JudikaturJustiz2Ob53/99d

2Ob53/99d – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingrid G*, vertreten durch Dr. Otto Holter em., Dr. Gerald Wildfelner, Dr. Klaus Holter und Dr. Stefan Holter, Rechtsanwälte in Grieskirchen, sowie der der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenientin Gemeinde E*, vertreten durch den Bürgermeister Josef K*, dieser vertreten durch Dr. Ernst Grubeck und Dr. Johann Bruckner, Rechtsanwälte in Schärding, wider die beklagten Parteien 1. Hermann G*, 2. P* AG, * und 3. B* Versicherungs AG, * sämtliche vertreten durch Dr. Johann Kahrer und Dr. Christian Haslinger, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, wegen eingeschränkt S 201.792 sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 17. November 1998, GZ 3 R 176/98t 28, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 26. Mai 1998, GZ 5 Cg 146/97s 16 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 30. Juli 1998, GZ 5 Cg 146/97s 22), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter sowie der Nebenintervenientin zu Handen ihrer Vertreter die jeweils mit S 12.798 (hierin enthalten S 2.133 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 24. 8. 1997 fuhr der Erstbeklagte als Lenker eines von der Zweitbeklagten gehaltenen und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten Postbusses auf der H* Bezirksstraße durch E* und kollidierte auf Höhe des Hauses E* mit einem Teil der Längsseite des Busses gegen den dort anläßlich des Kirtagmarktes als Verkaufsmobil aufgestellten Ausstellungsbus der Klägerin. Hiedurch wurden beide Fahrzeuge beschädigt sowie die Klägerin auch leicht am Körper verletzt.

Beim Verkaufsmobil der Klägerin handelt es sich um einen Spezialkraftwagen, bei dem sich hinter der Fahrerkabine ein verlängerbarer Verkaufsstand befindet, wobei eine Seitenwand dieses Fahrzeugteils aufgeklappt werden kann und dadurch einen Regen- bzw Sonnenschutz bietet, wobei dieses Seitenelement aus drei Feldern besteht. Am Unfalltag stellte die Klägerin dieses Fahrzeug auf der genannten Bezirksstraße, die eine Hauptdurchzugsstraße durch E* ist, so ab, daß ein Teil der Längsseite ihres Fahrzeuges am Gehsteig, ein Teil auf der Bezirksstraße stand, wobei die auf der Straße befindlichen Räder auf Holzblöcken aufgebockt waren, um eine ebene Verkaufsfläche zu erzielen. Die Fahrbahn ist in diesem Bereich 6,30 m breit, eine Fahrbahnhälfte mißt somit 3,15 m. Im Bereich der Unfallstelle besteht ein Gefälle von etwa 2 %. Die Fahrbahn ist asphaltiert. Rechts und links schließen an die Fahrbahn Gehsteige, die durch Bordsteinkanten abgegrenzt sind, an. In der Mitte der Fahrbahn ist eine Leitlinie angebracht. Die Gehsteige haben in Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen links eine durchschnittliche Breite von 90 cm und rechts von 1,5 m. Das Verkaufsmobil hatte zu einer angrenzenden Gartenmauer einen Abstand von 55 bis 60 cm.

Die Klägerin hatte zu Marktbeginn die straßenseitigen Seitenwände hochgeklappt, sodaß diese nicht über die Fahrbahnhälfte reichten. Die senkrechten Stützen der Seitenwände waren etwa 10 bis 12 cm nach innen versetzt. Unter diesem Dach und teilweise an den Stehern präsentierte die Klägerin ihre Waren (Kinderspielsachen) zum Verkauf. Rechts und links ihres Verkaufsmobils waren noch andere Verkaufsstände bzw auch ein kleiner Kinderspielplatz aufgebaut. Die Art und Weise dieser Aufstellung sowie der Ort der Aufstellung wurde von Vertretern der Gemeinde E* nie beanstandet, ebenso nicht von der örtlichen Gendarmerie.

