JudikaturJustiz30Ds2/19a

30Ds2/19a – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Juni 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 18. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Rothner und Dr. Hofer sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Walter in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 6. Mai 2019, AZ D 30/18, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Vertreters des Kammeranwalts Mag. Weixlbaumer sowie des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt) schuldig erkannt.

Danach hat er am 5. Juni 2018 in L*****

1./ durch das Verfassen und Absenden eines an Ulrike M***** gerichteten Schreibens (samt beigeschlossener [von der Genannten zu unterschreibender] „Erklärung“), womit er ihr angeboten hat, ihr im Wege einer treuhändigen Zahlungsabwicklung durch Inkassozession (laut der dem Schreiben beigeschlossenen Erklärung) unter bestimmten Umständen einen Geldbetrag von zumindest 9.000 Euro zu verschaffen, wobei er die Information, dass ihr gegen eine ihr unbekannte Person ein ihr unbekannter Anspruch in Höhe von mehr als 20.000 Euro zustehe, von einer Person erhalten habe, deren Identität er derzeit nicht preisgeben könne, sowie

2./ durch den Versuch, in vorgenannter Erklärung eine gegen das Verbot der „quota litis“ verstoßende Honorarvereinbarung (ES 7 f: 20 % an den Beschuldigten und 40 % an seinen Informanten; keine Kosten bei Erfolglosigkeit der Einbringung) abzuschließen,

„gegen § 879 Abs 2 ABGB, § 10 Abs 2 RAO …sowie gegen gefestigte Standesauffassung verstoßen“.

Der Beschuldigte wurde hiefür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 3.500 Euro verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich seine Berufung wegen der Aussprüche über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen vgl RIS Justiz RS0128656 [T1]) und die Strafe; sie schlägt fehl.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, mangels Vorliegens einer „strittigen Forderung bzw eines Streitgegenstands“ existiere „auch keine anvertraute Streitsache iSd § 879 Abs 2 Z 2 ABGB“. Sie orientiert sich dabei prozessordnungswidrig nicht am festgestellten Sachverhalt in seiner Gesamtheit ( RIS Justiz RS0099810 ). Denn der Disziplinarrat stellte unter anderem fest, dass der Beschuldigte d en angeblichen Anspruch M*****s dieser gegenüber sowohl der Höhe als auch dem Grund nach als nicht völlig gewiss darstellte (ES 7 f: „… von über 20.000 Euro …“, „… voraussichtlich mehr als 9.000 Euro …“, „Sollte kein Geldbetrag hereingebracht werden können …“) und es nicht möglich war, festzustellen, „auf welchen Rechtsgrund die Forderung gründet, ob die Forderung unbestritten ist oder anerkannt war, oder ob die Forderung im Zweifelsfall hätte gerichtlich geltend gemacht werden müssen …“ (ES 9 f). Eine „schlichte Inkassozession“ lag daher bei diese r Tatsachengrundlage nicht vor.

Das weitere Vorbringen, der festgestellte Sachverhalt falle nicht unter den Schutzzweck des § 879 Abs 2 Z 2 ABGB, weil M***** ohne das Tätigwerden des Berufungswerbers keine Kenntnis vom Bestehen einer Forderung erlangt und demgemäß von vornherein keine Chance auf Erhalt eines Geldbetrags gehabt hätte, geht ins Leere. Denn nach den Erkenntnisannahmen (ES 11) hat der Beschuldigte der Genannten nicht einmal die Anspruchsgrundlage mitgeteilt, sodass ihr die Beurteilung der Seriosität des vorgeschlagenen Rechtsgeschäfts (vgl auch § 165 StGB) sowie einer allfälligen Übervorteilung ihrer Person (§ 879 Z 2 und 4, § 934 ABGB) nicht möglich war. Von einem Handeln „ausschließlich zum Vorteil und nicht zum Nachteil“ M*****s kann daher keine Rede sein.

