JudikaturJustiz2Ob69/17m

2Ob69/17m – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Mai 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** AG *****, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Dr. Martin Wandl und Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 19.864,72 EUR sA, über die Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 16.550,75 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse 3.313,97 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2017, GZ 14 R 141/16g 18, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19. August 2016, GZ 18 Cg 72/15p 12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen .

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 69,80 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in der Abweisung eines Begehrens von 16.550,76 EUR samt 4 % Zinsen seit 11. November 2015 und im Kostenpunkt aufgehoben , und die Rechtssache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen .

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte betreibt als Eisenbahninfrastrukturunternehmen (idF: EIU) die in Niederösterreich gelegene Pottendorfer Linie. Am 11. 1. 2013 fiel dort aufgrund eines technischen Defekts bei einer Eisenbahnkreuzung eine Schranken- und Signalanlage aus. Die Schranken blieben daher offen, weder Lichtzeichen noch Läutwerk funktionierten. Die Störung wurde nach etwa 15 Minuten von der Sicherungsanlage der Beklagten erfasst, worauf unverzüglich Mitarbeiter zur Kreuzung entsandt wurden. Ein Fahrdienstleiter verständigte den Triebwagenführer eines von einem Eisenbahnverkehrsunternehmen (idF: EVU) betriebenen Zuges, der sich der Kreuzung näherte. Er wies ihn entsprechend den für diesen Fall bestehenden Vorschriften an, vor der Kreuzung anzuhalten und erst nach Abgabe von akustischen Signalen weiterzufahren. Der Triebwagenführer hielt sich an diese Weisung, blieb vor der Kreuzung stehen und gab zwei akustische Signale ab.

Zu diesem Zeitpunkt näherte sich auch ein bei der Klägerin haftpflicht- und kaskoversicherter Pkw der Kreuzung. Der Lenker verringerte wegen des Verkehrszeichens „Eisenbahnkreuzung mit Schranken“ – bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h – seine Geschwindigkeit auf etwa 50–60 km/h. Den angehaltenen Zug nahm er nicht wahr, weil die Sicht auf die Gleise durch einen dichten, mindestens 3 m hohen Bewuchs mit Bäumen und Sträuchern (Windschutzgürtel) stark eingeschränkt war. Auch die akustischen Signale hörte er nicht.

Der Triebfahrzeugführer fuhr nach Abgabe der Signale und einer Sichtkontrolle unter Abgabe eines weiteren Signals in die Kreuzung ein. Der Lenker des Pkw leitete nach Wahrnehmen des Zuges eine Vollbremsung ein, konnte aber den Zusammenstoß nicht mehr verhindern. Dabei wurden sowohl das Triebfahrzeug als auch der Pkw und die Infrastruktur beschädigt.

In einem Parallelverfahren begehrte die (hier) Beklagte von der Klägerin und dem Lenker des Pkw den Ersatz der Schäden an ihrer Infrastruktur. Die dort Beklagten wurden rechtskräftig zum Ersatz des halben Schadens verpflichtet. Nach den Entscheidungsgründen hafteten EIU und EVU als Eisenbahnbetreiber solidarisch. Die Beklagte (dort Klägerin) habe als Infrastrukturunternehmen wegen des Ausfalls der Schrankenanlage eine außergewöhnliche Betriebsgefahr zu vertreten, der Lenker des Pkw habe leicht fahrlässig gehandelt. Diese Zurechnungsgründe hätten gleiches Gewicht.

In weiterer Folge begehrte das EVU von der Klägerin außergerichtlich den Ersatz seines 33.101,51 EUR betragenden Schadens. Die Klägerin kündigte der Beklagten an, sie nach Zahlung auf Regress in Anspruch zu nehmen, und leistete dem EVU den begehrten Betrag. Weiters zahlte sie ihrem Versicherungsnehmer aufgrund seines von der Kaskoversicherung gedeckten Schadens 6.627,94 EUR. Beide Beträge sind der Höhe nach unstrittig.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin 19.864,72 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 9. 2015. Sie habe aufgrund des Unfalls Leistungen von 39.729,45 EUR erbracht. Aus dem rechtskräftigen Urteil im Parallelverfahren ergebe sich, dass die Beklagte für die Hälfte des Schadens hafte. Durch den Unfall hätten sich Gefahren verwirklicht, die sowohl in die Sphäre der Beklagten als auch des EVU fielen. Beide seien daher Betriebsunternehmer iSv § 5 EKHG, die nach § 5 Abs 2 EKHG solidarisch hafteten. Die Klägerin habe die „Rechnungen“ des EVU irrtümlich zu Gänze bezahlt, „welche sie daher von der beklagten Partei als Solidarschuldnerin im Umfang der – nicht geschuldeten – Haftungsquote von 50 % zurückfordert“.

