JudikaturJustiz2Ob565/89

2Ob565/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Warta als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Karlheinz U***, geboren am 31.12.1974 in Innsbruck, Kirchgasse 3, 6401 Inzing, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck als Amtsvormund, diese vertreten durch Dr.Johann Paul Cammerlander, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Walter S***, geboren am 2.7.1933, Bundesbahnpensionist, Salzstraße 17, 6601 Hatting, vertreten durch Dr.Rudolf Wieser, Dr.Friedrich Hohenauer, Dr.Martin Zanon, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens C 300/78 des Bezirksgerichtes Telfs (Feststellung der Vaterschaft und Unterhalt), infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 3.Mai 1989, GZ 3 a R 216/89-57, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Telfs vom 10. Februar 1989, GZ 1 C 1/89b-93, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Beiden Rekursen wird teilweise Folge gegeben. Der Beschluß des Rekursgerichtes wird, soweit er die Punkte 1 und 2 des Ersturteils betrifft, aufgehoben und in der Sache dahin erkannt, daß diese beiden Punkte des Ersturteils (Bewilligung der Wiederaufnahme und Beseitigung der Urteile) wiederhergestellt werden.

Im übrigen (hinsichtlich der Punkte 3 und 4 des Ersturteils) wird den Rekursen nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller Instanzen bleibt der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu C 185/75 des Erstgerichtes begehrte der Kläger, Anton P*** als seinen Vater festzustellen. Da das Verfahren ergab, daß die Mutter des Klägers innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist außer mit Anton P*** auch mit dem nunmehrigen Beklagten und mit Willi O*** Geschlechtsverkehr gehabt hatte, wurden hinsichtlich dieser drei Männer serologische Sachverständigengutachten eingeholt. Nach diesen Gutachten war Willi O*** von der Vaterschaft ausgeschlossen. Anton P*** war nach klassischen Erbmerkmalen nicht ausgeschlossen, eine biostatistische Hochrechnung ergab sogar, daß seine Vaterschaft faktisch erwiesen sei (99,9 %), nach dem HLA-System war Anton P*** jedoch ausgeschlossen. Einen Ausschluß des nunmehrigen Beklagten ergaben die Gutachten nicht, es ergab sich eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 95,5 %. Auf Grund dieser Beweisergebnisse wurde das gegen Anton P*** gerichtete Klagebegehren abgewiesen.

Zu C 300/78 wurde die Feststellung der Vaterschaft des nunmehrigen Beklagten begehrt. In diesem Verfahren wurde kein neuerliches serologisches Gutachten eingeholt, wohl aber eine erbbiologisch-anthropologische Begutachtung vorgenommen, die zu dem Ergebnis gelangte, die Vaterschaft des Beklagten sei als unwahrscheinlich zu bezeichnen. Auf Grund dieses Gutachtens in Verbindung mit einen im Verfahren C 185/75 eingeholten Tragzeitgutachten wurde das Klagebegehren abgewiesen, weil dem Beklagten der Beweis der Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft im Sinne des § 163 Abs 2, 1.Halbsatz ABGB gelungen sei. Mit der am 10.5.1984 zur Post gegebenen Klage wird die Wiederaufnahme des Verfahrens C 300/78 des Erstgerichtes begehrt. Als Wiederaufnahmsgrund wurde in der Klage geltend gemacht, eine auf Ersuchen des Amtsvormundes vom Institut für gerichtliche Medizin der Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit dem Institut für Blutgruppenserologie der Universität Freiburg durchgeführte biostatistische Berechnung habe eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten von 99,85 % mit der Bewertung "Vaterschaft praktisch erwiesen" ergeben. Dieses Gutachten sei dem Amtsvormund am 16.4.1984 zugestellt worden.