Auf Basis der Feststellungen (ES 12) intendierte der Beschuldigte daher den Abschluss einer zivil- und standesrechtlich verbotenen quota litis Vereinbarung (§ 879 Abs 2 Z 2 ABGB, § 16 Abs 1 RAO; s dazu ausführlich Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 16 RAO Rz 8 mwN). Die von der Rechtsrüge ins Treffen geführte Entscheidung 26 Ds 3/17s steht dem nicht entgegen, betraf sie doch einen nicht vergleichbaren Sachverhalt (nämlich die Vereinbarung von Provisionen durch einen Rechtsanwalt für dessen Tätigkeit als Immobilienvermittler und -verwerter, somit eines Maklerlohns).

Dem weiteren Vorbringen zuwider hat der Beschuldigte durch sein Schreiben – unabhängig vom soeben dargestellten Verstoß – schon mangels Bekanntgabe jeglicher Anspruchsgrundlagen zumindest den Eindruck erweckt, an einem bedenklichen Rechtsgeschäft (vgl RIS Justiz RS0055890, RS0055245) mitzuwirken.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) kritisiert schließlich das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite, übergeht dabei aber die – disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erfolgten – Konstatierungen des Disziplinarrats zu vorsätzlichem Handeln (ES 12), die im Kontext mit den Annahmen zum objektiven Geschehen auch ausreichenden Sachverhaltsbezug aufweisen.

Dass das Verhalten des Beschuldigten außenstehenden Dritten bekannt wurde, wurde – der Berufung (der Sache nach Z 10) zuwider, wenngleich ebenfalls erst im Rahmen der Rechtsausführungen – festgestellt (ES 11 f).

Mit Blick auf die Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur wird klargestellt , dass die inhaltliche Gliederung der Gründe eines Erkenntnisses nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (RIS Justiz RS0098574), es daher nicht schadet, wenn Tatsachenfeststellungen disloziert erst im Rahmen der Beweiswürdigung oder der rechtlichen Beurteilung getroffen wurden ( Danek/Mann , WK StPO § 270 Rz 23 [in Druck]; Fabrizy StPO 13 § 270 Rz 6).

Die Schuldberufung im engeren Sinn bestreitet die Richtigkeit des (mit Hinweis auf die objektive Diktion und den Inhalt der beigelegten [vom Beschuldigten verfassten] Erklärung begründeten) Ausspruchs des Disziplinarrats, wonach das Schreiben vom 5. Juni 2018 nicht erkennen lasse , dass der Beschuldigte als Vertreter des unbekannten Informanten aufgetreten und eingeschritten sei (ES 9). Sie zeigt jedoch keine Umstände auf, die Zweifel an der Beweiswürdigung des Disziplinarrats wecken.

Indem der Berufungswerber meint , die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht hindere ihn, an einer – ihn entlastenden – Sachverhaltsaufklärung im Disziplinarverfahren mitzuwirken, übersieht er, dass die Verschwiegenheitspflicht nicht gilt, soweit ihre Durchbrechung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Rechtsanwalts – wie zB seiner Verteidigung in eigener Sache in einem Straf- oder (wie hier) Disziplinarverfahren – dient (vgl RIS Justiz RS0116764; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 9 RAO Rz 20).

Auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe schlägt fehl. Erschwerend wertet der Oberste Gerichtshof das Zusammentreffen zweier Disziplinarvergehen, mildernd hingegen den zuvor ordentlichen Wandel und den Umstand, dass es teilweise (betreffend Verletzung von Berufspflichten) beim Versuch geblieben ist. Da sich der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 erster Fall StGB auch auf immaterielle Schäden bezieht (vgl RIS Justiz RS0096979), kann – der Berufung zuwider – vom Fehlen eines Schadens im Fall der durch Publizität bewirkten Beeinträchtigung des Standesansehens nicht die Rede sein.

Ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu 45.000 Euro (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) entspricht die vom Disziplinarrat verhängte Geldbuße Tatunrecht und Täterschuld sowie Präventionserfordernissen und ist daher nicht korrekturbedürftig, zumal es sich beim Verbot der quota-litis um eine zentrale Bestimmung für Rechtsanwälte mit Auswirkung auf das Honorarrecht zum Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung handelt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

Rechtssätze
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