JudikaturJustiz3Ob177/13w

3Ob177/13w – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Januar 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Maximilian Ellinger und Dr. Günther Ellmerer, Rechtsanwälte in Kufstein, gegen die beklagte Partei N***** WohnungsGmbH, *****, vertreten durch Dr. Lisbeth Lass und Dr. Hans Christian Lass, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. Juli 2013, GZ 1 R 47/13p 16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 17. Dezember 2012, GZ 2 C 37/12s 10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom 9. Juni 2008 wurde der Beklagten gegen den Kläger ua die Räumungsexekution hinsichtlich der vom Kläger gemieteten Wohnung aufgrund eines Versäumungsurteils vom 8. April 2008 bewilligt. Da der Kläger den ebenso titulierten Zahlungsrückstand beglich, teilte die Beklagte mit, zum für den 31. Juli 2008 anberaumten Räumungstermin keine Transportmittel zur Verfügung zu stellen, sich jedoch die jederzeitige Fortsetzung des Räumungsexekutionsverfahrens vorzubehalten. Später beantragte die Beklagte am 3. Oktober 2008, am 4. Februar 2009, am 2. Juni 2009, am 24. August 2009 und am 4. Februar 2010 die Fortsetzung der zwangsweisen Räumung. Nach Bewilligung der jeweiligen Fortsetzungsanträge der Beklagten wurden jeweils für 6. November 2008, 6. April 2009, 30. Juni 2009, 5. Oktober 2009 und 29. März 2010 Räumungstermine anberaumt. Die Räumung des Klägers wurde dennoch aufgrund der jeweils vorausgegangen Mitteilungen der Beklagten, keine Transportmittel zur Verfügung zu stellen, nie vollzogen.

Den Fortsetzungsantrag vom 4. Februar 2010 stellte die Beklagte aufgrund eines damals bestandenen Zahlungsrückstands des Klägers, den sein Vater später beglich. In diesem Zusammenhang gab eine Mitarbeiterin der Beklagten im Zuge eines geführten Telefonats zu verstehen, dass bei Bezahlung der Rückstände alles in Ordnung sei; ob sie auch erklärte, dass das Mietverhältnis ganz normal weitergehe , kann nicht festgestellt werden.

Am 12. Dezember 2011 beantragte die Beklagte neuerlich die Fortsetzung der zwangsweisen Räumung. Der für 24. Jänner 2012 festgesetzte Räumungstermin wurde infolge eines im Zusammenhang mit der vorliegenden Oppositionsklage gestellten Aufschiebungsantrags des Klägers abgesetzt und die Räumungsexekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegenständliche Oppositionsklage gegen Erlag einer Sicherheitsleistung aufgeschoben. Der Fortsetzungsantrag war von der Beklagten nur deshalb eingebracht worden, da zu diesem Zeitpunkt der Vorwurf unleidlichen Verhaltens des Klägers von anderen Mietern erhoben wurde.

Mit seiner Oppositionsklage macht der Kläger das Erlöschen des Räumungsanspruchs geltend, weil das Mietverhältnis mit der Beklagten schlüssig erneuert/verlängert worden sei. Diese habe insgesamt sechs Räumungstermine nicht vollzogen und sich nur beim ersten Mal die Fortsetzung der Räumungsexekution vorbehalten. Eine leitende Angestellte der Beklagten habe dem Kläger vor dem Räumungstermin vom 29. März 2010 anlässlich der Abklärung, welcher Betrag offen sei, erklärt, nach dessen Begleichung sei die Angelegenheit nunmehr endgültig erledigt, das Mietverhältnis laufe normal weiter. Die Beklagte habe Mitzinszahlungen des Beklagten in weiterer Folge ohne jeden Vorbehalt angenommen und ihm für das Kalenderjahr 2011 eine Bestätigung zur Verfügung gestellt, dass er Mieter sei. Vom letzten Räumungstermin bis zum Fortsetzungsantrag vom 12. Dezember 2011 seien fast 21 Monate vergangen.

