JudikaturJustiz1Ob6/18s

1Ob6/18s – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. März 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers C***** H*****, vertreten durch Mag. Oliver Lindenhofer und Mag. Leopold Luegmayer, Rechtsanwälte in Amstetten, gegen die Antragsgegnerin R***** H*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen nachehelicher Vermögensaufteilung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 15. November 2017, GZ 23 R 425/17y 40, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Melk vom 11. September 2017, GZ 4 Fam 28/15f 36, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden in der Hauptsache dahin abgeändert, dass Punkt 5. des erstgerichtlichen Beschlusses (Ausgleichszahlung) lautet:

„Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller eine Ausgleichszahlung von 20.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 16. 6. 2015 binnen vier Wochen zu zahlen.“

Die Parteien haben die ihnen in allen drei Instanzen entstandenen Kosten ihrer anwaltlichen Vertretung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Aufteilungsverfahrens sind ausschließlich die Miteigentumsanteile der vormaligen Ehegatten an zwei Liegenschaften sowie das Inventar der ehemaligen Ehewohnung.

Nach dem Tod ihres Vaters erwarb die Antragsgegnerin mit Vertrag vom 26. 3. 1982 das (in der Folge verbücherte) lebenslange und unentgeltliche Wohnungsrecht an der im Dachgeschoß des elterlichen Hauses gelegenen Wohnung, verbunden mit dem Recht auf Mitbenützung weiterer Räume sowie des Gartens und dem Recht auf Alleinbenützung einer Garagenbox. Nachdem auch ihre Mutter, die zuletzt Alleineigentümerin der beiden (in der Natur eine Einheit bildenden) Liegenschaften gewesen war, verstorben war, heirateten die Streitteile am 6. 8. 1983. Der Mann kaufte von den beiden Erben, den Kindern der Frau, insgesamt 70/100 Anteile an den beiden Liegenschaften, wobei der Kaufpreis durch Kreditaufnahmen finanziert und – ebenso wie weitere Investitionen in das Haus – vom Mann während der ehelichen Lebensgemeinschaft abbezahlt wurde. Im Jahr 2003 übertrug der Antragsteller mit einem Schenkungsvertrag je 35/100 Anteile an den beiden Liegenschaften an die Frau, die immer wieder darauf gedrängt hatte, im Grundbuch „angeschrieben“ zu werden. Eine diskutierte Löschung des Wohnungsrechts der Frau unterließen die Ehegatten bewusst, weil sie es als zusätzliche Absicherung gegen allfällige Ansprüche der Kinder ansahen. In der Folge wurde ein wechselseitiges Belastungs und Veräußerungsverbot begründet. Der Mann bezog während der Ehe stets ein weit höheres Einkommen als die Frau und war stets in Vollzeit erwerbstätig. Den Haushalt führte zur Gänze die Frau. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist seit 30. 11. 2012 aufgehoben. Zu diesem Zeitpunkt hatten die in der Ehewohnung vorhandenen Möbel samt Hausrat einen Wert zwischen 500 und 4.000 EUR. Der Gesamtwert der beiden Liegenschaften betrug 111.000 EUR; unter Berücksichtigung eines Abzugs von 15 % für das „Splittereigentum“ hatten die Liegenschaftsanteile (je 35/100) der Parteien einen Wert von je 33.000 EUR. Das Wohnungsrecht der Frau hatte einen Wert von 79.000 EUR. Für einen späteren Zeitpunkt (30. 11. 2015) wurden die Werte im Rahmen eines – vom Rekursgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten – Sachverständigengutachtens mit 127.000 EUR für die Liegenschaften und mit 69.000 EUR für das Wohnrecht festgestellt, womit sich der Verkehrswert der Liegenschaften unter Berücksichtigung des Wohnrechts mit 58.000 EUR ergebe.

