JudikaturJustiz3Ob178/98t

3Ob178/98t – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Juli 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Raiffeisenbank O***** reg.Gen.mbH, *****, vertreten durch Dr. Hannes Hammerschmidt, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wider die verpflichtete Partei Josef R*****, vertreten durch Dr. Franz P. Oberlercher, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wegen Exekution zur Sicherstellung von S 1,000.000 sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 29. April 1998, GZ 3 R 141/98i-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 12. Februar 1998, GZ 7 E 583/98k-2, abgeändert wurde, nachstehenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Revisionsrekurskosten der betreibenden Partei werden mit S 22.725 (darin S 3.787,50 USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Mit der beim Erstgericht am 1.7.1997 eingebrachten Klage begehrte die hier betreibende Partei, den hier Verpflichteten zur Zahlung eines Betrages von S 2,358.708 sA zu verpflichten. Nach einem Zustellanstand gab die dortige Klägerin am 16.9.1997 bekannt, daß der dort Beklagte sich für einige Zeit in der Landessonderkrankenanstalt Hermagor (Rehab-Zentrum) befinde, es werde die Zustellung unter dieser Adresse beantragt. Dem Beklagten wurde sodann am 19.9.1997 die Klage und am 22.9.1997 die Ladung zu der für 1.10.1997 anberaumten Tagsatzung persönlich zugestellt. Da zum Termin für den Beklagten niemand erschien, erließ das Erstgericht am 1.10.1997 auf Antrag der Klägerin ein Versäumungsurteil. Laut Postfehlbericht vom 16.10.1997 konnte dem Beklagten die Ausfertigung des Versäumungsurteils unter seiner Wohnanschrift nicht zugestellt werden. Das Erstgericht verfügte sodann die Zustellung unter der Adresse der Landessonderkrankenanstalt Hermagor. Dort wurde die Sendung am 20.10.1997 von einem Bediensteten der Gailtal-Klinik als "Arbeitnehmer des Empfängers" entgegengenommen. Mit dem beim Erstgericht am 16.11.1997 überreichten Schriftsatz erhob der Beklagte, nun vertreten durch Dr. Franz P. Oberlercher, Widerspruch gegen das Versäumungsurteil, wobei er ausführte, daß er sich wegen eines schweren Schlaganfalles seit Wochen stationär in der genannten Anstalt befinde. Das Versäumungsurteil sei ihm (durch Übergabe der Post) "gegen Ende der 43. Kalenderwoche, am 25. oder 26.10.1997 zur Kenntnis gelangt". Hilfsweise stellte er auch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil für den Fall, daß ihm dieses aus Versehen erst einige Tage nach Übergabe der gesamten Post zur Kenntnis gelangt sein sollte. Er habe auch in der

43. Kalenderwoche immer noch an den Folgen seines schweren Schlaganfalles gelitten und sei nicht in der Lage gewesen, sich um die Post zu kümmern. Weiters brachte er beim Prozeßgericht mit Schriftsatz vom 15.1.1998 vor, er sei schon im Zeitpunkt der Ersatzzustellung des Versäumungsurteiles und im Zeitpunkt, als ihm dieses danach erstmals zur Kenntnis gelangt sei, nicht mehr prozeßfähig gewesen.

Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 21.1.1998 den Widerspruch als verfristet zurück und den Wiedereinsetzungsantrag ab. Das Gericht zweiter Instanz gab mit Beschluß vom 18.2.1998 (3 R 53/98y) dem Rekurs des Beklagten dahin Folge, daß es die Entscheidungen des Erstgerichtes über den Widerspruch und den Wiedereinsetzungsantrag aufhob und diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Dabei ging das Rekursgericht davon aus, daß die am 20.10.1997 vorgenommene "Ersatzzustellung" des Versäumungsurteils nicht gesetzmäßig im Sinne des § 16 Abs 1 ZustG erfolgt sei, weil der Beklagte ohnedies an der Abgabestelle aufhältig gewesen wäre und ein Bediensteter der Krankenanstalt hier nicht als Ersatzempfänger angesehen hätte werden können. Das Erstgericht werde zu prüfen habe, wann die Ausfertigung des Versäumungsurteils dem Beklagten tatsächlich zugekommen und somit allenfalls eine Heilung des Zustellmangels nach § 7 ZustG eingetreten sei. Sollte die Zustellung erst nach dem 23.10.1997 wirksam erfolgt sein, so wäre der Widerspruch gegen das Versäumungsurteil ohnedies rechtzeitig und das Verfahren nach Aufhebung der Säumnisentscheidung - allerdings unter Bedachtnahme auf § 6 ZPO - weiter durchzuführen. Sollte sich aber herausstellen, daß dem Beklagten das Versäumungsurteil vor dem 24.10.1997 zugekommen wäre, so habe das Erstgericht jedenfalls noch in geeigneter Form zu prüfen, ob der Beklagte damals prozeßfähig gewesen sei oder nicht. Im Falle seiner Prozeßunfähigkeit wäre die Zustellung unwirksam und hätte die Frist zur Erhebung des Widerspruch noch gar nicht zu laufen begonnen. Das Erstgericht müßte dann wiederum im Sinne der §§ 6 f ZPO vorgehen.

Bereits am 12.2.1998 stellte die betreibende Partei beim Erstgericht den Antrag auf Bewilligung der Exekution zur Sicherstellung der Teilforderung von S 1,000.000 samt 7,75 % Zinsen ab 1.4.1997 sowie der Kosten von S 63.242,30 aus dem genannten Versäumungsurteil vom 1.10.1997 sowie der Kosten dieses Antrages von S 11.840,40 durch Fahrnispfändung, insbesondere hinsichtlich verschiedener Tierpräparate, Maschinen und Geräte. Im Antrag verwies sie auf den vom Verpflichteten gegen das Versäumungsurteil erhobenen Widerspruch vom 5.(6.)11.1997 samt Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auf den bereits dazu ergangenen erstinstanzlichen Beschluß vom 21.1.1998; die Voraussetzungen nach § 371 Z 2 (richtig Z 1) EO lägen vor. Die Exekution zur Sicherstellung werde für die Zeit, bis die Forderung infolge Entscheidung und Rechtskraft des Urteiles über den Rechtsstreit 3 C 1168/97b des Erstgerichtes und Ablauf der Leistungsfrist durch Zwangsvollstreckung geltend gemacht werden kann.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Sicherungsexekution mittels Stampiglie.