Bevor die Klägerin zum besagten Markt nach E* gekommen war, hatte sie sich mit der Gemeinde in Verbindung gesetzt, um Einzelheiten hierüber zu erfragen; hiebei wurde ihr mitgeteilt, daß keine Bedenken gegen ihre Teilnahme bestünden und auch kein besonderes schriftliches Ansuchen erforderlich sei, um am Markt teilzunehmen; auch würde keine besondere Platzzuweisung erfolgen. Bereits im Jahre 1979 hatte der Gemeinderat der Gemeinde E* seine Marktordnung für den Dreifaltigkeitssonntag und den Sonntag nach Bartholomäus (24. August) erlassen, wobei im § 3 der Marktordnung die Verkaufszeiten von 7.00 Uhr bis 15.00 Uhr angeordnet sind. § 6 regelt, daß die Gemeinde den Marktfahrern Standplätze zur Verfügung stellt, wobei die Bewilligung über schriftliches oder mündliches Ersuchen erteilt wird. § 7 regelt, daß nach Ende der Verkaufszeit die Standplätze sofort zu räumen und zu reinigen sind. Das Bestehen dieser Marktordnung war der Klägerin nicht bekannt, insbesondere auch nicht die Regelung über die Dauer des Marktes. Sie orientierte sich hiezu an den Mitbewerbern, wobei sich die Gemeinde auch nicht um die Einhaltung des Marktendes kümmerte.

Als gegen 16.00 Uhr das Marktgeschehen abflaute, begann auch die Klägerin ihre Spielwaren in Kisten zu geben und in den Verkaufswagen zurückzuräumen, wobei sie bald das erste der drei Vordachfelder einklappte. Dieser Teil der aufklappbaren Seitenverkleidung ist stärker ausgelegt als die anderen Dachfelder und besitzt daher eine etwas größere Auffälligkeit.

Eine Bewilligung im Sinne des § 82 StVO (für die Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken) hat die Klägerin bis zum Unfalltag bei Marktbesuchen (auch anderswo) nie eingeholt, ebenso nicht für ihre Teilnahme am Augustjahrmarkt in E*, weil sie dies - auch in Übereinstimmung mit ihrer Interessenvertretung (Wirtschaftskammer Oberösterreich) - nicht für erforderlich hielt. Auch die Gemeinde E* hat eine diesbezügliche Bewilligung nicht eingeholt und finden sich auch in der bereits genannten Marktordnung aus dem Jahre 1979 diesbezüglich keine Regelungen.

Der Erstbeklagte fuhr am Unfalltag gegen 16.30 Uhr durch die H* Bezirksstraße mit etwa 20 km/h. Zu dieser Zeit waren kaum mehr Besucher am Markt und die Marktanbieter waren, so wie die Klägerin, bereits mit dem Wegräumen der Waren beschäftigt. Gegen 16.45 Uhr stieß der Erstbeklagte infolge einer Unachtsamkeit zunächst mit dem rechten Außenspiegel samt Träger sowie daran anschließend mit dem Bereich der rechten A Säule gegen das noch aufgeklappte zweite Vordachfeld, was dazu führte, daß das Verkaufsmobil von den Holzblöcken herunter auf die Fahrbahn rutschte und das Vordach herabstürzte, wodurch die Klägerin am Kopf getroffen und verletzt wurde. Ausgehend von der Breite des Postbusses von 2,15 m und der jedenfalls freien Fahrbahnhälfte von 3,15 m bestand ein Toleranzbereich von 45 cm für das (kollisionsfreie) Vorbeifahren am Verkaufsmobil der Klägerin, welches durch die Streifung erheblich beschädigt wurde.

Mit der am 27. 10. 1997 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung ihres mit insgesamt S 306.432,60 samt 12 % Staffelzinsen bezifferten Schadens, hierin enthalten S 511.432,60 Reparaturkosten (später eingeschränkt auf S 367.682), S 30.000 Schmerzengeld, S 5.000 unfallkausale Spesen (später ausgedehnt und präzisiert auf S 12.000 Fahrtkosten sowie S 2.100 für Treibstoff und Vignette) und letztlich S 10.000 Verdienstentgang (später ausgedehnt auf S 60.000), abzüglich S 250.000 von der drittbeklagten Partei geleistete Akontozahlung. Darüber hinaus stellte die Klägerin ein später zur Gänze zurückgezogenes und mit S 20.000 bewertetes Feststellungsbegehren.

