JudikaturJustiz2Ob101/07b

2Ob101/07b – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. November 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Versicherungs Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Tramposch Partner in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1.) Daniela M*****, 2.) W***** Versicherung AG, *****, beide vertreten durch Dr. Franz Dorninger, Rechtsanwalt in Wels, wegen EUR 52.755,90 sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 15. März 2007, GZ 2 R 186/06w-18, womit das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 7. August 2006, GZ 31 Cg 105/05i-14, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an

das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 29. 9. 2004 ereignete sich auf der Bundesstraße B 145 bei Straßenkilometer 19,2 ein Verkehrsunfall, an dem ein von Robert K***** gelenkter, bei der Klägerin haftpflichtversicherter Klein-LKW und ein von Christian S***** gelenkter PKW beteiligt waren. Durch den Unfall wurden beide Fahrzeuge beschädigt und Christian S***** lebensgefährlich verletzt. Zum Unfallszeitpunkt befand sich auch ein der Erstbeklagten gehöriger, bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherter PKW in der Nähe der Unfallstelle. Die Klägerin begehrte EUR 52.755,90 sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für sämtliche zukünftigen Schäden aus diesem Verkehrsunfall im Ausmaß von 50 %. Die Klägerin brachte im Wesentlichen vor, die Erstbeklagte habe das von ihr gehaltene Fahrzeug Richtung Gmunden gelenkt. Das in Annäherungsrichtung der Erstbeklagten verordnete Linksabbiegeverbot gelte für den gesamten Zufahrtsbereich der in ihrer Fahrtrichtung gesehen links von der Straße gelegenen Tankstelle. Bei Straßenkilometer 19,2 habe die Erstbeklagte das Beklagtenfahrzeug plötzlich abgebremst, um zur linksseitigen Tankstelle zu gelangen. Auf Grund des Gegenverkehrs habe die Erstbeklagte ihr Fahrzeug zum Stillstand gebracht. Die beiden (unmittelbar) hinter der Erstbeklagten nachfolgenden Fahrzeuglenker hätten deren Fahrzeuge gerade noch rechtzeitig anhalten können. Auf Grund des plötzlichen Abbremsens dieser beiden Fahrzeuge habe der dahinter nachkommende Robert K***** das Klagsfahrzeug nicht mehr rechtzeitig anhalten können; er habe das Klagsfahrzeug nach links in den Gegenverkehr gelenkt. Durch das Ausweichmanöver sei das Klagsfahrzeug frontal mit dem entgegenkommenden von Christian S***** gelenkten PKW kollidiert. Die Erstbeklagte treffe ein Mitverschulden von 50 % am Zustandekommen des Unfalles, da sie gegen die Halteverbote gemäß § 23 Abs 1 und 2 StVO verstoßen habe. Die Klägerin habe als Haftpflichtversicherer des von Robert K***** gelenkten Fahrzeuges sämtliche Kosten der durch den gegenständlichen Vorfall geschädigten Personen zu tragen gehabt, die sich auf bisher EUR 105.511,79 belaufen hätten. Auf Grund des Mitverschuldens der Erstbeklagten sei die Klägerin berechtigt, Regressansprüche im Ausmaß von 50 % gegenüber den Beklagten geltend zu machen. Da die zukünftigen an Christian S***** auf Grund von dessen Verletzungen zu erbringenden Leistungen nicht feststünden, sei auch das Feststellungsbegehren berechtigt.