Die Beklagte bestritt, verwies auf ihre mehrfach gestellten Fortsetzungsanträge und wendete ein, sie habe weder der Fortsetzung noch der Erneuerung des alten Mietverhältnisses zugestimmt. Den EDV-mäßig erstellten Abrechnungen und gesetzlich vorgesehenen Bestätigungen komme kein Erklärungswert zu. Von der zuständigen Sachbearbeiterin sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass eine Fortsetzung der Räumungsexekution vorbehalten bleibe, wenn es zu Problemen komme.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es ging vom eingangs wiedergegebenen festgestellten Sachverhalt aus. Rechtlich folgerte es, die zwischen März 2010 und dem Fortsetzungsantrag im Dezember 2011 vergangene Zeit von 21 Monaten und die Tatsache, dass Grund für die Fortsetzung nur angeblich unleidliches Verhalten des Klägers gewesen sei, habe zum Erlöschen des Räumungsanspruchs geführt, der nicht wie ein Damoklesschwert beliebig und immerwährend eine Räumungsfortsetzung decke.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil in der Hauptsache in eine Klageabweisung ab. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision wegen Einzelfallbeurteilung entsprechend höchstgerichtlicher Judikatur nicht zu. Die vom Erstgericht geschaffene Tatsachengrundlage biete keine ausreichende Grundlage für die Annahme eines schlüssigen endgültigen Verzichts der Beklagten auf die Exekutionsführung. Der Nachweis des ausdrücklichen (mündlichen) Neuabschlusses des Mietvertrags sei dem Kläger wegen der dazu ergangenen Negativfeststellung nicht gelungen.

Dagegen erhob der Kläger eine außerordentliche Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils, in eventu auf Aufhebung und Zurückverweisung an die erste oder zweite Instanz.

In der freigestellten Revisionsbeantwortung bestritt die Beklagte sowohl die Zulässigkeit als auch die inhaltliche Berechtigung der Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht absolut unzulässig und wurde zutreffend als außerordentliche Revision erhoben, weil das vorliegende Oppositionsklagebegehren als Streitigkeit nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO zu beurteilen ist; es ist nämlich das Erlöschen eines bestimmten vollstreckbaren Räumungsanspruchs als Hauptfrage zu entscheiden (3 Ob 265/98m; 3 Ob 269/00f). Der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts war daher nicht nötig. Die Revision ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Auch der Kläger geht erkennbar davon aus, dass zumindest bei der innerhalb der Frist des § 575 Abs 2 ZPO erfolgten Einleitung der Räumungsexekution kein Bestandvertrag mehr zwischen der Beklagten und ihm aufrecht war. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur die Frage, ob der titulierte Räumungsanspruch wegen späterem schlüssigen Zustandekommen eines neuen Benützungstitels erloschen ist. Dabei handelt es sich um einen tauglichen Oppositionsgrund ( Jakusch in Angst ² § 35 EO Rz 36 mwN).

2. Die Revision zeigt zutreffend auf, dass sich das Berufungsgericht mit dem Inhalt der Berufungsbeantwortung des Klägers nicht ausreichend auseinandergesetzt hat, weil es weder auf die darin enthaltene Beweisrüge zur Negativfeststellung zum Inhalt der Äußerung der Mitarbeiterin der Beklagten im März 2010 noch auf die geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel zur Behandlung des Klägers als Mieter durch die Beklagte einging.

3. Diese Rüge fehlender Feststellungen zum Inhalt der Schreiben der Beklagten Beilagen ./C und ./D erweist sich allerdings aus folgenden Gründen als unzutreffend:

Die Beklagte hat die Vorschreibung von Mietzins durch ihr Schreiben vom 14. Dezember 2011 (Beilage ./C) und die Übersendung einer Bestätigung, in der der Kläger als ihr Mieter bezeichnet wird (Beilage ./D), gar nicht bestritten und bei der Erklärung zur Richtigkeit dieser beiden Urkunden nur auf ihr Vorbringen verwiesen (siehe ON 6 S 1). Der Inhalt der beiden Urkunden ist daher als unstrittig anzusehen und kann auch noch in dritter Instanz berücksichtigt werden (RIS Justiz RS0040083 [T1]). Deshalb ist der rechtlichen Beurteilung zu unterstellen, dass die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 also nach Stellung des letzten Fortsetzungsantrags in der Räumungsexekution am 12. Dezember 2011 für das Kalenderjahr 2012 monatliche „Bruttomiete“ vorschrieb; weiters ist davon auszugehen, dass die Beklagte dem Kläger eine „Bestätigung für das zuständige Finanzamt für den Steuerpflichtigen“ für das Kalenderjahr 2011 übersendete, wonach er „Mieter“ des Wohnhauses ist und eine bestimmte Wohnung „als Mieter“ bewohnt. Das Ausstellungsdatum dieser Bestätigung ergibt sich zwar aus der Urkunde nicht, allerdings ist zu unterstellen, dass eine solche Bestätigung im Nachhinein, also frühestens im Dezember 2011 erstellt und gemeinsam mit der Vorschreibung ./C übermittelt wurde (so auch die Aussage der Mitarbeiterin der Beklagten ON 8 S 4).

