JudikaturJustiz2Ob58/91

2Ob58/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. April 1992

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dagmar F*****, vertreten durch Dr. Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1.) Brunhilde S*****,

2.) Heidrun V*****, 3.) Wiltrud K*****, sämtliche vertreten durch Dr. Klaus Fischer, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Feststellung (S 51.000,-) infolge Revision der klagenden und Revisionsrekurses der erstbeklagten Partei gegen das Urteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 2. September 1991, GZ 2 R 176,477/91-10, womit infolge Berufung und Rekurses der klagenden Partei a) das Urteil und b) der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 8.April 1991, GZ 10 Cg 19/91-6, a) bestätigt und b) abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der Beschluß des Rekursgerichtes wird abgeändert und der Beschluß des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt, daß das gegen die Erstbeklagte gerichtete Klagebegehren, es werde festgestellt, daß diese der Klägerin für alle Schäden hafte, die ihr aus dem Unfall vom 11.12.1959 ab dem 27.6.1993 in Zukunft entstehen, abgewiesen wird;

2.) zu Recht erkannt und beschlossen:

Der Revision der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen, die in der Abweisung des gegen die zweit- und drittbeklagte Partei gerichteten Klagebegehrens, es werde festgestellt, daß diese als fideikommissarische Substitutionsberechtigte schuldig seien, in die Vollsteckung der auf Grund des Feststellungsurteiles gerichtlich rechtskräftig festgestellten Forderungen ob den unter Punkt II 1 lit.a bis c des erstgerichtlichen Urteiles genannten Liegenschaften bzw. Liegenschaftsanteilen einzuwilligen, bestätigt werden, werden im übrigen - die zweit- und drittbeklagte Partei

betreffend - aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen;

3.) die Kostenentscheidung bleibt sowohl hinsichtlich der erstbeklagten als auch hinsichtlich der zweit- und drittbeklagten Partei der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die im Jahre 1945 geborene Klägerin wurde am 11.12.1959 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Die Erstbeklagte war Lenkerin eines an dem Unfall beteiligten PKWs. Ihr verstorbener Gatte Hans-J***** S***** war der Halter und Eigentümer dieses PKWs. Im Verfahren 1 Cg 93/62 des Landesgerichtes Feldkirch erging am 27.6.1963 gegen die nunmehrige Erstbeklagte und deren Ehegatten ein Teilanerkenntnisurteil (Feststellungsurteil) folgenden Inhalts: "Die beklagten Parteien haften zur ungeteilten Hand für alle Schäden, die der Klägerin aus dem Unfall vom 11.12.1959 ab dem 27.6.1963 in Zukunft entstehen".

Der Ehegatte der Klägerin verstarb am 10.9.1987. Der Nachlaß wurde der Erstbeklagten auf Grund der von ihr abgegebenen unbedingten Erbserklärung unter Hinweis auf die angeordnete fideikommissarische Substitution zugunsten der Zweit- und Drittbeklagten eingeantwortet. Der Nachlaß bestand im wesentlichen aus den Liegenschaften EZ 1446 Gp 91018 S***** zu 120/7240-Anteilen, B-LNR 19 samt Wohnungseigentum, EZ 3497 Gp 92110 G*****, Hälfteanteil B-LNR 2, EZ 951 Gp 92110 G***** zu 14/39-Anteilen, B-LNR 4 samt Wohnungseigentum an W-1. Die Erstbeklagte haftet der Klägerin für alle Folgen des Unfalls als Lenkerin des den Unfall verursachenden PKWs und als Einzelrechtsnachfolgerin des Hans-J***** S***** als Halter dieses Fahrzeuges.