Die Beklagten bestritten und brachten vor, kurz vor der in Fahrtrichtung der Erstbeklagten linksseitig gelegenen Tankstelle habe der vor der Erstbeklagten fahrende PKW-Lenker seine Fahrgeschwindigkeit verringert, Blinkzeichen zum Linksabbiegen gegeben und sich zur Fahrbahnmitte eingeordnet. Wegen des Gegenverkehrs habe der vor der Erstbeklagten fahrende PKW-Lenker sein Fahrzeug anhalten müssen. Die Erstbeklagte habe zu dem vor ihr fahrenden Fahrzeug einen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten, sie habe ihr Fahrzeug hinter diesem PKW zum Stillstand bringen können. Auch die beiden (unmittelbar) hinter der Erstbeklagten fahrenden Fahrzeuglenker hätten ihre PKW offensichtlich problemlos anhalten können. Robert K***** habe dem Verkehrsgeschehen nicht die notwendige Sorgfalt und Aufmerksamkeit entgegengebracht und dadurch den Verkehrsunfall verursacht. Er sei mit überhöhter Geschwindigkeit und/oder mit massivem Reaktionsverzug und/oder mit zu geringem Tiefenabstand zum vor ihm fahrenden PKW gefahren. Er habe auch dadurch falsch reagiert, dass er auf die Gegenfahrbahn ausgelenkt habe, anstatt auf die vor ihm stillstehenden Fahrzeuge aufzufahren. Das Alleinverschulden am Unfall treffe Robert K*****. Für die Erstbeklagte sei das Unfallsereignis ein unabwendbares Ereignis gewesen. Im Unfallsbereich sei keine Sperrlinie vorhanden gewesen, sondern nur eine Leitlinie. Das in größerer Entfernung von der Tankstelle angebrachte Verbotszeichen „Linksabbiegeverbot" könne sich nur auf die (in Fahrtrichtung Gmunden gesehen) erste Linksabbiegemöglichkeit (zur Tankstelle) beziehen, mangels Zusatzschildes sei daher ein Linksabbiegen bei der späteren Einfahrt erlaubt gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Die Unfallstelle befindet sich im Freilandgebiet auf der Bundesstraße 145 im Nahbereich des Straßenkilometers 19,2. In Annäherung an den Unfallsbereich ist eine Aufteilung in drei Fahrstreifen vorhanden, wobei ein Fahrstreifen in Richtung Gmunden, die beiden anderen in Richtung Autobahnauffahrt bzw Vöcklabruck führen. In Fahrtrichtung der Erstbeklagten Richtung Gmunden erfolgt die Trennung dieser drei Fahrstreifen zwischen den in Richtung Vöcklabruck und den in Richtung Gmunden führenden Fahrstreifen zunächst durch eine doppelte Sperrlinie. 450 m vor dem Straßenkilometer 19,2 sind die Verkehrszeichen „Ende des Überholverbotes" sowie darunter „Einbiegen nach links verboten" (§ 52 Z 3a StVO) ohne Zusatzschild aufgestellt. Zwei Meter nach diesen Verkehrszeichen endet die doppelte Sperrlinie, es folgt eine Leitlinie, deren Streifen jeweils eine Länge von 6 m, die Zwischenräume ca 1,5 m aufweisen. Die Trennung der beiden Richtung Vöcklabruck führenden Fahrstreifen erfolgt durch eine Leitlinie mit weißen Streifen von 6 m Länge und 9 m Zwischenraum. Die Breite des rechten Fahrstreifens Richtung Gmunden beträgt 3,6 m, der mittlere Fahrstreifen ist 3,4 m breit, der rechte Fahrstreifen in Richtung Vöcklabruck ist 3,6 m breit. In Fahrtrichtung Gmunden befindet sich links von der Straße eine Tankstelle. In Fahrtrichtung Gmunden gesehen beginnt die erste Zufahrt zur Tankstelle 25 m vor Straßenkilometer 19,2 und endet 2 m davor. Danach folgt eine Grüninsel, danach die zweite Zufahrt zur Tankstelle, die 25 m nach Straßenkilometer 19,2 beginnt und 50 m danach endet. In Fahrtrichtung Gmunden befinden sich etwa auf gleicher Höhe auch auf der rechten Seite zwei Zufahrten zu einem ehemaligen Tankstellengelände, das bereits längere Zeit stillgelegt ist. Auf den Unfallsbereich ist in Fahrtrichtung Gmunden die Sicht auf eine Entfernung von mehr als 150 m gegeben. Die Kollision zwischen den beteiligten Fahrzeugen erfolgte ca 20 m unterhalb des Straßenkilometers 19,2. Vom Unfallsbereich weiter in Richtung Gmunden beträgt die Sicht mehr als 200 m. Feststellungen zum Unfallshergang traf das Erstgericht nicht. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, der Erstbeklagten werde von der Klägerin vorgeworfen, sie habe beabsichtigt, nach links in die zweite Zufahrt der Tankstelle einzubiegen. Das Vorschriftszeichen „Einbiegen nach links verboten" zeige an, dass das Einbiegen in die nächste Querstraße verboten sei. Das vor der Unfallstelle aufgestellte Verkehrszeichen „Einbiegen nach links verboten" verbiete daher lediglich ein Linksabbiegen in die erste Zufahrt der Tankstelle, nicht jedoch in die zweite Zufahrt. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die Klägerin angehalten habe, weil ein vor ihr fahrendes Fahrzeug nach links habe abbiegen wollen, oder ob sie selbst beabsichtigt habe, links abzubiegen, weil ein allenfalls beabsichtigtes Linksabbiegemanöver weder durch Vorschriftszeichen noch durch Bodenmarkierungen verboten gewesen sei. Auf die von der Klägerin vorgelegte Verordnung zum gegenständlichen Linksabbiegeverbot müsse nicht eingegangen werden, da sich Straßenbenützer vor Benützung einer Straße mit entsprechenden Verordnungen nicht vertraut machen müssten. Straßenbenützer könnten vielmehr auf die aufgestellten Verkehrszeichen vertrauen und ihr Verhalten danach einrichten.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge. Auf die Absicht der die Verordnung (hinsichtlich eines Verkehrszeichens) erlassenden Behörde komme es nicht an, weil ohne Anbringung eines der Verordnung entsprechenden Straßenverkehrszeichens die Verordnung nicht gehörig kundgemacht und den Verkehrsteilnehmern gegenüber nicht rechtsverbindlich sei (8 Ob 249/78 = ZVR 1980/59). Aus dem Tatsachenvorbringen der Klägerin in erster Instanz sei kein Schuldvorwurf gegen die Erstbeklagte im Sinne eines Verstoßes gegen § 21 Abs 1 StVO abzuleiten. Gemäß § 21 Abs 1 StVO dürfe der Lenker das Fahrzeug grundsätzlich nicht jäh und für den Lenker eines nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abbremsen. Überraschend sei ein Bremsen für den Nachfolgenden dann, wenn er ein Hindernis nicht erkennen könne und daher nicht damit rechnen müsse, dass das vorausfahrende Fahrzeug plötzlich abgebremst werde. Unter jähem Abbremsen sei dem Wortsinn nach ein Bremsen zu verstehen, das eine plötzlich einsetzende, ruckartige besonders starke Herabsetzung der Fahrgeschwindigkeit zur Folge habe, wovon die Rechtsprechung bei Verzögerungswerten ab etwa 5 m/sec2 ausgehe. Die Klägerin habe in erster Instanz lediglich vorgebracht, die Erstbeklagte habe ihr Fahrzeug „plötzlich abgebremst", worunter laut Duden ein „unerwartetes, unvermitteltes, überraschendes" Bremsmanöver zu verstehen sei. Dass die Erstbeklagte auch im oben dargestellten Sinn „stark" abgebremst habe, habe die Klägerin hingegen nicht behauptet. Aus dem Umstand, dass dem nachfolgenden Robert K***** ein rechtzeitiges Anhalten nicht mehr möglich gewesen sei, ergebe sich lediglich dessen Verschulden wegen Missachtung von § 18 Abs 1 StVO. Da die Klägerin somit in erster Instanz kein Tatsachenvorbringen erstattet habe, aus dem ein Verschulden der Erstbeklagten gegen § 21 Abs 1 StVO abzuleiten wäre, stelle die Unterlassung der Einvernahme des Zeugen Johannes S***** keinen Verfahrensmangel dar. Soweit die Klägerin in der Berufung auch von einem „jähen Abbremsen" der Erstbeklagten spreche, handle es sich um eine unbeachtliche Neuerung. Das der Erstbeklagten von der Klägerin zum Vorwurf gemachte Zum-Stillstand-Bringen des Beklagtenfahrzeuges sei nicht als „Halten" zu qualifizieren. Wenn die Erstbeklagte zur Tankstelle links zufahren habe wollen und sie wegen des Gegenverkehrs ihr Fahrzeug zum Stillstand habe bringen müssen, so sei dies „durch die Verkehrslage erzwungen" und somit ein „Anhalten" im Sinn des § 2 Abs 1 Z 26 StVO. Das Verbotszeichen „Einbiegen nach links verboten" (§ 52 Z 3a StVO) zeige nach dem Gesetzeswortlaut an, dass das Einbiegen in die nächste Querstraße nach links verboten sei. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Zusammenhang mit § 19 Abs 1 und § 2 Abs 1 Z 17 StVO handle es sich zwar bei Ausfahrten von Tankstellen nicht um Straßen im Sinn des § 2 Abs 1 Z 1 StVO (RIS-Justiz RS0111415). Daraus sei für den Standpunkt der Klägerin jedoch nichts zu gewinnen, würde doch eine Auslegung dieser Bestimmung rein nach ihrem Wortlaut dazu führen, dass das Vorschriftszeichen „Einbiegen nach links verboten" überhaupt nicht in Bezug zu dem Tankstellenbereich zu setzen wäre, nämlich weder auf die erste noch auf die zweite Zufahrt. Abgesehen von der Frage, ob das Verbotszeichen bei einer Entfernung von mehr als 400 m vor Beginn der ersten Zufahrt zur Tankstelle noch in angemessenem Abstand vor der betreffenden Kreuzung (§ 51 Abs 2 StVO) angebracht sei, sei § 52 Z 3a StVO so zu interpretieren, dass das Einbiegen in die nächste Zufahrt verboten sei. Damit werde die vom Linkseinbiegen ausgehende Gefährdung des Verkehrs auf der Bundesstraße im Freilandgebiet insofern verringert, als das Zu- und Abfahren zu und von der Tankstelle dergestalt reguliert werde, dass nicht die erste, sondern nur die zweite an die Bundesstraße anschließende Fläche den Zufahrern zur Tankstelle dienen solle, wodurch ein unnötiges Kreuzen verschiedener Fahrlinien des Verkehrs von und zur Tankstelle hintangehalten werden könne. Ausgehend von dieser Rechtsansicht lägen die behaupteten sekundären Feststellungsmängel (zum Unfallshergang) nicht vor. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Frage der Auslegung eines Abbiegeverbotes (§ 52 Z 3a und Z 3 b StVO) im Zusammenhang mit nicht als Straßen im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 StVO zu qualifizierenden Flächen, nämlich einer Tankstelle und ihren Zufahrten, über den konkreten Rechtsstreit hinaus Bedeutung zukomme. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen; hilfsweise wird der Antrag gestellt, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung abzuändern. Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist wegen auffallender Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof billigt zunächst die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes zur Unbeachtlichkeit der Absicht der eine Verordnung über die Aufstellung eines Verkehrszeichens erlassenden Behörde und zur rechtlichen Einordnung des der Erstbeklagten von der Klägerin vorgeworfenen allfälligen Zum-Stillstand-Bringens ihres Fahrzeuges als „Anhalten". Diesbezüglich genügt es, die Revisionswerberin auf die insoweit zutreffenden Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO analog). Die Revisionswerberin kann dagegen nichts Stichhaltiges ins Treffen führen.