Die gerügten Feststellungsmängel sind also zu verneinen, weil dieser Sachverhalt ohnehin unstrittig ist (§ 267 ZPO). Die unterbliebene Auseinandersetzung damit durch das Berufungsgericht vermag deshalb keinen erheblichen Verfahrensmangel zu verwirklichen.

4. Die fehlende Behandlung der Beweisrüge stellt dann einen wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens dar, wenn die Klage zwar auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zu Recht abgewiesen wurde, jedoch bei Unterstellung der gewünschten Ersatzfeststellung erfolgreich wäre; das ist hier zu bejahen.

5. In der Revision leitet der Kläger eine konkludente Vereinbarung zur Erneuerung/zum Neuabschluss des Mietverhältnisses zusammengefasst aus folgenden Fakten ab:

aus dem Nichtvollzug von insgesamt sechs Räumungsterminen,

aus der Vorschreibung von Mietzins in Beilage ./C,

aus der Bestätigung der Mieterstellung in Beilage ./D,

aus der Zusage im März 2010, bei Nachzahlung des geringen Rückstands sei alles in Ordnung,

aus dem folgenden Zeitraum von 21 Monaten bis zur Stellung des Antrags auf Fortsetzung der Räumungsexekution und

aus dem Umstand, dass Grund für die Fortsetzung angeblich unleidliches Verhalten des Klägers gewesen sei, der im Räumungstitel keine Deckung finde.

Die vom Kläger reklamierte Rechtsfolge eines neuerlichen Zustandekommens eines Bestandvertrags mit der Beklagten lässt sich aber aus diesen genannten Umständen nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit ableiten. Voraussetzung dafür wäre nämlich, dass trotz Anlegung eines strengen Maßstabs kein vernünftiger Grund übrig sein darf, daran zu zweifeln, dass auch die Beklagte den Willen hatte, eine derartige Rechtsfolge herbeizuführen (§ 863 Abs 1 ABGB; RIS-Justiz RS0014146; RS0014150 uva). Voraussetzung ist, dass beide Teile die Absicht hatten, einen Vertrag zu schließen (RIS-Justiz RS0014313).

6.1. Der Nichtvollzug von insgesamt sechs bereits angesetzten Räumungen mag für sich allein betrachtet eine gewisse Zögerlichkeit der Beklagten bekunden, das Bestandobjekt frei zu bekommen; die dafür notwendige, wiederholte und kurzfristige Stellung von Fortsetzungsanträgen bezeugt aber ebenso den Willen der Beklagten, vom vorhandenen Räumungsexekutionstitel doch Gebrauch zu machen.

Deshalb lässt dieses Verhalten keine zwingenden Rückschlüsse auf eine Absicht der Beklagten zu, sich trotz erreichter Beendigung des Bestandverhältnisses neuerlich gegenüber dem Kläger zu binden.

6.2. Die festgestellte Erklärung der Mitarbeiterin der Beklagten im März 2010 im Zusammenhang mit der Ermittlung und Bezahlung des Rückstands des Klägers zwecks Stornierung des Räumungstermins am 29. März 2010 (bei Bezahlung des Rückstands sei alles in Ordnung) hilft dem Kläger ebensowenig.

Eine Willenserklärung in die Richtung eines Neuabschlusses eines Mietvertrags kann daraus schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil die Erklärung im Zusammenhang mit der Erörterung der Vermeidung der unmittelbar bevorstehenden Räumung abgegeben wurde. Da sie nichts Konkretes über das weitere Schicksal des bestehenden Räumungstitels aussagt, war sie im Zweifel nur als Verzicht auf die aktuell bereits bewilligte Räumung zu verstehen, wie dies auch der davor geübten Praxis der Beklagten gegenüber dem Kläger entsprach; das sieht erkennbar ohnehin auch der Kläger so, weil er mit der vorliegenden Klage einen Impugnationsgrund (zu Recht) gar nicht geltend macht.

Für die Annahme, die Beklagte habe damit den erwirkten Exekutionstitel aufgeben und die Beendigung des vertragslosen Zustands mit dem Kläger erklären wollen, bestand deshalb für den Kläger kein ausreichender Anlass.

