JudikaturJustiz2Ob251/23k

2Ob251/23k – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Januar 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, den Vizepräsidenten Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Roland Gabl Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. S* und 2. D*, beide vertreten durch Mag. Georg Tusek und andere Rechtsanwälte in Rohrbach, wegen 24.061 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Oktober 2023, GZ 1 R 136/23k 16, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 29. Juni 2023, GZ 3 Cg 15/23w-12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.071,43 EUR (darin 345,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Der damals 14-jährige Kläger wurde am 8. 6. 2014 als Fußgänger bei einem Verkehrsunfall durch den vom Erstbeklagten gelenkten und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Pkw verletzt.

[2] Der Kläger begehrt 24.061 EUR an Verdienstentgang.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die Klage als unschlüssig ab.

[4] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision nachträglich zur Klärung der Frage für zulässig, ob sich der Kläger für die Geltendmachung eines Verdienstentgangs konkret auf einen bestimmten Beruf stützen muss, den er ohne das schädigende Ereignis ausgeübt hätte, oder ob der Tatsachenvortrag eines hypothetisch erzielten Einkommens ohne Bezugnahme auf einen konkreten Beruf ausreicht.

[5] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[6] Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; in eventu, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die Revision ist ungeachtet des Ausspruchs des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508 Abs 1 ZPO), nicht zulässig.

[8] 1.1 Verdienstentgang im Sinn des § 1325 ABGB ist der aus der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Verletzten resultierende Einkommensverlust ( RS0030675 ). Welches Einkommen der Geschädigte bei Ausnützung seiner Erwerbsfähigkeit ohne die Unfallfolgen erzielt hätte, kann nur auf Grund hypothetischer Feststellungen über einen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Geschehensablauf beurteilt werden ( 2 Ob 110/16i mwN; RS0030440 [T5]; RS0030911 ). Der Geschädigte hat auch dann Anspruch auf Ersatz eines Verdienstentgangs, wenn er zum Zeitpunkt des Unfalls (noch) nicht im Erwerbsleben stand ( 2 Ob 16/01v ), wenn aber angenommen werden muss, dass er Erwerb gesucht und gefunden hätte ( RS0030440; RS0030484 [T3]; RS0030842 [T2]). Es kommt dafür einerseits auf die persönlichen Verhältnisse des Verletzten (seinen allgemeinen Gesundheitszustand, seine Interessen an einer beruflichen Tätigkeit und Eignung dazu), andererseits auf die allgemeine Lage auf dem Arbeitsmarkt an ( 2 Ob 230/15k ; RS0030911 [T2]). Der Verdienstentgang ist dabei durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, bei welcher der hypothetische Vermögensstand ohne schädigendes Ereignis mit dem tatsächlich nach dem schädigenden Ereignis gegebenen verglichen wird ( 5 Ob 177/21x mwN).

[9] 1.2 Der Geschädigte hat zu behaupten und zu beweisen, dass und wie er seine Arbeitskraft ohne den Unfall und dessen Folgen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eingesetzt hätte ( 2 Ob 191/07p ; 2 Ob 200/11t; 2 Ob 129/19p ; RS0030440 [T4]).

[10] 1.3 Die Durchführung des Beweisverfahrens setzt ein schlüssiges Begehren voraus. Zur Schlüssigkeit der Klage bedarf es der Behauptung der rechtserzeugenden Tatsachen (RS0001252). Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516). Die Schlüssigkeit einer Klage kann dabei nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, ist daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ( RS0037780 ). Eine solche Rechtsfrage liegt nur bei einer krassen Fehlbeurteilung der Schlüssigkeit durch das Berufungsgericht vor ( RS0116144 ; RS0037780 [insb T5]). Eine solche vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt das Rechtsmittel nicht auf.