Die Erwägungen des Berufungsgerichtes zum Verbotszeichen „Einbiegen nach links verboten" (§ 52 Z 3a StVO) können insofern auf sich beruhen, als angesichts der Aufstellung ca 450 m vor den Tankstellenzufahrten nicht mehr von einem „angemesenen Abstand vor der betreffenden Kreuzung" (§ 51 Abs 2 StVO) gesprochen werden kann. Berechtigt ist die Revision jedoch, soweit sie ausführt, die Klägerin habe zum behaupteten Verstoß der Erstbeklagten gegen § 21 Abs 1 StVO ein ausreichendes Tatsachenvorbringen (in erster Instanz) erstattet. Bei Verkehrsunfällen kann oftmals bei der Auslegung des Vorbringens zum Unfallshergang kein allzu engherziger Maßstab angelegt werden, will man nicht die Forderung an die Exaktheit des Vorbringens unangemessen überziehen (vgl 2 Ob 179/06x = RIS-Justiz RS0037797 [T42]). Gemäß § 21 Abs 1 StVO darf der Lenker das Fahrzeug nicht jäh und für den Lenker eines nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abbremsen, wenn andere Straßenbenützer dadurch gefährdet oder behindert werden, es sei denn, dass es die Verkehrssicherheit erfordert.

