafanzeige wieder aus dem Netz zu nehmen, jedoch ohne Erfolg. Selbst wenn eine Löschung der Strafanzeige von dessen Internetseite durchgeführt worden wäre, hätte dies aus technischen Gründen wegen nicht steuerbarer Vernetzungen nicht garantiert, dass die vom Beklagten bekämpften Behauptungen aus dem Internet verschwunden wären. Den Kläger treffe daher - mangels Möglichkeit, die Löschung der Strafanzeige ohne Mithilfe des Betreibers zu bewerkstelligen nicht nur kein Verschulden, die geschuldete Leistung sei ihm sogar schlichtweg unmöglich.

Der Beklagte wendete ein, der Kläger habe nach der Zustellung der EV gar nicht versucht, sich daran zu halten. Er habe sich auch weder an den Provider des Betreibers noch an eine Suchmaschine gewendet, um die Beseitigung des Artikels zu erreichen. Deshalb habe dies der Beklagte später selbst gemacht und sei erfolgreich gewesen.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Handlungspflicht des Klägers sei an jener eines durchschnittlichen Verbrauchers zu messen, der er entsprochen habe.

Das Berufungsgericht änderte in eine Klageabweisung ab. Da die EV nach ihrem klaren Wortlaut jegliche Verbreitung des Artikels untersage und nicht nur jene über die Internetseite des Betreibers, hätte der Kläger selbst weitere, über die Kontaktaufnahme mit dem Betreiber hinausgehende Maßnahmen setzen müssen. Er habe alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um einen Verstoß gegen die EV zu verhindern. Es könne ihm jedenfalls zugemutet werden, sich innerhalb von drei Wochen an Suchmaschinenbetreiber zu wenden, um die Löschung des Artikels zu begehren. Mangels Versuchs, die Verbreitung des genannten Artikels auch auf anderen Plattformen als auf jener des Betreibers zu verhindern, liege jedenfalls ein Verschulden am Zuwiderhandeln gegen die EV vor. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend und erklärte die ordentliche Revision nachträglich für zulässig, weil keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, welche Handlungen einem Verpflichteten, der Inhalte im Internet zu beseitigen habe, zumutbar seien.

Der Kläger begehrt in seiner Revision primär die Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung an die erste, in eventu zweite Instanz. Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehle, welche Handlungen dem Kläger als Durchschnittskonsumenten über die naheliegende Aufforderung an den Betreiber hinaus zumutbar seien, und ob aussichtslose Handlungen verlangt werden könnten. Inhaltlich argumentiert der Revisionswerber, ihn treffe kein Verschulden am Verstoß gegen den Inhalt der EV. Die einzig zumutbare Möglichkeit habe für den Kläger darin bestanden, auf den verantwortlichen Betreiber einzuwirken. Gegebene tatsächliche und rechtliche Möglichkeiten seien für den Kläger als durchschnittlichen Verbraucher nicht erkennbar gewesen. Da diese aber auch nicht geeignet seien, den von der EV geforderten Erfolg herzustellen, habe er sie nicht ergreifen müssen.

Dem tritt der Beklagte sowohl in seinem Antrag vom 24. August 2011 auf Zurück /Abweisung des Antrags auf Zulassung der ordentlichen Revision, als auch mit seinem als Revisionsbeantwortung zu wertenden Schriftsatz vom 6. Oktober 2011 entgegen, ohne das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage geltend zu machen.

Rechtliche Beurteilung

Dem Kläger gelingt es nicht, eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, weshalb die Revision nicht zulässig ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

Entscheidungsgegenstand bei der Unterlassungsexekution ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht ein Geldbetrag (die verhängte Geldstrafe), der Entscheidungsgegenstand war vielmehr zu bewerten (RIS Justiz RS0120039; T3 für Impugnationsklagen). Gleiches gilt für Streitigkeiten nach § 354 EO (RIS Justiz RS0121364).

1. Mit der Behauptung, auch eine Löschung der Strafanzeige von der Internetseite des Betreibers hätte aus technischen Gründen nicht garantiert, dass die vom Beklagten bekämpften Behauptungen aus dem Internet verschwunden wären, macht der Kläger entgegen seiner Argumentation nicht die ex ante erkennbare Gewissheit der Unmöglichkeit der Einhaltung der nach dem Exekutionstitel geschuldeten Verpflichtung geltend, den Artikel samt Anzeige im Internet nicht mehr abrufbar zu machen oder daraus zu beseitigen. Er gesteht damit vielmehr selbst zu, der gewünschte Erfolg könne eintreten. Von vorne herein aussichtslosen Handlungen oder vergeblichen Mitteln, wie sie die Revision darzustellen versucht, ist daher nicht einmal im erstinstanzlichen (und deshalb wesentlichen) Vorbringen des Klägers die Rede.

2.1. Daher war er nach Zustellung der sofort vollstreckbaren EV verpflichtet, sogleich (vgl RIS Justiz RS0013515) alles Zumutbare zu unternehmen, um die darin titulierte Verpflichtung erfüllen zu können. Nur wenn er dem nachkam, kann er sich darauf berufen, ohne jedes Verschulden dem Exekutionstitel zuwider gehandelt zu haben (RIS Justiz RS0107694; RS0085147; 3 Ob 261/03h), wofür den Impugnationskläger die Behauptungs und Beweislast trifft (RIS Justiz RS0000756 [T2]).

