JudikaturJustiz1Ob85/12z

1Ob85/12z – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden und die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Brandtner Doshi Rechtsanwälte OG in Feldkirch, gegen die beklagte und widerklagende Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Lessky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1) Herausgabe (Streitwert 30.500 EUR) und 2) 13.818,65 EUR und Herausgabe (Streitwert 46.969,60 EUR) über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2012, GZ 5 R 257/11t 37, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. September 2011, GZ 34 Cg 58/10a (34 Cg 71/10p) 31, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Berufungsgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die beklagte und widerklagende Partei (Beklagte) plante und installierte für das Fahrsicherheitszentrum der klagenden und widerbeklagten Partei (Klägerin) die technische Einrichtung. Die Klägerin begehrt die Herausgabe diverser Unterlagen (Bedienungsanleitungen, Schaltpläne und andere). Die Beklagte begehrt in ihrer Widerklage 13.818,65 EUR sA und die Herausgabe einer Motorrad Schleuderplatte. Beide Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das Erstgericht wies das Herausgabebegehren der Klägerin im führenden Verfahren zum Teil ab, verpflichtete sie im verbundenen Verfahren über die Widerklage zur Zahlung von 11.996,12 EUR und wies das restliche Zahlungsbegehren der Beklagten sowie ihr Begehren auf Herausgabe ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Ersteren Ausspruch begründete es mit der Bewertung des Begehrens auf Herausgabe der Motorrad Schleuderplatte durch die Beklagte im verbundenen Verfahren. Diese Bewertung bezog sich also offenbar nur auf das Verfahren über die Widerklage. In der Begründung seines Ausspruchs über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision differenzierte das Berufungsgericht hingegen nicht zwischen den beiden Verfahren.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer außerordentlichen Revision bekämpft die Beklagte die Stattgebung des Herausgabebegehrens der Klägerin im führenden Verfahren sowie die Abweisung des Widerklagebegehrens. Das Erstgericht legte diese außerordentliche Revision unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Dieser kann aber derzeit nicht beurteilen, ob und in welchem Umfang er zur Entscheidung über das Rechtsmittel der Beklagten berufen ist.

Die Streitwerte von Klage und Widerklage waren auch bei Verbindung dieser Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung nicht zusammenzurechnen, weshalb die Zulässigkeit der Revision jeweils gesondert zu prüfen ist (RIS Justiz RS0037271; RS0037252). Für jedes Verfahren wären ein eigener Bewertungssausspruch und ein eigener Ausspruch über die Zulässigkeit einer Revision zu treffen (RIS Justiz RS0042626).

Im verbundenen Verfahren könnte nach § 505 Abs 4 ZPO bei einer 30.000 EUR übersteigenden Bewertung des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz durch diese eine außerordentliche Revision erhoben werden, soferne der Ausspruch des Berufungsgerichts über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision (auch) dieses Verfahren erfassen sollte. Das liegt zwar nahe, dennoch ist auch im verbundenen Verfahren eine entsprechende Klarstellung durch das Berufungsgericht angebracht. Sollte das Berufungsgericht im führenden Verfahren seinen Entscheidungsgegenstand mit einem 5.000 EUR nicht übersteigenden Betrag bewerten, wäre die Revision nach § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig. Übersteigt er 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR und spricht das Gericht zweiter Instanz aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, ist eine außerordentliche Revision nicht zulässig (§ 502 Abs 3 ZPO). Nach § 508 Abs 1 ZPO kann allerdings in solchen Fällen eine Partei einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist die ordentliche Revision auszuführen. Der mit dieser verbundene Antrag ist nach § 508 Abs 2 ZPO binnen 4 Wochen beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und nach § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Berufungsgericht zu behandeln. Erhebt in solchen Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses nach § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Dies gilt auch, wenn es als „außerordentliche” Revision bezeichnet wird und an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist. Dieser darf darüber nur entscheiden, wenn das Berufungsgericht nach § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsmittelschriftsatz keinen Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Berufungsgerichts gestellt hat, weil dieser Mangel verbesserungsfähig ist (RIS Justiz RS0109623).

Der Akt ist daher zunächst dem Berufungsgericht zur Ergänzung bzw Klarstellung seiner Aussprüche über die Bewertung des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz und die Unzulässigkeit einer Revision zurückzustellen.

Rechtssätze
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