JudikaturJustiz2Ob82/88

2Ob82/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Januar 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gottfried G***, Pensionist, Ölberg 8, 6370 Kitzbühel, vertreten durch Dr. Helmut A. Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1) Johann H***, Kraftfahrer, St.Johanner-Straße 27a, 6370 Kitzbühel, und

2) W*** S*** W*** V***,

Schottenring 30, 1010 Wien (Ringturm), beide vertreten durch Dr. Harald E. Hummel, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 408.404,40 sA und Feststellung (S 100.000,-), Revisionsstreitwert S 203.744,52 hinsichtlich der klagenden Partei und S 113.601,46 hinsichtlich der beklagten Parteien, infolge Revision der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 4. März 1988, GZ 4 R 308,309/87-81, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. Juli 1987, GZ 9 Cg 229/84-72, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Revision der beklagten Parteien Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt wie folgt zu lauten hat:

Das Klagebegehren des Inhaltes, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 408.404,40 samt 12 % Zinsen aus S 17.800,- seit 15. September 1981 und aus S 30.104,80 seit 30. März 1983 sowie 4 % Zinsen aus S 350.000,- seit 30. März 1983 zu bezahlen und es werde festgestellt, daß die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand der klagenden Partei für den Ersatz des Schadens zu haften haben, der der klagenden Partei aus dem Verkehrsunfall vom 6. April 1981 entsteht, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 149.369,83 bestimmten Kosten des Verfahrens in erster Instanz (darin Barauslagen von S 9.610,- und Umsatzsteuer von S 12.705,44), die mit S 23.910,69 bestimmten Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens (darin Barauslagen von S 2.144,- und Umsatzsteuer von S 1.978,79) und die mit S 17.824,71 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 2.880,- und Umsatzsteuer von S 1.358,61) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 6. April 1981 gegen 12,20 Uhr stieß der Kläger mit seinem PKW mit dem Kennzeichen T 264.303 auf der St.Johanner-Straße in Kitzbühel bei dem Versuch, den vom Erstbeklagten gelenkten nach links abbiegenden LKW-Zug, bestehend aus dem Zugfahrzeug mit dem Kennzeichen T 184.575 und dem Anhänger mit dem Kennzeichen T 94.634, links zu überholen, gegen eine Hausmauer. Dabei wurde der Kläger verletzt und sein Fahrzeug beschädigt. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer des LKW-Zuges. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde zu U 1236/81 des Bezirksgerichtes Kitzbühel gegen den Kläger ein Strafverfahren eingeleitet; es wurde gemäß § 90 StPO eingestellt. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 408.404,40 sA; überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten für seine (künftigen) Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren.

Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen darauf, daß er zur Unfallszeit mit seinem PKW auf der St.Johanner-Straße in Kitzbühel in Richtung Stadtmitte gefahren sei. Kurz vor der Mobil-Tankstelle habe er auf eine aus drei oder vier Fahrzeugen bestehende Kolonne aufgeschlossen. Nachdem er kurz angehalten und sich von der Verkehrslage überzeugt habe, sei er an dieser Kolonne vorbeigefahren. Der Kläger habe sich bereits auf Höhe des vom Erstbeklagten gelenkten LKW-Zuges befunden, als dieser plötzlich und ohne Anzeige der Richtungsänderung nach links ausgeschwenkt sei, um in die links der Fahrbahn befindliche Einfahrt der Firma P*** abzubiegen. Der Kläger habe sofort reagiert und versucht, sein Fahrzeug durch Bremsen anzuhalten. Da jedoch die Bremsanlage an seinem Fahrzeug versagt habe und die linke Fahrbahnseite bereits vom abbiegenden LKW-Zug blockiert gewesen sei, sei der Kläger zu einem Ausweichmanöver nach links gezwungen gewesen, bei dem er mit seinem PKW gegen eine Hausmauer geprallt sei. Unfallsursache sei einerseits das schuldhafte vorschriftswidrige Verhalten des Erstbeklagten und andererseits das Versagen der Bremsanlage am Fahrzeug des Klägers, das auf einen durchgescheuerten Bremsschlauch zurückzuführen sei, gewesen. Die Beklagten wendeten dem Grunde nach im wesentlichen ein, das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe den Kläger, weil er den vom Erstbeklagten gelenkten LKW-Zug, der sich nach rechtzeitiger Betätigung des linken Blinkers in einem Abbiegemanöver nach links befunden habe, links zu überholen versucht habe. Der Kläger habe infolge seiner Unaufmerksamkeit das Abbiegemanöver des LKW-Zuges zu spät erkannt. Ein Mitverschulden des Klägers ergebe sich auch daraus, daß er nicht angegurtet gewesen sei. Außerdem habe der Kläger seinen PKW in Betrieb genommen, obwohl er laut Begutachtung durch den ÖAMTC vom 31. März 1981 nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei. Im übrigen bestritten die Beklagten die Höhe der Klagsforderung und das Feststellungsinteresse des Klägers. Das Erstgericht verurteilte - im zweiten Rechtsgang - die Beklagten zur Zahlung von S 253.653,30 sA und gab dem Feststellungsbegehren des Klägers in Ansehung von drei Vierteln des ihm aus dem Unfall entstehenden Schadens statt; das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 154.751,10 sA gerichtete Leistungsmehrbegehren und das Feststellungsmehrbegehren wies es ab. Das Erstgericht traf (neben anderen Feststellungen zur Schadenshöhe, deren Wiedergabe im einzelnen unterbleiben kann) über den Unfallsablauf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Unfall ereignete sich gegen 12,20 Uhr auf der St.Johanner-Straße in Kitzbühel, die mit einer Fahrbahnbreite von 8 m an der Unfallstelle eben und übersichtlich in Nord-Süd-Richtung verläuft. Zur Unfallszeit war die Fahrbahn trocken. Der Erstbeklagte befuhr mit einem LKW-Zug der Firma P*** die St.Johanner-Straße in südlicher Richtung und beabsichtigte, in das östlich der St.Johanner-Straße gelegene Werksgelände der Firma P*** einzufahren. Bei Annäherung an die Einfahrt zur Firma P*** betätigte der Erstbeklagte bereits ca 90 m zuvor die linken Blinker an Zugfahrzeug und Anhänger. Er hielt den LKW-Zug mit der Front etwa auf Höhe der Mitte der 8 m breiten Einfahrt zur Firma P*** an, nachdem er sich nicht wesentlich zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet hatte. Mit einem derartigen LKW-Zug, der eine Breite von 2,3 m hat, ist es technisch möglich, sich auf ca 70 cm an die damals durch eine Leitlinie gekennzeichnete Fahrbahnmitte heran einzuordnen und von dieser Position aus nach links zur Firma P*** hin abzubiegen. Im Falle eines Einordnens mit einem derartigen LKW-Zug auf ca 70 cm zur Fahrbahnmitte hin verbleibt vom rechten Fahrbahnrand ein Abstand von ca 1 m. Es ließen sich zwar keine exakten Feststellungen zur Größe des Seitenabstandes des LKW-Zuges vor dem Einbiegen treffen, doch lag dieser jedenfalls erheblich unter 1 m.

Hinter dem anhaltenden LKW-Zug sammelte sich eine aus mindestens fünf Fahrzeugen bestehende PKW-Kolonne an, die ebenfalls zum Stillstand kam. Dieser Kolonne näherte sich von hinten der Kläger mit seinem PKW. Der Kläger übersah den am LKW-Zug eingeschalteten Blinker. Möglicherweise wurde er durch die hinter dem LKW-Zug stehenden Fahrzeuge verdeckt. Der Kläger schloß aus der Situierung des LKW-Zuges, daß der Lenker diesen kurzfristig abgestellt habe, um bei der Firma P*** etwas zu erledigen. Er wollte daher mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 km/h die Kolonne überholen. Der Erstbeklagte blickte vor dem Losfahren in den Rückspiegel, sah aber das Fahrzeug des Klägers nicht in Überholstellung und bog nach links ab. Mit welcher Anfahrbeschleunigung der LKW losfuhr, kann nicht festgestellt werden. Sie lag zwischen 0,3 und 1 m/sec2. Als der Kläger das Abbiegemanöver des LKW-Zuges bemerkte (zu diesem Zeitpunkt hatte der LKW-Zug ca 1 m ab dem Stillstand zurückgelegt, wofür er zwischen 1,4 und 2,8 Sekunden benötigte), bremste er und hätte, wenn die Bremsen ordnungsgemäß funktioniert hätten, den PKW noch hinter dem LKW-Zug zum Stillstand bringen können. Die Bremsen am PKW des Klägers sprachen kurz an, so daß sich ca 34,5 m vor dem späteren Kollisionsort beginnend kurze Bremsspuren vom PKW abzeichneten. Nach kurzer Bremswirkung versagten die Bremsen am PKW des Klägers, da der Bremsschlauch durchgescheuert war. Der PKW des Klägers fuhr ungebremst mit einer Geschwindigkeit zwischen 40 und 50 km/h weiter. Da die linke Fahrbahnhälfte bereits durch den LKW blockiert war, lenkte der Kläger seinen PKW in die Einfahrt der Firma P***, wo es ihm aber nicht mehr gelang, den PKW zwischen Haus und Zaun hindurchzusteuern; vielmehr prallte der PKW mit einer Geschwindigkeit zwischen 40 und 50 km/h gegen das Hauseck des Gebäudes der Firma P***. In diesem Augenblick war der LKW vom östlichen Gehsteig der St.Johanner-Straße noch ca 0,5 bis 1 m entfernt und hatte ab dem Losfahren eine Strecke von ca 6 m zurückgelegt, wofür er zumindest 5,4 Sekunden benötigte. Zum Zeitpunkt, als der LKW-Zug losfuhr, war der PKW mindestens 67,46 m (bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h) bis 71,38 m (bei 60 km/h) entfernt. Nicht festgestellt werden konnte, ob sich das Fahrzeug des Klägers zum Zeitpunkt des Beginnes des Abbiegevorganges des LKW-Zuges bereits auf der Überholspur befand, ob also der Erstbeklagte beim Blick in den Rückspiegel den auf der Überholspur befindlichen PKW übersah oder ob sich dieser noch nicht in Überholstellung befand.