Die Beklagte wendet ein, dass das alleinige Verschulden am Unfall den Lenker des Pkw treffe, weil er sich der Kreuzung nach § 97 Abs 1 Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 (idF: EKV) so hätte annähern müssen, dass er erforderlichenfalls davor anhalten hätte können, und weil er nach § 99 Abs 1 EKV in der konkreten Situation zum Anhalten verpflichtet gewesen sei. Hingegen seien die Beklagte und der Lenker des Triebwagens vorschriftsmäßig vorgegangen; es treffe sie kein Verschulden. Nach dem EKHG hafte die Beklagte als bloßes Infrastrukturunternehmen nicht. Jedenfalls habe es sich aber um ein unabwendbares Ereignis iSv § 9 EKHG gehandelt. Die für den Fall einer Störung vorhandenen und eingehaltenen Vorschriften seien geeignet gewesen, den Unfall zu verhindern. Daher sei keine außergewöhnliche Betriebsgefahr vorgelegen; jedenfalls lasse das grobe Verschulden des Lenkers eine solche Betriebsgefahr in den Hintergrund treten. Das Urteil im Parallelverfahren entfalte keine Bindungswirkung, da es einen anderen Schaden betroffen habe.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 11.589,35 EUR samt Zinsen seit Klageerhebung und wies das Mehrbegehren ab. Sowohl die Beklagte als auch das EVU seien Betriebsunternehmen iSv § 5 EKHG; sie hafteten solidarisch. § 9 EKHG sei nicht anwendbar, weil der Unfall auf ein Versagen der Betriebseinrichtungen der Eisenbahn zurückzuführen gewesen sei. Dem leichten Verschulden des Lenkers, für das die Klägerin einzustehen habe, stehe eine außergewöhnliche Betriebsgefahr auf Seiten des EVU und der Beklagten gegenüber. Der Schaden sei daher im Verhältnis 1:1 zwischen der Klägerin einerseits und den solidarisch haftenden Eisenbahnunternehmen zu teilen; die Beklagte und das EVU hafteten intern zu je einem Viertel. Daher habe die Klägerin Anspruch auf ein Viertel jenes Ersatzes, den sie dem EVU geleistet habe. Hingegen erhalte sie ihre dem Versicherungsnehmer erbrachte Leistung zur Hälfte ersetzt, weil die Beklagte und das EVU insofern solidarisch hafteten. Die Ansprüche des Lenkers seien nach § 67 VersVG auf die Klägerin übergegangen. Zinsen gebührten erst ab Erheben der Klage.

Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht änderte die Entscheidung dahin ab, dass es die Beklagte nur zur Zahlung von 3.313,97 EUR sA verpflichtete und auch das weitere Mehrbegehren abwies. Die Revision ließ es zu.

Die Beklagte und das EVU seien Mitbetriebsunternehmer und hafteten daher solidarisch. Da den Lenker des Pkw kein grobes Verschulden treffe und der Ausfall der Schrankenanlage eine außergewöhnliche Betriebsgefahr begründet habe, sei der Schaden zwischen dem Lenker und Eigentümer des Pkw einerseits und den beiden Betriebsunternehmen andererseits im Verhältnis 1:1 zu teilen. Daher habe der Eigentümer des PKW Anspruch auf die Hälfte seines Schadens. Im Umfang der Zahlung sei dieser Anspruch nach § 67 VersVG auf die Klägerin übergegangen. Hingegen sei der Anspruch in Bezug auf die Leistung der Klägerin an das EVU nicht begründet. Zwar fielen unter § 67 VersVG auch Rückgriffs-, Ausgleichs- oder Bereicherungsansprüche des Versicherungsnehmers. Die Schäden des EVU hätten allerdings keinen Schadenersatzanspruch, sondern nur eine „Leistungspflicht“ des Versicherungsnehmers begründet. Daher habe es hier „schon grundsätzlich“ zu keinem Forderungsübergang nach § 67 VersVG kommen können. Auch ein Bereicherungsanspruch wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld bestehe nicht, weil die Klägerin dem EVU und nicht der Beklagten geleistet habe.