Nunmehr begehrte die Klägerin von der Erstbeklagten die Bezahlung eines Betrages von S 41.498,46 sA. und von der Zweit- sowie Drittbeklagten, in die Vollstreckung des Urteilsspruches über das Leistungsbegehren und der damit verbundenen Prozeßkosten einzuwilligen. Weiters begehrte sie die Feststellung, daß die Erstbeklagte der Klägerin für alle Schäden haftet, die dieser aus dem Unfall vom 11.12.1959 ab dem 27.6.1993 in Zukunft entstehen und die Zweit- und Drittbeklagte als fideikommissarische Substitutionsberechtigte schuldig seien, in die Vollstreckung der auf Grund dieses Feststellungsurteiles gerichtlich rechtskräftig festgestellten Forderungen ob den genannten Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteilen einzuwilligen. Das Feststellungsbegehren sei wegen des nahenden Ablaufes der durch das Feststellungsurteil vom 27.6.1963 in Lauf gesetzten 30jährigen Verjährungsfrist erforderlich.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten insbesondere ein, daß ein neuerliches Feststellungsbegehren unzulässig und verjährt sei. Die Zweit- und Drittbeklagten hätten keinen Anlaß zur Klageführung gegeben. Der Rechtsweg ihnen gegenüber sei unzulässig.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren gegen die Erstbeklagte wegen Rechtskraft des seinerzeitigen Feststellungsurteiles zurück. Die Klagebegehren gegen die Zweit- und Drittbeklagte wies es mit Teilurteil ab, weil bisher kein Exekutionstitel gegen den Erblasser oder die Verlassenschaft vorliege.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Klägerin gegen die Zurückweisung der Feststellungsklage gegenüber der Erstbeklagten Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Der Berufung der Klägerin gab es nicht Folge. In beiden Fällen sprach es aus, daß der Streitwert S 50.000 übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Nach Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz sei die Zulässigkeit einer zweiten Feststellungsklage vor Ablauf der durch das erste Feststellungsurteil neu in Gang gesetzten Verjährungsfrist von 30 Jahren zu bejahen. Die Zustimmungsklage gegen die Nacherben vor Erlangung eines Exekutionstitels sei jedoch verfrüht, weil das nach § 228 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegenüber den Nacherben zu verneinen sei.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Erstbeklagten mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wiederherzustellen und die Revision der Klägerin, die beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und dem Klagebegehren gegenüber der zweit- und drittbeklagten Partei stattzugeben.

In den Rechtsmittelgegenschriften wird beantragt, den Rechtsmitteln der Gegenseite nicht Folge zu geben.

1.) Zum Revisionsrekurs der Erstbeklagten:

Die Erstbeklagte steht auf dem Standpunkt, daß das neuerliche Feststellungsbegehren, das sich auf das schädigende Ereignis vom 11.12.1959 bezieht, "als verjährt zu betrachten sei, weil rechtliche Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem auch einmal enden müßten". Dazu war zu erwägen:

Rechtliche Beurteilung

Die Verjährung dient der allgemeinen Rechtssicherheit. Sie soll dadurch gefördert werden, daß ein Zustand, der lange Zeit unangefochten bestanden hat, auch von der Rechtsordnung anerkannt wird; sie soll allzugroßen Beweisschwierigkeiten und damit umständlichen Prozessen vorbeugen und soll schließlich ein Druckmittel zur Vermeidung von Nachlässigkeiten in der Rechtsausübung sein (Koziol-Welser8 I 176). Es soll ein Anspruch geschwächt werden, wenn er nicht geltend gemacht wird (NJW 1964, 821). Wird er aber gerichtlich geltend gemacht und gehörig fortgesetzt, so unterbricht dies gemäß § 1497 ABGB den Ablauf der Verjährungsfrist. Die Erwägung, die 30jährige Verjährungsfrist solle das absolute Höchstmaß eines Ersatzanspruches sein, findet daher in den gesetzlichen Vorschriften über die Verjährung keine Stütze (vgl auch Feldmann in Münchner Kommentar Rz 10 zu § 218 BGB).