Die Reaktion des Klägers erfolgte zwischen 48 m (bei 50 km/h) und 51 m (bei 60 km/h) vor dem Kollisionsort. Der Fahrstreifenwechsel des Klägers erfolgte 15 bis 20 m vor der Stelle, wo sein Reaktionsbeginn liegt, also ca 63 bis 73 m (bei 50 km/h) bzw. 66 bis 76 m (bei 60 km/h) vor dem Kollisionsort. Zum Zeitpunkt, als der LKW-Zug eine Strecke von 1 m zurückgelegt hatte und damit sein Abbiegemanöver für den Kläger auffällig wurde, befand sich dieser noch nicht in Fahrbahnmitte.

Ab dem Zeitpunkt der Kollision legte der LKW-Zug noch eine Strecke von ca 2 m in ca 1,5 Sekunden zurück, bis er so zum Stillstand kam, daß sich das linke Vorderrad des Zugfahrzeuges bereits zur Hälfte auf dem Gehsteig befand.

Der Kläger hatte seinen PKW mit dem Baujahr 1971, obwohl die Prüfplakette gemäß § 57 a KFG bis April Geltung hatte, am 31. März 1981 zur Überprüfung beim ÖAMTC in Kitzbühel gegeben. Dort wurden nur ein Reifen sowie ein Schaden am Rahmen beanstandet, welche Mängel der Kläger noch vor dem Unfall beheben ließ. Nicht beanstandet wurde, obwohl dies bei genauer Kontrolle sichtbar und auch greifbar gewesen wäre, daß der Bremsschlauch des PKW durch Abwetzen aufgescheuert wurde. Dadurch wurde der Bremsschlauch an der Scheuerstelle so dünn, daß er letztlich bei Beanspruchung, also als der Kläger gerade wegen des Abbiegens des LKW-Zuges bremsen wollte, porös wurde, so daß Bremsflüssigkeit nach außen trat und die Bremse keine Funktion mehr hatte.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß dem Erstbeklagten ein Verschulden an dem Unfall angelastet werden müsse. Er habe zwar ausreichend früh den linken Blinker betätigt und damit seine Abbiegeabsicht kundgetan, habe sich jedoch nicht ausreichend zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet, obwohl dies möglich gewesen wäre. Die Einordnung des Linksabbiegers zur Fahrbahnmitte solle auch gewährleisten, daß der nachfolgende Verkehr auf die Abbiegeabsicht aufmerksam gemacht werde. Das Unterlassen des Einordnens sei daher für den Unfall kausal, da der Kläger aus dem Umstand, daß sich der LKW-Zug nicht eingeordnet hatte, den unrichtigen Schluß gezogen habe, dieser wolle nicht abbiegen.