Die Revision sei zuzulassen, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob sowohl EVU als auch EIU als Betriebsunternehmer anzusehen seien und daher solidarisch hafteten.

Gegen diese Entscheidung richten sich ordentliche Revisionen beider Parteien .

Die Klägerin strebt eine zur Gänze stattgebende Entscheidung an. § 67 VersVG erfasse auch Regress- und Bereicherungsansprüche. Die Beklagte und das EVU hafteten solidarisch. Daher könne die Klägerin ihren Regressanspruch gegen jeden der beiden Solidarschuldner geltend machen. Weiters habe die Klägerin dem EVU irrtümlich mehr als die Hälfte von dessen Schaden gezahlt. Insofern sei das EVU bereichert. Wegen der ungeteilten Haftung der Betriebsunternehmer nach § 5 Abs 2 EKHG könne die Klägerin den nach § 67 VersVG auf sie übergegangenen Bereicherungsanspruch auch gegen die Beklagte geltend machen.

Die Beklagte beantragt die vollständige Abweisung der Klage. Sie hafte nicht nach dem EKHG. Den Lenker des Pkw treffe ein grobes Verschulden, eine außergewöhnliche Betriebsgefahr sei wegen Einhaltung aller Vorschriften nicht vorgelegen.

Hilfsweise stellen beide Parteien auch Aufhebungsanträge.

In den Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig . Die Revision der Klägerin ist zulässig , weil die eine Vorfrage für den Regressanspruch der Klägerin bildende Haftung des EIU gegenüber dem EVU einer Klarstellung bedarf; sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt .

A. Zur Revision der Beklagten

1. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist inzwischen geklärt:

1.1. In der Entscheidung 2 Ob 18/16k hat der Senat ausführlich zu den haftungsrechtlichen Folgen der unionsrechtlich bedingten (RL 91/440/EWG, nunmehr RL 2012/34/EU) und in § 1a und § 1b EisbG umgesetzten Aufspaltung von betriebswirtschaftlichen Teilbereichen der Eisenbahn in EIU und EVU Stellung genommen: Jedenfalls dann, wenn sich eine im Zusammenwirken dieser Unternehmen begründete Betriebsgefahr verwirklicht hat, haften sie als „mehrere Betriebsunternehmer“ iSv § 5 Abs 2 EKHG solidarisch. Nur wenn die Gefahr ausnahmsweise nicht auf einem Zusammenwirken von EIU und EVU beruhte, haftet allein jenes Unternehmen, dessen Betrieb die Gefahr (allein) zuzurechnen war (ebenso Reiter , Die Gefährdungshaftung der regulierten Eisenbahn, ZVR 2014/78, 148 [151 f]; Schauer in Schwimann/Kodek 4 VII § 5 EKHG Rz 7; vgl auch Koziol/Apathy/Koch , Österreichisches Haftpflichtrecht III 3 [2014] A2 Rz 37). Zum selben Ergebnis gelangt – bei vergleichbarer Rechtslage – die Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (VI ZR 69/03, NJW-RR 2004, 959; vgl dazu Kaufmann in Geigel , Haftpflichtprozess 27 Kap 26 Rn 14 f; Filthaut , Haftpflichtgesetz 9 [2015] § 1 Rn 56).

1.2. Entscheidend ist daher der Gefahrenzusammenhang zwischen dem (jeweiligen) Betrieb und dem eingetretenen Schaden (vgl zu diesem Erfordernis zuletzt 2 Ob 188/16k mwN). Bei einem Unfall mit einer sich auf einem Schienennetz bewegenden Eisenbahn wird dieser Gefahrenzusammenhang regelmäßig sowohl beim EIV als auch beim EVU anzunehmen sein.