Der Beklagte wendete ein, die biostatistische Berechnung stelle keinen Wiederaufnahmsgrund dar, überdies hätte die Wiederaufnahmsklage binnen 4 Wochen ab Kenntnis von der biostatistischen Berechnungsmethode eingebracht werden müssen. In dem am 26.9.1984 eingebrachten Schriftsatz ON 10 führte der Kläger ergänzend aus, es gehe nicht darum, ob die biostatistische Berechnungsmethode einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund darstelle, sondern darum, daß die zu C 185/75 des Erstgerichtes vorgenommene biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung sowohl bei Anton P*** als auch beim Beklagten unrichtig sei. Unterstützend werde auch ein neuerliches erbbiologisch-anthropologisches Gutachten beantragt, weil - wie jetzt festgestellt worden sei - eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Vater des Beklagten und vor allem mit der am 27.12.1980 geborenen Tochter des Beklagten bestehe. Dieses Kind müßte in die erbbiologisch-anthropologische Untersuchung einbezogen werden.

Das Erstgericht bewilligte mit Urteil vom 8.5.1985, GZ C 257/84-17, die beantragte Wiederaufnahme. Es ging hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Am 23.2.1984 begab sich Dr.Waltraud M*** in ihrer Eigenschaft als Amtsvormund in das gerichtsmedizinische Institut der Universität Innsbruck, um sich ganz allgemein über die Erstattung von Vaterschaftsgutachten informieren zu lassen. Oberarzt Dr.U***, mit dem sie auch über die hinsichtlich des Klägers erstatteten Gutachten sprach, erklärte, Zweifel an der Richtigkeit der Gutachten zu haben. Er könne erst auf Grund der Zusammenarbeit mit dem Institut für Blutgruppenserologie der Universität Freiburg genauere Angaben über eine Wahrscheinlichkeit einer Vaterschaft des Beklagten zum Kläger angeben. Die vorhandenen Unterlagen müßten zu diesem Zweck genauestens durchgesehen werden, die Weiterentwicklung im HLA-System aus gesicherten diesbezüglichen serologischen biostatistischen Untersuchungen ließen in zunehmendem Ausmaß exakte Berechnungen zu. Am 29.2.1984 erteilte Dr.Waltraud M*** an Dr.U*** den Auftrag, unter Einbeziehung der bisher

vorliegenden gutachtlichen Ergebnisse ein entsprechendes ergänzendes gerichtsmedizinisches Gutachten zu erstatten. Das Institut für gerichtliche Medizin der Universität Innsbruck führte in Zusammenarbeit mit dem Institut für Blutgruppenserologie der Universität Freiburg eine biostatistische Computerberechnung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten auf Grund sämtlicher serologischer Untersuchungsergebnisse durch. Es ergab sich eine biostatistische Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,85 % mit der Bewertung "Vaterschaft praktisch erwiesen". Die Diskrepanz zum erbbiologisch-anthropologischen Gutachten wurde damit begründet, daß die Erscheinungsmerkmale beim Kind damals noch nicht entsprechend ausgebildet gewesen seien. Aus forensisch-serologischer und biostatistischer Sicht sei jedoch der zwingende Verdacht berechtigt, daß es sich bei dem Beklagten um den leiblichen Vater des Klägers handle. Dieser Verdacht wird insbesondere durch den Umstand erhärtet, daß sich in den letzten Jahren immer deutlichere Ähnlichkeitsmerkmale zwischen dem Kläger und der Tochter des Beklagten herausgebildet haben. Das Gutachten wurde dem Amtsvormund am 16.4.1984 zugestellt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt damals dahin, bei der biostatistischen Berechnungsmethode handle es sich ohne Zweifel um eine neue wissenschaftliche Erkenntnismethode, die erst jetzt wirklich exakte Berechnungen zulasse. Diese neue Methode sei im Vorprozeß jedenfalls noch unbekannt gewesen, insbesondere hätten aber weder der Kläger noch sein Vertreter davon Kenntnis haben können. Diese neue