Das Gericht zweiter Instanz hob diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung über den Exekutionsantrag nach Verfahrensergänzung auf. Gemäß § 371 Z 1 zweiter Fall EO könne auf Grund der nach den §§ 396, 442 ZPO gefällten Versäumungsurteile, wenn gegen sie Widerspruch nach den §§ 397 a, 398 und 442 a ZPO erhoben worden sei, die Exekution zur Sicherung von Geldforderungen bewilligt werden, wobei (auch) hier eine Bescheinigung der Gefährdung im Sinne des § 370 EO nicht erforderlich sei. Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung müsse der Exekutionstitel, auf Grund dessen die Bewilligung der Sicherstellungsexekution beantragt werde, wirksam sein. Diese Wirksamkeit trete außer bei in Gegenwart beider Parteien verkündeten Anerkenntnis- oder Verzichtsurteilen (§ 416 Abs 3 ZPO) erst mit der Zustellung der Ausfertigung des Urteils an die Partei ein. Die Zustellung des Titels sei sohin eine notwendige Voraussetzung für eine allfällige Exekutionsbewilligung (SZ 53/126 mwN; REDOK 1205; Heller/Berger/Stix 2640; Schimik Exekution zur Sicherstellung 62 f). Wie sich aus dem Inhalt des Titelaktes ergebe, könne derzeit noch nicht beurteilt werden, ob die Zustellung des Versäumungsurteils an den damals in der Klinik befindlichen Beklagten überhaupt wirksam erfolgt sei. Diese Frage hätte sich dem Erstgericht aufgrund der Aktenlage auch schon im Zeitpunkt der Erlassung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses gestellt, weil auch damals nur der Rückschein mit der Adresse der Landessonderkrankenanstalt Hermagor und der Unterfertigung eines dortigen Bediensteten als "Arbeitnehmer" des Empfängers zum Nachweis der Zustellung vorgelegen sei. Darüber hinaus könnte ein allfälliger Zustellmangel - ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot - auch noch vom Rekursgericht wahrgenommen werden. Da diese "Ersatzzustellung" nicht im Sinne des § 16 Abs 1 ZustG erfolgt sei, käme nur eine Heilung des Zustellmangels nach § 7 ZustG in Betracht. In diesem Zusammenhang stehe aber derzeit noch nicht fest, wann dem Verpflichteten die Urteilsausfertigung tatsächlich zugekommen und ob er damals überhaupt prozeßfähig gewesen sei. Alle diese Umstände wären einer sofortigen Bewilligung des Exekutionsantrages entgegengestanden.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob über einen Antrag auf Bewilligung der Sicherungsexekution nach den §§ 370 f EO - etwa wegen der naturgemäß gegebenen Dringlichkeit dieser Maßnahme - auch dann schon meritorisch zu entscheiden sei, wenn die Zustellung des zugrunde liegenden Exekutionstitels noch nicht hinlänglich feststehe und erst in einem aufwendigeren Verfahren (auch durch Beiziehung eines Sachverständigen) geprüft werden müsse.

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung der (Bewilligung der) Exekution zur Sicherstellung gemäß § 371 Z 1 zweiter Fall EO ist das Vorliegen eines wirksamen Versäumungsurteils, gegen das Widerspruch erhoben wurde. Dies bedeutet im Falle eines in Abwesenheit des Beklagten gefällten Versäumungsurteils, daß dieses, um als Exekutionstitel nach der genannten Gesetzesstelle tauglich zu sein, dem Beklagten zugestellt worden sein muß (vgl SZ 53/126 mwN; Heller/Berger/Stix 2640; Feil Komm zur EO4 Rz 7 zu § 370 EO; Schimik, Die Exekution zur Sicherstellung 62 f). Wird der Sicherstellungsexekutionsantrag - wie im vorliegenden Fall - beim Titelgericht gestellt, so hat dieses, sofern nichts anderes angeordnet ist, ohne vorhergehende mündliche Verhandlung und ohne Einvernahme des Gegners Beschluß zu fassen. Bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag sind daher grundsätzlich nur das Vorbringen des betreibenden Gläubigers und beim Einbringen des Exekutionsantrages auf Exekution zur Sicherstellung beim Titelgericht die Aktenlage des Titelverfahrens zu berücksichtigen (RZ 1994/24). Die Angaben des betreibenden Gläubigers dürfen nur nicht offenkundig unrichtig sein (3 Ob 55/83). Das ist hier nicht der Fall. Nach den Behauptungen des Verpflichteten im Titelakt ist sein Widerspruch gegen das Versäumungsurteil nach Heilung von Zustellmängel nach § 7 ZustG rechtzeitig. Eine Berufung wegen Nichtigkeit infolge mangelnder Prozeßfähigkeit ist vom Verpflichteten nicht erhoben worden. Aus dem Gutachten im Titelverfahren ON 17 ergibt sich auch, daß der Vertreter des nunmehr Verpflichteten nach behaupteter Heilung der Zustellmängel von diesem am 26.10.1997 kontaktiert wurde und dann am 6.11.1997 Widerspruch erhob. Bei dieser Sachlage kann keine Rede davon sein, daß die Unwirksamkeit der Zustellung offenkundig wirkungslos war. Der Verpflichtete ist vielmehr auf einen Einstellungsantrag verwiesen (vgl RZ 1994/24).

Diese Erwägungen führen zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Exekutionsbewilligung.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 74 EO, 50 und 41 ZPO.