1.3. Im konkreten Fall war der Unfall Folge des Befahrens der Infrastruktur der Beklagten durch einen Zug des EVU. Es verwirklichte sich daher die Gefahr der schienengebundenen (EIU) Fortbewegung (EVU) der Eisenbahn . An der Anwendbarkeit des EKHG auch auf das hier beklagte EIU besteht daher nach der eingangs zitierten Entscheidung kein Zweifel. Die Beklagte und das EVU haften als Mitbetriebsunternehmer solidarisch für den Schaden des Versicherungsnehmers der Klägerin (§ 5 Abs 2 EKHG).

2. Auch sonst liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor.

2.1. Der Senat hat schon mehrfach ausgesprochen, dass der Ausfall oder die Fehlfunktion einer Signalanlage an einer Kreuzung mit einer Eisenbahn (Straßenbahn) eine außergewöhnliche Betriebsgefahr begründet (2 Ob 224/00f ZVR 2002/38; 2 Ob 159/03a ZVR 2005/60; 2 Ob 122/08t). Das gilt auch für den hier zu beurteilenden Ausfall einer Schranken- und Signalanlage. Da es sich dabei um ein Versagen der Verrichtungen der Eisenbahn handelt, ist der Haftungsausschluss nach § 9 EKHG schon nach Abs 1 dieser Bestimmung unanwendbar; auf die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt iSv § 9 Abs 2 EKHG kommt es daher nicht an (RIS Justiz RS0058244; zuletzt etwa 2 Ob 18/16k). Aus diesem Grund ist unerheblich, dass den Mitarbeitern der Beklagten und des EVU offenkundig keine Sorgfaltsverletzung zur Last fällt.

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung werden ein nicht gravierendes Verschulden und eine außergewöhnliche Betriebsgefahr bei der nach § 11 Abs 1 EKHG vorzunehmenden Abwägung der Zurechnungsgründe als gleichwertig betrachtet (RIS-Justiz RS0123366; RS0058551 [T11]; speziell zum Ausfall einer Eisenbahn-Signalanlage 2 Ob 224/00f; 2 Ob 159/03a und 2 Ob 122/08t). Die Annahme des Berufungsgerichts, dass den Lenker des Pkw wegen der Sichtbehinderung trotz des Verstoßes gegen Bestimmungen der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 kein gravierendes Verschulden traf, bedarf keiner Korrektur.

3. Das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage führt zur Zurückweisung der Revision. Da die Klägerin auf diesen Umstand hingewiesen hat, hat ihr die Beklagte die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

B. Zur Revision der Klägerin

1. Ob die Klägerin über einen nach § 67 VersVG auf sie übergegangenen Rückgriffanspruch nach § 11 Abs 1 EKHG verfügt, kann nicht abschließend beurteilt werden.

1.1. Die Klägerin hat dem EVU den gesamten Schaden ersetzt. Hat ihr Versicherungsnehmer für diesen Schaden solidarisch mit der Beklagten gehaftet, wäre durch die ihm zuzurechnende Zahlung der Klägerin nach Maßgabe der Zurechnungsgründe des § 11 Abs 1 EKHG ein Regressanspruch gegen die Beklagte entstanden. Ein solcher Regressanspruch des Versicherungsnehmers wäre nach § 67 VersVG auf die Klägerin übergegangen (RIS-Justiz RS0081235). Diese Bestimmung erfasst – wie das Berufungsgericht ohnehin zutreffend ausführt – auch Ausgleichsansprüche des Versicherungsnehmers, die durch die (Direkt-)Zahlung seines Haftpflichtversicherers entstehen (2 Ob 35/15h, EvBl 2016/66 [ Rubin ] = ZVR 2016/150 [ Rudolf ] mwN). Es ist daher zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Klägerin und die Beklagte dem EVU solidarisch gehaftet haben.