Der Oberste Gerichtshof hat in einer Vielzahl von Entscheidungen jeweils ausgesprochen, daß zur Vermeidung der Einrede der Verjährung eines Anspruches ein rechtskräftiges Feststellungsurteil erwirkt werden kann, das - abgesehen von wiederkehrenden Leistungen - die Verjährung für die Dauer von 30 Jahren grundsätzlich ausschließt (SZ 45/8; VersR 1975, 1166; ZVR 1980/159; ZVR 1986/5; VersR 1990, 803 ua). Er hat insbesondere in SZ 45/8 die Ansicht widerlegt, daß trotz Vorliegens eines Feststellungsurteils die Verjährungsfrage für in Zukunft entstehende Ansprüche immer wieder gesondert nach den für solche Ansprüche anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen beurteilt werden müsse; vielmehr ist der durch ein Judikat festgestellte Anspruch durch eine damit bewirkte 30jährige Verjährungsfrist gesichert (vgl JMV 1858, 105 und den insoweit gleichgelagerten § 218 Abs 1 BGB). Dies bedeutet aber noch nicht, daß die Wirkung des Feststellungsurteils nach 30 Jahren erlischt. Verjähren kann immer nur ein Anspruch, nicht aber ein rechtskräftiges Feststellungsurteil über einen Anspruch. Demgemäß ist insbesondere in der deutschen Judikatur, die auf einer vergleichbaren Rechtslage beruht (SZ 45/8), unterschieden worden, ob es sich um einen Anspruch auf rückständige Leistungen handelt, für den die Verjährung bei rechtskräftiger Feststellung (§ 218 Abs 1 BGB) mit der Rechtskraft des Urteiles beginnt oder um zukünftige mit Feststellungsurteil gesicherte Ansprüche, deren 30jährige Verjährungszeit erst mit der Fälligkeit des Anspruches zu laufen beginnt (Feldmann in Münchner Kommentar Rz 10 zu § 218; Palandt, BGB51 Rz 3 und 4 zu § 218: "Durch die rechtskräftige Feststellung, wird die bisher maßgebende Verjährungsfrist durch die 30jährige Verjährung ersetzt, war aber der Anspruch noch nicht fällig, beginnt die Verjährung erst mit der Fälligkeit"; Celle NJW 1964, 820; Walter in Kohlhammer-Kommentar zum BGB Rz 3 zu § 218). Auch Schubert in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 1489 führt in diesem Sinne aus, daß bei Vorliegen eines Feststellungsurteiles, das die Schadenersatzpflicht nur dem Grunde nach feststellt, die erst nachträglich entstehenden Ansprüche - wiederkehrende ausgenommen - erst nach 30 Jahren verjähren. P. Bydlinski, Schadenseintritt und Verjährung in DRdA 1983, 190, legt unter Hinweis auf Peters, Die Kenntnis vom Schaden als Verjährungsvoraussetzung bei § 852 I BGB, JZ 1983, 121 überzeugend dar, daß eine Verjährung nicht beginnen könne, bevor der Gläubiger (Geschädigte) eine Chance zur Realisierung der Forderung hat. Nimmt er diese nicht wahr, indem er es unterläßt, aufgrund des schädigenden Ereignisses eine Feststellungsklage zu erheben oder im Falle späteren Schadenseintrittes den durch Feststellungsurteil als Judikatschuld gesicherten Anspruch geltend zu machen, läuft er Gefahr, seiner Ansprüche durch Verjährung gemäß § 1489 ABGB verlustig zu gehen. Erwirkte er aber ein rechtskräftiges Feststellungsurteil, in dessen Rahmen er - nicht ab Rechtskraft, sondern ab tatsächlichem Schadenseintritt - vor Verjährung gesichert erscheint, so kann von einer Nachlässigkeit bei Ausübung seiner Rechte als einem der Ausgangspunkte des Rechtsinstitutes der Verjährung nicht gesprochen werden.

