JudikaturJustiz3Ob186/07k

3Ob186/07k – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Christian K*****, vertreten durch Stolz Schartner Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Radstadt, wider die beklagte Partei Michaela K*****, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und Dr. Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einwendungen gegen einen betriebenen Unterhaltsanspruch (§ 35 EO), infolge der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. Mai 2007, GZ 2 R 353/06k-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 13. Juli 2006, GZ 2 Cg 60/05d-14, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 1.126,62 EUR (darin 187,77 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Im Scheidungsfolgenvergleich vom 29. Juli 1998 verpflichtete sich der Oppositionskläger, der Beklagten ab 1. Juli 1998 einen monatlichen Unterhalt von 19.500 S (= 1.417,12 EUR) zu bezahlen. Vergleichsgrundlage waren ein monatliches Durchschnittseinkommen des Unterhaltspflichtigen von 62.000 S (= 4.505,72 EUR), eine weitere Sorgepflicht für den gemeinsamen Sohn und ein von der Frau bezogenes Arbeitslosengeld. Die Parteien vereinbarten ferner für den Fall, dass die Frau über ein eigenes Einkommen (außer Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe) verfügt oder dass sich das Einkommen des Mannes verringert, folgende Neuberechnung:

„Für die Dauer des Bestehens der Unterhaltsverpflichtung für den Sohn Lorenz mit 35 % des Familieneinkommens abzüglich Einkommen der Erstantragstellerin bzw. mit 29 % des Einkommens des Zweitantragstellers, wenn die Erstantragstellerin über kein Einkommen verfügt. Nach Wegfall der Unterhaltsverpflichtung für den Sohn Lorenz erhöhen sich die voranstehenden Sätze jeweils um 4 %. Jedenfalls ist der so ermittelte Unterhalt der Erstantragstellerin mit ATS 19.500 zuzüglich Wertsicherung begrenzt".

Aufgrund dieses Vergleichs wurde der Beklagten am 14. April 2005 zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands von 17.587,44 EUR sowie zur Hereinbringung des laufenden Unterhalts seit 1. April 2005 die Exekution bewilligt.

Mit seiner am 28. April 2005 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Oppositionskläger den Ausspruch, dass der betriebene Unterhaltsanspruch in Ansehung eines Rückstands von 15.804,84 EUR und in Ansehung des laufenden Unterhalts im Umfang von 488,54 EUR monatlich erloschen sei. Das Einkommen des Oppositionsklägers, der zuvor ein Einzelunternehmen betrieben habe, hätte sich verringert, weil er im Juni 2000 eine Gesellschaft mbH mit seinen Angestellten gründen habe müssen, um deren Austritt aus dem Unternehmen und das Entstehen von Konkurrenzunternehmen zu verhindern. In der Gesellschaft verdiene der Kläger monatlich nur mehr 3.405 EUR. Seit Oktober 2004 verfüge die Beklagte über ein eigenes Einkommen. Die Beklagte wandte ua ein, dass sich der Kläger dadurch, dass er in der Gesellschaft ohne ersichtlichen Grund eine zu geringe Beteiligung übernommen habe, seiner Unterhaltspflicht entziehen wolle. Die Vorinstanzen wiesen die Oppositionsklage ab. Von den getroffenen Feststellungen ist zusammengefasst folgendes hervorzuheben:

Der Kläger habe mit seinem Einzelunternehmen auf dem Gebiet des Schutzwasserbaus im Jahr 1999 ein monatliches Nettoeinkommen von

10.662 EUR und im Jahr 2000 10.912 EUR erzielt. In der Gesellschaft habe der Kläger zunächst über eine Beteiligung von 13 %, ab 2005 von 17 % verfügt. Aus selbständiger und unselbständiger Arbeit habe der Kläger im Jahr 2001 monatlich 9.643 EUR verdient, im Jahr 2002 aber nur mehr aus unselbständiger Arbeit 3.706 EUR monatlich. Eine frühere Angestellte und jetzige Lebensgefährtin des Klägers habe eine Beteiligung von 38 % an der Gesellschaft mbH übernommen. Das Berufungsgericht teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass der Geschäftsanteil der Lebensgefährtin des Klägers an der Gesellschaft unangemessen hoch bewertet worden sei, um so den Unterhaltsanspruch der Beklagten zu schmälern. Der aufgrund einer Vereinbarung nach § 55a Abs 2 EheG geschuldete Unterhalt sei gemäß § 69a EheG dem gesetzlichen Unterhalt gleichgestellt. Auch für einen solchen Unterhaltsanspruch gelte der Anspannungsgrundsatz.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob auch auf einen nach § 55a Abs 2 EheG vereinbarten Unterhalt die sogenannte Anspannungstheorie anzuwenden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