Die beklagten Parteien stellten die Schadenspositionen der Klägerin weitestgehend der Höhe nach außer Streit und bestritten im übrigen das Klagebegehren mit der Behauptung, daß die Klägerin ein gleichteiliges Mitverschulden treffe, weil sie einen wesentlichen Teil der H* Bezirksstraße mit ihrem Fahrzeug zu verkehrsfremden Zwecken benützt habe, ohne hiefür eine entsprechende Bewilligung nach § 82 StVO einzuholen. Demgemäß wurde der eigene Fahrzeugschaden am Postbus von (später ausgedehnt) S 69.419,84 als Gegenforderung eingewendet.

Mit Schriftsatz vom (Einlangen bei Gericht) 9. 12. 1997 verkündete die klagende Partei der Gemeinde E* den Streit und forderte diese auf, auf ihrer Seite als Nebenintervenientin dem anhängigen Rechtsstreit beizutreten, was diese mit Schriftsatz vom (ebenfalls Einlangen bei Gericht) 9. 1. 1998 tat. Ihr rechtliches Interesse wurde damit begründet, daß die Klägerin im Falle ihres Unterliegens die genannte Gemeinde mit einem Rückgriff wegen eines angeblichen Nichtvorliegens der entsprechenden behördlichen Bewilligungen belangen könne.

Das Erstgericht sprach mit mehrgliedrigem (§ 545 Abs 3 Geo) Urteil aus, daß die Klagsforderung mit S 201.792 samt Zinsen zu Recht, die eingewendete Gegenforderung hingegen nicht zu Recht bestehe und verurteilte die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand, der klagenden Partei S 201.792 samt Staffelzinsen (hievon im Revisionsverfahren noch strittig: 7,5 % Zinsen aus S 117.682 ab 16. 10. 1997) zu bezahlen; das Zinsenmehrbegehren wurde (zwar ohne gesonderte Staffelung, jedoch unbekämpft und damit rechtskräftig) abgewiesen.

Das Erstgericht beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt - im Hinblick auf die unstrittige Höhe der zuerkannten Klagepositionen wurde von einer Wiedergabe der Feststellungen hiezu Abstand genommen - rechtlich dahingehend, daß um eine Genehmigung nach § 82 StVO nicht die Klägerin als Marktfahrerin, sondern die Gemeinde als Marktveranstalter nachzukommen gehabt hätte. Da ihr auch nicht die Marktordnung der Gemeinde bekannt gewesen bzw bekanntgegeben worden sei, sei ihr auch ein Verstoß wegen der Überziehung der Marktöffnungszeiten nicht vorwerfbar. Das Alleinverschulden treffe daher den Erstbeklagten als Lenker des Postbusses.