Es liege aber auch ein nicht unerhebliches Mitverschulden des Klägers vor, der die Blinkzeichen am LKW nicht beachtet habe. Wenn auch nicht ausgeschlossen werden könne, daß die Blinker durch die nachfolgende Kolonne für den Kläger verdeckt waren, so hätte er doch mit besonderer Vorsicht und Aufmerksamkeit an der Kolonne vorbeifahren müssen. Das Verschulden des Klägers wiege allerdings deshalb nicht so schwer wie jenes des Erstbeklagten, weil zu berücksichtigen sei, daß der Kläger in der Lage gewesen wäre, sein Fahrzeug noch rechtzeitig hinter dem LKW-Zug anzuhalten, wenn die Bremsen ausreichend funktioniert hätten. Auf die Frage, ob sich der Kläger eine außerordentliche Betriebsgefahr anrechnen lassen müsse, sei nicht einzugehen, da ein entsprechender Einwand seitens der Beklagten nicht erfolgt sei. Es erscheine daher eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten der Beklagten angemessen.

Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Beklagten zur ungeteilten Hand zu Zahlung von S 80.268,13 sA verurteilte und dem Feststellungsbegehren des Klägers in Ansehung eines Drittels des ihm aus dem Unfall vom 6. April 1981 entstehenden Schadens stattgab, das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 328.136,27 sA gerichtete Leistungsmehrbegehren und das Feststellungsmehrbegehren aber abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-

übersteigt.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes über den Unfallsablauf als unbedenklich und führte rechtlich zum Grund des Anspruches im wesentlichen aus, daß jede Partei, soweit sie der Gegenseite ein von ihr zu vertretendes Verschulden anlaste, hiefür die Behauptungs- und Beweislast treffe und diesbezüglich im erhobenen Sachverhaltsbild vebliebene Unklarheiten zu Lasten des Beweispflichtigen gingen. Auch bei Berücksichtigung der verbliebenen Unklarheiten und der diesbezüglich getroffenen negativen Feststellungen sei es gerechtfertigt, dem Erstbeklagten ein Verschulden am Unfall anzulasten. Er habe zwar das bevorstehende Abbiegemanöver im Sinne des § 11 Abs. 2 StVO rechtzeitig durch Betätigung des linken Blinkers angezeigt. Darüber hinaus wäre er aber nach § 12 Abs. 1 StVO verpflichtet gewesen, sich vor dem Abbiegen nach links entsprechend einzuordnen, also bei Vorliegen nur eines Fahrstreifens in seiner Fahrtrichtung möglichst nahe an die Fahrbahnmitte heranzufahren. Da die Fahrbahnmitte durch eine Leitlinie gekennzeichnet gewesen sei, wäre ein ordnungsgemäßes Einordnen zur Fahrbahnmitte hin auch durchaus möglich und zumutbar gewesen. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung sei für eine Kollision mit einem nachkommenden Fahrzeug, dessen Lenker die Abbiegeabsicht nicht oder zu spät erkannt habe, auch ursächlich, weil die Verpflichtung des Einordnens nach § 12 Abs. 1 StVO nicht nur ein Rechtsüberholen ermöglichen, sondern auch einen Beitrag zur besseren Erkennbarkeit eines Linksabbiegemanövers leisten solle. Wenn ein Einbiegen nach links in die Betriebseinfahrt mit diesem LKW-Zug das Einhalten eines Abstandes von 70 cm zur Fahrbahnmitte erfordert habe, könne zwar dem Erstbeklagten die Einhaltung dieses Abstandes nicht als Verstoß gegen § 12 Abs. 1 StVO angelastet werden. Der Erstbeklagte habe aber den für das Einbiegen erforderlichen Abstand zur Fahrbahnmitte noch erheblich überschritten und dadurch die Erkennbarkeit des beabsichtigten Linksabbiegemanövers für den Nachfolgeverkehr zusätzlich verschlechtert. Damit sei ihm aber ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 StVO anzulasten. Dazu komme, daß der Erstbeklagte, wenn er nach links in eine Betriebszufahrt abbiegen wollte, ohne sich vorher korrekt zur Fahrbahnmitte hin einordnen zu können, bei diesem Abbiegemanöver zu besonderer Vorsicht und Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen sei. Nur dann, wenn ein Fahrzeuglenker seine Linksabbiegeabsicht rechtzeitig angezeigt und sich ordnungsgemäß zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet habe, sei er in der Regel nicht verpflichtet, sich unmittelbar vor dem Abbiegen neuerlich zu vergewissern, ob er nicht links überholt werde. Sei hingegen ein ordnungsgemäßes Einordnen nicht erfolgt oder nicht möglich, müsse sich der Fahrzeuglenker durch einen weiteren Kontrollblick vom Nachfolgeverkehr überzeugen.

