JudikaturJustiz2Ob47/23k

2Ob47/23k – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. März 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A*, vertreten durch Dr. Corvin Hummer, Mag. Birke Schönknecht, Rechtsanwälte in Wien, ihrer Nebenintervenientin O*, vertreten durch Mag. Alain Danner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch Dr. Nina Ollinger, Rechtsanwältin in Purkersdorf, wegen 17.888,72 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. September 2022, GZ 12 R 51/22s 60, mit dem das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 4. Februar 2022, GZ 11 Cg 1/18s 56, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 860,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Beklagte ist Eigentümerin einer Eigentumswohnung und war mit dem Kläger, einem emeritierten Rechtsanwalt, über viele Jahre befreundet. Sie beauftragte den Kläger mit dem Verkauf der Wohnung, wobei der Kläger der Beklagten erklärte, dass er einen Immobilienmakler suchen werde und die Kommunikation über den Kläger laufe. Die Beklagte wollte, dass der Kläger umfassend bevollmächtigt ist, sodass sie von Kontakten mit Dritten „verschont“ bleiben kann. Betreffend des Auftrags wollte sie jeden weiteren Schritt vor allem hinsichtlich des Kaufpreises und des Zeitpunkts der Verfügbarkeit der Wohnung ihrer Entscheidung vorbehalten. Später erklärte die Beklagte dem Kläger, dass die Wohnung doch nicht verkauft werden solle, weil sie diese einem Freund kostenlos vorübergehend als Schreibstube zur Verfügung stellen wolle. Der Kläger wies die Beklagte auf den Anfall von Maklerprovisionen bei einem Verkaufsstopp hin und empfahl ihr, noch einige Monate bis zum Ablauf der Bindungsfrist des Alleinvermittlungsauftrags abzuwarten, was die Beklagte aber ablehnte und gegenüber dem Kläger ihren Wunsch äußerte, dass der Maklervertrag aufgelöst werde. Daraufhin erklärte der Kläger gegenüber der Nebenintervenientin die Beendigung des Alleinvermittlungsauftrags und beglich das offene Maklerhonorar.

[2] Der Kläger begehrt 6.368,72 EUR als Honorar sowie die von ihm ausgelegte Maklerprovision der Nebenintervenientin in Höhe von 11.520 EUR. Er brachte vor, dass ihn die Beklagte beauftragt und bevollmächtigt habe, ihre Wohnung zu verkaufen, wobei der Kläger im Auftrag und mit Einverständnis der Beklagten die Nebenintervenientin als Maklerin mit der Vermittlung beauftragt habe. Wegen grundloser Stornierung des Alleinvermittlungsauftrags durch die Beklagte, habe die Nebenintervenientin die Vermittlungsprovision in voller Höhe in Rechnung gestellt, die vom Kläger beglichen worden sei.

[3] Die Beklagte wandte ein, dass der Kläger auftragslos gehandelt habe. Sie habe ihn nur mit der Bewertung der Wohnung beauftragt und ihn mit einer von ihr unterzeichneten Blanko-Spezialvollmacht nur für den Fall bevollmächtigt, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr in der Lage sei, die Vollmacht zu erteilen. Der Kläger habe mit der Kündigung des Alleinvermittlungsauftrags nicht in ihrem Sinn gehandelt. Er hätte die Beklagte schriftlich über die Folgen aufklären müssen.