Das Berufungsgericht gab der von den beklagten Parteien gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zu den hier maßgeblichen Fragen, ob vom Schutzzweck des § 82 StVO und einer Marktordnungsbestimmung, welche den Endzeitpunkt des Marktes festsetze, auch die Verhinderung von Zusammenstößen zwischen Marktständen und einem Postautobus umfaßt werde, sowie zum Sorgfaltsmaßstab bei Einholung einer Bewilligung nach § 82 StVO eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes aus jüngerer Zeit, soweit ersichtlich, nicht vorliege.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß die Klägerin weder ein Verstoß gegen § 82 StVO noch gegen die Nichteinhaltung des Marktendes laut Marktordnung treffe; der ihr von den beklagten Parteien erstmalig in der Berufung gemachte Vorwurf, das vorgeklappte Dach nicht durch ein rotes Band besonders auffällig abgesichert zu haben, verstoße gegen das Neuerungsverbot und sei daher unbeachtlich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Parteien, in welcher sie ausgehend von einer Verschuldensteilung 1 : 1 die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer kostenpflichtigen Klageabweisung begehren; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin und die ihr beigetretene Nebenintervenientin beantragen, der Revision der beklagten Parteien nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, weil es hier tatsächlich nicht bloß darum geht, ob eine bestimmte Verschuldensteilung angemessen ist, was für sich allein regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO begründen könnte (MGA EKHG6 E 18a zu § 7 mwN). Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Im X. Abschnitt der StVO ist die Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken geregelt. Dies gilt nach § 82 Abs 1 StVO speziell für die Benützung von Straßen zu gewerblichen Tätigkeiten, worunter auch die Durchführung und Abwicklung eines Verkaufsmarktes zählt, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Tätigkeiten im Sinne der Gewerbeordnung (GewO), sondern überhaupt um Tätigkeiten handelt, die auf einen Erwerb schlechthin abzielen (MGA StVO9 Anm 2 zu § 82 und E 54 zu § 82). Unter einem solchen Markt ist nach § 286 Abs 1 GewO 1994 eine Veranstaltung zu verstehen, "bei der auf einem örtlich bestimmten Gebiet (Marktplatz, Markthalle) zu bestimmten Markttagen und Marktzeiten Waren feilgeboten und verkauft werden. Ein [solcher] Markt darf nur aufgrund einer Verordnung der Gemeinde, in der der Markt abgehalten werden soll, stattfinden. Jedermann hat das Recht, auf Märkten Waren nach Maßgabe der von der Gemeinde hiefür durch Verordnung bestimmten Voraussetzungen feilzubieten und zu verkaufen". Gemäß § 337 GewO handelt es sich hiebei um eine Aufgabe der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich. Die Absätze 3 und 4 des § 286 GewO enthalten hier nicht zutreffende Ausnahmen von der Definition des Marktes und damit vom Geltungsbereich der Gewerbeordnung (Bauernmärkte, Märkte mit karitativem/wohltätigem Charakter). § 289 GewO legt fest, unter welchen Voraussetzungen eine Verordnung der Gemeinde nach § 286 Abs 1 GewO zu erlassen ist (Bedarf; Wahrung der öffentlichen Interessen; ungestörter Straßenverkehr; wirtschaftliche Lage der ansässigen Gewerbetreibenden) und welche Regelungen eine solche Verordnung jedenfalls zu enthalten hat; schießlich hat die Gemeinde gemäß § 293 GewO eine als Rechtsverordnung zu qualifizierende (VfGHSlg 9.642) Marktordnung zu erlassen, die neben der genauen räumlichen Abgrenzung des Marktes auch Bestimmungen über die Marktzeiten und Markttage zu enthalten hat (Abs 1 Z 1 und 2 leg cit).

Die Erteilung von Bewilligungen nach § 82 StVO fällt gemäß § 94d Z 9 StVO nur dann in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde, wenn es sich um keine über den Bereich der Gemeinde hinauswirkenden Straßenzüge (bloße Gemeindestraßen) handelt (MGA StVO9 Anm 2 und 3 zu § 94d samt beispielhafter Aufzählung "Straßen geringeren Ranges"; E 8 zu § 94d); Bezirksstraßen sind infolge ihres überörtlichen, über den Bereich der einzelnen Gemeinden hinausgehenden Charakters den Landesstraßen gleichzusetzen (VwGH ZVR 1979/30), sodaß die Erteilung einer Bewilligung nach § 82 StVO diesfalls (und auch im hier vorliegenden Fall, fand doch der Markt samt Unfall auf der H* Bezirksstraße statt) in den Zuständigkeitsbereich der Bezirksverwaltungsbehörde fiel (§ 94b StVO; s hiezu auch die Zuständigkeitsübersicht in MGA StVO9 Anm 3 Z 3 zu § 94b). Strafbehörde für Übertretungen der Bestimmungen des X. Abschnittes der StVO (§ 99 Abs 3 lit d StVO) ist nach § 94b Abs 1 lit b StVO jedenfalls die Bezirksverwaltungsbehörde, nur in Statutarstädten der Bürgermeister (MGA StVO9 Anm 1 zu § 82).

Im vorliegenden Verfahren ist nun nicht zu prüfen, ob die Nebenintervenientin (im folgenden jeweils kurz: Gemeinde) alle diese öffentlich rechtlichen Bestimmungen der GewO eingehalten und beachtet hat. Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen (in Verbindung mit den hiezu von den Parteien vorgelegten Beweisurkunden) steht zwar nicht explizit fest, daß und wann die Gemeinde eine Verordnung nach § 286 iVm § 337 GewO erlassen hatte; es ist jedoch (wovon auch die Parteien im gesamten Verfahren bisher ausgingen) schon aus der Bestätigung der Gemeinde Beilage A abzuleiten, daß jedenfalls für den Kirtag (Augustjahrmarkt) am 24. 8. 1997 eine solche vorlag, wobei aus der darauf fußenden und bereits aus dem Jahre 1979 stammenden Marktordnung (im Sinne des § 293 GewO) ohnedies (unstrittig) Feststellungen zu den auch am Unfalltag geltenden Verkaufszeiten (nämlich 7.00 Uhr bis 15.00 Uhr) getroffen wurden.