1.2. Die Klägerin haftete jedenfalls nur für den halben Schaden des EVU.

(a) Die Beklagte und das EVU sind im konkreten Fall Mitbetriebsunternehmer (oben A.1). Sie haften daher dem Geschädigten solidarisch (§ 5 Abs 2 EKHG) und müssten gegebenenfalls den Regressanspruch eines dritten Unfallbeteiligten (§ 11 Abs 1 EKHG) ohne Rücksicht darauf befriedigen, in welchem Verhältnis sie intern – nach den Regeln des § 896 ABGB ( Schauer in Kodek / Schwimann 4 § 5 EKHG Rz 32 mwN) – zu diesem Regress beizutragen haben (8 Ob 138/81, SZ 54/119; RIS-Justiz RS0017426). Denn für einen Dritten ist regelmäßig nicht erkennbar, welchem von mehreren Betriebsunternehmern oder Haltern der Schaden letztlich zuzurechnen ist (8 Ob 138/81; Koziol/Apathy/Koch , Haftpflichtrecht 3 III [2014] A2 Rz 37). EIU und EVU stehen daher einem geschädigten oder regressberechtigten Dritten als Einheit gegenüber; sie können sich ihm gegenüber nicht darauf berufen, dass einer von ihnen den strittigen Schaden oder Regress im Innenverhältnis überwiegend oder sogar allein tragen müsste.

(b) Diese Wertung ist verallgemeinerungsfähig. Reiter (ZVR 2014, 152) leitet daraus ab, dass sich ein EVU nicht auf die Haftungsbefreiung des § 9 EKHG stützen kann, wenn in der Sphäre des EIU ein Fehler in der Beschaffenheit oder ein Versagen der Verrichtungen iSv § 9 Abs 1 EKHG vorlag. Eine bei isolierter Betrachtung mögliche Haftungsbefreiung scheitert daher, wenn in der Sphäre eines Mitbetriebsunternehmers ein (insofern relevanter) Mangel vorliegt. Aufgrund derselben Erwägungen muss sich aber auch ein EVU bei Verfolgung eigener Ansprüche ein Mitverschulden oder eine Betriebsgefahr auf Seiten des EIU anrechnen lassen. Bei der Abwägung nach § 11 Abs 1 Satz 2 EKHG im Verhältnis zwischen einem EVU und dem haftpflichtigen Lenker/Halter eines Pkw fällt daher ein in der Sphäre des EIU vorliegendes Verschulden oder eine dort verwirklichte Betriebsgefahr (auch) dem EVU anspruchmindernd zur Last.

(c) Dieses Ergebnis entspricht der Wertung des § 19 Abs 2 EKHG. Danach hat sich der Halter oder Betriebsunternehmer das Verschulden von Personen, die mit seinem Willen beim Betrieb der Eisenbahn oder des Kraftfahrzeugs tätig waren, zurechnen zu lassen, wobei dies auch bei der Verfolgung eigener Ansprüche gilt (2 Ob 245/82, ZVR 1984/22; RIS-Justiz RS0058406; zuletzt etwa [in einem Regressfall] 2 Ob 251/08p). Das Mitwirken eines EIU beim Betrieb einer Eisenbahn durch ein EVU ist dem in § 19 Abs 2 EKHG angesprochenen Handeln von Personen, die mit Willen des Halters oder Betriebsunternehmers beim Betrieb tätig werden, gleichzuhalten. Jedenfalls ein Verschulden auf Seiten des EIU fiele daher (auch) dem EVU zur Last (vgl zur Haftung aus dem Beförderungsvertrag BGH X ZR 59/11, NZV 2012, 226 [Zurechnung des EIU nach § 278 BGB]). Gleiches muss aber auch für eine außergewöhnliche Betriebsgefahr im Bereich des EIU gelten, die, hätte sie sich in der Sphäre des EVU verwirklicht, einen von diesem geltend gemachten Anspruch gegen einen Dritten gemindert hätte. Dass sich § 19 Abs 2 EKHG nur auf ein Verschulden bezieht, schadet insofern nicht, weil Mithalter oder Mitbetriebsunternehmer nicht in den unmittelbaren Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen, sodass sich die Frage einer Anrechnung der Betriebsgefahr im Regelfall nicht stellt. Diesen Fall hatte der Gesetzgeber offenbar nicht bedacht.