Vaterschaftsfeststellungsmethode - insbesondere im Zusammenhang mit einem neu durchgeführten anthropologisch-erbbiologischen Gutachten - sei auch unzweifelhaft geeignet, eine günstigere Entscheidung gegenüber dem Vorprozeß herbeizuführen. Auch schließe die Tatsache, daß eine erbbiologische Untersuchung im Vorprozeß wegen des noch geringen Alters des Kindes noch nicht exakt gewesen sei, eine Wiederaufnahme zur Durchführung dieses Beweismittels nicht aus. Die Klagsfrist habe an dem Tag begonnen, an welchem für die Partei erkennbar gewesen sei, daß mit Hilfe des neuen Beweismittels eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit zur Erlangung eines günstigeren Ergebnisses vorliege. Es könne nicht auf den Tag genau festgelegt werden, ab wann eine neue wissenschaftliche Methode einen solchen Grad an Exaktheit und Zuverlässigkeit erreicht habe, daß sie als neues Beweismittel herangezogen werden könne. Daher könne das Zuwarten mit der Anbringung der Wiederaufnahmsklage nicht zur Versäumung der Frist des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO führen. Das Berufungsgericht gab der gegen das im ersten Rechtsgang ergangene Ersturteil gerichteten Berufung des Beklagten nicht Folge. Es führte aus, bei neuen Beweismitteln beginne die Frist nicht, bevor die Partei Kenntnis davon habe, daß das Beweismittel tatsächlich Relevanz habe. Im vorliegenden Fall habe die Frist daher erst mit der Zustellung des Gutachtens begonnen. Auf Grund des auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnisquellen basierenden Gutachtens, das eine biostatistische Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten von 99,85 % ergeben habe, könne kein Zweifel bestehen, daß dieses Beweismittel, wäre es dem Kläger im Verfahren C 300/78 zur Verfügung gestanden, zu einer für ihn günstigeren Entscheidung geführt hätte.

Mit Beschluß vom 21.1.1986, 2 Ob 677/85, hob der Oberste Gerichtshof die im ersten Rechtsgang ergangenen Urteile der Vorinstanzen aus folgenden Erwägungen auf:

Auf die von Rechtsprechung und Lehre nicht einheitlich beantwortete Frage, ob eine neue Untersuchungsmethode für eine Wiederaufnahmsklage im Vaterschaftsverfahren ausreiche, brauche hier nicht eingegangen zu werden. Die biostatistische Methode stelle nämlich keine neue Untersuchungsmethode dar. Diese Methode sei nicht nur zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung im Verfahren C 300/78 (1.3.1979), sondern auch schon zur Zeit der Erstattung der Gutachten im Verfahren C 185/75 (November 1977) angewendet worden (vgl. Herbich, RZ 1978, 125 ff; A. Kayser, Entwicklungen bei der Vaterschaftsfeststellung in biomathematischer Beweis der Vaterschaft, Festschrift für Eric Essen-Möller 21 ff; Beitzke-Hosemann-Dahr-Schade, Vaterschaftsgutachten für die gerichtliche Praxis (1978) 141 ff; G. Brühl, Sieben Fragen zur gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung, FamRZ 1974, 66 ff). Diese Methode sei im Verfahren C 185/75 auch tatsächlich angewendet worden, wenn auch nach dem nunmehr vorliegenden Gutachten nicht alle vorhandenen Untersuchungsergebnisse berücksichtigt worden sein sollen. Zur Behauptung des Klägers, die Methode sei damals nicht bekannt bzw. nicht üblich gewesen, sei darauf hinzuweisen, daß hiefür bereits im § 43 Abs 1 Z 13 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 eine eigene Gebühr vorgesehen sei. Auch in dem vom Amtsvormund nunmehr eingeholten Gutachten werde nicht ausgeführt, daß es sich um eine neue Methode handle, sondern lediglich, daß eine biostatistische Berechnung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten auf Grund sämtlicher serologischer aktenkundiger Untersuchungsergebnisse bislang nicht veranlaßt worden sei. Ein Sachverständigengutachten, das bereits zur Zeit des Vorprozesses möglich gewesen wäre, könne aber eine Wiederaufnahmsklage nicht rechtfertigen (vgl. EFSlg 3339). Auch der Kläger erkenne - wie sich aus dem Schriftsatz ON 10 ergebe - offensichtlich, daß es sich um keine neue wissenschaftliche Methode handle, sein wesentliches Argument sei nämlich, daß die im Vorprozeß vorgenommenen statistischen Berechnungen unrichtig seien. Der Umstand, daß ein anderer Sachverständiger später ein abweichendes Gutachten erstelle, rechtfertige aber keine Wiederaufnahme (8 Ob 124/82).