Zu prüfen ist vielmehr, ob der Klägerin das Fehlen einer Bewilligung im Sinne des § 82 StVO als Mitverschulden anzurechnen ist. Dem Umstand, daß sie ihr Verkaufsmobil dabei nur teilweise auf der Bezirksstraße, zum übrigen Teil auf dem Gehsteig plaziert hatte, kommt dabei keine eigenständige Bedeutung zu, weil die Bewilligungspflicht für die Benützung von Straßen (§ 82 Abs 1 StVO) nach der Legaldefinition des Begriffes "Straße" in § 2 Abs 1 Z 1 StVO sowohl für den Fahrzeug- als auch für den Fußgängerverkehr bestimmte Landflächen umschließt (Dittrich/Stolzlechner, StVO3, Rz 6 zu § 82). Sowohl in § 82 Abs 5 als auch in § 83 Abs 1 StVO wird dabei ausdrücklich die Erteilung einer Bewilligung nach § 82 Abs 1 StVO vom Erfordernis abhängig gemacht, daß durch die zu bewilligende Straßenbenützung die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des (übrigen) Verkehrs nicht wesentlich beeinträchtigt werden dürfe (ausführlich hiezu Dittrich/Stolzlechner, aaO Rz 27). Dieses Interesse am ungeschmälerten Straßenverkehr nennt auch § 289 Abs 1 GewO als Kriterium für eine Verordnungserlassung durch die Gemeinde nach § 286 Abs 1 GewO. Die Bestimmungen der §§ 82, 83 StVO sind damit jedenfalls als Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB anzusehen (ZVR 1980/344; 2 Ob 207, 208/81; RS0027073). Dadurch, daß die im Unfallbereich 6,30 m breite Fahrbahn der Bezirksstraße jedenfalls durch die straßenseitig (noch) aufgeklappte Seitenwand (Vordach) des Verkaufsstandes so weit eingeengt war, daß zwar hiedurch nicht die Fahrbahnmitte überragt, jedoch eine Fahrbahnhälfte (= 3,15 m) zum weit überwiegenden Teil belegt war (wie sich dies auch aus den Unfallaufnahmen der Gendarmerie im angeschlossenen Strafakt deutlich ergibt), kann der Kausal- und Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzung dieser Schutznorm und dem gerade durch diese Fahrbahnverengung ausgelösten Kollisionsschaden am Fahrzeug der zweitbeklagten Partei nicht zweifelhaft sein (ZVR 1980/344).

Von den Vorinstanzen unterschiedlich beantwortet wurde nun die Frage, wer um die Erlangung einer Bewilligung nach § 82 Abs 1 StVO nachzukommen hat(te). Das Gesetz selbst gibt hierüber keine klare Auskunft. Während das Erstgericht unter Hinweis auf die Sinnhaftigkeit nur eines umfassenden und nicht bloß individuellen Regelungsverfahrens durch jeden einzelnen Marktfiranten Antragsrecht und Antragspflicht dem jeweiligen Marktveranstalter (hier also der Gemeinde) überbürdete, sind die Ausführungen des Berufungsgerichtes wohl nur so zu verstehen, daß die Klägerin (nach Kontaktierung der Gemeinde samt deren Auskunft, daß "kein besonderes schriftliches Ansuchen erforderlich sei") hiezu gehalten gewesen wäre (speziell Seite 9 des Berufungsurteiles), wofür etwa die personenbezogene Strafbestimmung des § 99 Abs 3 lit d StVO (zusätzlich) ins Treffen geführt werden könnte - wobei nach den Feststellungen des Erstgerichtes davon auszugehen ist, daß tatsächlich weder die Klägerin noch die Gemeinde um eine solche Bewilligung bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde nachgekommen sind.