(d) Aufgrund dieser Erwägungen haftet die Klägerin nur für den halben Schaden des EVU. Denn dem (nicht gravierenden) Verschulden des Lenkers steht die durch den Ausfall der Signal- und Schrankenanlage entstandene außergewöhnliche Betriebsgefahr gegenüber, sie sich zwar in der Sphäre des beklagten EIU verwirklichte, aber auch dem EVU zuzurechnen ist. Diese Zurechnungselemente wiegen gleich schwer (oben A.2.), was nach § 11 Abs 1 Satz 2 EKHG zur Haftung der Klägerin nur für den halben Schaden des EVU führt.

1.3. Ob und in welchem Umfang die Beklagte dem EVU haftet, kann nicht abschließend beurteilt werden.

(a) Grundlage für die Haftung der Beklagten könnten das EKHG, die Einheitliche Rechtsvorschriften über die Nutzung der Infrastruktur im internationalen Eisenbahnverkehr (CUI; Anhang E zum Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr [COTIF]) und der zwischen diesen Parteien bestehende Infrastrukturnutzungsvertrag (§ 70a EisbG) sein, wobei eine vertragliche Regelung dem (dispositiven) EKHG vorginge (2 Ob 222/09z ZVR 2011/48). Nach derzeitigem Stand des Verfahrens ist lediglich die Anwendung der CUI ausgeschlossen. Dieses Übereinkommen erfasst nach seinem Art 1 Abs 1 nur Verträge über die Nutzung einer Eisenbahninfrastruktur zum Zwecke der Durchführung internationaler Eisenbahnbeförderungen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Zwar ordnet § 31 Eisenbahn-Beförderungs- und Fahrgastrechtegesetz (EisbBFG) darüber hinaus an, dass die Art 1 § 2, Art 3 bis 23 und Art 25 CUI – und damit insbesondere Art 8 CUI, der die Haftung des EIU gegenüber dem EVU regelt – auch in rein nationalen Fällen anzuwenden sind ( Schauer in Kodek / Schwimann 4 § 5 EKHG Rz 7a; Zehetbauer/Motter , Nationales und Internationales Transportrecht [2017] 247). Diese Bestimmung trat allerdings nach § 33 EisbBFG erst mit 1. 7. 2013 in Kraft, während sich der hier strittige Unfall schon am 11. 1. 2013 ereignete. Er ist daher vom zeitlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht erfasst, weswegen auch eine Grundlage für die Anwendung der CUI fehlt.

(b) Es ist anzunehmen, dass der zum Zeitpunkt des Unfalls geltende Infrastrukturnutzungsvertrag (§ 70a EisbG) auch die Haftung der Beklagten für Sachschäden regelte, die bei Benutzung der Infrastruktur entstanden (vgl 2 Ob 222/09z für von einem EVU verursachte Schäden an Anlagen des EIU). Diese Frage wurde mit den Parteien aber noch nicht erörtert; ein Vorbringen dazu fehlt. Dies wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein. Eine allenfalls denkbare Haftung nach dem EKHG (vgl dazu Schauer in Kodek / Schwimann 4 § 5 EKHG Rz 7a mwN zur Rsp des BGH, der eine Gefährdungshaftung des EIU gegenüber dem EVU bejaht [VI ZR 69/03, NZV 2004, 245]) wäre durch eine abschließende Regelung im Nutzungsvertrag verdrängt (2 Ob 222/09z). Sollte der hier maßgebende Vertrag jenem entsprechen, der der Entscheidung 2 Ob 222/09z zugrunde lag, wäre die Haftung – wie auch nach Art 8 § 2 lit b CUI – ausgeschlossen, wenn der Schaden „durch Umstände verursacht worden ist, die [das EIU] nicht vermeiden und deren Folgen [es] nicht abwenden konnte“; ein (nicht vermeidbares) Versagen von Verrichtungen stünde – anders als nach § 9 Abs 1 EKHG – diesem Haftungsausschluss nicht entgegen (2 Ob 222/09z). Eine Solidarhaftung bestünde dann nicht.