Obwohl somit die biostatistische Berechnungsmethode im vorliegenden Verfahren keinen Wiederaufnahmsgrund darstellen könne, wäre eine Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens nicht berechtigt. Dies wegen des Antrages des Klägers, ein neuerliches erbbiologisch-anthropologisches Gutachten einzuholen. Der Oberste Gerichtshof habe bereits ausgesprochen, daß die Wiederholung einer erbbiologisch-anthropologischen Untersuchung als tauglicher Wiederaufnahmsgrund in Frage kommen könne (EFSlg 44.136 mwN). Berücksichtige man, daß im vorliegenden Fall nicht nur behauptet werde, daß der Kläger dem Vater des Beklagten ähnlich sehe, sondern, daß eine besondere Ähnlichkeit mit der erst nach Abschluß des Vorprozesses geborenen Tochter des Beklagten bestehen soll, dann müsse davon ausgegangen werden, daß besondere Umstände vorliegen, die die Möglichkeit eines für den Wiederaufnahmskläger günstigeren Ergebnisses annehmen lassen (vgl. EFSlg 36.811). Dafür, daß eine neuerliche erbbiologisch-anthropologische Untersuchung schon früher ebenso brauchbare Ergebnisse gezeitigt hätte, wie die erst jetzt durchzuführende, bestünden keine Anhaltspunkte, weshalb im Sinne der ständigen Rechtsprechung nicht von einer verspäteten Einbringung der auf eine neuerliche erbbiologisch-anthropologische Untersuchung gestützten Wiederaufnahmsklage auszugehen sei (EFSlg 36.813, 44.136 uva).

Da nach ständiger Rechtsprechung über eine auf erbbiologisch-anthropologische Untersuchung gestützte Wiederaufnahmsklage erst nach Durchführung der Untersuchung im Wiederaufnahmsverfahren entschieden werden könne (EFSlg 18.575 uva), hätten die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben werden müssen. Eine neuerliche Entscheidung habe erst nach Einholung des erbbiologisch-anthropologischen Gutachtens zu erfolgen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß als Teil der durchzuführenden erbbiologisch-anthropologischen Untersuchung allenfalls auch eine, als Wiederaufnahmsgrund selbständig nicht in Betracht kommende, neuerliche serologische Untersuchung zulässig sein könnte (EFSlg 20.850, 25.409 ua).

Im zweiten Rechtsgang bestellte das Erstgericht Univ.Prof.Dr.G.U*** zum Sachverständigen und erteilte ihm den Auftrag, ein erbbiologisch-anthropologisches Gutachten bezüglich der Vaterschaft des Beklagten zum Kläger unter Berücksichtigung der am 27.12.1980 geborenen Tochter des Beklagten zu erstellen, sowie eine weitere serologische Untersuchung im Sinne der Ausführungen des Obersten Gerichtshofes im Aufhebungsbeschluß durchzuführen. Dr.U*** erstattete ein Gutachten, in welchem er ausführt, er sei nach sorgfältigem Aktenstudium, insbesondere Durchsicht des erbbiologisch-anthropologischen Vorgutachtens sowie des serologischen Vorgutachtens zu der Auffassung gelangt, daß eine Erweiterung der serologischen Untersuchungen erforderlich und am zielführendsten sei. Diese habe eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,973 % ergeben, die Vaterschaft sei "praktisch erwiesen". Eine nochmalige anthropologische Untersuchung erübrige sich, da der mehr als hinlänglich gesicherte serologische Befund durch das Ergebnis einer anthropologisch-erbbiologischen Untersuchung im vorliegenden Fall in keinem Fall widerlegt werden könnte.