Im vorliegenden Fall sei allerdings nicht feststellbar gewesen, daß der Erstbeklagte bei seinem Blick in den Rückspiegel vor dem Losfahren das Fahrzeug des Klägers bereits in Überholstellung sehen habe können. Er hätte dies aber jedenfalls noch vor dem Überfahren der Fahrbahnmitte bei entsprechender zumutbarer Aufmerksamkeit erkennen können. Zu Recht habe daher das Erstgericht dem Erstbeklagten ein Verschulden am Unfall - wenngleich dieses nicht sehr gravierend sein möge - angelastet.

Auch den Kläger treffe ein nicht unerhebliches Mitverschulden am Unfall. Diesem Umstand habe das Erstgericht bei der von ihm vorgenommenen Schadensteilung nicht ausreichend Rechnung getragen; insbesondere habe es die durch das Versagen der Bremsen am Fahrzeug des Klägers hervorgerufene außerordentliche Betriebsgefahr zu Unrecht nicht berücksichtigt.

Einerseits sei das Verschulden des Klägers nicht so gering, daß es gegenüber jenem des Erstbeklagten nur mit einem Viertel zu veranschlagen wäre. Der Kläger habe entweder den eingeschalteten linken Blinker am LKW-Zug infolge Unachtsamkeit übersehen oder dem Umstand, daß dieser Blinker durch die hinter dem LKW-Zug stehenden Kraftfahrzeuge verdeckt war und insgesamt eine unklare Verkehrssituation bestand, nicht entsprechend Rechnung getragen. Im Zweifel sei zu Gunsten des Klägers von letzterer Variante auszugehen. Der Kläger habe keinen Grund gehabt, aus der gegebenen Verkehrssituation, insbesondere aus der Stellung des LKW-Zuges, den Schluß zu ziehen, daß der LKW-Zug lediglich kurzfristig abgestellt sei, damit der Lenker bei der Firma P*** etwas erledigen könne. Er hätte ebenso mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß der LKW-Zug angehalten worden sei, um den Gegenverkehr vorbeizulassen und sodann nach links in die Betriebszufahrt abzubiegen. In dieser unklaren Verkehrssituation hätte der Kläger an der angehaltenen Fahrzeugkolonne nicht ohne Abgabe eines Warnzeichens und weitgehende Herabsetzung der Geschwindigkeit vorbeifahren dürfen. Das Vorbeifahren an einer angehaltenen Fahrzeugkolonne im Sinne des § 17 Abs. 1 StVO erfordere nämlich schon wegen der durch die angehaltenen Fahrzeuge bedingten Sichtbehinderung besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit. Im Zweifelsfall müsse in einer unklaren Situation hinter einer Kolonne angehalten und ein Vorbeifahren unterlassen werden. Das Verschulden des Klägers wiege daher zumindest gleich schwer wie jenes des Erstbeklagten.