Das Erstgericht sprach aus, dass der Liegenschaftsanteil des Mannes der Frau übertragen werde, das wechselseitige Belastungs und Veräußerungsverbot zu löschen sei, der Hausrat – mit Ausnahme der Schlaf und Wohnzimmereinrichtung – der Frau zugewiesen werde und diese schuldig sei, dem Mann eine Ausgleichszahlung von 40.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 16. 6. 2015 (Tag der Antragstellung) zu leisten. Es ging bei der Bewertung des vorhandenen Liegenschaftsvermögens von den Werten zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft aus. Aus dem Gesamtwert der Liegenschaften unter Berücksichtigung eines Abzugs von 15 % für das „Splittereigentum“ errechne sich für die je 35/100 Anteile der Parteien ein Wert von je 33.000 EUR. Bei der Aufteilung sei auch zu berücksichtigen, dass der Wert der Liegenschaftsanteile der Frau aus einer Schenkung des Mannes stamme. Würden nun die Liegenschaftsanteile des Mannes an die Frau übertragen, so verbleibe dieser ein in der Ehe geschaffener „sowie lastenfreier“ Wert von insgesamt 66.000 EUR. Außerdem verbleibe ihr der Großteil der Möbel und des Hausrats. Da der überwiegende Beitrag zur Schaffung all dieser Werte vom Antragsteller geleistet worden sei, dem nur die Schlaf und Wohnzimmereinrichtung verbleibe, sei dieses Ungleichgewicht durch eine von der Frau zu leistende Ausgleichszahlung zu beseitigen, wobei ein Betrag von 40.000 EUR, als von rund 60 % des Werts der Liegenschaftsanteile, sowohl den überwiegenden Beiträgen des Antragstellers als auch den Grundsatz der Billigkeit angemessen Rechnung trage. Ein Abzug für das der Frau am Haus zustehende Wohnungsrecht sei hingegen bei der Ermittlung des Werts der Aufteilungsmasse nicht vorzunehmen. Ziel der nachehelichen Aufteilung sei es nämlich, nach dem Grundsatz der Billigkeit für eine möglichst ausgeglichene und gerechte Verteilung der vorhandenen Aktiva und/oder Passiva zu sorgen. Dabei sei zu bedenken, dass es der Frau jederzeit freistehe, auf ihr Wohnungsrecht zu verzichten. Es wäre unbillig, das Wohnungsrecht der Frau im Aufteilungsverfahren „wertmindernd zu berücksichtigen“ und dem Mann einen dementsprechend geringeren Wert seines Liegenschaftsanteils zuzubilligen, während die Frau in weiterer Folge auf ihr Wohnungsrecht verzichten und somit bei einem Verkauf einen weit höheren Preis für diesen Liegenschaftsanteil erzielen könnte.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung nur insoweit (geringfügig) ab, als es der Frau den gesamten Hausrat zuwies; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Abweichend vom Erstgericht ging es allerdings davon aus, dass die Bewertung der Vermögensgegenstände zum Zeitpunkt der Entscheidung im Aufteilungsverfahren maßgeblich sei, weshalb die zum Stichtag 30. 11. 2015 ermittelten Verkehrswerte heranzuziehen seien, wobei sich für die Liegenschaftsanteile im Ausmaß von 35 % unter Berücksichtigung einer 15%igen Wertminderung aufgrund des „Splittereigentums“ ein Wert von rund 37.800 EUR ergebe, der dem Mann als Ausgleichszahlung zustehe. Da auch die Schlafzimmer und Wohnzimmereinrichtung der Frau zuzuweisen seien, zumal es sich dabei um Einbaumöbel von geringem Verkehrswert handle, sei unter Berücksichtigung eines angenommenen Restwerts von 2.000 EUR die Ausgleichszahlung mit 40.000 EUR festzusetzen. Eine Wertminderung der Liegenschaftsanteile durch ein dem Mehrheitseigentümer selbst eingeräumtes Wohnrecht sei nicht anzunehmen, könne doch die Frau über ihr Wohnrecht alleine verfügen. Beschließe sie, „die Liegenschaft“ zu verkaufen, könne sie jederzeit die Löschung des Wohnungsrechts erwirken und müsse keinerlei Wertminderung in Kauf nehmen. Zudem gehe die Frau aktenkundig ohnedies von einer weiteren Nutzung des Objekts aus, welches somit nicht zur Verwertung bestimmt sei, weshalb sich für sie aus dem grundbücherlich eingetragenen Wohnungsrecht „überhaupt keine Nachteile“ ergäben. Da sich die Entscheidung im Rahmen der ständigen Rechtsprechung halte, sei die Nichtzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses auszusprechen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs zulässig, weil die Vorinstanzen zu Unrecht angenommen haben, dass das Wohnungsrecht der Frau, das bereits vor der Eheschließung bestanden hat, bei der Ermittlung der während der Ehe zustande gekommenen Wertschöpfung außer Betracht zu bleiben habe. Das Rechtsmittel ist auch teilweise berechtigt.

Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass während der ehelichen Gemeinschaft insoweit eine Vermögensvermehrung stattgefunden hat, als – mit während der Ehe erworbenen Mitteln – Miteigentumsanteile im Ausmaß von 70 % an den beiden Liegenschaften erworben wurden. Dass der Mann als ursprünglicher Miteigentümer die Hälfte davon später der Frau geschenkt hat, hat für die Beurteilung als eheliche Errungenschaft keine Bedeutung. Warum sie (wertmäßig) nur die Hälfte dieser Errungenschaft der Aufteilung unterziehen will, ist nicht verständlich.

Die der Aufteilung unterliegenden Vermögenswerte sind grundsätzlich mit ihrem Verkehrswert anzusetzen (1 Ob 162/08t = RIS Justiz RS0043536 [T8]). Darauf, ob im konkreten Fall Veräußerungsabsichten bestehen, kommt es regelmäßig nicht an. Ist der Verkehrswert eines mit einem Wohnrecht belasteten Hauses zu ermitteln, ist diese Belastung wertmindernd zu berücksichtigen (RIS Justiz RS0112312 [T2]). Nur ausnahmsweise können Abweichungen von der grundsätzlich gebotenen Orientierung am Verkehrswert erfolgen, sofern dies angesichts der besonderen Umstände des zu beurteilenden Falls iSd § 83 Abs 1 EheG der Billigkeit entspricht (1 Ob 162/08t mwN; 1 Ob 241/13t).

Derartige Billigkeitsgesichtspunkte sind im vorliegenden Fall aber entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen nicht zu erkennen. Die Frau hat ein (weitreichendes) Wohnungsrecht an dem nun im Miteigentum der Streitteile sowie der Kinder der Frau stehenden Haus in die Ehe eingebracht und verfügte damit – ganz unabhängig von einem späteren Erwerb von Miteigentumsanteilen – über eine gesicherte Wohnmöglichkeit, die ihr auch im Zuge der nachehelichen Vermögensaufteilung – ohne Schmälerung ihres Anteils an der ehelichen Errungenschaft – erhalten bleiben soll. Dieses (verbücherte) Wohnrecht ist von jedem (Mit )Eigentümer der Liegenschaft – und auch von einem allfälligen Erwerber von Liegenschaftsanteilen – zu respektieren und mindert damit den Liegenschaftswert bzw den Wert von Liegenschaftsanteilen erheblich. Der durch den während der Ehe erfolgten Eigentumserwerb erlangte Vermögensvorteil der Ehegatten ist lediglich im Umfang des Verkehrswerts der mit dem Wohnrecht belasteten Liegenschaftsanteile eingetreten. Warum der Frau zugesonnen werden sollte, auf ihre bereits bei der Eheschließung bestehende Rechtsposition, die nach den Feststellungen 69.000 EUR wert ist, im Ergebnis zugunsten des Mannes zu verzichten, um eine Werterhöhung der Liegenschaftsanteile herbeizuführen, ist nicht zu erkennen. Gerade weil das Rekursgericht davon ausgeht, dass die Frau das „Objekt“ weiter selbst nutzen und nicht verwerten will, müsste es doch gerade berücksichtigen, dass sie von einem allenfalls (durch Verzicht auf ihr Wohnrecht) gestiegenen Verkehrswert keinen wirklichen Vorteil hätte. Darüber hinaus übersehen die Vorinstanzen offenbar, dass die gesamte betroffene Liegenschaft mit ihrem Wohnungsrecht belastet ist, also auch jene Anteile von 30 %, die im Eigentum ihrer Kinder stehen. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts kann daher keineswegs davon gesprochen werden, die Frau hätte die Möglichkeit „die Liegenschaft“ zu verkaufen. Da das Wohnungsrecht notwendigerweise auf der gesamten Liegenschaft haftet, könnte die Frau einen höheren Preis für ihren Liegenschaftsanteil überhaupt nur dann erzielen, wenn sie gleichzeitig auch den weiteren Miteigentümern – durch Verzicht auf ihr Recht – einen Vorteil zuwendet. Warum es – insbesondere bei fehlender Verkaufsabsicht – der Billigkeit entsprechen sollte, von der Frau einen Verzicht auf schon vorehelich begründete Rechtspositionen zu verlangen, um – noch dazu nach der Aufteilung – eine Werterhöhung der in die Aufteilungsmasse fallenden Liegenschaftsanteile herbeizuführen, ist nicht zu erkennen. Die Rechtsbehauptung des Revisionsrekursgegners, das Wohnrecht sei mit dem Erwerb von 35/100 Anteilen durch die Frau gemäß § 1445 ABGB ihm gegenüber untergegangen, ist unverständlich und wird auch nicht begründet.