In der Folge erteilte das Erstgericht dem Sachverständigen Dr.U*** den Auftrag, im Sinne der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ein anthropologisches Gutachten zu erstatten. Daraufhin erstattete der Sachverständige Dr.U*** ein erbbiologisch-cytogenetisches Sachverständigengutachten, in welchem er ausführte, es habe sich ein positiver Vaterschaftshinweis ergeben, zusammen mit dem serologischen Blutgutachten sei die Vaterschaft des Beklagten zum Kläger praktisch erwiesen. Das Erstgericht bewilligte nunmehr neuerlich die Wiederaufnahme des Verfahrens (1), beseitigte die Urteile des Bezirksgerichtes Telfs vom 1.3.1979, C 300/78-14, und des Landesgerichtes Innsbruck vom 17.4.1980, 1 R 204/80 (2), stellte den Beklagten als Vater des Klägers fest und erkannte den Beklagten schuldig, dem Kläger ab Klagstag (17.5.1978) bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 900 zu zahlen (3). Schließlich erkannte das Erstgericht den Beklagten schuldig, dem Kläger die Prozeßkosten zu ersetzen (4). Das Gericht erster Instanz führte aus, auf Grund des Sachverständigengutachtens sei die Vaterschaft praktisch erwiesen, die Wiederaufnahme des Verfahrens sei aus den in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes angeführten Gründen zu bewilligen gewesen. Im Hinblick auf die Beweisergebnisse - beide Ergänzungsgutachten hätten die Vaterschaft des Beklagten als "praktisch erwiesen" festgestellt - sei daher dem Begehren auf Feststellung der außerehelichen Vaterschaft stattzugeben gewesen. Der Beklagte habe das Unterhaltsbegehren für den Fall der Feststellung seiner Vaterschaft im bisherigen Verfahren nie bestritten, es sei daher davon auszugehen, daß dieses Begehren, das auch der Höhe nach angemessen erscheine, unbestritten geblieben sei, sodaß auch dem Unterhaltsbegehren im vollen Umfang stattzugeben gewesen sei.