Diese (auch in der einschlägigen straßenverkehrsrechtlichen Literatur und Judikatur bislang unbehandelt gebliebene) Frage kann jedoch letztlich unerörtert und auch ungelöst bleiben. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich bereits in der - insoweit auch für die vorliegende Fallbeurteilung vergleichbaren, da die Bestimmungen der §§ 82, 83 StVO betreffenden - Entscheidung 2 Ob 194/79 (ZVR 1980/344 - Errichtung einer Milchladerampe) ausgesprochen, daß die Unkenntnis verwaltungsrechtlicher Vorschriften nur dann ein Schadenersatzansprüche auslösendes Verschulden (hier: Mitverschulden) zu begründen vermag, wenn sie auf der Außerachtlassung einer im besonderen Fall gebotenen Aufmerksamkeit beruhte (ebenso schon ZVR 1960/302; weitere Nachweise s MGA ABGB33 E 8 zu § 2; Posch in Schwimann, ABGB Iý Rz 6 zu § 2). Im vorliegenden Fall kommt hiebei der Feststellung maßgebliche Bedeutung zu, daß die Klägerin sich vor ihrer Entscheidung, den Markt in E* zu besuchen, pflichtgemäß mit dieser Gemeinde in Verbindung setzte, und ihr dabei die ausdrückliche Auskunft erteilt wurde, daß für die Teilnahme, gegen welche keinerlei Bedenken bestünden, kein besonderes schriftliches Ansuchen erforderlich sei und keine besondere Platzzuweisung erfolgen würde, und sie sich schließlich am Unfalltag auf der Bezirksstraße nach Rücksprache und im Einvernehmen mit den anderen dort ausstellenden Marktfiranten - unbeanstandet von Gemeinde und Gendarmerie - plazierte. Damit kann aber der Klägerin, auch wenn es sich bei ihr - wie in der Revision hervorgehoben wird - um eine "langjährige" Marktfahrerin handelte, die Unkenntnis des Fehlens einer (gesonderten, zusätzlichen) Erteilung einer Bewilligung nach § 82 StVO (für deren Zuständigkeit unter Umständen ja wie ausgeführt - durchaus auch eine Zuständigkeit der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich statuiert ist und damit von der Klägerin bona fide angenommen werden konnte) und das Unterlassen einer unter Umständen selbst zu bewerkstelligen gewesenen Bewilligungsbeantragung bei der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes nicht als Außerachtlassung der nach den Umständen dieses Falles gebotenen Aufmerksamkeit angelastet werden, sodaß ihr auch für den Fall, daß die Rechtswidrigkeit dieser Handlungsweise gegeben und erwiesen wäre, jedenfalls der Beweis für die Schuldlosigkeit der Übertretung der genannten Schutznorm (§ 82 Abs 1 StVO) gelungen ist und sie daher hieraus für den den beklagten Parteien im Zusammenhang mit dem Unfall entstandenen Sachschaden (laut Gegenforderung) nicht zu haften hat; nicht die bloß objektive Übertretung einer Schutznorm schlechthin macht haftbar, sondern nur deren verschuldete Übertretung, wobei der Übertreter freilich seine Schuldlosigkeit zu beweisen hat (MGA ABGB33 E 32 und 34 zu § 1311; Harrer in Schwimann, ABGB VIIý Rz 28 zu § 1311; Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 5/31 und 33). Die Revisionswerber haben hiezu übrigens bereits in ihrer Berufung (S 2 derselben = AS 111 unten) ausdrücklich zugestanden, daß die Klägerin den Markt in E* "zum ersten Mal" besuchte und ihr sohin auch die maßgeblichen Örtlichkeiten und Besonderheiten trotz langjähriger sonstiger Markterfahrung keineswegs bekannt gewesen sind bzw dort auch sein mußten.