6.3. Die beiden Urkunden ./C und ./D sind dem Monat Dezember 2011 zuzuordnen und stehen somit in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Fortsetzung der Räumungsexekution am 12. Dezember 2011 und deren Bewilligung. Wenn der frühere Vermieter dem früheren Mieter (noch dazu in erkennbar standardisierten Schreiben) Miete vorschreibt und ihn als Mieter bezeichnet, aber im Widerspruch dazu die Räumungsexekution fortsetzt, also praktisch zeitgleich klar zum Ausdruck bringt, dass er an einem weiteren Verbleib des früheren Mieters im Bestandobjekt kein Interesse mehr hat, so lässt der Inhalt der Urkunden bei einer Gesamtbetrachtung keinesfalls den zwingenden Schluss zu, die Beklagte wolle mit dem Kläger wieder einen Mietvertrag schließen. Vielmehr musste die Widersprüchlichkeit des Verhaltens der Beklagten für den Kläger einen vernünftigen Grund iSd § 863 ABGB darstellen, an dieser Absicht zu zweifeln.

Daher können die beiden Schreiben ./C und ./D nicht zugunsten des Klägers im Sinn eines neuerlichen Mietvertragsabschlusses verwertet werden.

6.4. Auch die Feststellung zum Anlass für den Fortsetzungsantrag vom 12. Dezember 2011 (unleidliches Verhalten des Klägers) rechtfertigt nicht die Annahme des schlüssigen Zustandekommens eines Mietvertrags.

Dieses Vorgehen der Beklagten, einer gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft, der gänzlich fehlende Kenntnisse des Bestandrechts nicht unterstellt werden können, legt vielmehr deren Rechtsansicht nahe, sie sei nach wie vor nicht durch einen Bestandvertrag an den Kläger gebunden und könne deshalb beliebig vom Exekutionstitel Gebrauch machen, ohne (neuerlich) für eine wirksame Beendigung eines Vertrags sorgen zu müssen. Dies steht aber mit der Absicht, mit dem Kläger neuerlich kontrahieren zu wollen, in unüberbrückbarem Widerspruch.

6.5. Schließlich verbleibt nur mehr das Argument des Klägers, zwischen der Abstandnahme von der Räumung Ende März 2010 und der Stellung des Antrags auf Fortsetzung der Räumungsexekution im Dezember 2011 sei ein Zeitraum von 21 Monaten vergangen, während der unstrittig Mietzinszahlungen des Klägers erfolgten und von der Beklagten unbeanstandet angenommen wurden.

6.5.1. Nach der Judikatur zum schlüssigen Zustandekommen eines Mietvertrags muss das Verhalten der Vertragsteile mit Überlegung aller Umstände des Falles unter Berücksichtigung der im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten den zwingenden Schluss zulassen, sie hätten einen Bestandvertrag abschließen wollen (RIS Justiz RS0014313 [T4]). Ein vertragsloser Zustand durch längere Zeit kann nur in Ausnahmefällen angenommen werden, in denen dem Wohnungsbenützer klar sein musste, dass der Vertragswille auf der Gegenseite nicht vorhanden ist (RIS Justiz RS0014426). Die Vorschreibung bzw unbeanstandete Annahme eines regelmäßig auch bezahlten Entgelts für die dem anderen eingeräumte Benützung von Räumen durch längere Zeit kann grundsätzlich zu einem konkludenten Abschluss eines Bestandverhältnisses führen (RIS Justiz RS0082191 [T1]), was jedoch dann nicht der Fall sei, wenn aus den Umständen des Einzelfalls für den Benützer der Wohnung klar erkennbar ist, dass ein diesbezüglicher Vertragswille der Gegenseite nicht vorliegt (7 Ob 714/81; 3 Ob 186/85). Weiters wird judiziert, dass Zahlungen während der Dauer eines Räumungsaufschubs im Zweifel als Benützungsentgelt zu werten sind, selbst wenn die Zahlungen als Mietzins bezeichnet waren (RIS Justiz RS0014311 [T2]; RS0014324).

Hier ist auch zu bedenken, dass der Abschluss eines neuen Mietvertrags mit dem Kläger das Aufgeben des erwirkten Räumungstitels durch die Beklagte bedeutet; an das schlüssige Zustandekommen eines (noch dazu in die Zukunft reichenden) Verzichts stellt die Judikatur aber besonders strenge Anforderungen (RIS-Justiz RS0014232).

