JudikaturJustiz2Ob37/06i

2Ob37/06i – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1.) Luca P*****, 2.) Marko P*****, 3.) Franjo J*****, alle vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in Wien, infolge ordentlichen Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. Dezember 2005, GZ 44 R 653/05p-7, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 27. Oktober 2005, GZ 11 Fam 8/05i-3, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Wahlvater ist österreichischer Staatsbürger, die Wahlmutter und der am 23. Oktober 1987 geborene Wahlsohn sind kroatische Staatsangehörige.

Die Wahleltern und der Wahlsohn beantragten am 25. Oktober 2005 beim Erstgericht die Bewilligung der Annahme an Kindesstatt aufgrund des Adoptionsvertrags vom 16. Oktober 2005. Der Bruder der Wahlmutter sei mit der Schwester des Wahlkindes verheiratet. Bis September 2005 habe der Wahlsohn in Kroatien gelebt, nunmehr wohne er in Österreich teilweise bei seinem Bruder und teilweise bei den Wahleltern. Davor hätten die Parteien einander fünfzehnmal pro Jahr in Kroatien getroffen, ohne zusammen zu wohnen. Die Eltern des Wahlsohns seien mittlerweile gestorben. Die Wahleltern hätten den Wahlsohn bei ihren Besuchen mit unregelmäßigen Beträgen und in unregelmäßigen Abständen finanziell unterstützt. Die Adoption solle erfolgen, damit der Wahlsohn eine Familie habe und in Österreich bleiben könne, wo auch sein Bruder und seine Schwester lebten.

Das Erstgericht verweigerte die Bewilligung des Adoptionsvertrags. Der Wahlsohn sei zum Zeitpunkt der Antragstellung und der Entscheidung volljährig, nach kroatischem Recht sei aber die Adoption eines Volljährigen nicht zulässig. Überdies fehle die Zustimmungserklärung der leiblichen Mutter. Schließlich liege zwar zwischen Wahleltern und Wahlkind ein Naheverhältnis mit regelmäßigen wechselseitigen Besuchen und wirtschaftlicher Unterstützung vor, dies entspreche aber nicht der von § 180a Abs 1 ABGB geforderten besonderen Intensität der Beziehung.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs der Antragsteller die Abweisung des Bewilligungsantrags und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage zulässig sei, unter welchen Voraussetzungen die nachträgliche Datierung eines ursprünglich undatierten Adoptionsvertrags rechtswirksam möglich sei und welcher Zeitpunkt für die Abgrenzung zwischen Minderjährigen- und Erwachsenenadoption heranzuziehen sei. Zwar liege die erforderliche Zustimmung der leiblichen Mutter infolge Mitunterfertigung des Adoptionsvertrags vor, dieser sei mangels ursprünglicher Datierung - diese sei erst nachträglich im gerichtlichen Bewilligungsverfahren erfolgt - unwirksam. Da das Erfordernis eines datierten Adotionsvertrags materiell-rechtlicher Natur sei, komme eine Verbesserung nicht in Betracht und scheide auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der „rechtzeitigen Vorlage eines datierten Adoptionsvertrags" aus. Eine Erwachsenenadoption scheide nach dem hier auch maßgeblichen kroatischen Recht aus. Auch in Adoptionssachen sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Beschlussfassung maßgebend. Strebten die Beteiligten eine Minderjährigenadoption an, so müsse der Vertragsabschluss und der Antrag auf gerichtliche Bewilligung so rechtzeitig erfolgen, dass nach der üblichen Erledigungsdauer eine gerichtliche Entscheidung vor Eintritt der Volljährigkeit des Wahlkinds möglich sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsteller, mit dem sie eine Bewilligung des Adotionsvertrags anstreben, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass für die Beurteilung der Voraussetzungen für die Adoption der Zeitpunkt der gerichtlichen Beschlussfassung entscheidend ist (3 Ob 509/91 = EFSlg 28/4 uva; zuletzt 2 Ob 201/06g; RIS-Justiz RS0048768). In der E 6 Ob 297/05b = FamZ 2006/48 wurde die Berücksichtigung der Minderjährigkeit des Wahlkinds zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausdrücklich abgelehnt, wenn das Wahlkind zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bereits die Volljährigkeit erreicht hat. Zu 2 Ob 201/06g hat der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass die nach der Antragstellung, aber noch vor der gerichtlichen Entscheidung erster Instanz eingetretene Volljährigkeit des Wahlkinds zu berücksichtigen und die Gefahr eines Willkürakts und damit ein Verstoß gegen den in Art 6 Abs 1 EMRK verankerten Grundsatz des „fair trail" nicht zu erkennen ist, wenn die Antragsteller nur zwei Monate vor Erreichung der Volljährigkeit des Wahlkinds einen Antrag auf Bewilligung des Adoptionsvertrags stellen und das Gericht erster Instanz ohne längere Phasen der Inaktivität seine Entscheidung etwa fünf Monate nach der Antragstellung fällt. Mit dieser zu billigenden Rsp des Obersten Gerichtshofs steht die angefochtene rekursgerichtliche Ablehnung der Adoptionsbewilligung im vorliegenden Fall im Einklang.

Die Annahme an Kindesstatt kommt durch zwei, streng auseinander zu haltende Akte zustande: 1. Abschluss eines schriftlichen Vertrags und

2. gerichtliche Bewilligung der Annahme. Eine nur auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abstellende und daher während des Bewilligungsverfahrens eintretende Umstände außer Acht lassende Beurteilung der gesetzlich geforderten Voraussetzungen für eine Adoption kommt nicht in Betracht, sofern nicht der ausdrücklich geregelte spezielle Fall des Todes des Annehmenden nach Abschluss des Adoptionsvertrags (§ 179a dritter Satz ABGB) eintritt (2 Ob 201/06g mwN).

Weder die Volljährigkeit des Wahlkindes zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung über den Adoptionsbewilligungsantrag noch die Unzulässigkeit der Erwachsenenadoption nach dem kroatischen Heimatrecht des Wahlkinds, das gemäß § 26 IPRG hier maßgeblich ist, ziehen die Antragsteller in Zweifel. Eine Bewilligung der hier zu prüfenden Adoption kam daher von vornherein nicht in Betracht. Die Frage, ob ein Adoptionsvertrag ursprünglich datiert sein muss und ob - wenn ja, unter welchen Voraussetzungen - die Beifügung des Datums des Adoptionsvertrags nachgeholt werden kann, braucht daher hier nicht erörtert zu werden.

Das dem Prozessrecht angehörende Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach einhelliger Lehre ein Rechtsbehelf gegen die Folgen prozessualer Rechtsversäumnisse; im Bereich des materiellen Rechts ist hingegen schon nach dem klaren Wortlaut des § 1450 ABGB jede Wiedereinsetzung ausgeschlossen (stRsp; RIS-Justiz RS0007134). Die Frage nach der Abwendung von Rechtsfolgen der unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung (vor Erreichen der Volljährigkeit des Wahlkinds) stellt sich daher nicht.

Da im vorliegenden Fall erhebliche Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu lösen sind, ist der Revisionsrekurs der Antragsteller zurückzuweisen.