Die dargelegten Erwägungen widerlegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß es notwendig sei, eine zweite Feststellungsklage zuzulassen, um eine neue Verjährungsfrist in Gang zu setzen. Das bereits erlassene rechtskräftige Feststellungsurteil entfaltet vielmehr die ihm zukommenden Rechtswirkungen für alle zukünftigen Ansprüche der Klägerin, wobei lediglich die durch das Urteil umfaßten zukünftigen Ansprüche selbst verjähren können. Letzteres ist aber hier nicht mehr weiter zu untersuchen. Die im Ergebnis gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichtes ist demnach nicht zu billigen, weshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes mit der im Spruch dargestellten Maßnahme wiederherzustellen war.

2.) Zur Revision der Klägerin:

Mit Recht verweist die Klägerin darauf, daß der Standpunkt der Vorinstanzen, wonach das Klagebegehren gegen die substitutionsberechtigten Zweit- und Drittbeklagten vor Behandlung des Leistungsbegehrens gegen die erstbeklagte Vorerbin abzuweisen sei, weil gegen letztere noch kein Exekutionstitel vorliegt, verfehlt ist. Das bisherige Verfahren hat ergeben, daß die Erstbeklagte auch als Einzelrechtsnachfolgerin des verstorbenen Ehegatten, der Halter des unfallsbeteiligten Fahrzeuges war, haftet. Ihr wurde der Nachlaß auf Grund unbedingter Erbserklärung eingeantwortet. Das Klagebegehren auf Bezahlung von letztlich S 41.498,46 sA hat daher auch den Zweck, einen Exekutionstitel für die Nachlaßschuld zu erwirken. Wird ein solcher geschaffen, ist die Exekution in die Substitutionsmasse möglich, wenn die Nacherben zustimmen oder erfolgreich auf Duldung der Exekution geklagt werden (Welser in Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 613; Heller-Berger-Stix, EO4 II 907 f; SZ 46/28; SZ 49/103 ua).

Da die Klägerin sowohl die Erstbeklagte zur Erwirkung eines Exekutionstitels für ihre Schadenersatzforderung als auch die Zweit- und Drittbeklagte auf Zustimmung zur Duldung der Exekution in die Substitutionsmasse in Anspruch nimmt, hängt die Entscheidung üer das Duldungsbegehren von dem Ersatzbegehren gegen die Erstbeklagte ab. Bei dieser Sachlage ist die Abweisung des Duldungsbegehrens gegenüber den Nacherben durch ein Teilurteil, das im gleichen Verfahren erlassen wurde, in dem auch über das Leistungsbegehren gegen die Vorerbin zu erkennen sein wird, "als verfrüht", nicht nur ein hier allerdings zufolge Billigung durch das Berufungsgericht nicht aufgreifbarer Verfahrensmangel des Erstgerichtes, sondern auch ein dem Sinn der dargestellten Regelung über das Vorhandensein bzw. die Schaffung eines Exekutionstitels als Voraussetzung für die Erwirkung einer Exekution in die Substitutionsmasse widersprechender Rechtsirrtum, der zur Aufhebung des diesbezüglichen Entscheidungsergebnisses der Vorinstanzen führen muß.

Soweit die Klägerin allerdings auch ein Duldungsbegehren gegenüber der Zweit- und Drittbeklagten "zur Vollstreckung ihres Feststellungsbegehrens" stellte, erweist sich dieses schon mangels Berechtigung desselben wie zu Punkt 1 der Entscheidung ausgeführt wurde, als unberechtigt.

Zusammenfassend sind daher die Urteile der Vorinstanzen insoweit aufzuheben, als sie das Klagebegehren gegen die Zweit- und Drittbeklagte auf Duldung der Vollstreckung in die Substitutionsmasse zugunsten der Leistungsbegehren gegen die Erstbeklagte abweisen, weil darüber nur im Zusammenhang mit der Entscheidung über letztere Begehren sinnvoll erkannt werden kann. Im übrigen war das Berufungsurteil aber aus den dargelegten Gründen zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung war gemäß §§ 52 Abs.2, 392 Abs.2 ZPO der Endentscheidung vorzubehalten.

Rechtssätze
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