JudikaturJustiz2Ob120/17m

2Ob120/17m – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juli 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr.

Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith, Dr. Musger und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** verstorbenen A***** S*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Verlassenschaftskurators Dr. K***** S*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 8. Februar 2017, GZ 23 R 15/17w 24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortungen wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurswerber zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf.

Auf Vertretungshandlungen des Verlassenschaftskurators ist nicht die – auf die Vertretung durch die Erben (Gesamtrechtsnachfolger) zugeschnittene – Regelung des § 810 Abs 2 ABGB, sondern vielmehr § 167 Abs 3 ABGB (sinngemäß) anzuwenden, der die Fremdvertretung nicht (ausreichend) Geschäftsfähiger regelt (1 Ob 148/16w mwN; RIS-Justiz RS0129074). Nach § 167 Abs 3 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen des Verlassenschaftskurators in Vermögensangelegenheiten der Genehmigung des Gerichts, sofern die Angelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Unter dieser Voraussetzung gehören dazu insbesondere die „Erhebung einer Klage und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen“ (1 Ob 148/16w mwN). Handlungen des Kurators können nur dann genehmigt werden, wenn sie im Interesse der Verlassenschaft liegen, für diese also von Vorteil sind. Hingegen genügt es nicht, wenn diese Handlungen für die Verlassenschaft nur „nicht offenbar nachteilig“ sind (2 Ob 45/15d = RIS-Justiz RS0129074 [T1]).

Bei der Frage, wann die Erhebung einer Klage zu genehmigen oder die Genehmigung zu versagen ist, ist auf den Einzelfall abzustellen und eine grobe Vorprüfung der Erfolgsaussichten anzustellen (RIS-Justiz RS0048142). Es ist nicht unter Vorwegnahme des Zivilprozesses zu untersuchen, ob der Anspruch besteht, sondern vielmehr unter Einbeziehung aller Eventualitäten (lediglich) das Prozessrisiko abzuwägen (RIS-Justiz RS0108029). Es ist zu prüfen, ob die konkret zu beurteilende Klage mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird (5 Ob 175/14t; RIS-Justiz RS0048142). Maßgebend ist, ob in vergleichbaren Fällen ein verantwortungsbewusster gesetzlicher Vertreter den Klageweg beschreiten würde (RIS Justiz RS0108029). Dies ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn die Erfolgsaussichten gering sind und deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit ein erheblicher Vermögensnachteil des Betroffenen durch die Belastung mit Prozesskosten droht (5 Ob 175/14t; 1 Ob 125/16p; RIS-Justiz RS0048156).

Das Rekursgericht hat die beabsichtigte Klagsführung der durch den Verlassenschaftskurator vertretenen Verlassenschaft auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Liegenschaftsübergabevertrags wegen der (von der klagenden Verlassenschaft zu beweisenden, vgl RIS-Justiz RS0014645) Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin nicht genehmigt. Diese Beurteilung im vorliegenden Einzelfall hält sich im Rahmen der dargestellten Grundsätze und ist nicht korrekturbedürftig.

Den Argumenten des Revisionsrekurswerbers ist noch Folgendes zu entgegnen:

Die Entscheidung 1 Ob 7/07x kann die Begründung des Rekursgerichts nicht erschüttern: Diese Entscheidung stellt auf die Situation vor der Einantwortung ab, während sich die Rechtsausführungen des Rekursgerichts auf die Rechtslage nach der Einantwortung beziehen.

Das Rekursgericht hat in einer früheren Rekursentscheidung in diesem Verlassenschaftsverfahren die Bestellung eines Verlassenschaftskurators wegen der Klärung der Rechtswirksamkeit des erwähnten Übergabevertrags gebilligt (ON 16). Auch dies steht der jetzigen Ablehnung der gerichtlichen Genehmigung der Klagsführung nicht entgegen: Das Rekursgericht konnte nämlich aufgrund des erst jetzt vorliegenden Klageentwurfs die Erfolgaussichten dieser Klage beurteilen und hat – wie ausgeführt – vertretbar die Genehmigung der Klagsführung verweigert.