2.2. Die Aufforderungen der Betreiber, den Artikel samt Anzeige von seiner Internetseite zu nehmen, bilden schon deshalb nur eine Mindestmaßnahme, weil dieser ja ohnehin durch die EV selbst verpflichtet war, was dem Kläger aus dem Text der EV bekannt sein musste.

Da der Exekutionstitel für den Kläger nicht auf eine Verpflichtung zur (psychischen) Einwirkung auf den Betreiber beschränkt ist, sondern ihn ebenso wie den Betreiber verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Artikel samt Anzeige im Internet nicht mehr abrufbar ist oder daraus beseitigt wird, hatte der Kläger sofort und schon vor Kenntnis der Weigerung des Betreibers sowie unabhängig davon auch andere, vor allem rechtliche (aber auch allfällige tatsächliche) Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, um das zu erreichen oder zu bewirken, zumindest aber sich darüber Kenntnis zu verschaffen (vgl RIS Justiz RS0013253 [T1]).

2.3. Dass solche Möglichkeiten bestanden, gesteht der Kläger nunmehr in der Revision ausdrücklich zu, insbesondere die Aufforderung an den entsprechenden Hosting Provider (hier: W*****) iSd § 16 Abs 1 Z 2 E Commerce Gesetz, ECG; sie sind auch durch die festgestellten, keineswegs ausufernden und dennoch rasch erfolgreichen Bemühungen des Beklagten dokumentiert. Die ohnehin überschießende Negativfeststellung des Erstgerichts zum Erfolg solcher Maßnahmen, hätte sie der Kläger ergriffen, geht wegen der ihn treffenden Beweislast ohnehin zu seinen Ungunsten, weil ihm damit der Nachweis nicht gelungen ist, die unterlassenen Maßnahmen hätten ohnehin keinesfalls die geschuldete Beseitigung herbeigeführt.

Wenn sich der Kläger trotz der Behauptungen des Beklagten schon in erster Instanz erstmals in der Revision darauf beruft, er habe davon keine Kenntnis gehabt, was ihm als durchschnittlichem Nutzer/Verbraucher nicht vorwerfbar sei, verstößt er schon gegen die Eventualmaxime des § 36 Abs 2 EO, jedenfalls aber auch gegen das Neuerungsverbot. Abgesehen davon verkennt er seine Position als Nutzer des Internets. Er trat nämlich nicht als (passiver) Konsument auf, der aus dem Internet Informationen bezieht, sondern hat zu vertreten, dass das Internet zur aktiven Verbreitung eines rechtswidrigen, von ihm stammenden Inhalts verwendet wurde. Dem entsprechend ist an die Informationspflicht des Klägers jedenfalls ein besonders strenger Maßstab anzulegen, weshalb ihn (allfällige) Unkenntnis von den vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten nicht exkulpieren kann (vgl RIS Justiz RS0008663; RS0118363).

2.4. Aus § 16 Abs 1 Z 2 ECG ergibt sich, dass den Hosting Provider die Verpflichtung trifft, bei Bekanntwerden (offensichtlich) rechtswidriger Inhalte die entsprechenden Beiträge zu entfernen oder den Zugang dazu zu sperren (6 Ob 178/04a; 6 Ob 190/03i). Daraus ist die Pflicht des Klägers abzuleiten, jedenfalls nach der Weigerung des Betreibers, den Artikel samt Anzeige von seiner Internetseite zu nehmen, W***** vom Inhalt der EV und der daraus resultierenden Rechtswidrigkeit des Artikels zu verständigen und die Entfernung des Inhalts oder die Sperre des Zugangs dazu zu verlangen; dass dies die primäre, weil effektivste vom Kläger zu treffende, aber auch erfolgversprechendste Maßnahme gewesen wäre, zeigt auch das vom Beklagten damit erzielte positive Ergebnis; im Übrigen ist der Nachweis ihrer Erfolglosigkeit ohnehin nicht erbracht. Auch an der Zumutbarkeit eines solchen Vorgehens sind angesichts der Einfachheit und Beschränkung auf ein Unternehmen nicht die geringsten Zweifel angebracht.

Hat der Kläger aber nicht einmal diese naheliegende Maßnahme ergriffen, kann ihm schon deshalb nicht zugute gehalten werden, er habe alles Zumutbare unternommen, um dem gegen ihn ergangenen Exekutionstitel nachzukommen. Auf das weitere Unterlassen jeden Kontakts mit den Betreibern der (bekanntesten) Suchmaschinen des Internets kommt es dann aber gar nicht mehr entscheidend an. Jedenfalls ist ihm wegen seiner Passivität der Nachweis, es treffe ihn kein Verschulden daran, dem Exekutionstitel zuwider gehandelt zu haben, nicht gelungen. Deshalb erweist sich das auch zu diesem Ergebnis gelangende Berufungsurteil als nicht korrekturbedürftig.

3. Einwendungen ua gegen die Zulässigkeit eines Antrags nach § 508 Abs 1 ZPO schließt § 507 Abs 3 ZPO außerhalb einer Revisionsbeantwortung ausdrücklich aus. Der nur darauf abzielende Schriftsatz des Beklagten war deshalb als unzulässig zurückzuweisen. Da der Oberste Gerichtshof ohnehin nicht an den Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts gebunden ist, genügt die Möglichkeit für den Revisionsgegner, in der Revisionsbeantwortung dazu Stellung nehmen zu können.

4. Der Beklagte hat (auch) die Zurückweisung der ordentlichen Revision beantragt, weshalb seine Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente (§§ 41, 50 ZPO; RIS Justiz RS0112296).

Rechtssätze
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