Damit ist die Rechtsauffassung der Revisionsrekurswerberin zu folgen, dass bei der Bewertung der aufzuteilenden Liegenschaftsanteile die Belastung durch das Wohnrecht zu berücksichtigen ist. Geht man – mit dem Rekursgericht, das zutreffend für die Wertermittlung auf den spätestmöglichen Zeitpunkt im Verfahren abgestellt hat – von einem Wert der Gesamtliegenschaft von 127.000 EUR und einem um 15 % geringeren Wert der einzelnen Liegenschaftsanteile aus, gelangt man für die Anteile der Streitteile im Umfang von insgesamt 70 % zu einem Liegenschaftswert von 75.600 EUR. Zieht man davon die anteilige Wertminderung durch das Wohnrecht in Höhe von rund 48.300 EUR ab, ergibt sich ein Verkehrswert der (belasteten) Liegenschaftsanteile von rund 27.300 EUR. Zählt man diesem den Wert des Inventars, der im Rahmen von 500 bis 4.000 EUR liegt, mit einem Mittelwert hinzu, gelangt man zu einer ehelichen Wertschöpfung im Ausmaß von rund 30.000 EUR, die angesichts der sonst unveränderten Aufteilungsentscheidung des Rekursgerichts der Frau zukommt.

Angesichts der getroffenen Feststellungen haben die Vorinstanzen richtig darauf hingewiesen, dass der Beitrag des Mannes zur Vermögensvermehrung während der ehelichen Lebensgemeinschaft höher anzusetzen ist als jener der Frau. Damit erscheint es gerechtfertigt, der Frau eine Ausgleichszahlung in Höhe von 20.000 EUR samt den begehrten Zinsen, die von ihr nicht bekämpft wurden, aufzuerlegen.

Für die Kostenentscheidung ist von einem annähernd gleichwertigen Verfahrenserfolg der Streitteile auszugehen. Damit hat gemäß § 78 Abs 2 und 3 AußStrG ein Ersatz der (allein verzeichneten) Vertretungskosten nicht stattzufinden. Da beide Streitteile Kostenersatz beansprucht haben, hat ein Ausspruch gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 AußStrG iVm § 70 Satz 2 ZPO nicht zu erfolgen (vgl nur M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 II/1 § 70 ZPO Rz 6); über eine allfällige (teilweise) Einhebung der angefallenen Pauschal und Sachverständigengebühren ist gemäß § 20 GGG bzw § 2 Abs 3 GEG im Verwaltungsweg zu erkennen.

Rechtssätze
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