Das Rekursgericht hob dieses Urteil des Erstgerichtes auf Grund der auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Berufung des Beklagten unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte aus, gemäß § 542 Abs 1 ZPO bestehe zwar die Möglichkeit einer Verbindung von Wiederaufnahmeverfahren und wiederaufgenommenem Verfahren; jedoch habe das Gericht, wenn es von dieser Möglichkeit Gebrauch mache, die dem Wiederaufnahmebegehren stattgebende Entscheidung zu verkünden und durch Beschluß anzuordnen, daß vor Ausfertigung dieser Entscheidung in der Hauptsache verhandelt werde. Dadurch, daß das Erstgericht dieser Vorgangsweise nicht entsprochen habe, habe es unter anderem die beklagte Partei daran gehindert, in der Hauptsache neu zu verhandeln und etwa weiteres Vorbringen zum Unterhaltsbegehren des Klägers zu erstatten. Tatsächlich sei nämlich das wiederaufgenommene Verfahren völlig neu durchzuführen (Fasching, Zivilprozeßrecht, RZ 2090; SZ 24/192). Aber auch die über das Wiederaufnahmsbegehren selbst ergangene - gesondert anfechtbare - Entscheidung halte einer Überprüfung nicht stand. Das Erstgericht habe sich nämlich im Wiederaufnahmsverfahren entgegen der Anordnung im Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes nicht mit dem noch als maßgeblich verbliebenen Wiederaufnahmsgrund, im Wege eines neuerlichen erbbiologisch-anthropologischen Gutachtens könne die Ähnlichkeit zwischen dem Kläger und dem Vater des Beklagten bzw. der erst nach Abschluß des Vorprozesses geborenen Tochter des Beklagten erwiesen werden, auseinandergesetzt. Gegenstand des Wiederaufnahmsverfahrens sei aber die Prüfung und Entscheidung, ob der behauptete Wiederaufnahmsgrund bestehe und ob und inwieweit auf Grund dessen die vorangegangene Entscheidung bzw. das vorangegangene Verfahren aufzuheben seien; dazu müsse vor allem untersucht werden, ob der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund tatsächlich existiere, ob also das Vorbringen des Wiederaufnahmsklägers wahr sei. Nach ständiger Rechtsprechung könne aber darüber erst entschieden werden, wenn das Gericht im Zuge des über den Grund und der Zulässigkeit der Wiederaufnahme vorgesehenen Verfahrens das angebotene Beweismittel (hier das erbbiologisch-anthropologische Gutachten) aufgenommen habe. Das vom Erstgericht anstelle der erbbiologisch-anthropologischen Untersuchung seiner Entscheidung zugrundegelegte erweiterte serologische Gutachten sowie der erbbiologisch-cytogenetische Sachbefund entsprächen hingegen nicht dem von der klagenden Partei behaupteten Wiederaufnahmsgrund, zumal die weiteren Bezugspersonen (Vater und Tochter des Beklagten) im Rahmen der Begutachtung nicht berücksichtigt worden seien. Dazu komme, daß mangels entsprechender Behauptungen die Wahrung der 4-wöchigen Notfrist des § 534 Abs 1 ZPO in Ansehung des nunmehr vom Erstgericht angenommenen Wiederaufnahmsgrundes (erbbiologisch-cytogenetisches Gutachten) nicht überprüft werden könne. Das Urteil des Erstgerichtes habe daher aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen werden müssen. Im fortgesetzten Verfahren werde auf den geltend gemachten Wiederaufnahmsgrund einzugehen und ein erbbiologisch-anthropologisches Gutachten einzuholen sein, das auch auf die angeblich nunmehr erkennbare Ähnlichkeit des Klägers mit dem Vater und der am 27.12.1980 geborenen Tochter des Beklagten Bedacht nehme. Im Falle einer neuerlichen Bewilligung der Wiederaufnahme würden die Verfahrensvorschriften der §§ 540 ff ZPO über die Führung der Verhandlung zur Hauptsache zu beachten sein.

Beide Parteien bekämpfen den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekursen, in denen der Antrag gestellt wird, der Oberste Gerichtshof möge in der Sache selbst erkennen, wobei der Kläger eine Wiederherstellung des Ersturteiles begehrt, der Beklagte hingegen die Abweisung der Wiederaufnahmsklage.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind insofern berechtigt, als hinsichtlich des Wiederaufnahmebegehrens eine Sachentscheidung zu fällen ist. Diese hat im Sinne des Antrages des Klägers im klagsstattgebenden Sinne zu lauten. Hinsichtlich der Punkte 3 und 4 des Ersturteiles hat es jedoch bei der Aufhebung zu bleiben.

Wie bereits oben dargelegt, hat der Oberste Gerichtshof in seinem Aufhebungsbeschluß ausgeführt, ein Sachverständigengutachten, das bereits im Vorprozeß möglich gewesen wäre, könne eine Wiederaufnahmsklage nicht rechtfertigen, der Umstand, daß ein anderer Sachverständiger später ein (von dem im Vorprozeß erstatteten) abweichendes Gutachten erstatte, rechtfertige keine Wiederaufnahmsklage, allerdings könne die Wiederholung einer erbbiologisch-anthropologischen Untersuchung als tauglicher Wiederaufnahmsgrund in Frage kommen, als Teil der durchzuführenden erbbiologisch-anthropologischen Untersuchung könne allenfalls auch eine als Wiederaufnahmsgrund selbständig nicht in Betracht kommende neuerliche serologische Untersuchung zulässig sein. Über eine auf ein neuerliches erbbiologisch-anthropologisches Gutachten gestützte Wiederaufnahmsklage könne erst nach Durchführung der Untersuchung im Wiederaufnahmeverfahren entschieden werden. Da im ersten Rechtsgang ein derartiges gerichtliches Sachverständigengutachten nicht eingeholt worden war, sondern nur ein vom Kläger eingeholtes serologisches Gutachten als Entscheidungsgrundlage diente, war eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen im ersten Rechtsgang unumgänglich.