[4] Das Erstgericht wies die Klage ab. Zusätzlich zum eingangs zusammengefassten Sachverhalt stellte es ua fest, dass der Kläger die Beklagte im Vorfeld bzw bei der Erteilung des Auftrags (bzw der Vollmacht) über eine Reihe von Umständen im Zusammenhang mit dem Verkauf der Wohnung nicht aufgeklärt habe. Unter anderem habe der Kläger nicht über den Alleinvermittlungsauftrag (inkl dessen Inhalt und Bedeutung), die Art der Verrechnung und den Umstand aufgeklärt, dass man eine Verkäuferprovision auch herunter verhandeln könne. Das Erstgericht ging in rechtlicher Sicht davon aus, dass der Kläger über die angeführten Themen genau aufklären und dann zur Präzisierung des Auftrags auffordern hätte müssen. Hätte der Kläger die Beklagte entsprechend hingewiesen, wäre diese in die Lage versetzt worden, eine Grundlage für die Bewertung ihrer Handlungsalternative zu erhalten. Das hätte der Beklagten ermöglicht, auf dieser Basis eine Entscheidung zu treffen, um die zu erwartenden frustrierten Kosten zu stoppen. Unter anderem aufgrund der Verletzung der Warn- und Aufklärungspflichten stünde dem Kläger kein Honorar zu. Der Kläger habe durch die Bezahlung des Maklerhonorars der Nebenintervenientin eine eigene Schuld beglichen. Es liege kein Rechtsgrund vor, diesen Betrag von der Beklagten zu verlangen.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers mit Teilurteil teilweise Folge und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 10.800 EUR an den Kläger (Ersatz der von ihm bezahlten Maklerprovision). Das die Maklerprovision betreffende Mehrbegehren von 720 EUR wies es rechtskräftig ab. Im Übrigen (nämlich bezüglich des geltend gemachten Honorars des Klägers von 6.368,72 EUR) wurde das Ersturteil mit Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

[6] Das Berufungsgericht ging davon aus, dass die Beklagte das Klagebegehren im Wesentlichen nur mit einem auftragslosen Handeln des Klägers bestritten habe. Auf eine unzureichende Aufklärung durch den Kläger über die vom Erstgericht näher festgestellten Umstände (im Zusammenhang mit der Vollmacht bzw dem Auftrag zum Verkauf der Wohnung) habe sich die Beklagte nicht gestützt. Die entsprechenden Feststellungen zur Verletzung von Aufklärungspflichten seien daher als überschießend nicht zu berücksichtigen.

[7] Aus den sonstigen Feststellungen ergebe sich, dass der Kläger von der Beklagten bevollmächtigt und beauftragt worden sei, ihre Wohnung zu verkaufen. Dieser Auftrag sei ausreichend bestimmt gewesen und habe auch die Beauftragung eines Immobilienmaklers umfasst. Auch der mit der Nebenintervenientin abgeschlossene Allvermittlungs-auftrag sei als übliche Vertragsgestaltung von der Spezialvollmacht gedeckt. Dem Kläger stehe gegenüber der Beklagten wegen des vom ihm auf Grundlage des § 15 Abs 2 Z 1 MaklerG gezahlten Maklerhonorars ein Aufwandersatzanspruch nach § 1041 ABGB zu.

[8] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision nachträglich für zulässig, weil nicht auszuschließen sei, dass der Oberste Gerichtshof die im Ersturteil festgestellten Aufklärungsmängel als vom Vorbringen der Beklagten gedeckt sieht.

[9] Gegen das (die Maklerprovision betreffende) Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren (im Umfang von 10.800 EUR) abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[10] Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; in eventu, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision ist ungeachtet des Ausspruchs des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508 Abs 1 ZPO), nicht zulässig.

[12] 1. Das Rechtsmittel tritt der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht entgegen, dass die Beklagte den Kläger mit dem Verkauf der Wohnung beauftragt habe, dieser Auftrag auch bestimmt gewesen sei und die Beauftragung eines Immobilienmaklers umfasst habe. Ebensowenig wird in der Revision in Zweifel gestellt, dass der Abschluss eines Alleinvermittlungsvertrags als nicht unüblich von der Vollmacht gedeckt sei und der Kläger seinen Anspruch auf Ersatz der von ihm nicht rechtsgrundlos an die Nebenintervenientin bezahlten Maklerprovision gegenüber der Beklagten auf § 1041 ABGB stützen könne.

[13] 2. In der Revision macht die Beklagte ausschließlich geltend, dass die vom Erstgericht im Zusammenhang mit der Vollmacht (bzw dem Auftrag) zum Verkauf der Wohnung getroffenen Feststellungen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sehr wohl von ihrem Vorbringen gedeckt und damit nicht „überschießend“ seien.