Dazu komme aber noch, daß eine wesentliche Unfallsursache auch die durch die versagende Bremsanlage des Fahrzeuges des Klägers hervorgerufene außerordentliche Betriebsgefahr gewesen sei. Die von einem Fahrzeug, das wegen Versagens der Bremsen nicht mehr beherrscht werden könne und gegen ein Gebäude pralle, ausgehende Gefahr sei eine außergewöhnliche Betriebsgefahr. Das Versagen der Bremsanlage am PKW des Klägers sei im vorliegenden Fall eine wesentliche Unfallsursache, weil der Kläger sein Fahrzeug noch rechtzeitig hinter dem nach links abbiegenden LKW-Zug anhalten hätte können, wenn die Bremsen ordnungsgemäß funktioniert hätten. Die gewöhnliche Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge werde zwar als Zurechnungskriterium bei der Beurteilung von Ausgleichsansprüchen nach § 11 Abs. 1 EKHG durch das Verschulden eines Beteiligten in der Regel zurückgedrängt. Hingegen komme eine Ausgleichspflicht je nach den Umständen des Falles dann in Betracht, wenn und soweit der Schaden auf eine von einem der beteiligten Fahrzeuge ausgehende außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen sei. Hier komme es auf die Umstände des Einzelfalles an. Insbesondere sei eine derartige Ausgleichspflicht zu bejahen, wenn das Verschulden des einen Beteiligten nicht so schwerwiegend sei, daß es gerechtfertigt erschiene, ihm gegenüber die zum Schaden beitragende außergewöhnliche Betriebsgefahr des anderen unfallsbeteiligten Fahrzeuges zu vernachlässigen. Ein solcher Fall sei hier gegeben. Berücksichtige man neben dem beiderseitigen Verschulden auch die vom PKW des Klägers ausgehende außergewöhnliche Betriebsgefahr, so erscheine eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten des Klägers gerechtfertigt. Der Kläger habe daher nur Anspruch auf Ersatz von einem Drittel seines Schadens.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen beider Streitteile. Der Kläger bekämpft es aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß ihm ein Betrag von S 242.345,98 sA zugesprochen und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Die Beklagten bekämpfen die Entscheidung des Berufungsgerichtes in ihrem klagsstattgebenden Teil gleichfalls aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Beide Streitteile haben Revisionsbeantwortungen mit dem Antrag erstattet, der Revision des Gegners keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs. 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig. Sachlich kommt der Revision des Klägers keine Berechtigung zu, wohl aber der Revision der Beklagten. Das Berufungsgericht hat durchaus zutreffend ausgeführt, daß die Behauptungs- und Beweislast für Tatumstände, aus denen ein die Haftung für die Unfallsfolgen begründendes Verschulden des Gegners abgeleitet wird, den trifft, der sich auf ein solches Verschulden beruft und daß jede in dieser Richtung verbleibende Unklarheit in tatsächlicher Hinsicht zu Lasten dessen geht, der ein Verschulden des Gegners behauptet (ZVR 1985/153 mwN uva).

Berücksichtigt man dies im vorliegenden Fall, dann kann dem Erstbeklagten ein Verschulden am Zustandekommen des hier zu beurteilenden Verkehrsunfalles nicht angelastet werden. Ausgehend von den Bestimmungen der §§ 11, 12 StVO hat die Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, daß der Lenker eines Kraftfahrzeuges, der seine Absicht, nach links abzubiegen, rechtzeitig angezeigt (§ 11 Abs. 2 StVO) und, nachdem er sich davon überzeugte, daß niemand zum Überholen ansetzt, sein Fahrzeug ordnungsgemäß eingeordnet hat (§ 12 Abs. 1 StVO), nicht verpflichtet ist, unmittelbar vor dem Abbiegen nach links noch einmal den Nachfolgeverkehr zu beobachten. Dieser Grundsatz gilt allerdings nur mit der Einschränkung, daß nicht besondere Gründe den Linksabbieger eine Gefahr erkennen lassen und damit besondere Vorsicht erforderlich machen. Ob somit die Unterlassung eines weiteren Rückblicks unmittelbar vor dem Linksabbiegen ein Verschulden begründet, hängt letztlich von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wurde bereits wiederholt entschieden, daß dann, wenn ein Fahrzeuglenker ein beabsichtigtes Linksabbiegemanöver nur durch Betätigung des Blinkers, auf Grund der Fahrbahnbreite bzw der Breite des Fahrzeuges jedoch nicht zusätzlich durch ein für den nachfolgenden Verkehr augenfälliges Einordnen zur Fahrbahnmitte anzeigen kann, für ihn eine Verkehrssituation besteht, die ihn zu besonderer Vorsicht verpflichtet und einen Rückblick unmittelbar vor Beginn des Linksabbiegens erforderlich macht (ZVR 1985/24 mwN uva). Ein derartiger Fall liegt auch hier vor. Zieht man in Betracht, daß nach den getroffenen Feststellungen der vom Erstbeklagten gelenkte LKW-Zug 2,3 m breit war und daß der Erstbeklagte einen Abstand von 0,7 m zur Fahrbahnmitte einhalten mußte, um das Linksabbiegemanöver durchführen zu können, dann bestand für ihn bei der Breite einer Fahrbahnhälfte von 4 m praktisch keine Möglichkeit für ein augenfälliges Einordnen des LKW-Zuges im Sinne des § 12 Abs. 1 StVO. Denn ein solches wäre auch nicht vorgelegen, wenn der Abstand des LKW-Zuges zur Fahrbahnmitte 0,7 m und zum rechten Fahrbahnrand rund 1 m betragen hätte. Es kann somit unerörtert bleiben, ob sich aus den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen ableiten läßt, daß der Erstbeklagte die Möglichkeit gehabt hätte, sich doch etwas weiter links einzuordnen, als er dies tatsächlich getan hat. Entscheidend ist, daß im Hinblick auf die Fahrbahnbreite und die Art des von ihm gelenkten Fahrzeuges der Erstbeklagte gar nicht die Möglichkeit hatte, den von ihm gelenkten LKW-Zug für den Nachfolgeverkehr augenfällig im Sinne des § 12 Abs. 1 StVO einzuordnen. Daraus folgt im Sinne der dargestellten Rechtsprechung die Verpflichtung des Erstbeklagten, sich durch einen (weiteren) Rückblick unmittelbar vor Beginn des Linksabbiegens davon zu überzeugen, daß er dieses Fahrmanöver ohne Gefährdung des Nachfolgeverkehrs durchführen konnte. Dieser Verpflichtung ist der Erstbeklagte nach den Feststellungen der Vorinstanzen nachgekommen. Wenn nicht festgestellt werden konnte, daß der Kläger im Zeitpunkt dieses Rückblicks des Erstbeklagten mit seinem PKW sein geplantes Überholmanöver bereits eingeleitet hatte, dann kann es nach den Umständen des vorliegenden Falles dem Erstbeklagten auch nicht als Verschulden angelastet werden, wenn er die Möglichkeit der Gefährdung des Klägers durch sein Abbiegemanöver nicht erkannte und dieses trotz des sich nähernden Fahrzeuges des Klägers fortsetzte. Zu einer weiteren Beobachtung des Nachfolgeverkehrs war der Erstbeklagte aber nach seinem Rückblick unmittelbar vor dem Linksabbiegen nicht mehr verpflichtet.