[11] 2. Nach Ansicht der Vorinstanzen habe der Kläger den behaupteten Verdienstentgang nicht schlüssig darlegen können. Es sei offen geblieben, ob er unfallbedingt um 15 Monate weniger als Kfz-Techniker arbeiten habe können oder ob der Verdienstentgang daraus resultiere, dass er wegen des Unfalls die HAK-Ausbildung nicht abschließen und dadurch den Beruf des Buchhalters nicht habe ausüben können. Der Kläger stütze sich demnach auf zwei unterschiedliche und im Widerspruch zueinander stehende Konstellationen. Zudem sei auch das jeweilige Vorbringen zu den einzelnen Konstellationen in sich widersprüchlich bzw unschlüssig.

[12] 3.1 Dem tritt das Rechtsmittel nicht entgegen. Der Kläger zeigt insbesondere nicht auf, dass er entgegen der Ansicht der Vorinstanzen einen widerspruchsfreien hypothetischen Berufsverlauf dargelegt hätte. Es wird auch nicht ansatzweise ausgeführt, dass er zu einem Hauptvorbringen ein dazu im Widerspruch stehendes bloß hilfsweise erhobenes Eventualvorbringen erstattet habe ( RS0037782 ; 3 Ob 232/17i ).

[13] 3.2 Vielmehr vertritt der Kläger den nicht näher erläuterten Standpunkt, der von ihm geltend gemachte Klagsbetrag würde in der Differenz zwischen dem tatsächlichen Einkommen nach dem Unfall und dem Arbeitserwerb, den er ohne Unfall bei Ausnützung seiner Erwerbstätigkeit nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erzielt hätte, Deckung finden. Ob er das Einkommen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Kfz-Techniker oder als Buchhalter erzielt hätte, sei keine rechtserzeugende Tatsache und für die Schlüssigkeitsprüfung daher unwesentlich.

[14] 4. Damit wirft das Rechtsmittel keine erhebliche Frage auf.

[15] 4.1 Die bloße Behauptung, die Differenz zwischen dem tatsächlichen Einkommen nach dem Unfall und dem Arbeitserwerb, den der Kläger ohne Unfall, bei Ausnützung seiner Erwerbstätigkeit nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erzielt hätte, mache zumindest den Klagsbetrag aus, setzt sich mit den von der Rechtsprechung entwickelten und von den Vorinstanzen vertretenen Grundsätzen zur Schlüssigkeit einer Klage nicht auseinander. Demnach verlangt § 226 Abs 1 ZPO nicht nur ein bestimmtes Klagebegehren, sondern auch die Angabe von Tatsachen, auf welche sich der Anspruch gründet; der Kläger muss also jene Tatsachen knapp und vollständig vorbringen, aus denen sich die begehrte Rechtsfolge ableiten lässt ( RS0037447 [T3]). Die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs setzt daher die ausreichende Konkretisierung und Begründung des eingetretenen Schadens und der Schadenshöhe voraus (vgl RS0037550 ).

[16] 4.2 Schließt man sich dem Standpunkt des Klägers an, es seien zur Frage, wie er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge das behauptete (Mehr )Einkommen erzielt hätte, konkrete Tatsachenausführungen entbehrlich, bliebe im Anlassfall völlig offen, aus welchen rechtserzeugenden Tatsachen sich sein Verdienstentgang ableiten lässt. Damit würde aber ein ausreichendes Tatsachensubstrat fehlen, das erforderlich wäre, um ein Beweisverfahren über die in Punkt 1.1 dargelegten Voraussetzungen für einen Verdienstentgang durchzuführen und vor allem eine hypothetische Einkommensentwicklung vorzunehmen ( 2 Ob 191/07p ). Zudem geht das Rechtsmittel nicht auf die Rechtsansicht des Berufungsgerichts ein, das – im Sinne der oben referierten Judikatur – den Standpunkt vertrat, dass der Verdienstentgang durch eine Differenzrechnung zu ermitteln sei, was im Anlassfall aber schon daran scheitern müsse, weil der Kläger offen gelassen habe, wie hoch sein tatsächliches Einkommen war.

[17] 5. Die Revision ist somit ungeachtet der Zulassung durch das Berufungsgericht zurückzuweisen.

[18] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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