[14] Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

[15] 3.1. Das Gericht darf die bei seiner Beweisaufnahme hervorkommenden Umstände nur insoweit berücksichtigen, als sie im Parteivorbringen Deckung finden. Solche sogenannten „überschießenden“ Feststellungen dürfen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (RS0040318). Ob im Hinblick auf den Inhalt der Parteienbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt ( RS0042828 ). Gegenteiliges würde im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann gelten, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar wäre oder gegen die Denkgesetze verstieße (RS0042828 [T11]), das Auslegungsergebnis daher als unvertretbar anzusehen wäre (RS0042828 [T30]). Auch die Frage, ob sich überschießende Feststellungen noch im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendungen halten, hat grundsätzlich keine über den einzelnen Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung ( RS0040318 [T3]).

[16] 3.2.1. Die Beklagte wandte in erster Instanz gegen den Zahlungsanspruch betreffend die Maklerprovision ein, dass der Kläger auftragslos gehandelt und er sie nicht auf die Folgen einer Kündigung des Alleinvermittlungsauftrags hingewiesen habe.

[17] 3.2.2. Wenn die Revision aufgrund dieses Vorbringens der Berufungsentscheidung entgegenhält, die Beklagte habe ohnedies eine Verletzung der Aufklärungspflicht geltend gemacht, blendet sie aus, dass sich ihr diesbezügliches Vorbringen eindeutig nur auf die Folgen der Kündigung eines Alleinvermittlungsauftrags beschränkte.

[18] 3.2.3. Dieses Vorbringen wurde vom Berufungsgericht aber ohnedies berücksichtigt. Nach (der in der Revision nicht mehr angezweifelten) Ansicht des Berufungsgericht liege im Zusammenhang mit der Kündigung des Alleinvermittlungsauftrags am 17. November 2017 (also deutlich nach der Beauftragung des Klägers am 1. Oktober 2017) kein Verstoß gegen Aufklärungspflichten vor, weil der Kläger die Beklagte diesbezüglich hinreichend aufgeklärt habe. Davon zu unterscheiden ist die Aufklärung im Vorfeld bzw bei der Erteilung des Auftrags . Wenn das Berufungsgericht davon ausgeht, dass die vom Erstgericht dazu getroffenen Feststellungen vom Vorbringen der Beklagten nicht gedeckt seien, ist das jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

[19] 3.2.4. Auch der Hinweis auf die Aussagen der Klägerin im Rahmen ihrer Parteiaussage (oder auf eine Zeugenaussage) werfen in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage auf. Nach gesicherter Rechtsprechung können Angaben in der Parteiaussage Prozessbehauptungen nicht ersetzen ( RS0038037 ); das gilt umso mehr für Zeugenaussagen.

[20] 3.2.5. Ebensowenig vermag die Revision nachvollziehbar zu erklären, inwieweit Mängel der Aufklärung vor Beauftragung des Klägers im Verfahren „zumindest angedeutet“ worden sein sollen.

[21] 3.3. Das Rechtsmittel zeigt auch nicht auf, dass überschießende Feststellungen im Anlassfall im Sinne der Rechtsprechung deshalb berücksichtigt werden dürfen, weil sie sich noch im Rahmen der erhobenen Einwendungen halten.

[22] Dem Vorwurf einer mangelnden Aufklärung liegt implizit die Behauptung zugrunde, dass sich die Partei bei gehöriger Aufklärung anders verhalten hätte. Ein solches Alternativverhalten lässt sich mit dem Vorbringen der Beklagten aber schon deshalb nicht vereinbaren, weil von ihr ausdrücklich behauptet wurde, dass der Kläger ohne Vollmacht bzw Auftrag gehandelt habe.

[23] 4. Die Revision ist somit ungeachtet der Zulassung durch das Berufungsgericht zurückzuweisen.

[24] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Der in erster Instanz ausgesprochene Kostenvorbehalt steht einer Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen ( RS0129365 [T3]).

Rechtssätze
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