Nunmehr hat das Erstgericht - entsprechend dem Auftrag des Obersten Gerichtshofes - einen Sachverständigen bestellt und diesem den Auftrag zur Erstattung eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens erteilt. Der Sachverständige führte eine neuerliche serologische Untersuchung und sodann eine erbbiologisch-cytogenetische Untersuchung durch und gelangte zu dem Ergebnis, die Vaterschaft sei praktisch erwiesen, eine anthropologische Untersuchung erübrige sich.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist eine scharfe Trennung der anthropologisch-erbbiologischen Untersuchung von der Blutuntersuchung nicht möglich, der mit diesen Untersuchungsmethoden angestrebte Zweck kann vielfach nur auf Grund der Untersuchungsergebnisse in ihrer Gesamtheit erzielt werden. Als Teil der anthropologisch-erbbiologischen Untersuchung könne eine Blutuntersuchung daher auch zulässig sein, wenn sie allein in dem betreffenden Fall keinen Wiederaufnahmsgrund darstellen würde (EFSlg 5591, 7275, 16.334, 18.577, 20.849, 25.409, 52.264 ua). Im vorliegenden Fall wurden Blutuntersuchungen als Teil der anthropologisch-erbbiologischen Untersuchung durchgeführt, auf Grund der darauf basierenden Gutachten nahm das Erstgericht die Vaterschaft praktisch als erwiesen an. Der Beklagte bekämpfte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes in der Berufung nicht, sondern vertrat lediglich die Ansicht, die eingeholten Blutgutachten seien kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund.

Es ist daher von den Feststellungen des Erstgerichtes auszugehen, nach welchen die Vaterschaft des Beklagten zum Kläger auf Grund eines als Teil eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens anzusehenden Blutgutachtens praktisch erwiesen ist (Vaterschaftswahrscheinlichkeit 99,973 %). Damit erübrigt sich aber die Durchführung der übrigen Teile der für ein erbbiologisch-anthropologisches Gutachten erforderlichen Untersuchung, zumal der Beklagte nicht behauptet, diese wäre zur Widerlegung der Ergebnisse der Blutuntersuchungen geeignet. Der Beklagte stellte schon in seiner Berufung die Aussagekraft eines erbbiologisch-anthropologischen Gutachtens in Frage und führte in seinem Rekurs sogar aus, ein derartiges Gutachten sei völlig wertlos und in keiner Weise geeignet, für eine Vaterschaftsfeststellung eine taugliche Grundlage zu bilden.

Das Erstgericht hat somit dem Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes entsprochen, indem es einem Sachverständigen den Auftrag zur Erstattung eines erbbiologisch-anthropologischen Gutachtens erteilte. Nachdem bereits ein Teil dieses Gutachtens zu einem eindeutigen Ergebnis führte, war eine vollständige Erstattung des Gutachtens nicht mehr notwendig. Die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Gutachtens ist daher nicht erforderlich, weshalb die Entscheidung des Erstgerichtes, soweit damit die Wiederaufnahme bewilligt wurde, wiederherzustellen war. Im übrigen hat es aber bei der Aufhebung zu bleiben. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, hätte das Erstgericht, das von der Möglichkeit des § 542 ZPO keinen Gebrauch machte, gemäß § 541 ZPO (ein Ausnahmefall des § 540 Abs 1 ZPO liegt nicht vor) zunächst nur über die Wiederaufnahme entscheiden dürfen (Fasching IV 549 f, Fasching, Zivilprozeßrecht, RZ 2085). Die Entscheidung über die Kosten des Wiederaufnahmsverfahrens war der Entscheidung in der Hauptsache vorzubehalten (Fasching II 357; SZ 20/157; 6 Ob 536/85 uva).

Rechtssätze
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