Damit kommt aber auch der in der Revision enthaltenen Rüge, das Berufungsgericht habe die Beweisrüge ihrer Berufung zur dort beanstandeten "Feststellung" des Erstgerichtes (eingebettet nämlich nur in die Beweiswürdigung S 16 des Ersturteils), wonach die Marktordnung der Gemeinde (mit ihrer Reglementierung der Verkaufszeiten bis 15.00 Uhr) "nicht ausreichend kundgemacht" worden sei, unerledigt gelassen, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Die Feststellung, daß der Klägerin die Marktordnung nicht im einzelnen bekannt war, wurde nämlich von den beklagten Parteien in ihrer Berufung unbekämpft gelassen und steht damit zwanglos im Einklang mit der vorher bereits rechtlich gewürdigten Negativ Auskunft der Gemeinde. Daß das Berufungsgericht sohin diesen Teil der Beweisrüge der Berufungsschrift unerledigt ließ, begründet damit auch keinen dem Berufungsgericht anzulastenden und relevanten Verfahrensfehler (§ 503 Z 2 ZPO). Unbekämpft steht überdies fest, daß die Klägerin jedenfalls ihren Stand (der zum Unfallszeitpunkt im übrigen bereits im Aufräumen begriffen war) nicht länger aufgestellt hatte, als dies auch bei den übrigen Verkaufswägen der Fall war, ohne daß dies von der Gemeinde (oder Gendarmerie) beanstandet worden wäre - wozu noch kommt, daß selbst bei Einhaltung der Marktordnung gemäß § 7 derselben die Standplatzräumung von den Marktfiranten erst nach Ende der eingeräumten Verkaufszeit (also nach 15.00 Uhr, wenngleich "sofort") gefordert wird.

Einen Verstoß gegen das Ingerenzprinzip dadurch, daß die Klägerin gehalten gewesen wäre, am aufgeklappten Vordach ein dickes rotes Band anzubringen, um so den Auffälligkeitswert desselben zu erhöhen, haben die beklagten Parteien im gesamten Verfahren erster Instanz nie erhoben. Insbesondere trifft es nicht zu, daß derartiges schon in der Klagebeantwortung geschehen wäre, wurde ihr doch hierin ausdrücklich und einzig zum Vorwurf gemacht, die Bezirksstraße mit ihrem Fahrzeug zu verkehrsfremden Zwecken benützt zu haben, ohne hiefür eine entsprechende Bewilligung nach § 82 StVO eingeholt zu haben. Selbst nach Vorbringen des Klagevertreters über den (ohnedies) hohen Auffälligkeitswert der betroffenen Seitenwand (durch die Steher samt Warenangebot: AS 37) in der Streitverhandlung vom 12. 3. 1998 erfolgte kein derartiges, zur Widerlegung erstattetes Beklagtenvorbringen (ON 10). Das Berufungsgericht hat dieses erstmalig in der Berufung erstattete (und nunmehr auch in der Revision wiederholte) Vorbringen daher zutreffend als mit dem Neuerungsverbot (§ 482 ZPO) in Widerspruch stehend und damit unzulässig qualifiziert. Ein derartiges Vorbringen erst im Rechtsmittelverfahren nachzuholen, ist den beklagten Parteien daher durch das Neuerungsverbot verwehrt.

Der Klägerin stehen damit die großteils bereits in erster Instanz ausdrücklich außer Streit gestellten Schadenspositionen laut näherer Aufschlüsselung im Ersturteil ungekürzt, also ohne Anrechnung eines Mitverschuldens zu, weshalb der gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision kein Erfolg beschieden sein kann.

Dies gilt letztlich auch hinsichtlich der einzigen, die Höhe der Klagsforderung bekämpfenden Argumentation der Revisionswerber, nämlich im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zur das gesetzliche Ausmaß übersteigenden Zinsenforderung in Höhe von 7,5 % aus S 117.682 (= Reparaturkosten S 367.682 abzüglich S 250.000 Akontozahlung). Zwar hat das Erstgericht in Seite 15 seines Urteils (AS 89) festgestellt, daß die Kreditvaluta für diese Fremdgeldaufnahme zur Fahrzeugreparatur erst am 8. 1. 1998 zugezählt wurde, die Zinsenbelastung der Klägerin hieraus setzte jedoch bereits am 15. 10. 1997 ein (Ersturteil S 20 unten iVm der diesbezüglichen Lastschriftsanzeige letztes Blatt der Beilage J). Der Oberste Gerichtshof sieht damit keine Veranlassung, den Zinsenlauf hiefür erst "ab Anfang 1998" anzunehmen. Der Umstand, daß sich das Berufungsgericht mit diesem Teil der Rechtsrüge im Berufungsschriftsatz nicht auseinandergesetzt hat, wirkt sich damit im Ergebnis ebenfalls nicht zum Nachteil der Revisionswerber aus (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Aus allen diesen Erwägungen war daher der Revision keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 iVm § 46 Abs 2 ZPO.

Rechtssätze
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