Dem Rechtssatz RIS-Justiz RS0123140 und den dort indizierten Entscheidungen lässt sich zur Bedeutung der Gefahr der Veräußerung der Liegenschaft für die Genehmigung der Klagsführung nichts entnehmen.

Sollten dem Verlassenschaftskurator die medizinischen Unterlagen der Verstorbenen nicht zur Verfügung stehen (vgl 1 Ob 341/99z = SZ 73/87), so stünde eben ein mögliches Beweismittel für die Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin nicht zur Verfügung. Daraus ergibt sich somit kein Argument für die Genehmigung der Klagsführung.

Der Rechtsmittelwerber rügt zu Recht, dass ihm die Rekurse der beiden erbantrittserklärten Erben nicht zur Beantwortung zugestellt wurden, was er als Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens rügt; er macht damit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend.

Die Revisionsrekursgründe sind in § 66 AußStrG taxativ aufgezählt. Dazu gehört auch der in § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG geregelte Rechtsmittelgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs, der aber nicht absolut wirkt, sondern nur dann zur Aufhebung der davon betroffenen Entscheidung führt, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nur dann wahrzunehmen, wenn sie Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung haben konnte (5 Ob 50/17i; 1 Ob 255/15d; 5 Ob 1/09x; RIS-Justiz RS0120213). Wer einen solchen Verfahrensmangel geltend macht, muss darlegen, dass dieser zumindest in abstracto geeignet ist, eine nachteilige Entscheidung zu bewirken (5 Ob 50/17i). Um einen erheblichen Verfahrensverstoß wirksam geltend zu machen, ist die Relevanz des Verfahrensmangels aufzuzeigen (RIS Justiz RS0120213 [T14, T21]).

Dies unterlässt der Rechtsmittelwerber, weshalb seine Verfahrensrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.

Im Übrigen enthält das Rechtsmittel neue Behauptungen (zB die Erblasserin habe seit Monaten an einer unheilbaren Krankheit gelitten; Übergabe stehe im Widerspruch zum Testament; ein Kaufvertrag vom 18. 2. 2016, der vom Übernehmer bereits unterzeichnet worden sei [der sich entgegen der Behauptung im Rechtsmittel nicht im Verlassenschaftsakt befindet]; Möglichkeit, das Pflegepersonal einzuvernehmen).

Aufgrund des ihm entzogenen Gehörs im Rekursverfahren kann der Rechtsmittelwerber im Revisionsrekurs das nachtragen, was er im Rekursverfahren (Rekursbeantwortung) vorgebracht hätte. Im Rekursverfahren ist aber § 49 Abs 2 AußStrG anzuwenden: Danach sind Tatsachen und Beweismittel, die zur Zeit des Beschlusses erster Instanz schon vorhanden waren, nicht zu berücksichtigen, wenn sie von der Partei schon vor der Erlassung des Beschlusses hätten vorgebracht werden können, es sei denn, die Partei kann dartun, dass es sich bei der Verspätung (Unterlassung) des Vorbringens um eine entschuldbare Fehlleistung handelt.

Der Rechtsmittelwerber hat keinen Grund dafür genannt, warum er das Vorbringen im Revisionsrekurs nicht schon in erster Instanz (insbesondere im Klagsentwurf) erstatten hätte können. Die erstmals im Revisionsrekurs vorgebrachten Tatsachen fallen somit unter das Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich.

Soweit der Rechtsmittelwerber Zweifel an der Rekurslegitimation der Rekurswerber (zwei der vier erbantrittserklärten Erben) äußert, führt er dafür keine Gründe an, weshalb darauf auch nichts erwidert werden kann.

Dass die Rekurse den beiden anderen erbantrittserklärten Erben nicht zugestellt wurden, tangiert das rechtliche Gehör des Rechtsmittelwerbers nicht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 185 AußStrG. Außerdem erfolgten beide Revisionsrekursbeantwortungen ohne Freistellung (§ 71 Abs 2 AußStrG).

Rechtssätze
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