Wenn der Kläger in seiner Revision darzutun versucht, daß dem Erstbeklagten deswegen ein Verschulden anzulasten sei, weil er sein Linksabbiegemanöver nicht sofort fortgesetzt habe, als es der Gegenverkehr zuließ, ist ihm zu entgegnen, daß ein in dieser Richtung gehender Schuldvorwurf gegen den Erstbeklagten im Verfahren erster Instanz nicht erhoben wurde und in den von den Vorinstanzen getroffenen Sachverhaltsfeststellungen keine Grundlage findet. Insgesamt gestatten es die im vorliegenden Fall getroffenen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanzen nicht, dem Erstbeklagten ein Verschulden an dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall anzulasten.

Hingegen trifft dies für den Kläger sehr wohl zu. Selbst wenn man zu seinen Gunsten davon ausgeht, daß das am LKW-Zug in Tätigkeit befindliche Blinklicht, mit dem die geplante Fahrtrichtungsänderung rechtzeitig angezeigt wurde, für den Kläger durch die hinter dem LKW-Zug angehaltenen Fahrzeuge verdeckt war, bestand für den Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, zumindest eine unklare Verkehrssituation, die ihn im Sinne des § 20 Abs. 1 StVO zur rechtzeitigen und ausreichenden Herabsetzung seiner Geschwindigkeit verpflichtete (ZVR 1983/212; ZVR 1985/156; ZVR 1986/77 uva) und die es ihm keinesfalls gestattete, mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit an der vor ihm auf der Fahrbahn zum Stillstand gekommenden Fahrzeugkolonne vorbeizufahren. Schon aus diesem Grund ist dem Kläger ein sehr erhebliches Verschulden an dem eingetretenen Unfall anzulasten. Im übrigen muß er sich, wie das Berufungsgericht gleichfalls zutreffend erkannte, die durch das Versagen der Bremsen seines PKW ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr dieses Fahrzeuges (§ 9 Abs. 2 EKHG) anrechnen lassen.

Nach der im § 11 Abs. 1 EKHG normierten Rangordnung der für die gegenseitige Ersatzpflicht der Beteiligten angeführten Zurechnungskriterien besteht unter diesen Umständen im vorliegenden Fall kein Anlaß und keine rechtliche Möglichkeit, die Beklagten zum Ersatz des dem Kläger entstandenen Schadens heranzuziehen. Das Klagebegehren ist vielmehr bei richtiger rechtlicher Beurteilung abzuweisen.

Damit erweist sich die Revision des Klägers als unberechtigt. In Stattgebung der Revision der Beklagten waren die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der vollinhaltlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens in erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf den §§ 41, 50 ZPO.