6.5.2. Wenn auch 21 Monate, für die dem Kläger Miete vorgeschrieben und von ihm bezahlt wurde, als keineswegs zu vernachlässigender Zeitraum anzusehen sind, steht dem als besonderer Umstand, der den Fortbestand eines vertragslosen Zustands rechtfertigt, die Existenz eines auf Räumung lautenden Exekutionstitels gegenüber, von dem die Beklagte (iSd § 575 Abs 2 ZPO) rechtzeitig Gebrauch machte und an dem sie auch später mehrfach festhielt. Mangels eindeutiger und zweifelsfreier Klarstellung durch die Beklagte musste der Kläger daher auch noch Ende des Jahres 2011 Zweifel über den weiteren Bestand des Räumungstitels haben; denn die Untätigkeit der Beklagten über etwa eindreiviertel Jahre ist nicht an der hier gewahrten - Sechsmonatsfrist des § 575 Abs 2 ZPO, sondern an der Verjährungsfrist für Judikatsschulden von 30 Jahren (vgl Dehn in KBB³ § 1478 ABGB Rz 4) zu messen. Solange aber für den Kläger nicht klar war, dass der Räumungstitel von der Beklagten aufgegeben wurde, durfte er redlich auch nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte wieder einen Mietvertrag mit ihm abschließen wolle, sondern musste annehmen, dass er wie in der Vergangenheit (vgl die zahlreichen Fortsetzungsanträge) weiter „unter Beobachtung steht“ und im Ergebnis nur einen Räumungsaufschub genießt.

Die damit verbundene Unsicherheit des Klägers, ob er die Wohnung doch rasch verlassen werde müssen, vermag diese Beurteilung nicht zu ändern. Denn auch der Kläger hatte ja Kenntnis vom Exekutionstitel und konnte diese Unsicherheit schon viel früher dadurch beenden, dass er sich Klarheit über den Standpunkt der Beklagten verschafft, um so gegebenenfalls zeitgerecht eine Ersatzwohnung zu finden und seine gegebene Räumungsverpflichtung freiwillig zu erfüllen.

6.6. Zusammengefasst rechtfertigen die vorliegenden Umstände nicht die Annahme, bei der neuerlichen Fortsetzung der Räumungsexekution Ende des Jahres 2011 sei bereits ein weiterer Bestandvertrag zwischen den Streitteilen (mit demselben Inhalt wie der frühere) konkludent zustande gekommen, weil der Kläger nach wie vor Zweifel an einem diesbezüglichen Vertragswillen der Beklagten haben musste.

Auf der Basis der vom Kläger ins Treffen geführten Umstände ist das Bestehen des von ihm behaupteten Oppositionsgrundes somit zu verneinen. Andere Umstände wurden nicht geltend gemacht, sodass sich weitere Überlegungen erübrigen.

7. In seiner Beweisrüge gegen die Negativfeststellung zum Inhalt der Äußerung der Mitarbeiterin der Beklagten im März 2010 verlangte der Kläger die positive Ersatzfeststellung, bei Abdeckung der Zahlungsrückstände gehe das Mietverhältnis mit dem Kläger normal weiter. Diese Rüge findet in seinem erstinstanzlichen Vorbringen Deckung.

Legt man der rechtlichen Beurteilung dies zugrunde, wäre darin eine ausdrückliche Willenserklärung einer Mitarbeiterin der Beklagten im Sinn eines Anbots zu erblicken, das bereits beendete Bestandverhältnis im Fall der Zahlung des gesamten Rückstands doch wieder in Geltung zu setzen, also mit dem seinerzeitigen Inhalt zu erneuern. Die Beklagte bestritt dazu nur eine derartige Erklärung ihrer - als zuständige Sachbearbeiterin bezeichneten - Mitarbeiterin, sodass Zweifel an deren Bevollmächtigung zur Abgabe derartiger Erklärungen für die Beklagte nicht angebracht sind. Da die folgende Bezahlung des damals bestehenden Rückstands (durch den Vater des Klägers) feststeht, wäre bei diesem Sachverhalt vom Zustandekommen eines neuen Benützungstitels auszugehen, der den Räumungsanspruch aus dem in Exekution gezogenen Versäumungsurteil vom 8. April 2008 zum Erlöschen gebracht hätte. Unter diesen Umständen wäre der Oppositionsklage somit stattzugeben gewesen.

8. Deshalb ist die Nichtbehandlung dieser Beweisrüge des Klägers durch das Berufungsgericht als wesentlicher Mangel des Berufungsverfahrens zu qualifizieren, der die Aufhebung des Berufungsurteils zwecks neuerlicher Entscheidung über die Berufung der Beklagten erfordert.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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