1. § 69a Abs 1 EheG normiert, dass der aufgrund einer Vereinbarung nach § 55a Abs 2 EheG geschuldete Unterhalt einem gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten ist, soweit er den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist. Die Gleichstellung ist nach Lehre und Rsp derart umfassend, dass auf den vereinbarten Unterhalt alle den gesetzlichen Unterhalt betreffenden gesetzlichen Regeln anzuwenden sind (Stabentheiner in Rummel3, §§ 69a, 69b EheG Rz 1; 3 Ob 107/05i), beispielsweise auch die Bestimmung des § 72 EheG (RIS-Justiz RS0118211). Dass im vorliegenden Fall der vereinbarte Unterhalt den Lebensverhältnissen der Eheleute entsprach, hat das Berufungsgericht zutreffend und unbekämpft festgestellt. Mit dieser Voraussetzung für die Gleichbehandlung des vereinbarten Unterhalts mit demjenigen nach dem Gesetz wird auf den Unterhaltsanspruch des § 94 ABGB abgestellt. Es ist das Unterhaltsniveau während aufrechter Ehe maßgeblich (RIS-Justiz RS0109252). Der Anspannungsgrundsatz wird für den Unterhaltsanspruch von Ehegatten aus der Beitragspflicht des § 94 Abs 1 ABGB abgeleitet und bedeutet inhaltlich die Obliegenheit, bei einem für den angemessenen Unterhalt nicht ausreichenden Einkommen eine den Fähigkeiten entsprechende und zumutbare Erwerbstätigkeit auszuüben (7 Ob 151/06s). Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, den Anspannungsgrundsatz, der zur Verweisung auf ein tatsächlich nicht erzieltes, fiktives Einkommen führt, wenn den Unterhaltsschuldner an der Nichterzielung eines Einkommens aus zumutbarer Erwerbstätigkeit ein Verschulden trifft (RIS-Justiz RS0047495), auf einen mit Scheidungsfolgenvergleich vereinbarten Unterhalt nicht anzuwenden. Die Anwendung einer fiktiven Bemessungsgrundlage auf einen mit Scheidungsfolgenvergleich (zumindest dem Grunde nach) vereinbarten Unterhalt wurde vom Obersten Gerichtshof bereits bejaht (6 Ob 311/05m).

2. Gegen die Richtigkeit dieser Anwendung kann der Revisionswerber auch nicht die gebotene Auslegung des Unterhaltsvergleichs iSd § 914 ABGB ins Treffen führen. Es kann den Parteien des Vergleichs nicht unterstellt werden, sie hätten mit der vertraglichen Regelung der Neuberechnung des Unterhalts im Fall der Reduzierung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen auch den Fall der vorsätzlichen „Unterhaltsflucht" einbezogen, also auch den absichtlich herbeigeführten Mindererwerb (dazu 10 Ob 2184/96s; 3 Ob 99/07s). Eine solche Auslegung widerspricht der im Unterhaltsrecht heranzuziehenden Maßstabfigur eines familien- und pflichbewussten Ehepartners (4 Ob 181/98s; 3 Ob 99/07s uva), der mit einem Ehepartner einen Unterhaltsvergleich schließt, der berechtigterweise erwarten lässt, dass nur eine unverschuldete Reduzierung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen zu einer Unterhaltsminderung führen kann.

3. Das Berufungsgericht hat die vom Kläger in seiner Berufung gerügte Nichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (aus dem Grund gänzlich fehlender, jedenfalls mangelhafter Beweiswürdigung) verneint, woran der Oberste Gerichtshof nach stRsp gebunden ist (RIS-Justiz RS0042981). Mit der neuerlichen Relevierung dieses Themas als Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung ficht der Revisionswerber unzulässig die vom Berufungsgericht bestätigte Beweiswürdigung des Erstgerichts an. Tatfragen sind dem Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsachen- sondern ausschließlich Rechtsinstanz ist, entzogen. Demnach ist die Revision zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
6