1.4. Sollte sich demgegenüber aus dem Infrastrukturnutzungsvertrag oder – bei Fehlen einer abschließenden Regelung – aus dem EKHG ergeben, dass die Beklagte für zumindest die Hälfte des Schadens des EVU haftet, läge in diesem Betrag eine Solidarhaftung mit der (ebenfalls für die Hälfte haftenden) Klägerin vor; bei einer Haftung der Beklagten für weniger als die Hälfte des Schadens wäre die Solidarhaftung auf diesen Betrag beschränkt. Nur in diesem Umfang könnte ein Regressanspruch iSv § 11 Abs 1 EKHG bestehen ( Schauer in Kodek / Schwimann 4 § 11 EKHG Rz 51; Koziol/Apathy/Koch , Österreichisches Haftpflichtrecht III 3 [2014] A2 Rz 90; 2 Ob 7/73, SZ 46/14 [zu §§ 1302, 896 ABGB]). Jener Betrag, für den Solidarhaftung besteht, wäre wegen des gleichen Gewichts der Zurechnungsgründe von den Parteien je zur Hälfte zu tragen. Bei vertraglicher oder außervertraglicher Haftung der Beklagten für zumindest die Hälfte des Schadens betrüge der Regressanspruch der Klägerin daher – wie vom Erstgericht aus anderen Gründen angenommen – ein Viertel des Gesamtschadens. Eine abschließende Beurteilung ist in diesem Punkt allerdings nicht möglich, weil Grund und Höhe des Anspruchs des EVU gegen die Beklagte und damit das Bestehen und das Ausmaß einer Solidarhaftung erst nach entsprechender Ergänzung des Verfahrens beurteilt werden können.

2. Soweit kein Regressanspruch iSv § 11 Abs 1 EKHG besteht, könnte die Klägerin ihr Begehren unter Umständen auf Bereicherungsrecht (§ 1042 ABGB) stützen. Auch diese Frage kann aber noch nicht abschließend beurteilt werden.

2.1. Die Klägerin hat dem EVU den gesamten Schaden ersetzt, obwohl sie nur für die Hälfte haftete (oben B.1.2.). Da die Leistung im übersteigenden Umfang rechtsgrundlos erfolgte, wird sie insofern – wie bereits die Vorinstanzen ausgeführt haben – über einen Kondiktionsanspruch nach § 1431 ABGB verfügen (RIS-Justiz RS0033765, RS0033607). Der nach dieser Bestimmung erforderliche Irrtum über die Leistungspflicht kann ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum sein; er unterliegt nicht den besonderen Voraussetzungen des § 871 ABGB (RIS-Justiz RS0014880; 7 Ob 191/03v), Verschulden des Leistenden schadet nicht (RIS-Justiz RS0033607). Der Anspruch nach § 1431 ABGB richtet sich allerdings gegen den Leistungsempfänger, hier also gegen das EVU. Eine Leistung an die Beklagte hat weder die Klägerin noch ihr Versicherungsnehmer erbracht.

2.2. Begleicht der Leistende jedoch irrtümlich die Schuld eines Dritten, so besteht neben der Leistungskondiktion auch ein Anspruch nach § 1042 ABGB gegen den eigentlichen Schuldner (2 Ob 157/10t, SZ 2011/60 = JBl 2011, 591 [ Rummel ] = ÖBA 2011, 820 [ Apathy ]; Koziol/Spitzer in KBB 5 § 1042 Rz 4; Apathy in Kodek//Schwimann 4 § 1042 Rz 4). Damit könnte die Klägerin ihren Anspruch, soweit er nicht nach § 11 EKHG begründet ist, grundsätzlich auch auf § 1042 ABGB stützen. Das setzte aber wieder voraus, dass das EVU tatsächlich einen Anspruch gegen die Beklagte hatte, von dem diese durch die Zahlung der Klägerin – zumindest vorläufig (2 Ob 157/10t) – befreit wurde. Ob das zutrifft, ist auch hier im fortgesetzten Verfahren zu klären.

3. Aufgrund dieser Erwägungen hat die Revision der Klägerin im Ergebnis Erfolg. Die Urteile der Vorinstanzen sind in der Abweisung des Mehrbegehrens (halber Schaden des EVU) aufzuheben, und die Rechtssache ist insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Das fortgesetzte Verfahren hat sich auf das Bestehen eines Schadenersatzanspruchs des EVU gegen die Beklagte zu beschränken (mit den oben in B.1.4. und B.2.2. genannten Rechtsfolgen); alle anderen Fragen sind abschließend erledigt.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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