Die Klägerin hat bereits in der Klage - wie schon ausgeführt - in diesem Zusammenhang vorgebracht, die Erstbeklagte habe das Beklagtenfahrzeug plötzlich abgebremst, die beiden (unmittelbar) hinter der Erstbeklagten nachfolgenden Fahrzeuglenker hätten deren Fahrzeuge gerade noch rechtzeitig anhalten können.

Im Sinn der dargestellten Auslegungsgrundsätze ist dies ein ausreichendes Tatsachenvorbringen in Richtung eines der Erstbeklagten vorgeworfenen Verstoßes gegen § 21 Abs 1 StVO.

Die Klägerin hat bereits in der Klage die Einvernahme des Zeugen Johannes S*****, der nach dem Klagsvorbringen einer der Lenker der beiden unmittelbar hinter der Erstbeklagten fahrenden Fahrzeuge war, zum Unfallshergang beantragt. Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht, das Klagsvorbringen enthalte kein ausreichendes Tatsachenvorbringen in Hinblick auf einen möglichen Verstoß der Erstbeklagten gegen § 21 Abs 1 StVO, hat das Berufungsgericht den in der Berufung gerügten Verfahrensmangel der unterlassenen Einvernahme des Zeugen Johannes S***** verneint.

Nach ständiger Rechtsprechung kann zwar ein vom Berufungsgericht bereits verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963). Wenn aber das Berufungsgericht einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht wahrgenommen hat, liegt ein vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmender Mangel des Berufungsverfahrens vor (RIS-Justiz RS0043051). Das erstinstanzliche Verfahren erweist sich daher insoweit als mangelhaft, als das Erstgericht den Zeugen Johannes S***** zum Unfallshergang nicht einvernommen hat. Die Urteile der Vorinstanzen sind zu beanstanden, weil Feststellungen zum Unfallshergang fehlen, die eine rechtliche Beurteilung dahingehend erlauben würden, ob die Erstbeklagte gegen § 21 Abs 1 StVO verstoßen hat und sie demgemäß am Zustandekommen des Verkehrsunfalles ein Mitverschulden trifft. Gegebenenfalls erwiesen sich die eingeklagten Regressansprüche dem Grunde nach als zumindest teilweise berechtigt.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und war dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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